Ungewisse Zukunft – Dortmunds Konzerthaus-Intendant Vogt kündigt

Kommentar

Die Nachricht kam wahrhaftig überraschend: Dortmunds Konzerthaus-Intendant Ulrich Andreas Vogt hat gestern seinen Vertrag zum 31. Juli 2005 gekündigt.

War es eine Art Kurzschlusshandlung, war er schlichtweg von Debatten um seine Arbeit; genervt? Oder hat Vogt etwa andere Pläne, über die er noch nicht öffentlich sprechen mag? Sind es nur Gerüchte, dass es ihn zu den Salzburger Festspielen ziehe?

Gewiss: In der Stadt hatte es mancherlei Kritik gegeben – nicht einmal so sehr an Vogts engagierter Amtsführung, sondern am zählbaren Resultat. Mit nur rund 70 Prozent Platzausnutzung geriet die „Westfälische Philharmonie“ finanziell ins Schlingern und meldete erhöhten Zuschussbedarf an. Bis Ende dieses Monats sollte Vogt ein neues, tragfähiges Konzept zur Steigerung der Einnahmen vorlegen. Was daraus wird, ist jetzt fraglich.

Nachfolger-Suche braucht Zeit

Stehen wir nun schon vor den ersten Trümmern des kulturellen „Leuchtturms“? Nein, so weit ist es denn doch noch nicht! Letzten Endes ist wohl jeder „ersetzbar“, auch ein so sachkundiger Seiteneinsteiger wie Vogt, der ja noch eine große Reinigungsfirma betreibt. Doch man möchte am liebsten gar nicht darüber nachdenken, was nun geschehen wird. Bis ein kompetenter Nachfolger gefunden ist, dürfte einige Zeit ins Westfalenland gehen. Bis sich der oder die „Neue“ auch noch eingearbeitet und mit den regionalen Verhältnissen vertraut gemacht hat, wird es noch etwas länger dauern.

Ein politischer Kern des Konflikts

Man sollte sorgsam darauf achten, dass Vogt in seiner verbleibenden Amtszeit die Bedingungen für einen halbwegs gleitenden Übergang schafft. Innig zu hoffen bleibt, dass das musikalische Programm nicht unter den Turbulenzen leidet.

Es müssen schon gewichtige Gründe gewesen sein, die Vogt zu seinem Schritt bewogen haben. Gerade in den letzten Tagen und Wochen hatte sich eine politische Bereitschaft bei SPD und CDU abgezeichnet, das Konzerthaus höher zu bezuschussen. Freilich sitzt seit kurzem an der Spitze des Aufsichtsgremiums eine umtriebige Politikerin der Grünen, die das ganze Projekt stets skeptisch bis ablehnend betrachtet hat. Gut möglich, dass in dieser Personalie ein Kern des Konflikts liegt.

                                                                                                                 Bernd Berke

 




Wie kommt die Kunst zur Autobahn? Ein kleines Lehrstück in mehreren Akten

Ein paar Kunstwerke entlang der Autobahn aufstellen – nichts einfacher als das. Von wegen! Der Dortmunder Bildhauer Dr. Bernd Moenikes (37) kann da ganz andere Geschichten erzählen. Eine solche Sache kann schier endlos dauern. Ein kleines Lehrstück in mehreren Akten, Ende offen.

Es begann vor etwa drei Jahren – so genau weiß das Moenikes schon gar nicht mehr. Damals hatte er die Idee zum Projekt „Crossing“ (Kreuzung): Wenn Leute nicht ins Museum gehen, muß die Kunst eben zu ihnen kommen. Zum Beispiel auf die Autobahn. Geeignetes Aktionsfeld, so befand Moenikes nach Testfahrten, sei der Strang A 430 (B1/A 44) sowie die A 1. Beide Linien kreuzen einander. Grenzpunkte sollten der Anschluß Dortmund-West, das Kreuz Werl, das Kamener und Westhofener Kreuz sein.

Moenikes, bereits mit Umweltkunst-Aktionen („Tanz auf dem Müll“) hervorgetreten, dachte angesichts der Asphaltbänder und Blechlawinen nicht von ungefähr auch an einen leidensreichen Kreuzweg. Doch andererseits sehnte er lange Staus beinahe schon herbei, denn dann hätten die Menschen ausgiebig Gelegenheit, an den zwölf Stationen des Kreuzwegs Holzskulpturen zu sehen…

„Man braucht Beziehungen“

Doch zunächst mußte „das Umfeld sondiert werden“ (Moenikes). Mehrmals ging’s zum Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), der für die Sicherheit hiesiger Autobahnen zuständig ist. Im Prinzip, so Moenikes, hatte man dort nichts gegen die Skulpturen, wollte aber natürlich bei der Standortwahl mitreden.

Komplizierter wurde es, als Moenikes beim Kultusministerium in Düsseldorf vorsprach. Der Dortmunder erkannte: „Man braucht Beziehungen.“ Die Referenten fragten geradezu begierig nach Namen. Sie zeigten sich von der Idee angetan, gaben sich aber finanziell zugeknöpft. Bevor man Zuschüsse zu dem auf mindestens 500 000 DM geschätzten Vorhaben zusage, wolle man (aus Sicht des Ministeriums nur zu verständlich) ein präzises Konzept sehen, samt Teilnehmerliste und möglichst fertigen Probestücken. Das aber hieß: Moenikes hätte erhebliche Vorleistungen erbringen müssen, denn kein halbwegs prominenter Künstler hätte gratis und auf Verdacht gearbeitet.

Sponsoren haben, um Sponsoren zu finden

Einer der nächsten Wege führte zum Leiter des Dortmunder Ostwall-Museums, Dr. Ingo Bartsch. Auch der fand die Idee gut und nannte gleich hochkarätige Künstlernamen: Magdalena Jetelova, Stephan Balkenhol, Jiri Hilmar, Dani Karavan, Thomas Schütte, Claus Bury, Wilfried Hagebölling – allesamt mögliche Teilnehmer, allesamt Bekannte von Bart&ch. Der Museumsmann versprach, Kontakte zu vermitteln, falls Geld vorhanden wäre. Der Ostwall-Etat ist schmal.

Zugleich verfiel Moenikes auf die Idee, vor dem großen Autobahn-Projekt eine Schau von Planskizzen und beispielhaften Skulpturen am Ostwall zu veranstalten, die weit weniger, nämlich rund 20 000 DM, kosten und Sponsoren aufmerksam machen sollte. Doch auch diese 20 000 DM (angesichts der klingenden Namen viel zu niedrig angesetzt) wollen aufgetrieben sein. Also: Um Sponsoren zu finden, muß man schon Sponsoren haben.

Moenikes denkt an einen Ostwall-Termin im Jahr 1993, was Bartsch auf Befragen weit von sich weist: „Bis 1995 sind wir ausgebucht!“ Außerdem sei „Crossing“ ganz und gar kein Ostwall-Projekt. Er, Bartsch, habe lediglich ideelle Hilfe in Aussicht gestellt.

Ein Scheck über gerade mal 100 Mark

Auf dem Umweg über eine Münsteraner Kulturstiftung hat sich laut Moenikes kürzlich immerhin eine Holzfirma gefunden, die das Material stellen will — doch auch dazu müßte die Aktion bereits laufen. Also weiter auf Sponsoren-Suche, deren Gesetze Moenikes erst ganz allmählich kennenlernte. Der Verein „pro ruhrgebiet“ etwa habe ihn zwischendurch „monatelang vertröstet“ (Moenikes) und dann abgewunken. Weitere potentielle Förderer wollten abwarten, was die anderen machen.

Gleichwohl will Moenikes die Flucht nach vorn antreten: „Jetzt kommt der Endspurt.“ Er verschickte eine ganze Reihe von Projekt-Infos an Firmen, denen er bereits die mögliche Zahl der werbewirksamen Medien-Kontakte und sogar das Verkehrsaufkommen auf besagten Autobahn-Abschnitten vorrechnet. Der umweltkritische Ansatz ist unterdessen etwas unter die Räder geraten. Für eine autofeindliche Aktion fänden sich eben kaum potente Sponsoren.

Derzeit kommen erste Antworten auf Moenikes‘ Briefe. Eine Dortmunder Kunststoff-Firma sagte 2000 DM für die vielleicht ganz illusorische Ostwall-Vorschau zu, ein Bauunternehmen schickte einen Scheck über gerade mal 100 DM, den Moenikes enttäuscht zurücksandte. Resignation? Moenikes ist frustriert, will sich aber nicht unterkriegen lassen: „Wenn die Sache jetzt nicht läuft, belebe ich sie vielleicht irgendwann mal wieder.“