Die Eintrittskarte ist noch da: Vor 50 Jahren wurde das Westfalenstadion eröffnet

Meine Original-Eintrittskarte vom 2. April 1974. (Foto: Bernd Berke)

Irgendwo musste ich sie doch noch verwahrt haben, diese historische Eintrittskarte. Und tatsächlich: In einem Nostalgie-Ordner steckte sie noch. Wie könnte ich sie wegwerfen! Manche mögen sogar sagen, es sei eine Art „Reliquie“.

Heute vor genau 50 Jahren (jaja, man wird nicht jünger) berechtigte das Ticket zum Eintritt ins damals nagelneue Dortmunder Westfalenstadion, wo am 2. April 1974 um 20 Uhr das Eröffnungsspiel des BVB gegen den langjährigen Revier-Rivalen FC Schalke 04 anstand. Die Blauen gewannen 3:0. Es waren andere Zeiten, fürwahr.

Man hätte damals meinen können, das Stadion sei zur Unzeit errichtet worden, war Borussia Dortmund doch 1972 in die Zweite Bundesliga abgestiegen. Doch 1976 gelang der Wiederaufstieg. Welche rasante und vielfach aufregende Entwicklung der BVB seither genommen hat, lässt sich auch hieran ermessen: 1974 war es noch relativ leicht, einen Platz auf der nachmals so legendären Südtribüne zu ergattern. Dabei fasste das Stadion damals „nur“ 54.000 Zuschauer. Heute passen nach diversen Um- und Ausbauten 81.365 hinein – und selbst bei vermeintlich weniger attraktiven Gegnern ist alles bis auf den letzten Platz ausverkauft. Der Dortmunder „Tempel“, wie ihn viele Fans nennen, hat denn auch unter allen Stadien weltweit den höchsten Zuschauerschnitt.

Im Februar 2022 trug der BVB sein 1000. Heimspiel aus. Die Anfänge der Bundesliga (ab 1963) gab’s noch im benachbarten Stadion Rote Erde, das im Juni 1926 eröffnet worden war. Die dortige Atmosphäre, erstmals als Kind persönlich erfahren zur Mitte der 60er Jahre, war auf andere Weise unvergleichlich und unvergesslich. Allein zu erleben, wie viele Menschen seinerzeit auf Bäume geklettert sind, um besser zu sehen… Insgesamt war’s viel mehr Behelf, aber auch mehr Ursprung. Authentisches Ruhrgebiet halt. Hach ja.

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Nachtrag: Und woher hat das Westfalenstadion seinen Namen? Der kristallisierte sich bei einer Leserumfrage zur Bauphase 1971 heraus. Seinerzeit gehörte Günter Hammer, Chefredakteur der Westfälischen Rundschau (den ich dort auch noch als Chef erlebt habe), dem BVB-Wirtschaftsrat an. Er forcierte die Umfrage in der Rundschau, bei der sich die große Mehrheit für den Namen Westfalenstadion entschied.

P. S.: Seit 2005 trägt das Westfalenstadion in geschäftlicher Hinsicht den in Dortmund wenig geliebten Sponsoren-Namen „Signal Iduna Park“ – laut laufendem Vertrag mindestens bis zum Jahr 2031. Aber muss man es deshalb alltäglich so nennen? Nö.




Picassos neue Heimat liegt mitten in Westfalen – In Münster eröffnet ein erstaunliches Museum mit rund 800 Lithographien

Von Bernd Berke

Zeit für ein kleines Städtequiz. Wir nennen die klingenden Namen Barcelona, Paris und Antibes in Südfrankreich. Frage: Welcher Ort gehört noch in diese Reihe?

Seit gestern: Münster. Denn hier gibt es jetzt das weltweit vierte Museum, das ausschließlich dem Werk des Pablo Picasso (1881-1973) gewidmet ist. Rund 800 Picasso-Lithographien („Steindrucke“) nennt das schmucke neue Doppelhaus im Druffelschen Hof und dem benachbarten Hensenbau sein Eigen.

Damit besitzt man nahezu Picassos Gesamtwerk in dieser Technik. Nur etwa zehn bis zwölf weitere Arbeiten dürften noch irgendwo auf dem Markt herumgeistern – zu handelsüblichen Preisen zwischen 1000 und 200.000 Mark pro Stück. Natürlich hortet Münster die Blätter nicht exklusiv, denn Picasso hat seine Lithographien meist in Auflagen um 50 Exemplare herstellen lassen. Auch ist in Antibes, direkt an der Côte d’Azur, das Ambiente noch eine Spur grandioser. Doch wir wollen nicht meckern. Im Gegenteil.

Gestern konnte man sich beim ersten Rundgang staunend überzeugen: In einem relativ kurzen „Litho-Rausch“ (etwa von 1945 bis 1950) hat Picasso weite Sektoren seines ungeheuren Themenkreises auch beim Stein- und Zinkplatten-Druck ausgeschritten.

Warum die Frau grüne Haare hat

Man kennt die Grundmotive und freut sich immer wieder über die Vielfalt, die der Meister ihnen abgewann: Figuren aus Mythos und Bibel, Stiere, Gaukler, Faune; und besonders Frauen, Frauen, Frauen. Denn Picasso hatte – ähemm! – nicht nur einen hohen „Verbrauch“ an Farbe, Leinwand und Papier…

Eine der schönsten Serien heißt „Frau mit grünem Haar“ (1943). Der ewige Konkurrent Matisse hatte Picassos Gefährtin Françoise Gilot gesehen und verzückt gemeint, man müsse die Süße unbedingt mit grüner Frisur abbilden. Der lüsterne Wunsch weckte Picassos häufig lodernde Eifersucht, und sogleich setzte er den Gedanken selbst in die Tat um, bevor es der Rivale tun konnte. Picasso stellte das Antlitz der Gilot durchweg frontal dar, die nicht minder schöne Jacqueline Roque zeigte er stets im Profil. Das Wissen des Eroberers: Die eine wirkt so, die andere so am besten.

Oft ist dasselbe Motiv in verschiedensten (Zwischen)-Zuständen zu bewundern, man kann die feinen Abstufungen miteinander vergleichen. Es ist, als blicke man direkt in die Werkstatt Picassos: Fehlte nur noch, dass er selbst um die Ecke biegt und sich an die alte Druckmaschine begibt, die hier gleichfalls zu sehen ist. Immerhin: Sein Sohn Claude war gestern wirklich da.

Zur Eröffnung präsentiert man 210 Arbeiten. Nach und nach soll (durch „Rotation“ im Viermonats-Rhythmus) die gesamte Kollektion vorgestellt werden. Größtenteils ist sie dem heute 72-jährigen Gert Huizinga aus Lengerich zu verdanken. In den 50ern freundete er sich mit Picassos Lieblings-Drucker Mourlot an, erwarb immer mehr Blätter und hütete sie lange daheim. Schließlich wuchs ihm das Ganze über Kopf und Dach, so dass er alle Schätze in eine Stiftung einbrachte, die nun von drei großen westfälischen Finanz-Dienstleistern getragen wird. Nicht immer wird Banken-Geld so gut angelegt.

Graphikmuseum Pablo Picasso, Münster, Königsstraße 5. Geöffnet ab Sonntag, 10. Sept.: Di-So 10-18, So 11-17 Uhr (Immer nur 100 Besucher auf einmal. Unbedingt erkundigen: Tel. 0251/41 447-0). Eintritt 9 DM. Bestandskatalog 59 DM.

 




Flamenco zieht die Massen magisch an – beim Volksfest zur Eröffnung der Ruhrfestspiele

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Sieben Feuerwehrleute waren auf der Festspielwiese nahezu allgegenwärtig. Doch sie löschten keine Brände, sondern animierten mit munteren Sprüchen Hunderte zu Mitmach-Aktionen wie etwa der Herstellung von „Müllmonstern“. Die „Wehrmänner“, in Wahrheit Theaterleute, waren gestern einer der vielen bunten Programmtupfer zur traditionellen Eröffnung der Ruhrfestspiele rund um das Festspielhaus in Recklinghausen.

Begonnen hatte die Veranstaltung mit der DGB-Maikundgebung. Konrad Carl, Vorsitzender der IG Bau-Steine-Erden, betonte die Solidarität aller DGB-Gewerkschaften mit den derzeit im Tarifkonflikt befindlichen IG Metall und IG Druck und Papier: „Wer glaubt, die Gewerkschaften auseinanderdividieren zu können, hat sich in den Finger geschnitten“, rief Carl unter Beifall. Die von der Regierung gepriesene Marktwirtschaft laufe immer deutlicher auf pure „Machtwirtschaft“ und soziale Demontage hinaus. Ab 12 Uhr folgte das schier unüberschaubare Programm auf dem Freigelände, in dem Foyer und auf mehreren Bühneu. Dietrich Kittner war ebenso zur Stelle wie Hanns-Dieter Hüsch und die Kölner Gruppe „Bläck Fööss“.

An zahlreichen Bücherständen fielen neben Literatur zur Dritten Welt, zur Arbeitszeitverkürzung und zur Friedenspolitik vor allem Bücher über Lust, Liebe und Körperlichkeit auf – ein Trend, der wohl auch dem kuriosen Flamenco-Auftritt zugute kam. Als die „Compagnie Des Danses Espanols“ begann, ging so gut wie nichts mehr im großen Saal des Festspielhauses. Ab 14 Uhr nämlich, die Regenwolken hatten sich endlich etwas aufgelöst, strömten die Zuschauermengen herbei, die am Vormittag noch schmerzlich vermißt worden waren. Ersten Schätzungen zufolge waren es wieder rund 50 000 Besucher. Einige hundert von ihnen werden während der gesamten Festspielsaison der Öffentlichkeit präsentiert. Ihre Konterfeis, mit Sofortbildkamera aufgenommen, hängen seit gestem im Maibaum des Festspielhauses.

Während das Festspiel-Ensemble mit Ausschnitten aus seinen Produktionen kräftig die Werbetrommel in eigener Sache rührte und für Schlangen an den Vorverkaufskassen sorgte, erklangen Rockmusik und Folklore aus (fast) aller Herren Länder. Besonderheiten in diesem Jahr: Aktionen zum Thema Kabelfernsehen und das erstmals gestartete Filmfest „Leinwandfrei“. Das Programm des Abends bestritt im Zeit am Adenauerplatz der Circus Roncalli mit seiner „Dritten und letzten Reise zum Regenbogen“. Wir kommen darauf ausführlicher zurück.




Respektable „Zugabe“: Meister des 19. Jahrhunderts im neuen Dortmunder Museum

Von Bernd Berke

Dortmund. Dortmunds „Museum für Kunst und Kulturgeschichte“ kann schon zur volksfestlichen Eröffnung am Samstag (Beginn: 11 Uhr) mit einer respektablen „Zugabe“ aufwarten.

Im Zwischengeschoß des für 18 Mio. DM mit Um- und Anbau versehenen, ehemaligen Sparkassengebäudes an der Hansastraße (wir berichteten), sind bis 22. Januar Bilder französischer und niederländischer Maler aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu sehen. Die 22 Leihgaben für diese Sonderausstellung stammen aus dem Rijksmuseum Mesdag. Noch nie waren an einem Ort der Bundesrepublik so viele Werke aus der in Den Haag beherbergten Kollektion des Malers Hendrik W. Mesdag versammelt.

„…deutlicher als die Natur selbst“, lautet der Titel dieser Ausstellung. Er geht zurück auf einen bewundernden Ausspruch Vincent van Goghs, der sich wiederum auf mehrere der nun in Dortmund präsentierten Maler bezog.

Die Landschaftsbilder, Idyllen, Seestücke und Stilleben markieren Übergangsfelder zwischen realistischer und impressionistischer Darstellungsweise. Große Namen, vor allem bei den französischen Meistern: Camille Corot und Gustave Courbet beispielsweise. Maler und Sammler Mesdag spielte um 1870 eine wichtige Vermittlerrolle zwischen ihnen und den Niederländern Jozef Israels, Jacob Henricus Maris oder Anton Mauve („Haager Schule)“. Wie sie die Anregungen der Franzosen verarbeiten, läßt diese Ausstellung umrißhaft ahnen. Es ergeben sich auch Vergleichsmöglichkeiten zu Teilen der nun zu zwei Dritteln zugänglichen Eigenbestände, etwa zu Arbeiten von Max Liebermann oder Lovis Corinth.

Museumsdirektor Gerhard Langemeyer, der seinem Haus nicht nur mit dieser Schau „überregionale, ja internationale Bedeutung“ zu verschaffen hofft, will Wirbel in die nicht immer sehr an- und aufregende Dortmunder Ausstellungs-Szenerie bringen und verspricht bildhaft: „Wir machen Dampf!“ Coup zum Auftakt: Ein in Kürze erscheinender, erster Band eines Bestandskatalogs mit satten 675 Seiten, der dank knapper Verlagskalkulation im Museum nur wenig mehr als 40 DM kosten soll.