Streit bei Plasberg: Wie rechts ist die AfD?

Nachbereitung oder auch Nachkarten zur Europawahl war heute überall angesagt. Frank Plasberg machte mit seiner ARD-Talkrunde „Hart aber fair“ keine Ausnahme. Der Themen-Anreißer hieß, marktschreierisch wie üblich: „Europas Wutbürger – Abschottung statt Toleranz?“

Während Günther Jauch am Sonntag zum ähnlichen Thema geradezu staatstragende Gäste aufbot (Wolfgang Schäuble für die CDU, Peer Steinbrück für die SPD), sorgte Plasbergs Gästeliste schon für etwas mehr Zuspitzung.

Wer die Ängste schürt…

Allein schon die Anwesenheit des Chefs der „Alternative für Deutschland“ (AfD), Bernd Lucke, polarisierte die Sendung. Die Fragestellung lautete also vorwiegend: Wie rechts ist diese AfD, die sich mit rund 7 Prozent der Stimmen bei der Europawahl bereits selbst als neue „Volkspartei“ mit Wählern in allen Schichten sieht?

"Hart aber fair": Moderator Frank Plasberg (Bild: © WDR/Klaus Görgen)

„Hart aber fair“: Moderator Frank Plasberg (Bild: © WDR/Klaus Görgen)

Da auch Claudia Roth (Grüne) und Michel Friedman (CDU-Mitglied) für kernige Worte gut sind, wurde streckenweise wild durcheinander geredet. Sie warfen Lucke vor, Ängste in der Bevölkerung zu schüren und damit nach Stimmen am rechten Rand zu fischen. Der gewohnt selbstbewusste bis selbstgefällige Moderator Frank Plasberg beschwichtigte hie und da, heizte aber auch schon mal nach, indem er beispielsweise an die Lebenswirklichkeit „in Duisburg neben dem Roma-Haus“ erinnerte…

„Halten Sie einfach mal die Klappe“

Bernd Lucke versuchte jeden Eindruck der Rechtslastigkeit wegzuwischen, Frau Roth hingegen meinte, Teile der AfD seien „völkisch angehaucht“. Die Verwandtschaft gewisser AfD-Wahlplakate zu Aussagen der NPD und der Gruppierung „Die Rechte“ war zumindest unverkennbar. Lucke wollte Haltung bewahren, doch einmal vergaß sich der Professor: „Herr Friedman, halten Sie einfach mal die Klappe…“ Oha! Kein besonders kultivierter Tonfall.

Während Lucke ansonsten die Genugtuung über das Wahlergebnis anzumerken war, machten sich andere Dikussionsteilnehmer Sorgen um Europa. Sogar das Gespenst vom politischen Zerfall des Kontinents stand im Raum, weil populistische Europagegner in anderen Ländern noch weitaus mehr Zustimmung fanden als bei uns die AfD. Denkt man an Frankreich in der Nacht, so ist man um den Schlaf gebracht.

Zerfällt Europa jetzt?

Nicht selten operieren die Gegner Europas – nach uraltem Muster – mit fremdenfeindlichen Vorurteilen. Die Kritik am Euro und an der wuchernden Brüsseler Bürokratie ist das Eine, eine Rückkehr zum Nationalismus das Andere. Tatsächlich kann man sich bang fragen, was aus dem freizügigen Europa werden soll, wenn seine Widersacher an so manche Schaltstellen gelangen und wenn sie den politischen Mainstream beeinflussen.

Der CSU-Altvordere Wilfried Scharnagl kam einem im Vergleich zu Lucke schon fast altersmilde und harmlos vor, seine Partei ist ja bei der Europawahl auch ziemlich gestutzt worden. Bedenkenswert jedenfalls die Anmerkung von Nikolaus Blome, Chef der Berliner „Spiegel“-Redaktion: Die vielleicht größte Gefahr seien die vielen Nichtwähler. Erst durch sie kämen die Extremisten aller Schattierungen zur Geltung.




Grenzen in Europa zu Opas Jugendzeiten

Wir werden am kommenden Sonntag das Europa-Parlament wählen. Die Frankfurter Sonntagszeitung hat dazu heute eine Sammlung von Grenzerfahrungen veröffentlicht – aus Zeiten, in denen es noch Schlagbäume und Passkontrollen, Geldwechsel und blaue Postsparbücher gab. Zu dem Thema kann wohl jeder aus der Opa-Generation noch Geschichten beisteuern.

Ein ICE der Deutschen Bahn im Bahnhof Paris Gare du Nord.
(Foto: Hans H. Pöpsel)

Zum Beispiel 1980: Für einen dreitägigen Kurzurlaub in Holland fuhren wir mit unseren Kindern auf der Autobahn Richtung Arnheim, doch an der Grenzstation konnten wir den niederländischen Zöllnern keine Kinderausweise vorlegen – zu Hause vergessen. Also das Auto gewendet und nachgedacht. Mutig steuerten wir einen anderen, ländlichen Klein-Grenzübergang an, in der Hoffnung, dort nicht kontrolliert zu werden, und so war es auch. Doch in der folgenden Zeit am Meer blieb stets die Sorge im Hinterkopf, ob wir denn ungestraft wieder würden ausreisen dürfen oder ob man uns womöglich als Kinderschmuggler festsetzen würde. Zum Glück rutschten wir bei der Heimfahrt bei Emmerich unkontrolliert durch die Grenzanlage, aber eine solche Erfahrung kennen junge Menschen in Westeuropa seit mehr als zwei Jahrzehnten gar nicht mehr.

Ich erinnere mich auch noch an den Tag, als wir zum ersten Male auf dem Weg nach Frankreich zwischen Belgien und La France ohne Schranken und ohne Kontrollen einfach so durchrauschen konnten. Die Kontrollhäuschen standen noch, aber die Autobahn war frei. Inzwischen setzt man sich in Köln gemütlich in den Thalys und steigt nach gut drei Stunden entspannt in Paris-Nord aus dem Zug, hat Belgien und Nordfrankreich durchquert, als wäre es die Lüneburger Heide, man benutzt die selben Gelscheine und freut sich, dass wenigstens die Architektur und die Werbung dort anders aussehen als zu Hause.

Also: Europas Entwicklung hat im Alltag viel Gutes gebracht, ganz abgesehen von der Sicherung des Friedens und dem Schutz unserer Freiheitsrechte, wobei Letztere wohl noch deutlich besser geschützt werden könnten.

Freuen wir uns also, dass wir mal wieder die Wahl haben.