Qualität am Ostwall reicht für zwei Museen – Dortmunder Museum zeigt Werke aus Eigenbesitz

Von Bernd Berke

Dortmund. In Dortmund muß ein weiteres Museum her. Diese Forderung steht schon seit Jahrzehnten im Raum. Nachdem die Stadt in der Nachkriegszeit vorübergehend sogar Köln und Düsseldorf den Kunst-Rang abgelaufen hatte, verschlief man in den 60er und 70er Jahren die Entwicklung der Museumslandschaft total. Nach und nach wuchsen allerorten neue Kunsthallen aus dem Boden – nur nicht hier.

Daß die Sammlung des Ostwall-Museums es längst verdient hätte, angemessen und auf Dauer präsentiert zu werden, wird mit der neuesten Ausstellung des Hauses schlagend deutlich. Die Schau „Eine Sammlung im Wandel“ zeigt etwa 150 der wichtigsten Werke aus dem Eigenbesitz. Es könnten ohne Qualitätsverlust noch weitaus mehr sein, doch dafür fehlt am Ostwall der Platz. Insgesamt besitzt das Museum rund 500 bis 600 Originalkunstwerke (einschließlich Plastik) und etwa 2500 graphische Blätter.

Ostwall-Direktor Ingo Bartsch sieht die Präsentation denn auch als Diskussionsanstoß für kommende Beratungen im Kulturausschuß der Stadt. Dort wird man sich demnächst mit dem „Museums-Entwicklungsplan“ zu befassen haben. Dieser Plan sieht das Haus am Ostwall als Kunsthalle für Wechselausstellungen vor und will die ständige Sammlung an anderer Stelle unterbringen, möglichst in einem Neubau. Kulturdezernent Gerhard Langemeyer dämpfte gestern freilich allzu große Zuversicht: Vorrang genieße in Dortmund die Umgestaltung der Stadt- und Landesbibliothek, dann komme ein Bau für Konzerte und Kongresse auf dem Gelände der Westfalenhallen erst dann sei das Museum an der Reihe.

Die Ausstellung zeigt unterdessen, daß Kernbestände der Sammlung nicht etwa auf freihändige Ankäufe zurückgehen (was der Etat auch nie erlaubt hätte), sondern auf Stiftungen und Dauerleihgaben mit Vorkaufs-Option. Neuestes Beispiel dafür ist die „Sammlung Cremer“, die rund 1000 Objekte umfaßt und von der – als erster „Appetithappen“ – jetzt ein Joseph Beuys-Raum zu sehen ist. Im Herbst soll ein erster großer Querschnitt durch diese Sammlung vorgeführt werden. Bemerkenswert auch die Dauerleihgaben aus der Darmstädter „Sammlung Ströher“ mit Arbeiten des Informel (Bernard Schultze, KO Götz u.a.), die hervorragend etwa zu den zwei Bildern von Emil Schumacher passen, die in Dortmund vorhanden sind.

Expressionismus, Informel, Zero, Fluxus, Kunst der 80er Jahre. Diese Stichworte markieren Schwerpunkte der Dortmunder Kollektion, sie stehen auch gleichsam für die archäologischen Schichten der Sammlungstätigkeit. Es beginnt mit dem für Dortmund geradezu epochalen Ankauf der „Sammlung Gröppel“ im Jahr 1957 und reicht bis zum Erwerb der Sammlung Feelisch (1988). Die Zusammenstellung wird so auch zu einer Hommage an die ehemaligen Leiter des Museums, Leonie Reygers und Eugen Thiemann.

Die Künstlernamen die man am Ostwall präsentieren kann, sind natürlich Legion: August Macke, Pechstein, Kirchner, Rohlfs, Nolde, Max Beckmann, Grosz, Dix, Max Ernst, Käthe Kollwitz, Günter Uecker und Wolf Vostell seien nur als Beispiele genannt. Klar ist: Für diese Ausstellung sollte man sich mindestens einen halben Tag freihalten oder am besten gleich mehrmals kommen.

„Museum am Ostwall Dortmund. Eine Sammlung im Wandel“. 13. Januar bis 17. Februar 1991. Broschüre zur Ausstellung 15 DM. Ein neuer Sammlungskatalog entsteht.




„Eisenzeit“ im Museum: Die schwere Leichtigkeit – Skulpturen von Ansgar Nierhoff am Dortmunder Ostwall

Von Bernd Berke

Dortmund. Ohne Kräne, Gabelstapler und viel, viel Muskelkraft wäre bei dieser Ausstellung gar nichts gegangen. Künstler Ansgar Nierhoff: „Wir mußten unglaublich schuften.“ Im Dortmunder Ostwall-Museum hat die „Eisenzeit“ (Ausstellungstitel) begonnen. Der Schwere des Materials entsprach der Aufwand beim Aufbau.

Der gebürtige Mescheder, jetzt in Köln lebende Ansgar Nierhoff (47), ist längst weithin renommiert, erinnert sich aber noch heute dankbar daran, daß es der Ex-Chef des Ostwall-Museums, Eugen Thiemann, war, der anno 1968 – als erster Museunisleiter überhaupt – eine Nierhoff-Arbeit ankaufte.

Nierhoffs geschmiedete und gebrannte Eisen- und Stahl-Arbeiten tragen stets deutliche Spuren der an ihnen verrichteten Arbeit. Doch es ist, obgleich oft in Stahlwerken entstanden, alles andere als das, was man sich vielleicht unter „Kunst der Arbeitswelt“ vorstellt.

Die „Eisenzeit“-Stücke reagieren sehr bewußt und genau auf den jeweiligen Raum, auf die jeweilige Umgebung. In Saarbrücken. wo sie zuerst zu sehen waren (dort wurde die Ausstellung vom neuen Essener Folkwang-Chef Georg-W. Költzsch betreut), wirkten sie, da in einem einzigen Riesensaal präsentiert, ganz anders, nämlich direkter aufeinander bezogen. In Dortmund hingegen muß der Betrachter, sich durch eine Raumfolge vorarbeitend, solche Bezüge selbst schaffen. Immerhin erleichtert der Aufbau der Ausstellung, die auch das rückwärtige Freigelände des Museums einschließt, die Wege, indem sie Strecken, Schneisen und Achsen vorgibt und auf diese Weise „Sogwirkungen“ ausübt, denen man nachgehen kann.

Frappierend die Mehrwertigkeit vieler Arbeiter: Je nachdem, von welcher Seite man sich nähert, wirkt etwa eine stählerne „Tor“-Situation als bedrückende Verengung oder als Öffnung und Weiterung. Einige Objekte stehen als „in sich gekehrte“, blockhafte Fügungen im Raum, andere zeigen, welche Leichtigkeit Nierhoff seinem „kolossalen“ Material abgewinnen kann. Die Arbeit „Zu einem Block“ (1987), Teile, die zu einem Ganzen zusammenzustreben scheinen, ist – der schweren Stofflichkeit zum Trotz – Vergegenwärtigung einer Bewegung, nicht die eines Lastens.

„Eisenzeit“ ist also auch das Leichte, das bekanntlich so schwer zu machen ist. Aus Museumsräumen werden Spielräume der Phantasie. Wunsch des Ostwall-Leiters Ingo Bartsch: Er möchte, falls das finanziell machbar ist, mindestens ein Exponat für Dortmund ankaufen.

(Eröffnung Sonntag, 11.30 Uhr; bis 21. August – Katalog 36 DM).




Ostwall-Museum: Umschwung mit Kirchner

Von Bernd Berke

Dortmund. Spür- und sichtbarer Umschwung im Dortmunder Ostwall-Museum: Nachdem Ex-Museumschef Thiemann ausgeschieden ist, werden unter der Ägide seines kommissarischen Nachfolgers, des neuen Dortmunder Kulturdezernenten Dr. Gerhard Langemeyer, schon einige Wände neu getüncht; ein Ausstellungsraum im ersten Stock ward weihevoll mit weißem Vorhang gedämpft. Außerdem verfügt das Haus nunmehr über Luftbefeuchter – ein Umstand, der womöglich manchen potentiellen Leihgeber davon überzeugen könnte, daß sein Besitz in Dortmund gut aufgehoben ist.

Brandeilig, in nur drei Monaten, hat Langemeyers Team (Sonja-Anna Meseure, Dietmar Elger) seine erste eigene Ausstellung besorgt und lockt gleich mit einem großen Namen: 79 Arbeiten des „Brücke“-Künstlers Ernst Ludwig Kirchner, vorwiegend Aquarelle, Pastelle und Zeichnungen, werden ausgebreitet. Der Anteil des Eigenbesitzes beschränkt sich auf sechs Graphiken und drei Gemälde, die nun gleichsam von den Leihgaben „kommentiert“ werden. Letztere kommen u. a. aus Stuttgart, Hannover und Düsseldorf. Die Präsentation gliedert sich, von unvermeidlichen Überlappungen abgesehen, in vier Bereiche: Stadtlandschaften, natürliche Landschaften (Davos, Fehmarn), Tierdarstellungen und Menschenbilder (vor allem Frauenbilder und bäuerliche Figuren).

Man hat hier – in komprimierter Form – wesentliche Aspekte der Kirchnerschen Entwicklung vor sich. Der Umkreis des frühen Kirchner ist in einer Vorstudie zu seinem berühmten Bild „Die Maler der Dresdner Künstlergruppe Brücke“ präsent. Von Au1fbruchstimmung und Naturbezüglichkeit dieser Gruppe zeugen etwa Aktdarstellungen, die in freier Landschaft entstanden. Gerade anhand der Akte können Steilwandlungen nachvollzogen werden – von den fiebrigem, splittrig-aggressiven Bildern der Berliner Zeit (anonymisierender Bild-Titel: „Personen auf der Straße“) bis zu schwellend-ornamentalen Formen unter dem Einfluß Pablo Picassos. Auch die Beziehungen zu Frauen veränderten jeweils die persönliche und bildnerische Grundstimmung. Großartiges Beispiel dafür, wie Kirchner bereits durch subtile Schwarz-, Grau- und Weißabstufungen eine Tiefenstaffelung im Bildraum erzielt, ist die Arbeit „Nebel in den Bergen“ (1935/36).

21.12.86 bis 15.2. 1987. Täglich außer montags 10-18 Uhr; Heiligabend, 25.12. und Silvester geschlossen; am 26.12. und 1.1. von 10-18 Uhr geöffnet. Katalog 15 DM.