Mit Zuversicht durch schwierige Zeiten: Neue Leitung fürs Dortmunder Szene-Theater „Fletch Bizzel“

Neues Leitungsduo des Theaters „Fletch Bizzel“ in Dortmund: Cindy Jänicke und Till Beckmann. (Foto: Marcel Richard)

Mutig, mutig! Wer in diesen Tagen und Wochen ein Theater übernimmt, muss schon einige Zuversicht aufbringen. Die blanke Nachricht: Die Geschicke der Dortmunder Szene-Bühne „Fletch Bizzel“, seit rund 40 Jahren von Horst Hanke-Lindemann betrieben, gehen in jüngere Hände über. Cindy Jänicke und Till Beckmann werden das Haus offiziell ab 1. Februar leiten, das angestammte Team bleibt zum Teil dabei. Und was soll sich inhaltlich ändern?

Nun, die beiden „Neuen“, die schon reichlich Bühnenerfahrungen mitbringen, können auf einem soliden Fundament aufbauen. Die Ära Hanke-Lindemann ist eine dauerhafte Erfolgsgeschichte, der scheidende Spiritus Rector hat u. a. auch populäre Formate wie den Alternativ-Karneval „Geierabend“ oder das Kabarett/Comedy-Festival „Ruhrhochdeutsch“ entwickelt. Das 1979 gegründete „Fletch“, wie es häufig abgekürzt wird, genießt weit über Dortmund hinaus einen guten Ruf.

Auf solchen Lorbeeren wollen sich Cindy Jänicke und Till Beckmann jedoch nicht ausruhen. Bei einer Online-Pressekonferenz sprühten sie heute geradezu vor Ideenfülle. Die Präsentation geriet vielfach zum Namedropping aus der freien Szene. Wer da alles nach Dortmund kommen soll! Aus vielen Ecken und Enden der Republik (und darüber hinaus) sollen offenbar immer wieder andere, meist junge Leute ans Haus geholt werden, um neue Impulse zu setzen. Durch wechselvolle Berufs-Biographien (siehe Stichworte im Anhang) ist das neue Leitungsduo bestens vernetzt. Das dürfte sich auszahlen.

Hochkarätige „Spielkinder“

Mit den bisherigen Stücken wird „Tabula rasa“ (Till Beckmann) gemacht, sie verschwinden aus den Programmen. Till Beckmann stammt aus einer ausgesprochenen Schauspiel-Familie, die daraus hervorgegangene Truppe „Die Spielkinder“ bringt er mit ans „Fletch Bizzel“. Das lässt einiges erwarten: Zu dieser familiär zentrierten Gruppe gehören nämlich u. a. die in der deutschsprachigen Theaterwelt hochrenommierten Schwestern Maja Beckmann und Lina Beckmann sowie die Brüder Nils und just Till – mitsamt weiteren „Spielkindern“.

Pläne und Projekte betreffen u. a. Texte des Schriftstellers Ralf Rothmann („Milch und Kohle“ etc.) oder eine Art Talk-Reihe unter dem Motto „Strictly local“, die aktuelle Dortmunder und Ruhrgebiets-Themen schnell aufgreifen soll. Gemeinsam mit der journalistischen Recherche-Instanz „Correctiv“ will man ein neuartiges Format entwickeln, bei dem möglichst investigativ aufgeschlüsselte Themen zur Bühnenreife gelangen – vielleicht ein Wegweiser für bislang ungeahnte journalistische Ansätze?

Vielversprechend klingt auch ein Projekt über den windigen Revier-Unternehmer und Benzin-Tycoon Erhard Goldbach (Marke „Goldin“), der vor allem in den 1950er und 60er Jahren Furore machte. Daraus könnte ein handfester Wirtschafts-Krimi mit viel Regionalkolorit werden.

Schnell auf Entwicklungen reagieren

Hinzu kommen beispielsweise digital eingeleitete „Video Walks“ durch die Gefilde der Stadt sowie zahlreiche Workshops und Produktionen in den Bereichen Tanz und Musik. Auch die bildende Kunst wird nicht ausgespart, schließlich gibt es ja eine eigene kleine Galerie. Kurzum: Eigentlich haben die Neuen dermaßen viel vor, dass man schon beinahe fragen müsste, was sie denn n i c h t machen wollen…

Till Beckmann freut sich, dass das „Fletch Bizzel“ gleichsam ein „kleines wendiges Boot“ im Kulturbetrieb sei und rasch auf Entwicklungen reagieren könne. In diesen Zeiten äußerst ratsam: Stets werde man zusätzlich „einen Plan B und einen Plan C haben“. Nur ein Beispiel: „Wenn das Wetter es zulässt, werden wir auch draußen spielen.“

Geradezu Ehrensache, dass auch neues Publikum ins Haus geholt werden soll, nämlich möglichst junge Leute und gerne Migrantinnen und Migranten. Überhaupt hat sich die neue Leitung zum Ziel gesetzt, personell und programmatisch „divers“ (also vielfältig) zu agieren – eine ähnliche Leitlinie übrigens, wie sie die junge Intendantin des städtischen Schauspiels, Julia Wissert, für ihren Wirkungsbereich vorgezeichnet hat. Till Beckmann spricht denn auch mit größtem Respekt von Frau Wissert. Sie sage so kluge Dinge, dass er am liebsten ständig mitschreiben wolle. Er mag’s halt enthusiastisch.

Horst Hanke-Lindemann ergänzt aus langjähriger Erfahrung: Früher habe es noch große Unterschiede zwischen Stadttheater und freier Szene gegeben, inzwischen wachse da manches zusammen und mische sich.

Gründlicher Umbau des Hauses

Hanke-Lindemann, der beim „Geierabend“ und bei „Ruhrhochdeutsch“ noch aktiv bleiben will, wird auch weiterhin dem Trägerverein des „Fletch Bizzel“ angehören, aber keinesfalls in künftige Programm-Planungen eingreifen. „Man muss loslassen können.“ Die neue Leitung solle in Ruhe arbeiten und Dinge entwickeln.

Auch baulich tut sich unterdessen beim „Fletch“ im Dortmunder Klinikviertel (Humboldtstraße 45) eine ganze Menge. Dank verschiedener Fördermittel und in enger Absprache mit dem Vermieter entstanden und enstehen beispielsweise neue Büros, eine neue Sound-Anlage und vor allem eine avancierte Luftfilterung, die zumal mit Aerosolen klarkommen soll. Die Theaterleute rechnen vorsichtshalber damit, dass Corona uns alle noch auf Jahre hinaus beschäftigen könnte – zumindest als Thema.  Für alle nötigen Umbauten, so Hanke-Lindemann, werde man indes auch Sponsoren brauchen. „Mit 100.000 Euro kommen wir da insgesamt nicht aus.“

Und wann geht’s wieder los mit dem Spielbetrieb? Am liebsten Mitte April mit der ersten Premiere. Doch das weiß noch niemand so genau. Sagen wir’s mal mit dem alten Spruch: „Demnächst in diesem Theater…“

_______________________

Stichworte zur beruflichen Vita des neuen Leitungsduos

Till Beckmann: Geboren 1985 in Recklinghausen, aufgewachsen in Wanne-Eickel (Herne) und Dortmund. Ab 2006 „theaterkohlenpott“ in Herne. Literaturstudium an der Ruhr-Uni Bochum. Gastspiele u. a. bei der Ruhrtriennale, den Ruhrfestspielen, den Duisburger Akzenten und am Schauspiel Essen. Drehbuchautor für Adolf Winkelmanns Kinofilm „Junges Licht“. Regisseur beim „Geierabend“. Außerdem „Pangalaktisches Theater“ (Figuren- und Maskenspiel).

Cindy Jänicke: Dramaturgin, Theaterpädagogin und Kulturmanagerin, u.a. mit Stationen an der Berliner Staatsoper Unter den Linden, Schauspielhaus Wuppertal, Zürich und Stuttgart. Unter Dieter Dorn Gründung und Leitung des Jungen Schauspiels in München. Produzentin internationaler Projekte im Tanztheater. Weitere Theater-Tätigkeiten in Harare (Simbabwe), Kampala (Uganda) und Tansania. Kommt jetzt mit ihrer Familie aus Flensburg nach Dortmund.




Corona-Update: Alles dicht! – Dortmunder Kultur-Absagen und tägliche Ergänzungen aus dem Revier

Ein Blick in den Zuschauerraum des Dortmunder Konzerthauses, das 1500 Plätze hat und  selbstverständlich auch von Absagen betroffen ist. (Foto: Bernd Berke)

Hier am Anfang zunächst der Stand vom 11. März, ständige Aktualisierungen weiter hinten:

Ausnahmsweise werden hier zwei ausführliche Pressemitteilungen aus den Dortmunder Kulturbetrieben wörtlich und unkommentiert wiedergegeben – weil es hier vor allem auf die sachlichen Details ankommt und nicht auf diese oder jene Meinungen.

Im Anhang folgen weitere Informationen, auch aus anderen Revier-Städten. 

Zuerst eine ausführliche Übersicht zu städtischen Kulturveranstaltungen, die in den nächsten Wochen ausfallen werden, übermittelt von Stadt-Pressesprecherin Katrin Pinetzki.

Danach eine gleichfalls längere Aufstellung aus dem Dortmunder Mehrsparten-Theater, auch das Konzerthaus betreffend, übermittelt von Theater-Pressesprecher Alexander Kalouti.

Wir zitieren:

„Öffentliche Kulturveranstaltungen fallen bis Mitte April aus – Museen, Bibliotheken und U bleiben geöffnet – Unterrichtsbetrieb in VHS- und Musikschule läuft weiter

Die Kulturbetriebe der Stadt Dortmund, das Theater Dortmund und das Konzerthaus Dortmund sagen alle ihre öffentlichen Veranstaltungen bis Mitte April ab. Die Regelung gilt ab morgen (12. März) und ist unabhängig von der Zahl der erwarteten Besucherinnen und Besucher. Damit hofft die Stadt, Infektionsketten zu unterbrechen und die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen.

Es fallen aus:

  • Vorstellungen und Veranstaltungen im Konzerthaus Dortmund,
  • Vorstellungen und Veranstaltungen im Theater Dortmund: Oper, Ballett, Schauspiel, Kinder- und Jugendtheater, Konzerte, Akademie für Theater und Digitalität,
  • Veranstaltungen, Ausstellungseröffnungen und Führungen in den Städtischen Museen: Museum Ostwall im Dortmunder U, Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Westfälisches Schulmuseum, Kindermuseum Adlerturm, Hoesch-Museum, Brauerei-Museum, schauraum: comic + cartoon,
  • städtische Veranstaltungen im Dortmunder U (z.B. auf der UZWEI, in der Bibliothek „Weitwinkel“, Veranstaltungen in der Reihe „Kleiner Freitag“),
  • Veranstaltungen und Festivals im Dietrich-Keuning-Haus (der Kinder- und Jugendbereich hat geöffnet!),
  • Lesungen und andere Veranstaltungen in den Bibliotheken und im Studio B,
  • Konzerte und Veranstaltungen der Musikschule (der Unterricht findet statt!),
  • Vorträge und andere Veranstaltungen der VHS (die Kurse und Workshops finden statt!),
  • Vorträge, Lesungen und andere Veranstaltungen in Stadtarchiv und in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache,
  • Konzerte und andere Veranstaltungen im Institut für Vokalmusik,
  • Spaziergänge und Fahrradtouren zur Kunst im öffentlichen Raum,
  • Veranstaltungen des Kulturbüros (Ausstellungseröffnungen im Torhaus Rombergpark, Gitarrenkonzerte in der Rotunde).

(…)

Der Kartenverkauf für Konzerte und Aufführungen in Theater und Konzerthaus für Vorstellungen nach Ostern läuft weiter.

Alle Theater- und Konzerthauskunden, die von den Vorstellungsausfällen betroffen sind, werden kontaktiert. Wenn möglich, werden ausfallende Vorstellungen nachgeholt. Die Kunden werden über mögliche neue Termine sowie die Rückgabe von Tickets benachrichtigt.“

Weitere Informationen gibt es auf den Webseiten von Konzerthaus und Theater und auf www.dortmund.de

___________________________________________________________

Blick aufs Dortmunder Schauspielhaus. (Foto: Bernd Berke)

Wichtige Informationen zu den Vorstellungen des Theaters Dortmund und des Konzerthauses Dortmund:

„Alle Vorstellungen bis einschließlich 15. April 2020 finden nicht statt.

Aufgrund des Erlasses der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen finden im Konzerthaus Dortmund und im Theater Dortmund bis einschließlich 15. April 2020 keine öffentlichen Veranstaltungen statt. Konzerthaus-Intendant Dr. Raphael von Hoensbroech und der Geschäftsführende Direktor des Theater Dortmund Tobias Ehinger unterstützen diese Vorgabe und bedauern zugleich, dass so viele erstklassige Konzerte und Vorstellungen abgesagt werden müssen.

Alle Kunden, die von den Vorstellungsausfällen betroffen sind, werden informiert. In den kommenden 14 Tagen arbeiten wir intensiv daran, für die ausgefallenen Vorstellungen Ersatztermine zu finden. Die Ticketingstellen beider Häuser haben weiterhin geöffnet und der Kartenverkauf für Veranstaltungen nach Ostern läuft weiter. Das Restaurant Stravinski und die Klavier & Flügel Galerie Maiwald am Konzerthaus Dortmund bleiben ebenfalls bis auf weiteres geöffnet.

Das Konzerthaus Dortmund bietet für seine Eigenveranstaltungen folgende Regelungen: Für Ersatztermine behalten Tickets ihre Gültigkeit. Sollten Kunden an dem neuen Termin verhindert sein, wenden sie sich bitte telefonisch an das Konzerthaus-Ticketing unter T 0231 – 22 696 200. Sollte kein Ersatztermin gefunden werden, sendet das Konzerthaus an die Kunden einen Gutschein über die Höhe des gezahlten Kartenpreises, der für alle kommenden Veranstaltungen im Konzerthaus Dortmund einlösbar ist. Bei weiteren Fragen zur Rückerstattung steht das Ticketing ebenfalls gerne zur Verfügung. Für Partnerveranstaltungen können abweichende Regelungen gelten.

Das Theater Dortmund bietet folgende Regelungen: Bei Nichtwahrnehmung des Ersatztermins können die Karten vor dem jeweiligen Ersatztermin umgetauscht werden. Darüber hinaus bietet das Theater Dortmund folgende Kulanzregelungen für die Kartenrücknahme an: Kunden können die für diesen Zeitraum im Vorverkauf bereits erworbenen Karten bis Ende der Spielzeit 2019/20 im Kundencenter unter Vorlage der Originalkarten in spätere Alternativvorstellungen eintauschen oder in Wertgutscheine umwandeln. Bei Abonnentinnen und Abonnenten können die Karten in Abo-Gutscheine innerhalb der jeweiligen Sparte umgewandelt werden, die aus Kulanz auch für die nächste Spielzeit einlösbar sind. Karten, die bei externen Vorverkaufsstellen erworben wurden, können nur an diesen zurückgegeben werden. Für Rückfragen steht das Ticketing des Theater Dortmund unter der Telefonnummer 0231 – 50 27 222 gerne zur Verfügung.

Wir stehen weiterhin in engem Kontakt mit den zuständigen Behörden und informieren auf unseren Websites über alle weiteren aktuellen Entwicklungen, die den Spielbetrieb unserer Häuser betreffen.“

_________________________________________

Ausgewählte Ergänzungen (ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit)

12. März:

Die Dortmunder Arbeitswelt-Ausstellung DASA hat die für 28./29. März geplante „Maker Faire Ruhr“ abgesagt, ein Erfinder- und Mitmach-Festival, das im Vorjahr einige Tausend Besucher(innen) mobilisiert hat. Nachtrag am 16. März: Die DASA schließt jetzt bis auf Weiteres ganz.

Die in Dortmund ansässige Auslandsgesellschaft streicht bis zum 15. April alle öffentlichen Veranstaltungen.

Das Szenetheater „Fletch Bizzel“ folgt dem Beispiel der städtischen Kultureinrichtungen und sagt alle Veranstaltungen bis Mitte April ab.

Auch im Fritz-Henßler-Haus gibt es bis Mitte April keine öffentlichen Auftritte.

Im Dortmunder Literaturhaus ist ebenfalls bis 15. April Veranstaltungs-Pause.

Die Messe „Creativa“ in den Dortmunder Westfalenhallen ist gleichfalls abgesagt und auf Ende August verschoben worden.

13. März:

Theater Dortmund: Alle Sparten haben ihre Spielpläne für diese und die kommende Saison gründlich umgeschichtet.

Schauspielhaus Bochum: Keine Veranstaltungen mehr (auch nicht mit weniger als 100 Personen). Sämtliche Aufführungen fallen aus – vorerst bis 19. April. Ähnliches gilt fürs Theater an der Ruhr in Mülheim, fürs Theater Oberhausen und das Westfälische Landestheater (WLT) in Castrop-Rauxel.

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) streicht alle öffentlichen Veranstaltungen in seinen Einrichtungen und schließt ab morgen (14. März) seine insgesamt 18 Museen, darunter das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster, das Westfälische Industriemuseum mit seiner Zentrale in Dortmund (Zeche Zollern) und das LWL-Museum für Archäologie in Herne.

Das Duisburger Lehmbruck-Museum bleibt ab Samstag (14. März) zunächst bis zum 19. April geschlossen.

Das Museum Folkwang in Essen und das Emil Schumacher Museum in Hagen setzen alle Veranstaltungen bis auf Weiteres aus.

Die Kunstmesse Art Cologne (geplant für April) ist abgesagt worden.

14. März:

Das „Dortmunder U“ und das Museum Ostwall (im „U“) haben alle Veranstaltungen gestrichen. (Inzwischen ist das Haus geschlossen).

Dortmund: Keinerlei öffentliche Veranstaltungen mehr

15. März:

In einer Sondersitzung hat der Verwaltungsvorstand der Stadt Dortmund gestern beschlossen, dass ab heute (Sonntag, 15. März) bis auf Weiteres keinerlei öffentliche Veranstaltungen mehr stattfinden dürfen. Gaststätten und Restaurants dürfen vorerst geöffnet bleiben.

Museen, Bibliotheken und Sportstätten geschlossen

Der Krisenstab der Stadt Dortmund hat heute (Sonntag, 15. März) getagt und angeordnet, Kultur- und Freizeiteinrichtungen zu schließen. In diesem Sinne werden bis auf Weiteres die städtischen Museen, die VHS, die Bibliotheken und die Musikschule sowie die städtischen Hallenbäder, Sporthallen und Sportplätze geschlossen.

Siehe dazu auch: www.dortmund.de

16. März

Auch anderorts bleiben ab sofort die Museen geschlossen, so z. B. in Essen (Folkwang), Bochum (Kunstmuseum) und Wuppertal (Von der Heydt).

Das Frauenfilmfestival Dortmund/Köln fällt aus.

_______________________________

Aber machen wir’s kurz:

Jetzt sind alle Museen geschlossen. Und alle Kinos auch. Und alle Bühnen.

________________________________

Weitere Nachträge/Aktualisierungen

24. März

Das Dortmunder Festival Klangvokal (geplant ab 17. Mai) musste ebenfalls abgesagt werden. Möglichkeiten für Nachholtermine (September 2020 bis Juni 2021) werden derzeit geprüft. Das zugehörige Fest der Chöre soll vom 13. Juni auf den 12. September verschoben werden. Einzelheiten: www.klangvokal-dortmund.de

25. März

Die Ruhrfestspiele, die vom 1. Mai bis zum 13. Juni in Recklinghausen hätten stattfinden sollen, sind gleichfalls abgesagt. Teile des geplanten Programms sollen nach Möglichkeit im Herbst nachgeholt werden.

Das Klavierfestival Ruhr, ursprünglich ab 21. April geplant, soll nun erst am 18. Mai starten. Die vom 21. April bis 17. Mai geplanten 23 Konzerte sollen nach den Sommerferien und im Herbst nachgeholt werden.

Die Mülheimer Stücketage (geplant 16. Mai bis 6. Juni) sind abgesagt worden.

27. März

Neuester Stand beim Klavierfestival Ruhr: Sämtliche bis Ende Mai geplanten Konzerte werden auf die Zeit nach den Sommerferien bzw. in den Herbst 2020 verlegt. Der Spielbetriebwird voraussichtlich erst Anfang Juni (Woche nach Pfingsten) beginnen. Näheres unter www.klavierfestival.de/nachholtermine

________________________________

Nähere Infos auf den jeweiligen Homepages

 




Frank Goosen huldigt den Beatles – ein amüsanter Abend im Dortmunder „Fletch Bizzel“

Das Gesamtwerk der Beatles sollte man schon in wesentlichen Zügen kennen, sonst würde man ihm nicht so recht folgen können: Frank Goosen, mit trockenem Ruhrgebiets-Humor gesegneter Rock-, Fußball- und Revier-Fachmann, ist mit seinem neuen Buch „The Beatles“ angerückt. Im Dortmunder Szene-Theater „Fletch Bizzel“ plaudert er freiweg über seine innigen biographischen Verbindungen zu den „Fab Four“. Im Publikum ist die Generation 60 plus bestens repräsentiert.

Der freundliche Herr Goosen beim Buchsignieren nach seinem Dortmunder Auftritt. (Foto: Bernd Berke)

Im Gegensatz zu Leuten, die in den 1950er Jahren geboren wurden und deren Adoleszenz zeitlich direkt mit dem Aufstieg der Beatles verknüpft war, ist Goosen (Jahrgang 1966) ein „Nachgeborener“, wie er sich selbst bezeichnet. Als ihm Musik überhaupt zu Bewusstsein kam, lag das Oeuvre der Beatles schon fertig vor – abgesehen von dieser oder jener Soloplatte, zumal von Sir Paul McCartney.

Dass nun aber dieser „Nachgeborene“ so überaus viel über die Beatles weiß, das hat mich – als etwas älteren Fan der Liverpooler – beinahe schon gewurmt. Nun gut, ich fasse mich: Es hat mir vor allem Bewunderung abgenötigt, wie sehr sich der Mann in die Materie eingelebt (eingehört, eingelesen) hat. Und wie sinnreich er das mit seiner Jugend verwoben hat, das ist aus Erfahrung gekonnt (und nicht wohlfeil gewollt): Es waren jene Zeiten, als man angehimmelten Mädchen in heißer Hoffnung selbst zusammengestellte Audio-Cassetten zusteckte. In diesem Fall hieß sie Regina. Aber es war zwecklos. Da musste dann halt eine gewisse Michelle herhalten. Moment mal. Michelle? Nein, mehr wird hier nicht verraten. Nur, dass Frank Goosens Opa einmal ziemlich irritiert war, als John Lennons Gefährtin Yoko Ono auf einer Scheibe aufstöhnte, als hätte sie vor dem Mikro einen echten Orgasmus gehabt.

Das konnte doch kein Zufall sein!

Dass sein Vortrag gewohnt unterhaltsam ist, hat man von Goosen nicht anders erwartet. Zwar legt er zwischendurch keine einschlägigen Platten auf (Hallo, GEMA, nix zu holen!), aber am Schluss darf ihm das Publikum Fragen stellen, die er nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet.

Der ebenso bodenständige wie weltoffene Bochumer hat gleich eingangs berichtet, dass die Beatles gerade mal 25 Tage nach seiner Geburt in der Essener Grugahalle gespielt haben. So nah sind sie sich dann nie wieder gekommen – rein räumlich besehen… Und bald darauf sind die Beatles gar nicht mehr mehr live aufgetreten. Sonnenklar: Das konnte doch kein Zufall sein! Sondern? Es war wohl ein Zeichen. Fast so magisch wie die Bedeutung der Zahl 9 im Leben John Lennons (und sei’s in der Quersumme).

Seit den späten 70er Jahren hat sich der pubertierende Frank Goosen denkbar intensiv mit John, Paul, George und Ringo befasst. Los ging’s mit den beiden roten und blauen Doppelalben für den ersten Überblick, dann folgte nach und nach alles Weitere. Mit den Beatles, so dozierte Frank G. schon damals auf dem Schulhof, sei recht eigentlich Farbe in die vordem schwarzweiße oder auch graue Welt gekommen – bis hin ins seinerzeit auch nicht gerade bunte Ruhrgebiet. Goosens mehr oder weniger exklusive Entdeckung: Die zunächst allmähliche, dann explosive Farbwerdung habe sich ja schon an ihren Albumhüllen und an so manchen Songtexten gezeigt. Der selbsternannte Beatles-Experte Michael („Name geändert“), der damals blasiert widersprechen wollte, habe übrigens keinen blassen Schimmer gehabt. Damit das mal klar ist.

Den Vatikan reißt man ja auch nicht ab

Überhaupt waren die Beatles für ihn eine bis heute nachwirkende Offenbarung. Unverzeihlich findet es Goosen, dass der berühmte Cavern Club in Liverpool abgerissen und durch einen weit weniger auratischen Nachbau ersetzt worden ist. Nachvollziehbare Analogie: „Den Vatikan reißt man doch auch nicht ab!“

Dennoch war es ein Lebens-Höhepunkt, als Goosen vor einiger Zeit mit Frau und Kindern endlich einmal Liverpool aufsuchte und auf den Spuren der frühen Beatles unterwegs war – mit dem geradezu besessenen Guide namens Steve, der an Beatles-Detailwissen alle anderen in den Schatten stellte. Welch‘ ein Gänsehaut-Erlebnis, tatsächlich einmal durch die Penny Lane zu schreiten oder die wahrhaftigen Strawberry Fields (bzw. deren Nachfolge-Areal) zu sehen! Allerdings merkt Goosen auch an, welch massentouristische Untiefen dort zu gewärtigen sind. Da wird man an manchen Punkten von allen Seiten dermaßen mit Beatles-Titeln beschallt, dass es kaum auszuhalten ist. Noch weitaus unerträglicher: die idiotische Anmaßung mancher Touristen, sich in New York vor dem Dakota Building (dort wurde am 8. Dezember 1980 John Lennon ermordet) mit dem heutigen Doorman fotografieren zu lassen…

Noch eine Erkenntnis der Marke Goosen gefällig? Nun, wenn man bestimmte Beatles-Titel auf ordentlichen Vinyl-LPs gehört und dabei ungeahnte Instrumente entdeckt habe, so könne man seine CD-Sammlung eigentlich wegwerfen.

Weitere NRW-Tourneedaten mit dem Programm „Acht Tage die Woche – die Beatles und ich“: 3.3. Menden, 4.3. Bottrop, 17.3. Oberhausen, 18.3. Essen, 23.3. Duisburg, 31.3. Waltrop, 1.4. Haltern, 2.4. Gladbeck, 21.4. Herne, 25.4. Hagen. Gesamtprogramm: www.frankgoosen.de

Frank Goosen: „THE BEATLES“. KiWi Musikbibliothek (Kiepenheuer & Witsch). 182 Seiten. 12 €.




Sprache gegen die Diktatur in Schutz nehmen – Herta Müllers neues Buch „Der König verneigt sich und tötet“

Von Bernd Berke

Mit sprachlichen Reibungsflächen hat die 1953 geborene Autorin Herta Müller viele schmerzliche Erfahrungen gemacht. Aufgewachsen in einem gespenstisch schweigsamen, banatschwäbischen Dorf (deutschsprachige Minderheit in Rumänien), kam sie mit 15 Jahren aufs Gymnasium in der nahen und doch so fernen Stadt. Dort erst lernte sie nachträglich Rumänisch; noch dazu als Mädchen vom Lande den schnoddrigen städtischen Jargon mitsamt der ganz anderen Gestik.

Hinzu kam die verfälschende Zerrspiegel-Sprache des Ceausescu-Regimes, die in alle Beziehungen sickerte und gegen die man sich im Namen der wahren Empfindung tagtäglich wehren musste.

Als Herta Müller nach vielen Geheimdienst-Verhören, nach mancher Drangsal und Drohungen 1987 ins deutsche Exil ging, lernte sie westliche Sprechweisen und Wortfärbungen kennen. Ihr Befund, der uns zu denken geben sollte: Von existenziellen Leiden und Ängsten haben wir hierzulande meist kaum einen Schimmer, deshalb reden wir zuweilen so sorglos und unverantwortlich daher.

Unheimliche Macht der Gegenstände

In ihrem neuen Buch „Der König verneigt sich und tötet“ gibt Herta Müller Auskunft über Quellflüsse und Antriebe ihrer LIteratur, vor allem der Romane „Der Fuchs war damals schon der Jäger“ und „Herztier“.

Basis des Bandes sind Vorträge im Rahmen von Poetik-Dozenturen. Doch sie lesen sich absolut nicht wie eine branchenübliche Nabelschau vom Schreibtisch-Rand, sondern durchaus dringlich verdichtet.

Kein Wunder, dass diese Autorin für sprachliche Nuancen so hellhörig ist. Doch letzten Endes traut gerade sie, die mit ihren Wörtern fast immer genau ins Herz der Dinge trifft“ der Sprache nicht über den’Weg. Selbst feinfühlige Literatur könne das Leben und Leiden nur ansatzweise erhaschen, und nur in ganz raren, glückhaften Schreib- und Lese-Augenblicken könne sie einen womöglich produktiven „Irrlauf“ (so Müllers Ausdruck) im Kopfe in Gang setzen. Als mächtiger erweisen sich allemal unscheinbare Gegenstände (ein Nachthemd, ein Möbelstück), die sich im Gedächtnis einnisten, dort in nervöser Verzweiflung sprachlos kreisen und nicht mehr weichen wollen.

Wider den byzantinischen Größenwahn

Mit dem Titel gebenden König ist auch der fürchterliche Ceausescu gemeint, der im geradezu byzantinisehen Größenwahn alles nach seinem fratzenhaften Bilde formen wollte. Herta Müller lässt ahnen, wie verstörend es für alle weitere Lebenszeit gewesen ist, unter ihm und seinen Bonzen das Dasein gefristet zu haben. Mit anhaltender Verzweiflung schildert sie etwa, wie schon Fünfjährige im Kindergarten dem System vollends verfallen waren und vielstrophige Lobeshymnen auf Ceausescu singen wollten. Ganz zu schweigen davon, dass Menschen aus dem Freundeskreis der Autorin entweder zu Verrätern wurden oder ihre Dissidenz mit dem Leben bezahlten. Auch als Leser erfasst einen da heißkalte Wut.

Doch der schreckliche „Monarch“ (der vom Westen mit Samthandschuhen angefasst wurde, weil er zu Moskau Distanz hielt) wird nach und nach in ein engmaschiges Bilder-Geflecht verstrickt; wird beispielsweise überblendet mit dem König beim Schachspiel, was wiederum zum armseligen Leben des (von den Kommunisten enteigneten) Großvaters führt und sich überhaupt biographisch kunstvoll verästelt.

Es ist, als schlüge jeder Bereich (Wort)-Wurzeln im anderen. Daraus erwachsen eine unvergleichliche poetische Durchdringung – und eine tiefe, untröstliche Traurigkeit.

• HertaMüller: „Der König verneigt sich und tötet“. Hanser Verlag, 199 S., 17,90 Euro.

• Mit einer Lesung von Herta Müller beginnt am Montag, 3. November (19.30 Uhr im Theater Fletch Bizzel, Humboldtstraße 45) das Dortmunder Literaturfestival LesArt. Infos/Karten: 0231/50 27 710.