Wie Borussia Dortmund bei der Integration helfen kann – Migranten aus aller Welt erzählen

Reshat Toshi stammt aus dem Kosovo, floh 1997 nach Deutschland und fand damals dank eines BVB-Fanclub-Vorsitzenden eine langersehnte Wohnung. Daraus entwickelte sich – wie könnte es anders sein – Begeisterung für die Borussia, die bis heute Bestand hat. Das ist eine von vielen Geschichten, die man in dem Buch „Schwarzgelbe Freunde überall auf der Welt“ nachlesen kann.

Zahlreiche Migranten und Flüchtlinge erzählen in dem 160 Seiten starken Band ihre Geschichte, in der der BVB oder einer seiner Fanclubs maßgeblich zur Integration beigetragen haben.

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Das Buch erscheine passend zu einer Zeit, in der Migration und Integration beherrschende Themen seien, sagte BVB-Präsident Dr. Reinhard Rauball, als ihn Moderator Levent Aktoprak bei der der Präsentation im Borusseum nach dem Stellenwert des Buches fragte. Man wolle ein deutliches Zeichen setzen, dass sich Fußball und speziell der BVB als eine große Familie verstehen und dies über alle Religionen, Hautfarben, Sprachen und Kulturen hinweg. Apropos: Moderator Aktoprak, in Ankara geboren, hat an der Publikation auch selbst mitgewirkt und erzählt, wie er als Journalist sich mehr und mehr für den BVB begeisterte, bis er später Vorsitzender eines kulturell und sozial engagierten Fanclubs wurde.

In einer anderen Geschichte berichtet der gebürtige Tunesier Faouzi Bibani, wie er bereits in Afrika sein Herz für den BVB entdeckte hat. Vor inzwischen 23 Jahren kam er in die Bundesrepublik und lernte schnell über einen Fanclub in Werl viele Menschen kennen. Dank dieser großen Zahl an Kontakten habe er sich in Deutschland schnell sehr wohl gefühlt. Die Unterstützung, auf die er bauen konnte, gibt der 43-Jährige heute gerne weiter und hilft Flüchtlingen beim Ausfüllen von Formularen oder erklärt ihnen, was sie über Deutschland wissen sollten.

Mit dem Taxiunternehmer Mustafa Güner kommt ein Mann zu Wort, der sich durch einen besonderen Ortswechsel der Schar der BVB-Fans anschloss. Er zog Ende der 70er Jahre zum Borsigplatz, wodurch sich dann „der Bezug zum BVB entwickelte“. Sein soziales Engagement in heutiger Zeit, das vor allem auch den Kindern gilt, steht in enger Verbindung mit Menschen, die er dank der Borussia kennen gelernt hat.

Viele Nationen, viele Kulturen prägen aber nicht nur das Bild rund um den Borsigplatz, gern auch als Wiege des BVB bezeichnet. Lars Ricken, der von 2003 bis 2007 für den BVB insgesamt 301 Bundesligaspiele absolvierte (mit 41 Toren), schreibt ganz locker und selbstverständlich: „Schon zu meiner aktiven Zeit waren wir eine Multi-Kulti-Truppe“. Es sei vollkommen egal gewesen, ob Europäer, Amerikaner, Asiat, Afrikaner oder Australier: Das Ziel habe stets gelautet, den Sieg für den BVB zu holen.

Down under übrigens ist bislang der einzige Kontinent, auf dem noch kein BVB-Fanclub existiert. Natürlich gibt es die meisten der 750 Clubs in Deutschland. Aber auch in anderen Staaten Europas oder auch in Afrika, Asien oder Amerika haben sich Fans zusammengetan.

Ein früherer Soldat der einstigen britischen Armee im Ruhrgebiet berichtet, dass er „seiner“ Borussia auch der heutigen skandinavischen Heimat die Treue hält. Kinder- und Jugendbuchautor Hermann Schulz, der viel auf Reisen ist, berichtet über die Begeisterung, die er gerade bei jungen Afrikanern angetroffen hat. Solche und andere Passagen werfen allerdings die Frage auf, ob es in dem Buch doch nur um reine PR für den BVB geht.

Für Reinhard Rauball ist indes die Veröffentlichung bestens geeignet, den Wert der Fankultur hervorzuheben. Wenn gerade jetzt wieder, vor Saisonbeginn, über die Millionensummen der bei den Fußballertransfers diskutiert werde, dürfe man nicht vergessen, worauf es im Fußball auch besonders ankomme: „Wir-Gefühl“ und Miteinander.

Uwe Schedlbauer & Andreas Goldberg: „Schwarzgelbe Freunde überall auf der Welt“. Verlag Die Werkstatt, 160 S., 16,90 Euro




Singende Kinder – ebbt die Welle ab?

Von Bernd Berke

Als Heintje in die Jahre kam, gab es eine Austrittswelle: Der Dortmunder Heintje-Fanclub, einst der größte seiner Art in der Bundesrepublik, schrumpfte zusehends. Innerhalb weniger Monate kehrten über 100 Fans des holländischen Kinderstars ihrem Hörder Verein den Rücken. Im Umland machten von 29 Heintje-Clubs zehn dicht.

Dr. Riemer vom Deutschen Institut für Jugendforschung in München erklärt sich das so: „Es scheint, als könnten sich die Fans mit einem erwachsenen Heintje nicht mehr abfinden. Sie können ihre geheimen Wünsche nicht mehr auf den Jungen übertragen.“

Manager poltert gegen früheren Schützling

Heute ist man Heintje richtig böse. Manager Gerd Rothenbusch (33), der bis vor kurzem noch landauf, landab Reklame für ihn machte, poltert gegen seinen früheren Schützling los: „Den würd‘ ich nicht mehr auftreten lassen. Der hat doch genug Geld verdient, der Knabe!“ Als hätte Rothenbusch es gerochen: Einen Tag später verpatzt Heintje – angeblich von Grippe geplagt – seinen Auftritt bei der Löwenverleihung in der Westfalenhalle. Rothenbusch freut sich: „Das geschieht ihm recht. Unser Club gönnt ihm keinen Erfolg mehr. Warum muß Heintje auch so viel Malteser saufen. Klar, daß ihn das fertigmacht!“

An Heintjes Stimmbruch und an der Tatsache, daß er seinen größten Club im Stich ließ. indem er ihn nicht mehr mit Informationen versorgte, wäre beinahe der Club eingegangen. Gerade noch rechtzeitig kam Clubchef Rudolf Omnitz (18) die rettende Idee: um weiter auf der Kinderstar-Welle mitreisten zu können, nahm er die heute zwölfjährige Norwegerin Anita unter die Fittiche des 500köpfigen Clubs.

Heintje als Ersatzkind?

Das fällt auf: Der Club, der sich um Kinderstars kümmert, hat sehr viele Mitglieder über 40 Jahre. Und es gibt sogar eine Art „Dunkelziffer“. Manager Rothenbusch: „Viele Mütter und Omas lassen ihre Sprößlinge in den Club eintreten, weil sie sich schämen, es selbst zu tun.“ Den Grund kann man nur vermuten. Beim Clubtreff ruft ein älterer Mann im Überschwang: „Den Heintje, den mag ich, der ist nicht so überheblich.“ Der Mann ist nicht verheiratet, hat kein Kind. Heintje als Ersatzkind?

Jedenfalls ist der Fan etwas „hinter dem Mond“. Für seinen Club nämlich ist Heintje „gestorben“. Und schon drohen Sorgen mit dem blonden Heintje-Ersatz Anita („Schön ist es, auf der Welt zu sein“), denn auch von der kleinen Roy-Black-Partnerin hört man kaum noch etwas. Letzte Chance: Clubgründer Rudolf Omnitz will einen Blitzbesuch in ihrer norwegischen Heimat machen und sie zu neuen Aktivitäten überreden. Und wenn’s nicht klappt, ist es auch nicht schlimm.

Flexibler Fanclub: von Anita zu Jürgen Marcus

Fanclubs sind flexibel: Schon ist Rudolf Omnitz mit einem Bein aus der Kinderwelle raus. Seme Fanclubzeitung (Auflage: 3000 Stück), die einst naiv bejubelte, daß sich „unser Heintje“ eine Villa mit 26 Zimmern leisten kann und dann Anita in den Schlagerhimmel hob, feiert heute in erster Linie Jürgen Marcus („Schmetterlinge können nicht weinen“).

Auch die Schallplatten-Industrie sieht den Boom der deutsch singenden Kinderstars abflauen. Bei der Ariola-Tochter „M Records“, die den zehnjährigen „Nicki“ unter Vertrag hat, heißt es: „Wir haben keinen anderen Kinderstar mehr. Der Nicki reicht uns.“ Auf andere Weise will die Firma Bellaphon nach Worten von Manager Helmut Kersting das Problem in den Griff kriegen: „Wir werden die Fanclubs straffer organisieren.“ Kersting betreut das britische Kinderduo „James Boys“.

Wie deprimierend auch das neue Clubleben aussehen kann, läßt ein Auftritt Jürgen Marcus im Dortmunder Clublokal „Kaiser“ in Sölde vermuten: Für 25 DM Eintritt „dürfen“ die Fans über eine Stunde lang auf seinen Auftritt warten. Und dann singt er nicht etwa, sondern wünscht nur einen guten Abend. Dann muß er weiter zu Fernsehaufnahmen.

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Rundschau-Wochenendbeilage