Nena, Grobschnitt, Extrabeit – Ausstellung zum 275. Stadtjubiläum erinnert an Hagens Rock-Vergangenheit

Im heimatkundlichen Angebot der Hagener Jubiläumsausstellung sind selbstverständlich auch alte Postkarten. (Bild: Stadtarchiv Hagen/Osthausmuseum)

Die schwarze Reiseschreibmaschine Ernst Meisters steht hier, die farbbedeckte Staffelei Emil Schumachers. Einen alten Kinderwagen hat man auf das Podest gehoben, biedermeierliche Möbel fördern nostalgische Empfindungen. Und an den Wänden setzt eine auf Eindruck bedachte Malerei vergangener Jahrhunderte wichtige Männer in Szene.

Hagen im Heimatmuseum ist eigentlich nichts Besonderes – sieht man einmal davon ab, dass das Heimatmuseum seine Bestände nun im Osthaus-Museum aufgebaut hat. Anlass ist das 275-jährige Stadtjubiläum, das hier mit einem eindrucksvollen Ausstellungsprojekt gefeiert wird, Titel: „Hagen – die Stadt“.

Karl-Ernst Osthaus ist noch sehr präsent

Ein weiterer zentraler Raum ist voll von Portraitfotos, großen und kleinen, alten und neuen. Er soll dem Publikum wohl vermitteln, dass die Menschen die Stadt ausmachen, keine ganz neue Erkenntnis. Doch was fällt einem zu Hagen außerdem noch ein? Was ist das Besondere? Da wäre natürlich Karl-Ernst Osthaus zu nennen, Industrieller, Sammler und Förderer der modernen Kunst im frühen 20. Jahrhundert, dem das Museum seinen Namen verdankt. Die Architektur des Gebäudes, die bauliche Leichtigkeit und Jugendstil so entspannt verbindet, atmet immer noch den Geist dieses Mäzens. Und auch die heutigen Bestände, die leider nicht identisch sind mit der nach Essen verkauften Sammlung, lassen an die vergleichsweise glücklichen Zeiten vor dem Ersten Weltkrieg und der Weltwirtschaftskrise denken.

Auch das ist Hagen: Rockband Grobschnitt im Jahr 1978. (Bild: Ennow Strelow/Osthausmuseum)

Hotspot

Mehr als ein halbes Jahrhundert danach sind die ortstypischen Sensationen von ganz anderer Art. Anfang der 1970er Jahre wird Hagen zu einem Hotspot der deutschen Rockmusik. Die Gruppe „Grobschnitt“ erregt bundesweite Aufmerksamkeit, „Extrabreit“ formieren sich, ebenso Nena Kerners erste Kapelle mit dem Namen „Stripes“. „Mein Mann hat den Bass gespielt“, erinnert sich Heike Wahnbaeck bei der Präsentation der üppigen Grobschnitt-Abteilung im Souterrain des Museums. Sie hat diesen Teil der Jubiläumsausstellung erarbeitet, mit zahlreichen Fotos, Plakaten, Zeitungsausschnitten, Videos und Tourneeplänen.

Eine komplette Bühne ist aufgebaut, Besucher bestaunen die antike Technik, die teilweise doch recht zeitlos wirkt. Wichtig ist Frau Wahnbaeck, dass es nicht nur um einige bekannte Bands, bekannte Musiker ging. Hagen, erinnert sie sich, war damals auch ein Zentrum für Studio- und Bühnentechnik, kaum irgendwo sonst waren die Roadies so professionell wie hier. Viele Fotos zeigen sie traut vereint, die Musiker und die Männer, die schleppten, schraubten und pusselten, damit die Gigs wie geplant über die Bühnen gehen konnten. Rund 50 Jahre sind seit den Anfängen vergangen, und das Jahr der Abschiedstournee, 1989, liegt auch schon über 30 Jahre zurück.

Hagen-Rock, Teil II: Kai Schlasse, Sänger von Extrabreit, im Jahr 1984. (Bild: Ennow Strelow/Osthausmuseum)

Ennow Strelows Fotos

Was aus der Szene wurde? Viele Leute leben nicht mehr, viele Lebenswege verlieren sich. Doch manche Biographien wurden fortgeschrieben. Wir wechseln in die nächste Abteilung der Ausstellung, die einen Großteil des Museums füllt. Der Fotograf Ennow Strelow, der „Extrabreit“ und andere Bands getreulich begleitete, hat auch viele andere Menschen portraitiert, Hagener und Personen mit markantem Hagen-Bezug. Zu den Portraitfotos hat er Kurzbiographien geschrieben. Bei ihm nun taucht Eddy Kante auf, der, als er noch viele Haare auf dem Kopf hatte, zum Umfeld der Hagener Bands gehörte. Später, ohne Haare, wurde er Bodyguard von Udo Lindenberg. Die beiden sollen lange Jahre gut befreundet gewesen sein, bis Eddy Kante eine Lindenberg-Biogaphie schrieb, die diesem nicht gefiel. Aus war es mit der Freundschaft.

An der gesellschaftlichen Peripherie

Ennow Strelows fotografischer Beitrag zum Stadtjubiläum, besticht alleine schon durch den Fleiß, der hier erkennbar wird. Ja, er hatte auch Prominenz vor der Linse, Peter Schütze vom Hagener Theater etwa oder Jürgen von Manger, ebenfalls ein Sohn der Stadt Hagen. Doch viel Sympathie brachte er auch Menschen in der gesellschaftlichen Peripherie entgegen, dem Flaschensammler Paul zum Beispiel, Flaschen-Paul genannt, oder dem Schrauber Charly Haschke, der auch auf größere Entfernung noch stark nach Werkstatt roch.

Hagens bekanntester Dichter Ernst Meister griff gerne auch zum Pinsel. Dieses Aquarell „ohne Titel“ aus dem Jahr 1956, 32 x 24 cm groß, ist jüngst in das Eigentum des Osthaus-Museums übergegangen (Bild: Reinhard Meister/Osthausmuseum)

Meisters Bilder

Schließlich gibt es noch ein bisschen Kunst zu sehen, Kunst sozusagen in der kleinen Form, aber dafür um so beeindruk-kender. Das Museum hat als Schenkung ca. 50 Bilder erhalten, die der Hagener Dichter Ernst Meister schuf. Er hat, was weniger bekannt ist, gerne auch gemalt. Erste Arbeiten ab ca. 1954 erinnern, in den Worten von Museumsdirektor Tayfun Belgin, hier und da an Kandinsky oder das Bauhaus, doch spätestens in den frühen 70er Jahren fand er zu einer eigenen Bildsprache, abstrakt und expressiv, stark reduziert in den Gestaltungsmitteln. 13 weitere Bilder schließlich stammen vom Hagener Maler Horst Becking. Er hat sie zu Gedichten von Ernst Meister geschaffen, farbenfrohe Stücke, vereinzelt gegenständlich wahrzunehmen, auch eine Übermalung ist dabei. Bilder und Texte finden sich in einem kleinen Büchlein wieder, das das Museum herausgibt.

Man hätte gerne mehr gewusst

Viel Originelles ist hier also versammelt, was zwingend gar nicht den Anlass „Stadtjubiläum“ gebraucht hätte. Bei angemessener Gewichtung der stadthistorischen Anteile hätte man dem berühmten Maler Emil Schumacher natürlich mehr Raum geben müssen, doch nun gut, der hat sein eigenes Museum gleich gegenüber. Trotzdem wäre gerade bei ihm doch zu fragen, was ihn zeitlebens in Hagen hielt. Auch Nena hätten wir gern prominenter platziert gesehen, ohne deshalb die Hagener Rock-Szene vernachlässigen zu wollen. Jürgen von Manger ist wenigstens ein Video-Räumchen vorbehalten, wo seine alten Fernsehauftritte laufen.

  • „Hagen – die Stadt. Geschichte, Kultur, Musik“
  • bis 21.11.2021
  • Osthaus Museum Hagen, Museumsplatz 1, Hagen
  • Di-So 12.00 – 18.00 Uhr, Eintritt frei, Maskenpflicht
  • www.osthausmuseum.de

 




Walzermusik sollte Fans besänftigen – Zweimal Rock in der Westfalenhalle 1, mal hart, mal deutsch

Von Elias Bierdel und Bernd Berke

Dortmund. Wenn es noch eines Beweises bedurfte, so wurde er am Wochenende in der Westfalenhaiïe 1 erbracht: Rock mit deutschen Texten (etwa 13 000 Zuschauer, ausverkauft) rangiert im Urteil der Fans derzeit eindeutig vor anglo-amerikanischen Hard-Rock-Formationen, die diesmal „nur“ 9000 Leute ins Hallenrund lockten.

Allseits wurde Erfreuliches vermeidet: Die Polizei nahm bei der zweitägigen Mammutschau nur einen Mann fest, der gegen das Waffengesetz verstoßen hat“te; für die Sanitätsdienste verlief die Veranstaltung normal, und die Tontechniker des ZDF sprachen von „hervorragenden Aufnahmebedingungen“. Also wird man Bei Fernsehaufzeichnungen von „Rock-Pop in Conzert“ (voraussichtliche Sendetermine: 19. Juni Hard-Rock, 10. Juli Deutsch-Rock) auch die Texte verstehen, die beim Live-Konzert nicht immer deutlich über die Rampe kamen.

(EBi) Der erste Tag des Spektakels, der harten Rock-Musik gewidmet, gewann gerade durch die kurzfristige Änderung des Programms. Vor allem die nachträglich „nominierte“ Band Jethro TulI konnte – inmitten wüster Phon-Orgien – eigene, anspruchsvollere Akzente setzen. Zuvor erwiesen sich Joan Jett & The Blackhearts als mittlerer Flop.

Bevor die Stars des Abends, die zwanzig Jahre alte Gruppe „Status Quo“, die frenetischsten Beifallsstürme einheimsten, lief über Lautsprecher Walzermusik – offenbar, um die Rockfans zu besänftigen. Eines kann man Status Quo jedenfalls nicht nachsagen: Daß es an Lautstärke mangelt. Es folgte „Heart“ mit langweilig dargebotenen Phantasielosigkeiten. Nach 2 Uhr beendete „Saxon“ das Programm. Auffälligstes Show-Requisit: ein riesiger Silbervogel, der die Fans mit blitzenden Augen fixierte.

(bke) Am zweiten Tag bestieg mit „Ideal“ die bekannteste Gruppe gleich zu Anfang eine der beiden Bühnen. Fazit: Auf Platte sind die Berliner um Annette Humpe besser. Es fehlte der „Draht“ zum Publikum. Ganz anders Wolfgangs Niedeckens BAP, die mit fetzigem Kölschrock das Publikum der 12- bis 35-jährigen zu Begeisterungsstürmen hinriß. Stärkeres wurde während der ganzen Nacht nicht mehr geboten. Bei Joachim Witt, dem „goldenen Reiter“, der wie ein Roboter über die Bühne wackelte, ähnelte ein Lied dem anderen. Sein 12minütiger Singsang vom „Herbergsvater“ ging immerhm in die Beine. Prädikat: Konsequent monoton.

Die Münchner „Spider Murphy Gang“ („Skandal im Sperrbezirk“) brachte musikalisch eher biedere, konventionelle Kost, UKW sah sich nach technischen Pannen und langer Umbaupause unter Wert verkauft. Ohnehin warteten alle nur noch auf „Extrabreit“ aus Hagen. Deren Anlage war entschieden zu laut ausgesteuert, und man hörte fast nur noch brutale Gitarrenschlachten.

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WR-Lokalteil Dortmund