Die schwebende Komik des Bernd Pfarr

Der leider so früh verstorbene Bernd Pfarr (1958-2004) war ein unvergleichlicher Cartoonist, Zeichner und Maler. Kaum auszudenken, welche Figuren und Szenen er noch hätte erschaffen können, wenn ihm mehr Jahre geblieben wären.

Seine Bilder führen in ungeahnte Vorstellungsräume, sie sind nicht einfach nur hochkomisch, sondern heben mit allem Inventar gleichsam sachte ab vom Boden der Verhältnisse, öffnen unversehens Türen in eine andere Wirklichkeit. Ach, es ist verteufelt schwer, diese wunderbar schrägen, immer auch geheimnisvoll schwebenden Bilder mit Worten zu erfassen. Pfarrs zutiefst merkwürdige Figur „Sondermann“ zählt jedenfalls zu den grotesken Legenden neuerer Zeitrechnung.

Wer, wenn nicht solche erhabenen Könner wie Pfarr, der überdies auch ein höchst feinsinniger Texter gewesen ist, gehörte in eine Buchreihe mit dem Obertitel „Meister der komischen Kunst“? Der Band über Bernd Pfarr erscheint hier neben ähnlich aufgemachten Einblicken ins Oeuvre von Robert Gernhardt, F. K. Waechter, Chlodwig Poth, Marie Marcks und anderen Großkalibern. Die Namen lassen es ahnen: Die „Neue Frankfurter Schule“ des parodistischen Humors, welche sich vornehmlich um die Zeitschriften „Pardon“ und „Titanic“ gruppierte, macht längst einen bildnerischen Kernbestand der Komik im deutschsprachigen Raum aus, der sicherlich auch den internationalen Vergleich nicht scheuen muss. Die „Frankfurter“ und ihr Umfeld prägen somit auch diese Reihe des Münchner Kunstmann-Verlags.

Das 2010 begonnene verlegerische Projekt (Herausgeber ist der Kunsthistoriker und Ausstellungsmacher WP Fahrenberg) hat durchaus verdienstvolle Ansätze, sucht es doch die Erinnerung an Künstler wachzuhalten, die sonst womöglich verblassen könnte. Auswahl und Präsentation sind jeweils ordentlich, wenn auch nicht berauschend. Denn viele Cartoons würden durch größere Formate erheblich gewinnen, ja, manche verlangen gar gebieterisch nach mehr Platz, als ihnen hier zugestanden wird.

Handelsübliche Cartoonbände sind nun mal nicht von ungefähr deutlich größer als die Titel dieser Reihe. Mit knapp über 100 Seiten lassen sich zudem manche Lebenswerke nur recht knapp skizzieren. Auch im Falle Bernd Pfarrs langt es – neben Kostproben aus dem Schaffen – nur für ein paar kleine Beigaben: einen kurzen, klugen Aufsatz von Patrick Bahners (der „Mäuerchen“ als zentrales Motiv in Pfarrs Werk benennt), ein paar biographische und bibliographische Daten sowie eine Handvoll Fotos aus Pfarrs Leben. Das weckt Appetit, stillt ihn aber nicht.

Es ist anzunehmen, dass man bei Kunstmann einigermaßen vorsichtig kalkulieren musste und sich eben nicht getraut hat, mit voluminösen Großformaten auf den Markt zu gehen. Man kann das nachvollziehen, es ist sicher vernünftig. Schade ist es trotzdem.

Meister der komischen Kunst: Bernd Pfarr. Kunstmann Verlag, München. 112 Seiten im Format 23,4 x 18 cm. 16 Euro.




Gernhardt, Waechter, Bernstein – das Dreikönigstreffen des höheren Sinns und Unsinns in Menden

Von Bernd Berke

Menden. Man beachte den Unterschied: Es war kein Event, es war ein Ereignis. Der vor rund dreieinhalb Jahrzehnten geschmiedete Dreierbund des parodistischen Nonsens erneuerte sich am Samstag glorreich im Kinocenter Menden: Robert Gernhardt. F. K. Waechter und F. W. Bernstein waren da – gleichsam das Dreikönigstreffen des feinfühligen Humors.

Die Briten hatten „Monty Python“, unsereins hatte Loriot und diese drei: Zur Mitte der 60er-Jahre war’s, als das unvergleichliche Trio die „Welt im Spiegel“ (WimS) schuf, jene legendären Seiten für höheren Sinn und Unsinn, die dem Satiremagazin „Pardon“ beigeheftet waren. Als so genannte „Neue Frankfurter Schule“ haben sie gewiss den Humor des sensibleren Teils der 68er-Generation mitgeprägt.

Drei einflussreiche Pioniere des geistvollen, oft das Philosophische streifenden Ulks also. Gernhardt gilt längst auch der hochmögenden Literaturkritik als feste Größe, Waechter machte seinen weiteren Weg nicht zuletzt als Kinderbuch- und Theaterautor.

Wie schön, dass ihre Bruderschaft noch besteht. Und wie gut, dass sie ins sauerländische Menden fanden, wo der rührige Verein „Katastrophen Kultur e.V.“ ihnen allerdings weder das Theater Scaramouche (wegen angeblicher Einsturzgefahr geschlossen) noch das Theater am Ziegelbrand anbieten konnte. Also zog man ins Kinocenter. Und der große Saal war derart ausverkauft…

Es geht um „Mann und Maus, Mensch und Frau“

Gernhardt gab die globale Leitlinie vor: Um „Mann und Maus, Mensch und Frau“ werde es in den Texten aus 35 Jahren gehen. Sogar der „Page Herbert“, eine Figur aus den Anfangsjahren, hatte nochmals einen absurd-frechen Auftritt antiautoritären Zuschnitts: Wiederum dürfte er seinem zornigen König den Kauz ins Gesicht werfen und siedende Fettmasse hinterdrein gießen („…und das heiße Schmalz / zischt dir an den Hals^).

Oder dies: Die Viktor-Schlawenz-Gesellschaft will Leben und Werk dieses Mannes fördern. Doch leider gibt es nirgendwo einen, der so heißt. Tja. Die Goethe-Gesellschaft hatte eben unverschämtes Glück: Da lebte einer dieses Namens, der sogar Meisterwerke schrieb. Oder das: Ein selbsternannter Experte behauptet, die Zentralgestalt der Kunstgeschichte sei ja wohl die Bisamratte. Gewiss doch. Etwa bei Rembrandt, dem alten „Bisamratten-Pinsler“.

Oh, ihr tiefen Wonnen der Albernheit! Allerlei hintersinnige Dichtungen und Dramolette wurden mit verteilten Rollen gelesen. Sündiger Sex und seliger Suff bilden das Gerüst, um das sich ausgefeilte Reime ranken. Gar oft ist auch der Tod zu Gast, der alte Sensenmann. Doch selbst ihm wird Hohn und Spott zuteil.

Ältere Texte erklären sich aus der Reibung an überkommener Sexual-„Moral“ der 50er- und frühen 60er-Jahre. Damals waren es befreiende Akte, inzwischen sind sie mit Würde gealtert. Nicht Patina haben sie angesetzt, wohl aber Jahresringe. Ganz so wie F.K. Waechter, der immer noch die gleiche (inzwischen schlohweiße) Freak-Frisur trägt wie „damals“; ganz so wie Bernstein, der vielleicht Skurrilste, Verschrobenste von den Dreien (was einiges heißen will). Mag sein, dass es ihnen ergeht wie Bob Dylan, dem die Fans immer wieder die Songs aus den 60ern abverlangen. Sie lassen sich keinerlei Routine anmerken. Im Gegenteil. Hut ab!