Essener Philharmoniker: Neues Vergnügen an Tschaikowsky

Ur- und Erstaufführungen sind selten in den auf reibungslosen Genuss ausgerichteten Sinfoniekonzerten der Essener Philharmoniker.

So ist das fünf Jahre alte Schlagzeugkonzert des 54jährigen Engländers Simon Holt eine exotische Wahl. Obwohl das etwa halbstündige Werk mit dem Titel „A table of noises“ eher durch die virtuosen Partien für den Solisten Colin Currie als durch entschlossene Neutönerei auffällt, war der Beifall am Ende matt und ratlos. Tapfer hörte man sich die luftigen Xylophon-Soli an, die aparten Klangfarben der Bassklarinette bei ihrem „Treffen“ mit dem Schlagzeug, die fein strukturierten Dialoge mit dem sparsam eingesetzten Orchester. Man spürt, dass Holts Liebe der Kammermusik gilt.

Aber auch der Dirigent Thierry Fischer pflegt einen bewusst auf Transparenz ausgerichteten Ansatz. Das kommt dem Zugstück dieses fünften Sinfoniekonzerts der Saison, Tschaikowskys unverwüstlicher Fünfter, zugute. Kein luxuriöses Schaustück wird herauspoliert; keine „russische Seele“ tobt sich in prallem Fortissimo und saftig ausgepinselten Harmonien aus. Wo andere ihre Orchester schon beim ersten Aufbeghren auf Hochspannung treiben, herrscht bei dem Schweizer Dirigenten noch achtsames Mezzoforte. So hat er den Raum, dynamische Spannungen wirklich auszunutzen, Höhepunkte wie den ersten Blecheinsatz im ersten Satz auszukosten.

Und selten hört man eine so kluge Disposition von Lautstärke und Klang wie von den düsteren Piano-Abgründen des Beginns bis zur leidenschaftlichen Bestätigung des berühmten „Schicksalsmotivs“. Auch die Philharmoniker können so – etwa in den Horn- und Klarinettensoli – ihre Fähigkeit zeigen, Klang zu schattieren, zu differenzieren, allmählich zu steigern. Die lyrischen Qualitäten, die auch Orchesterchef Stefan Soltesz immer wieder abfordert, werden durch Fischers Dirigat aufs Schönste entfaltet. So begegnet man selbst der abgegriffenen Tschaikowsky-Sinfonie mit Vergnügen und neuem Interesse.




Festival „Now!“ in Essen: Weg mit den Dogmen der „Neuen Musik“!

„Faschistoide Züge“ bescheinigt Günter Steinke dem „Serialismus“ der Nachkriegszeit. Dem Professor für Komposition an der Essener Folkwang Universität der Künste ist zuzustimmen: Was sich in den Fünfziger Jahren im Umkreis von Darmstadt und Donaueschingen entwickelt hatte, wirkte fast drei Jahrzehnte wie ein Dogma. Wer dem Fortschrittsbegriff und der strukturellen Denkweise dieser musikalischen Auffassung nicht folgte, wurde weggebissen. Damit ist Schluss. Und das Festival „Now!“, das zum zweiten Mal zeitgenössische Musik nach Essen bringt, will das in seinem Programm auch klingend belegen. In seinem – erstmals erscheinenden – Programmbuch zitiert es Peter Sloterdijk: „Was ästhetisch die Uhren geschlagen haben, sagen nicht mehr die avantgardistischen Geschichtsdoktrinen.“

Und so erklärt „Now!“ mit dem Motto „zurücknachvorn“, worum es bei der zweiten Ausgabe dieses Festivals für Neue Musik gehen soll: Um den Blick zurück, der neue Perspektiven eröffnet. Vom 26. Oktober bis 1. Dezember erklingen in zehn Konzerten in Essen Werke von 28 Komponisten, die sich ausdrücklich auf musikalische Traditionen beziehen. Mit von der Partie sind zum ersten Mal die Essener Philharmoniker – auf eigenen Wunsch. Die Liste der Gäste ist lang und luxuriös: Das Ensemble Modern kommt wieder, das Arditti Quartett, das WDR Sinfonieorchester Köln und Splash – Perkussion NRW, zuletzt in Orffs „Prometheus“ bei der Ruhrtriennale zu erleben. Im Großen Saal der Philharmonie sind Sängerinnen wie Angelika Luz oder Sarah Wegener zu hören. „Wir machen mit „Now!“ ein Projekt für die Region, aber wir wollen auch bundesweit wahrgenommen werden“, so Philharmonie-Intendant Johannes Bultmann.

Das Festival ist noch jung: Im letzten Jahr gegründet, stellte es am Beispiel von vier Komponisten die aktuellen Richtungen der amerikanischen klassischen Musik vor. In diesem Jahr verweist das Motto „zurücknachvorn“ auf das fruchtbare Spannungsfeld zwischen Alt und Neu. Das wird auch in der Theorie behandelt: Am Sonntag, 4. November, 15 Uhr, diskutieren im RWE-Pavillon der Philharmonie vier Komponisten über dieses Thema: Helmut Lachenmann, Georg Friedrich Haas, Brian Ferneyhough und Lars Petter Hagen – zwischen 1935 und 1975 geboren – vertreten eine Generation, die sich von den Vorgaben einer „Neuen“ Musik frei gemacht hat. „Ein Thema mit Zündstoff“, meint Steinke.

In den Konzerten sollen Struktur- und Klangvorstellungen heutiger Komponisten zu erleben sein. „Inwiefern ist es möglich, wieder an Melos zu denken, an Kontrapunkt oder Tonalität?“, umschreibt Steinke die neuen – aus dem Blick auf die Tradition gewonnenen – kompositorischen Möglichkeiten. Dabei geht es weder um einen Historismus, der Musik schüfe, die wie aus früheren Zeiten klänge. Auch nicht um ein rückwärts gerichtetes „Zitatewesen“. Sondern darum, wie eine junge Generation mit einem individuellen Blick auf Traditionen neue Musik hervorbringt.

Eröffnet wird „Now! – zurücknachvorn“ am Freitag, 26. Oktober, 19.30 Uhr, in der Philharmonie Essen: Das Ensemble Modern spielt Werke von Lars Petter Hagen, Anders Hillborg, Sven-Ingo Koch und Helmut Lachenmann, dessen Hauptwerk „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ (1997) im September an der Deutschen Oper Berlin – nach Hamburg, Stuttgart, Wien und Salzburg – seine fünfte Premiere erfuhr. Am Sonntag, 28. Oktober, 15 Uhr, spielt das Ensemble „Splash“ im Salzlager der Kokerei Zollverein. Die Namen der Komponisten reichen von dem Kölner Dietmar Bonnen (geboren 1958), einem wagemutig-witzigen Experimentator, bis zu einer Uraufführung der Chinesin Ying Wang, die u.a. in Köln bei York Höller, Michael Beil und Rebecca Saunders studiert hat.

Am 2. November gastiert das Ensemble musikFabrik in Essen. Foto: Klaus Rudolph

Am 2. November gastiert das Ensemble musikFabrik in Essen. Foto: Klaus Rudolph

Unter dem Titel „…wie stille brannte das Licht“ ist am 2. November, 19.30 Uhr, in der Philharmonie das Ensemble musikFabrik mit den Sängerinnen Sarah Wegener und Natalia Zagorinskaja zu hören; es erklingt Musik von Ligeti, Haas und György Kurtág. Am nächsten Tag um 19.30 Uhr spielen Michael Faust (Flöte) und das WDR Sinfonieorchester unter Brad Lubman Musik von Magnus Lindberg, Gérard Pesson, Salvatore Sciarrino und Jörg Widmann. Und am Sonntag, 4. November, 10.30 Uhr, bringt das Arditti Quartett prominente Streichquartett-Schöpfungen mit: „Fragmente – Stille. An Diotima“ von Luigi Nono, das Streichquartett Nr. 6 von Brian Ferneyhough und Helmut Lachenmanns Streichquartett Nr. 3 „Grido“.

Der nächste Konzertblock bringt am 9. November, 20 Uhr, in der Neuen Aula der Folkwang Universität der Künste in Werden ein „transmediales Konzert“ unter dem Titel „Fembot/Attractor“. Geleitet wird es vom Komponisten und Medienkünstler Dietrich Hahne. Zwei Uraufführungen multimedialer Werke stehen auf dem Programm: Magnus Lindbergs „Corrente II/Fembot“ und Ludger Brümmers „Dele/Attractor“, jeweils in einer VideoKontrafaktur Hahnes. Der Künstler hat 2011 das „NOW!“-Festival mit aus der Taufe gehoben, hat aber schon seit 2007 die Räumlichkeiten des Weltkulturerbes Zollverein mit diversen medialen Performances bespielt.

Am 10. November, 19.30 Uhr, geht es in der Philharmonie wieder etwas „konventioneller“ zu. Die Essener Philharmoniker eröffnen ihre Zusammenarbeit mit dem Festival mit einem Konzert unter Jonathan Stockhammer und Werken des 1976 geborenen Dänen Simon-Steen Andersen, Wolfgang Rihm („Verwandlung 2. Musik für Orchester“), der finnischen Komponistin Kaija Saariaho, Schülerin von Brian Ferneyhough und Klaus Huber, sowie der in London geborenen und in Berlin lebenden Rihm-Schülerin Rebecca Saunders.

Mit den klanglichen Möglichkeiten präparierter Klaviere hat der Musiker und Komponist Hauschka seit seiner CD „The prepaired piano“ (2005) Erfolg in einer Szene, die sich unvoreingenommen zwischen Rock, Hip-Hop und Klassik bewegt. Der in Düsseldorf lebende Musiker kommt am 15. November, 20 Uhr, in die Halle 12 auf Zeche Zollverein/Schacht XII. Die Folkwang Symphony krönt das Festival am 22. November, 19.30 Uhr, im Alfried Krupp Saal der Philharmonie. Johannes Kalitzke dirigiert, Angelika Luz singt. Ein neues Werk der koreanischen Kompositionsstudentin an der Folkwang Hochschule, Yagyeong Ryu, mit dem Titel „Fadenlicht“ wird flankiert von zwei „Klassikern“ der Moderne: Bernd Alois Zimmermanns Konzert für Violoncello und Orchester (Solist: Jan-Filip Tupa) und Luigi Nonos „Como una ola de fuerza y luz“.

Zu Ende ist „Now!“ dann noch nicht: Am 1. Dezember stellen um 16 Uhr Komponisten, Studierende der Folkwang Universität und Schülerinnen und Schüler die Ergebnisse einer „Expedition“ in die Bereiche neuer klassischer Musik vor: Im RWE-Pavillon wird hörbar, wie die Schülerinnen und Schüler auf der Basis des Orchesterwerks „Double up“ von Simon-Steen Andersen eigene Kompositionsversuche unternehmen. Ein Ergebnis eines mehrwöchigen Projekts und ein sehr konkreter Bezug auf das Motto des Festivals: Gehörtes und Erlebtes wird zur Basis für Neues!

Mit der Philharmonie agieren als Veranstalter die Folkwang Universität der Künste, der Landesmusikrat NRW und die Stiftung Zollverein. Gefördert wird das Projekt von der Kunststiftung NRW. Bultmann kündigte an, „Now!“ werde auch von seinem Nachfolger Hein Mulders weitergeführt. Langfristig solle das Festival als Marke etabliert werden, um Publikum und Fachleute über die Region hinaus anzulocken. Das Echo jedenfalls ist positiv: Von den 130 aufgelegten „Festival Cards“, die zum günstigen Preis von 28 Euro Zugang zu allen Konzerten gewährt, sind nur noch wenige übrig.

Info: www.philharmonie-essen.de; Karten: (0201) 81 22 200.




Mit saftigem Klang ins Neue Jahr

Neujahrskonzert der Essener Philharmoniker unter Stefan Soltesz

Schüsse in der Philharmonie! Schrecksekunden im Publikum, aber dann Aufatmen: Gefeuert hat nur der Schlagzeuger, passend zu Johann Strauss‘ Schnellpolka „Auf der Jagd“. Bei einem zünftigen Treiben, wie es Stefan Soltesz und die Essener Philharmoniker zu Jahresbeginn entfesselten, da knallt es eben auch einmal. Nicht immer geht’s beim Walzer-Meister so gemütlich zu wie in der „Annen-Polka“. Aber die ist ja auch keiner fröhlichen Jagdgesellschaft gewidmet, sondern der Kaiserin Maria Anna Carolina Pia von Savoyen, Gattin Kaiser Ferdinands I. Bei solchen allerhöchsten Herrschaften zügelt auch der Essener Generalmusikdirektor, selbst ein waschechtes k.u.k.-Kind, sein Temperament.

Bei Franz von Suppé hat er das nicht nötig: Der komponierende Edelmann aus Dalmatien hat zu seinen leider vergessenen Operetten schwungvolle Ouvertüren geschaffen. Diejenige zu „Leichte Kavallerie“ trumpft mit einem frisch-flotten Bläsersignal auf, kennt aber auch den „ungarischen“, dunkel-schweren Streicherklang: eine Mischung, bei der Soltesz dem Orchester saftige Klänge entlockt.

Ein Signal bildet auch den Kern einer anderen Komposition eines Wahl-Wieners: Beethovens Leonoren-Ouvertüre Nummer drei eröffnete das Konzert – und Soltesz ließ das Thema aus einem lyrischen Grundimpuls heraus erblühen, animierte seine Streicher zu wundervoll anschwellenden Crescendi, als wolle Beethoven seinem Zeitgenossen Rossini Konkurrenz machen. Es geht eben nicht ohne Beethoven zum Jahreswechsel …

Ein Moment des Innehaltens sollte zur Neujahrs-Fröhlichkeit dazugehören. Die Philharmoniker bauten dafür Edvard Griegs a-Moll-Klavierkonzert in ihr Programm ein. Boris Giltburg, 27-jähriger russisch-israelischer Debütant, gab dem träumerischen Mittelsatz viel Delikatesse, lockere Phrasierung und milde Pastellfarben im Anschlag mit. Giltburg hat schon bei seinem Debut in der Region beim Klavier-Festival Ruhr 2011 in Dortmund Eindruck hinterlassen und konnte schon 2006 als 21-Jähriger ein CD bei EMI veröffentlichen. Auf der neuesten Box der Edition Klavier-Festival Ruhr ist ein Ausschnitt aus diesem Konzert veröffentlich: Giltburg spielt Franz Liszts „Leggierezza“.

Wer am Fernsehen das Silvesterkonzert aus Berlin mit Jewgenij Kissin und Griegs Konzert mitverfolgt hat, wird bestätigen: Giltburg fehlen noch ein paar raffinierte Farben, aber seine Darstellung muss sich vor Kissins reifer Deutung nicht verstecken.

In Gershwins „Rhapsody in Blue“ verbannt er den Swing in schnellen Passagen zugunsten selbstbewusster Virtuosität etwas in den Hintergrund, ließ sich aber in tänzerischen und gesanglichen Momenten auf das elastische Spiel mit den Notenwerten ein. Soltesz und die Philharmoniker traten „unter Donner und Blitz“ ab, nicht ohne dem unverwüstlichen, dem Feldmarschall Radetzky gewidmeten Mitklatsch-Klassiker schmetternde Reverenz erwiesen zu haben.




Bayreuth – Essen und zurück: Die Harfenistin Gabriele Bamberger im Bayreuther Festspielorchester

Sie ist wieder zu Hause. Zwei Monate Bayreuth sind vorbei. Nun probt die Harfenistin
der Essener Philharmoniker für die neue Saison. Gabriele Bamberger hat ihren
Urlaub im Orchester der Festspiele verbracht. Ein Arbeits-Urlaub also? Die
lebhafte Virtuosin der sanften Saiten widerspricht: „Bayreuth ist keine
Anstrengung. Es ist wie Urlaub mit Harfe spielen.“ Seit 1985 ist die gebürtige
Österreicherin – mit wenigen Unterbrechungen – Mitglied des
Festspielorchesters. Nächstes Jahr ist sie zum zwanzigsten Mal dabei. Und freut
sich schon wieder auf die Herausforderung, im berühmten verdeckten Graben fünf
Wagner-Opern hintereinander zu spielen.

Wie viele andere Musiker und Sänger bestätigt auch Gabriele Bamberger: In Bayreuth zu
arbeiten, ist etwas Besonderes. Welches Orchester hat schon vier Harfen, in den
„Ring“-Jahren sogar sechs? In einem normalen Orchester sitzen grade mal zwei.
„Wir sind sonst Einzelkämpfer. Aber in Bayreuth entwickelt sich ein tolles
Gruppengefühl.“ Jeder der Orchestermusiker ist motiviert, sein Bestes zu geben.
„Kollegialität ist wichtig“, sagt die Harfenistin, „schließlich verbringen wir
unseren ganzen Urlaub miteinander.“

Was Gabriele Bamberger in Bayreuth fasziniert, ist die Arbeit mit berühmten Dirigenten. Ihr
erster Maestro war 1985 Giuseppe Sinopoli. Unter ihm hat sie gleich im
„Tannhäuser“ gespielt, für die Harfen die anstrengendste Wagner-Oper. „Das
Beste, was ich an musikalischer Gestaltung erlebt habe, war unter Christian
Thielemann“, schwärmt die Musikerin: „Bei ihm sitzt man auf der Stuhlkante.
Aber gleichzeitig ist es ein ganz entspanntes Musizieren.“ Was macht die Arbeit
mit Thielemann so herausragend? „Jeder Dirigent hat seine besondere Art zu
musizieren. Thielemann hört erst mal, was jeder der Musiker ihm anbietet. Passt
das in sein Konzept, nimmt er das Angebot auf. Thielemann ist ständig mit den
Augen bei den Kollegen. Eine kleine Geste, und man weiß, was er will.“

Gerne erinnert sich Gabriele Bamberger aber auch an die Arbeit mit Größen wie Daniel
Barenboim und James Levine. „Das Spielen mit Barenboim war ein wirklich
nachhaltiges Erlebnis. Er hat einfach Charisma, ist eine musikalische
Persönlichkeit.“ Ähnlich ging es ihr mit Levine: „Er saß da, mit dem Handtuch
über der Schulter, hat gestrahlt, badete in der Musik.“ Sein „Parsifal“ sei
zwar langsam gewesen, aber dennoch ungeheuer spannend: „Da war keine Sekunde
Langeweile drin.“ In diesem Jahr hat der Musikerin vor allem die Arbeit mit
Daniele Gatti im „Parsifal“ gefallen. „Er dirigiert so mitreißend und intensiv,
da empfindet man keine Länge. In diesem Jahr passte einfach alles.“ Aber auch
Andris Nelsons großer Bogen bei gleichzeitiger rhythmischer Konturierung im
„Lohengrin“ hat die Harfenistin sehr überzeugt.

In Bayreuth sitzen Musiker im Orchester, mit denen man keine musikalische Basisarbeit mehr
zu leisten hat. Wie alle anderen wurde Gabriele Bamberger auf eine Empfehlung
hin eingeladen. „Im ersten Sommer spielt man sozusagen für die Kollegen“,
erklärt sie. Denn der oder die Neue müssen in den Klangkörper passen. Wer im
nächsten Jahr wieder eingeladen wird, gehört zum Festspielorchester. Bamberger
erinnert sich: „Ich wurde vom Orchestervorstand angerufen und gefragt, ob ich
mitspielen will. Das war Helmut Schützeichel, der in Mannheim Oboe gespielt
hat. Ich war damals Mitglied der Badischen Staatskapelle in Karlsruhe. Später
habe ich erfahren, dass mich mein damaliger Chef Christof Prick empfohlen hat.“
Unter ihm hatte sie am Badischen Staatstheater bereits das ganze gängige
Wagner-Repertoire gespielt.

Begonnen hat Gabriele Bamberger nach dem Studium in Salzburg 1979 in Gelsenkirchen. Dort
spielt ihr Mann heute noch Geige im Orchester. Und passte früher auf die Kinder
auf, wenn seine Frau nach Bayreuth fuhr. Später wurde die Wagner-Stadt zum
gemeinsamen Urlaubsziel. „Die Kinder haben sich in Bayreuth wohl gefühlt, mein
großer Sohn hat im letzten Jahr hier sogar geheiratet. Uns zieht’s immer wieder
hierher.“

Die Erfahrungen im Festspielorchester nimmt die Harfenistin mit in die Heimat.
Aber: Dank der Bayreuther Eindrücke kann Gabriele Bamberger auch ermessen, wie
gut die Essener Philharmoniker unter ihrem Chef Stefan Soltesz geworden sind.
„Nach der Bereicherung in Bayreuth folgt eben keine Ernüchterung in Essen.
Sondern es macht richtig Spaß, wieder zu Hause zu spielen.“ Sie freut sich,
dass Soltesz Wagner ins Repertoire integriert hat: „Er vertraut mir, er weiß,
dass ich die Partien kenne. Das ist ein schönes Gefühl.“ Ihr
Bayreuth-Engagement hat Soltesz „stets unterstützt“ und sich immer sehr
interessiert gezeigt. Dass er die Werke so genau einstudiert und am Abend so
spontan musiziert, hilft ihr auch für ihren Dienst in Bayreuth. „Stefan Soltesz
hat uns ein Bewusstsein für musikalische Qualität beigebracht. Das müssen wir
jetzt an die jüngeren Kollegen weitergeben.“

(Der Artikel ist in kürzerer Form auch in der WAZ Essen erschienen)