Die letzte Gala-Nacht der „TeleStars“

Von Bernd Berke

Im Recklinghäuser Süden scheint ein Nest zu sein, aus dem gelegentlich Fernsehprominenz schlüpft. Als am Samstag im Kölner Edelhotel „Maritim“ die begehrten „TeleStar“-Preise von ARD und ZDF verliehen wurden, gab es kraftvolles Lokalkolorit aus der Stadt der Ruhrfestspiele.

Fußballreporter Werner Hansch, zur allgemeinen Verblüffung Preisträger in der Sparte Information/Dokumentation (mit seinem wie gewohnt kernigen Bericht vom siegreichen Schalker UEFA-Cup-Finale), war in der weitläufigen Atriumhalle des Hotels mit einem TeleStar-Gewinner ganz anderen Zuschnitts ins Gespräch gekommen: Heinrich Breloer, Autor und Regisseur von „Das Todesspiel“, jenes bewegenden Dokumentar-Dramas über den „Deutschen Herbst“ des Jahres 1977. Hansch: „Wir haben festgestellt, daß wir beide die Marienschule in Recklinghausen besucht haben – unter dem selben Rektor.“ Hört, hört! Vielleicht sollte man hoffnungsvollen TV-Nachwuchs künftig sofort an dieser Lehranstalt rekrutieren.

Breloer bekam gleich dreifach bescheinigt, daß er für das wohl nachhaltigste Fernsehereignis des Jahres gesorgt hat. Nicht nur er selbst wurde für „Das Todesspiel“ ausgezeichnet, sondern auch Produzent Ulrich Lenze und Hauptdarsteller Hans Brenner, der den von der RAF entführten und dann ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer ungeheuer nuanciert gespielt hatte. Brenner bewies auch in seinen Dankesworten Einfühlungsvermögen: „Für diese Rolle einen Preis zu bekommen, ist nicht unproblematisch.“

„Ich faß‘ es nicht. Wunderbar!“ gluckste hingegen Evelyn Hamann, als sie zur besten Seriendarstellerin („Adelheid und ihre Mörder“) ernannt worden war. Dieter Pfaff wurde derweil zum besten männlichen Serienhelden für seine Rolle des „Bruder Esel“ gekürt.

Entzückendes Tigerkleid

Was keinen mehr wunderte: Harald Schmidt durfte sich natürlich auch in Köln seinen Preis (in der Sparte Unterhaltungs-Moderation) abholen. Großes Gelächter gab’s im Saale, als Schmidt sich linkisch wie ein Pennäler gab und die Wahl „eine Überraschung“ nannte. Jedenfalls dürfte sein Pokalschrank allmählich gefüllt sein. Und man fragt sich, was für die nächsten Jahre noch bleibt.

Auf Länge gesehen (gestern im ZDF gab es nur Ausschnitte), erwies sich das Verfahren der Preisvergabe als etwas eintönig. Moderator Kai Böcking besorgte die Überleitungen, dann kamen die Lobredner (Hera Lind, Ulrich Wickert, Didi Hallervorden, Roger Moore und Co.) jeweils durch einen wabernden Trockeneis-Nebel auf die Bühne, öffneten schließlich den Umschlag mit dem Namen des Gewinners – und es folgte das meist herzlich belanglose Bitteschön-Dankeschön-Ritual.

Da ließ sich der allgemeine „Bussi Bussi“-Reigen der TV-Prominenz zur nachfolgenden Schlacht am Buffet schon entspannter an. Und Roswitha Schreiner (ehedem Martin Lüttges zierliche Mitstreiterin am Düsseldorfer „Tatort“) trug ein ganz entzückendes Kleid mit getigertem Muster, das die Fotografen in Scharen anlockte…

Im nächsten Jahr wollen ARD und ZDF die „TeleStars“ zumindest mit den „Goldenen Löwen“ von RTL zusammenlegen. Auch SAT.1 soll mitmachen, ziert sich aber noch. Kai Böcking wandelte den Werbespruch Senders ab: „SAT. 1 – Ich drück mich…“




Vati bleibt zu Hause und nervt die Familie – Loriots zweiter Kinofilm „Pappa ante portas“

Von Bernd Berke

Herr Lohse ist Abteilungsleiter Einkauf bei einem Großbetrieb. Für einen Mengenrabatt zugunsten der Firma würde er notfalls durchs Feuer gehen. Doch als er eines Tages im Ersparnis-Rausch tonnenweise Schreibpapier ordert – genug für die nächsten 40 Jahre – schickt ihn sein Boß vorzeitig in Pension.

Was macht so ein Mann jetzt? Nun, beruflich deformiert, wie er ist: erst mal im alten Stile weiter. Dabei kreuzen sich berufliches und privates Verhalten. Der Frühpensionär betritt z. B. ein Lebensmittelgeschäft und ruft mit einern Anflug gebieterischer Marktmacht, aber doch schon etwas verunsichert über Theke und Kunden hinweg: „Ich heiße Lohse und will hier einkaufen!“ Auch das mit den Sonderpreisen für Masseneinkauf kriegt er nicht so schnell weg. Ohne mit der Wimper zu zucken, ordert er 150 Senftöpfchen, damit’s im Schnitt ein bißchen billiger wird.

Noch schlimmer ist’s zu Hause. Plötzlich jeden Tag daheim und mit furchtbar viel freier Zeit geschlagen, geht er Frau und Sohn alsbald gewaltig auf die Nerven. Die tagsüber „vaterlose“ Keimzelle der Gesellschaft hat bislang prima funktioniert, doch nun will sich Vati partout privat nützlich machen, sprich: den Haushalt mal so richtig durchorganisieren; Belehrungen für die konsternierte Putzfrau inklusive. Und wie einst die alten Römer in ihrer Bedrängnis entsetzt ausriefen „Hannibal ante portas“ (Hannibal vor den Toren), so nun die Familie Lohse: „Pappa ante portas“! Die Gattin würde ihn am liebsten gleich in den Hobbykeller verbannen. Soll er da doch die Tageszeitungen der letzten Jahre nach Erscheinungsdaten sortieren…

Solche Sachen kann in Deutschland wohl nur einer wirklich zwerchfellerschütternd spielen: Loriot. Sein zweiter Kinofilm ist um keinen Deut schwächer als der herrliche Erstling „Ödipussi“ (1987). Ging es dort um eine irrwitzige Mutter-Sohn-Beziehung, so diesmal um die Kämpfchen eines mittelalten Ehepaares. Doch keine Angst. Loriot behandelt zwar ein „im Grunde“ ernstes Thema, aber mit souveräner Komik. Er ist  und bleibt ein Meister vor allem der verhinderten, verweigerten oder sonstwie scheiternden Kommunikation.

Da ist keine Szene zu lang, keine zu kurz. Da wird kein Gag verschenkt, keiner überreizt. Beim Timing und im szenischen Aufbau stimmt einfach alles, bis hin zu jenen entscheidenden Kleinigkeiten, etwa dieser hier: Weißes Café, alle Leute cremefarben gekleidet, lange schwelgt die Kamera in dieser sterilen Helligkeit. Und dann tapert auf einmal Loriot im grauen Anzug rein. Ein simples, gleichwohl wunderbar inszeniertes Bild dafür, wie umwerfend es sein kann, wenn einer deplaziert ist.

Nicht zuletzt solche Detailversessenheit macht den großen Komiker. Sie gilt auch für die Nebenrollen, die alle ungeheuer „paßgenau“ besetzt sind: Beispielsweise Gerd Dudenhöffer als Kellner, der bei jeder Bestellung verdächtig aufstoßen muß, weil ihm schon beim Gedanken an die Küche seines Lokals übel wird; beispielsweise Hans-Peter Korff und Irm Hermann als verbissen „glückliches“ Ehepaar, das sich „füreinander aufgespart hat“ – und natürlich Loriot selbst, der auch drei kleine Nebenparts selbst übernommen hat. Highlight: ein Poet, dem beim geistigen Höhenflug das Körperliche vermaledeit in die Quere kommt. Mehr wird nicht verraten. Auch nicht über das Ende, das zwar „happy“, aber dann doch irgendwie dissonant ist, und zwar buchstäblich.

Als Loriots idealer Widerpart erweist sich erneut Evelyn Hamann. Ohne sie könnte selbst er nur knapp drei Viertel seiner Wirkung erzielen. Was freilich bequem hinreichen würde, um die meisten seines Metiers weit hinter sich zu lassen.

„Pappa ante portas“ (Deutschland). Buch/Regie: Loriot. Mit Loriot, Evelyn Hamann, Ortrud Beginnen, Hans-Peter Korff u. a. Ab 21. Februar im Kino