Ring frei zum großen Ehekrach – „Offene Zweierbeziehung“ von Dario Fo in Wuppertal

Von Bernd Berke

Keine Frage, daß eine Premiere von Dario Fos Ehekrach-Stück „Offene Zweierbeziehung“ zum Silvesterabend paßt, denn es brennt am letzten Tag des Jahres eben nicht nur Feuerwerk ab, auch in „Zweierkisten“ wird’s da zuweilen brenzlig.

Auf die Honigmond-Fassade, die übers Jahr die Risse im Beziehungs-Gebälk oft besser verbirgt, spielt Rosemarie Krines‘ Bühneneinrichtung der Wuppertaler Inszenierung (Regie: Helmut Palitsch) sattsam mit Kitsch- und Harmonie-Signalen an: Die Aufbauten leuchten rosarot und himmelblau, auch ein Tannenbäumchen fehlt nicht; die beiden Akteure bewegen sich gar durch ein Bodengewölk von zahllosen Bettfedern, die freilich im Eifer des Streitgefechts aufgewirbelt werden und bis weit in den Zuschauerraum driften. Doch derlei wattierte Niedlichkeit täuscht natürlich: Die Souffleuse schlägt immer mal wieder auf einen Gong: Ring frei zur nächsten Runde im Ehekampf!

Die Geschichte ist schnell erzählt: Der Mann will endlich ungestraft fremdgehen, nennt dies aber – mit pseudolinken Sprüchen gewappnet – „die Zweierbeziehung öffnen“. Allerdings soll die „Öffnung“ nur auf seiner Seite erfolgen. Kaum macht seine Frau ebenfalls Ernst, wird ihm mehr als mulmig zumute. Garniert ist das Ganze mit turbulenten Einblicken in den alltäglichen Geschlechterkampf, wobei die einander zausenden Eheleute zuweilen episch aus ihren Rollen fallen und das Publikum zum Zeugen anrufen.

Maria Pichler und Erich Leukert lassen sich das Spiel-„Futter“ des Stücks nicht entgehen und sorgen für herrliches Lachtheater, das auch nicht eine Minute langweilig wird. Bewundernswert auch ihre physische Leistung: Zu Silvester spielten sie das temporeiche Zweipersonen-Stück gleich zweimal hintereinander.




Saufen und sauigeln – „Richards Korkbein“ in Wuppertal

Von Bernd Berke

Wuppertal. Im Foyer konnten sich die Premierenbesucher mit Guinness und Irish Whiskey auf Geistigkeit von der Grünen Insel einstimmen.

Der Extra-Anwärmung hätte es diesmal nicht unbedingt bedurft. Auf der Bühne gab’s nämlich wohl die erfreulichste Wuppertaler SchauspielAufführung dieser Saison: „Richards Korkbein“, jenes vom irischen Saufbold und knasterfahrenen IRA-Kämpfer Brendan Behan unvollendet hinterlassene Potpourri aus Saufgelagen, Hurengesängen und Religionslästerung, in dem immer wieder republikanisches Pathos aufflackert.

Nachlaßverwalter haben das 1961 verfaßte Fragment ergänzt und auf abendfüllende Länge gebracht. Von Struktur kaum eine Spur. Die Brüche fallen bei einer Nummern-Dramaturgie allerdings nicht übermäßig ins Gewicht. Vor allem nicht, wenn mit so leichter und sicherer Hand inszeniert wird wie von Jürg Low. Er führt das Ensemble zu einer soliden Gesamtleistung, aus der Erich Leukert als „Mr. Cronin“ herausragt.

Andernorts mag man das weniger glatt zu spielen versuchen. Da dem Stück schwerlich ein durchgängiger, „tieferer“ Sinn zu entlocken sein dürfte, ist es legitim, gleich ganz auf die unterhaltenden Elemente zu setzen. Die Schocks von ehedem (sauigeln und saufen auf dem Friedhof) sind sowieso keine mehr, sie können getrost nebenbei hingesagt werden. Und auch die wenigen politischen Aussagen Behans haben Patina angesetzt.

Im Bühnenbild von Helmut Stürmer wird der Hauptort der Handlung, der Friedhof, vermittels einiger „Rostlauben“ in die unmittelbare Nachbarschaft eines Autofriedhofs gerückt. Eine Girlande bunter Glühbirnen erzeugt Tingeltangel-Effekte. Stimmige Kulisse für die Song-Auftritte, die vor allem Horst Fassel („Bonnie Prinz Charlie“) und Andrea Witt („2. Nutte“) zu liegen scheinen. Die Musik (Hansgeorg Koch) freilich klingt in den wenigsten Momenten „irisch“, sie kommt in einem etwas unentschiedenen „übernationalen“ Idiom daher.

Verdienter, wie gewohnt minutenlanger Beifall des Publikums in Wuppertal.