„Ereignis-Karikaturen“: Geschichte in spöttischen Bildern

Von Bernd Berke

Münster. Eine Wildsau mit preußischer Pickelhaube steckt in der Falle, auf der „Verdun“ steht. Bismarck geht von Bord eines Schiffs, spielt Schach gegen den Papst. Napoleon trifft am Rande des Schlachtfelds ein Skelett.

360 sinnfällige Beispiele dafür, wie Zeichner zwischen 1600 und 1930 komplizierte politische und gesellschaftliche Vorfälle mit variiert wiederkehrenden Ausdrucksmitteln karikieren, sind ab Sonntag im Münsteraner Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte zu sehen. „Ereignis-Karikatur“ heißt die Ausstellung.

Die bissig-oppositionellen, in nationalen Hurrah-Zeiten oft aber auch offiziös-propagandistischen Drucke stammen zu zwei Dritteln aus dem Fundus des Landesmuseums. Leihgaben kamen unter anderem vom Dortmunder Institut für Zeitungsforschung. Besonders interessant für Revierbewohner: Spottbilder aus der Zeit des „Ruhrkampfs“.

Die Vorbereitung dauerte zwei Jahre. Damit die große Zeitspanne einigermaßen repräsentativ erfaßt werden konnte, mußten tausende von Karikaturen gesichtet werden. Da die Akzente überdies auf Regional-, National- und Kontinental-Historie liegen, hatte man ein weites Feld zu beackern.

Dennoch mutet die getroffene Auswahl nicht zufällig an. Grundforme(l)n dessen, was immer wieder aus spitzen Federn floß, werden erkennbar. Etwa die „Axt am Baum der Freiheit“: Nicht nur Innenminister Zimmermann setzt sie in neuesten Karikaturen an. Dieses Motiv war schon im 17. Jahrhundert geläufig. Epochenübergreifendes Bildmuster auch: Einzelpersonen werden stellvertretend für im Krieg unterlegene Heere verhauen oder bekommen Kanonen zum Frühstück serviert. Übrigens: Spruchblasen – Urelement der späteren Comics – tauchten seit dem 17. Jahrhundert vermehrt auf.

Der Besucher muß viel Zeit mitbringen. Die Beleuchtung (vorschriftshalber matte 50 Lux) ist schwach, die Zeichnungen erfordern indessen genaues Hinsehen. Das Landesmuseum leistet jedoch dreifache Hilfestellung zum besseren Verständnis: Im Katalog (35 DM) wird der historische Hintergrund jedes einzelnen Exponats dargestellt. Eine Diaschau in den Ausstellungsräumen vertieft das Gesehene (man sollte sie erst zum Schluß anschauen, sonst verblaßt die Wirkung der teilweise sehr kleinen Original-Drucke). Schließlich findet sich unter jedem Bild eine Kurz-Erläuterung.

Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte (Münster, Domplatz 2): „Ereignis-Karikatur“. Geschichte in Spottbildern 1600-1930. Bis 13. November.