Grüne Oasen zwischen den Städten

Die historischen Wandervereine aus Sauerland, Eifel und anderen deutschen Mittelgebirgsregionen haben so ihre Probleme mit dem Image und dem Nachwuchs, aber das ändert nichts daran, dass Wandern immer neue Freunde gewinnt.

Wer dann auf eigene Faust loszieht, der sucht passende Begleiter in Buchform. Die findet man für viele Gegenden im Düsseldorfer Droste-Verlag, zum Beispiel mit dem Freizeitführer für den Ennepe-Ruhr-Kreis. Unter dem Motto „Grüne Oasen zwischen den Städten“ werden darin 20 Wanderungen beschrieben.

Wird auch im Buch beschrieben: die Heilenbecke-Talsperre. (Foto: H.H.Pöpsel)

Wird auch im Buch beschrieben: die Heilenbecke-Talsperre. (Foto: H.H.Pöpsel)

Der Autor – oder auch Wanderführer – Jörg Mortsiefer durchstreifte den naturnahen Kreis im Süden der großen Ruhrstädte und beschreibt nicht nur den genauen Wegeverlauf, sondern liefert auch das jeweilige Streckenprofil. Er bewertet auch den Schwierigkeitsgrad der einzelnen Wanderungen, nennt die ungefähre Wanderzeit, geht auf Fauna und Flora ein und erläutert, wo es sie gibt, die kulturellen Sehenswürdigkeiten. Außerdem nennt er die Anfahrtmöglichkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Einkehrmöglichkeiten an den jeweiligen Rundstrecken Die 20 Wanderungen haben eine unterschiedliche Länge, und natürlich findet man zu jeder Strecke eine farbige Karte.

Die Liste der Wandertipps beginnt im Norden an der Ruhr, rund um Hattingen und die Isenburg, geht weiter über Witten und Wetter, beschreibt die Elfringhauser Schweiz und den Harkortsee, die Glör- und die Heilenbecke-Talsperre im Süden, den Krägeloher Berg in Breckerfeld oder das Freizeitgebiet Hülsenbecker Tal in Ennepetal, aber auch das wunderschöne bergische Örtchen Beyenburg mit seiner spätgotischen Klosterkirche an der Grenze zu Wupertal.

In dieser Droste-Reihe kann man sich für unsere Region auch an Führern über das Bergische Land, den Kreis Mettmann, den Wupperweg oder mit Tipps für „20 Wanderungen zwischen Ruhr und Lippe“ bedienen.

Jörg Mortsiefer: „20 Wanderungen im Ennepe-Ruhr-Kreis“. Droste-Verlag, Düsseldorf, 128 Seiten, 9,90 Euro.




Ganz Dortmund gab sich dem Vergnügen hin – Üppige Ausstellung zur Freizeit-Geschichte

Von Bernd Berke

Dortmund. Hereinspaziert, hereinspaziert! Ganz Dortmund gibt sich dem Vergnügen hin. Die einen wandern ins Grüne, die anderen schlendern durch elegante Passagen; nachmittags geht’s ins (fast) original Wienerische Caféhaus — und abends ins Theater oder Varieté.

Natürlich war es nicht ganz so. Nicht jeder konnte sich alles leisten. Und außerdem ist es so lange her, daß es jetzt ins Museum kommt: Das Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte hat – für seine bislang größte Präsentation – rund 800 Exponate zusammengetragen. Sie sollen davon zeugen, wie die Dortmunder zwischen 1870 und 1939 ihre oft karge Freizeit verbrachten.

Freizeit gleich Vergnügen? Diese Rechnung geht nicht bruchlos auf. Hinter den knallbunten Kulissen von Zirkus, Jahrmarkt oder Lunapark gab es schon zu Kaisers Zeiten Freizeit-Streß. Und mancher Spaß war reichlich bizarr. Da ließen sich unsere Altvorderen etwa auf der Kirmes freiwillig leichte Stromstöße verpassen – welch‘ fröhliche Wissenschaft… Vor allem aber setzte früh die Kommerzialisierung der Freizeit ein. Verkaufs- und Spielautomaten von anno dazumal beweisen es. An dem Modell „Hopp-Hopp“ konnte man (durchaus stadttypisch) Biermarken gewinnen.

Die üppig bestückte und teilweise drangvoll eng gestellte Schau „umarmt“ ihr Thema gleichsam von allen Seiten: Um das Vorort-Freibad Froschloch geht es ebenso wie um luxuriöse Warenhäuser und Hotels; die Westfalenhalle (Sechstagerennen) spielt ebenso eine Rolle wie die berüchtigte Linienstraße, Dortmunds Zeile der käuflichen Liebe. Auch einige alte Radios werden gezeigt. Man hörte halt in der Freizeit Funk.

Beim Anblick von Fotos und Programmblättern der großen alten Varietés befällt zumindest den eingesessenen Dortmunder Wehmut: Wo ist diese Eleganz geblieben? Zu Schutt und Asche ist sie geworden – im Zweiten Weltkrieg. Jahre zuvor hatten sich die Nationalsozialisten schon der Freizeit bemächtigt. Besonders interessant ist der Fall des Marionettentheaters Kastner. Der Bayer hatte sich mit seiner Puppenbühne in Dortmund niedergelassen und spielte zwar keine Blut-, aber Boden-Stücke. Das kam den Nazis gelegen. Die spannten Kastner für ihre KfF-Belustigungen („Kraft durch Freude“) ein. Freizeit als Ablenkung vom gesellschaftlichen Elend. Nicht minderen Dienst genommen wurde das Dortmunder „Haus der Kunst“.

Freizeit war auch eine Klassenfrage. Während der Proletarier sich aufs Fahrrad schwang, nahm der Bonze beispielsweise in der kapitalen „Horch“-Limousine Platz – eines der auffälligsten Exponate neben dem imposanten „Kaiserpanorama“.

Freizeit war, das Wort sagt es ja, eben auch eine Zeit-Frage. Auf einem Podest voller Uhren wird dem Besucher allerdings kaum klar, daß erst die Einteilung der Zeit, die Abgrenzung von Arbeit und Muße den Begriff „Freizeit“ hervorbrachte.

Rundum gelungen ist die Schau nicht. Obwohl der Bühnenbildner Gerd Herr hie und da für schöne „Inszenierungen“ gesorgt hat, gibt es auch ein paar ärmlich wirkende Ecken. Daß man etwa einige Reihen alter Kinostühle vor ein Großfoto aus einem Harold-Lloyd-Streifen stellt, bleibt weit hinter einer entsprechenden Installation in der thematisch vergleichbaren Essener Ausstellung „Viel Vergnügen“ (Ruhrlandmuseum, bis 12. April ’93) zurück.

Ansonsten haben die Dortmunder eine ungleich größere Fülle zu bieten, in der jeder etwas für sich findet. Und im Ganzen ist die Sache höchst sehenswert. Deshalb, wie gesagt: Hereinspaziert!

„8 Stunden sind kein Tag“. Freizeit und Vergnügen in der Industriestadt Dortmund 1870 bis 1939 – Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Dortmund (Eingang Königswall). Ab sofort bis 4. Juli 1993. Di-So. 10-18 Uhr – Umfangreiches Begleitprogramm mit Aufführungen, Diskussionen usw. (Info: [02 31] 5 02 55 22). Eintritt 6 DM, ermäßigt 3 DM. Katalog mit 360 Seiten 49 DM.