„Freizeitkunst“ aus der DDR: Mehr als nur ein Hobby – Frucht des deutsch-deutschen Kulturaustauschs bei den Ruhrfestspielen

Von Bernd Berke

Erste Früchte des 1987 vereinbarten Kulturaustauschs zwischen Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) und dem DDR-Gewerkschaftverband FDGB: „Engagierte Freizeitkunst der DDR“ ist jetzt (bis 10. Juni) im Rahmen der Ruhrfestspiele zu sehen; im Gegenzug werden ab Juni Arbeiten von Laienkünstlern des Reviers in Frankfurt/Oder ausgestellt.

Das Wort „engagiert“ führt in die Irre: Wer explizit politische Aussagen in Bildform erwartet, wird von den rund 400 Exponaten enttäuscht sein. Lediglich eine Arbeit, die sich anklagend auf eine ganz eigene Art von „Engagement“ bezieht, nämlich auf jenes der USA in Vietnam, Grenada und Nicaragua, mag dem einen oder anderen Amerika-Freund sauer aufstoßen.

Die Kennzeichnung „engagierte Freizeitkunst“ bezieht sich eher auf den Zeitaufwand und die Intensität, mit der sich viele DDR-Berufstätige der Kunst widmen. Rund 40000 FDGB-Mitglieder erhalten in Kunstzirkeln der Gewerkschaft fundierten Unterricht von Berufskünstlern – eine Aufgabe, die bei uns nicht die Gewerkschaften, sondern allenfalls die Volkshochschulen wahrnehmen. Die weitaus überwiegende Anzahl der im Recklinghäuser Festspielhaus gezeigten Arbeiten weist folglich qualitativ deutlich über das hinaus, was man billigerweise von reiner „Freizeitkunst“ erwarten kann. In den meisten Fällen waren eben keine bloßen Hobbyisten am Werk.

Die Güte verdankt sich auch einem mehrfachen Auswahlvorgang: Zuerst in der DDR, dann – gleichfalls von DDR-Seite vorgenommen – aus Platzgründen für die Zusammenstellung in Recklinghausen. Zwar sieht man im Saal des Festspielhauses auch biedere Webarbeiten oder jene Holzpyramiden mit rotierenden Nußknackern, wie sie in unseren Kaufhäusern zur Weihnachtszeit als erzgebirgisches oder thüringisches Kunsthandwerk feilgeboten werden, doch bleiben solche unverbindlichen Nettigkeiten eine Randerscheinung, die nur das breite Spektrum vervollständigt.

Ansonsten sind ähnliche Tendenzen erkennbar wie bei den DDR-Berufskünstlern: Spielarten des Realismus (und hier wiederum besonders des Porträts) genießen eindeutig Vorrang. In Malerei, Zeichnung, Druckgraphik und skulpturalem Schaffen sind vielfach Ansätze zu einer bunteren Stilpalette sichtbar. Der sogenannte „Sozialistische Realismus“ ist passé. Vielmehr wird der Realismus-Begriff erweitert in Richtung kritischer Sichtweisen. Auch Foto-Realismus und Anklänge an die Pop-Art haben da durchaus ihren Platz.

Ist auch vielfach noch der arbeitende Mensch Bildthema, so fehlt doch jeder falsche Heroismus. Arbeit, das sieht man vielen Porträts deutlich an, bedeutet auch im real existierenden Sozialismus Mühsal. Und auch Umweltsünden werden in der DDR offenbar zunehmend bildwürdig – einschließlich der finalen Apokalypse, deren Zuckungen auf einem Gemälde („Das letzte Bild“) nur noch kurz auf dem Fernsehschirm aufblitzen.