„Katarstrophale Katarstimmung“ oder: Bloß nicht auch noch eine Fußball-WM im Wüstenstaat!

Symbolbild sondergleichen zur Fußball-WM: ein zerbrechlicher Fußball (als Spardose) und ein Miniatur-Globus. (Foto: Bernd Berke)

Symbolbild sondergleichen zur Fußball-WM, die Objekte waren jedenfalls gerade greifbar: ein zerbrechlicher Fußball (als Spardose) und ein Miniatur-Globus. (Foto: Bernd Berke)

Von den derzeit laufenden Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Katar habe ich keine einzige Minute im Fernsehen geschaut. Die Veranstaltung geht mir komplett gegen den Strich. Dabei habe ich vor Jahr und Tag mal gern und gespannt zugesehen, wenn gelaufen, gesprungen und geworfen wurde.

Jetzt reicht mir schon, was ich da lesen muss, ich brauche die abstruse Quälerei von Doha nicht auch noch zu betrachten. Diese extremen Bedingungen. Athleten, deren Gesundheit den feisten Funktionären offenbar egal ist, kollabieren reihenweise in der Hitze. Das gähnend leere Stadion. Auch das haben die Sportler nicht verdient. Ganz zu schweigen davon, dass dies – nicht nur wegen brachialer Klimatisierung – ungemein klimaschädliche Spiele sind. Und dann noch so groteske Maßnahmen wie die Startblock-Kameras, die von unten quasi in den Schritt der Sportler(innen) blicken.

Es ist vielleicht die beknackteste Sportveranstaltung aller Zeiten. Und das will was heißen. Na, okay, das mit den Gladiatoren im Alten Rom war noch etwas schlimmer.

Wer wird denn da an Korruption denken?

Wie gesagt: Früher wäre mir das nicht passiert. Da hätte ich den einen oder anderen Wettbewerb verfolgt. Mit etwa zehn Jahren wollte ich ja selbst später Olympionike werden und habe im Hinterhof dafür „trainiert“. Das hat sich gegeben. Doch auch später habe ich mich noch für die olympischen Kernsportarten interessiert, jedenfalls medial. Aber seit den diversen Doping-Vorfällen (die sich teilweise zum Doping-System verflochten haben) hat das Interesse schon arg nachgelassen. Und nun, da die Entscheider beim Weltverband gemeint haben, solch ein Ereignis ausgerechnet nach Katar vergeben zu müssen, ist es vollends vorbei. Wieviel Geld da wohl in welche Taschen geflossen ist?

Okay, ich kann die bemühten Wortspiele eigentlich schon jetzt nicht mehr verknusen, obwohl ich sie mir für die Überschrift mal kurzerhand ausgeliehen habe: Es herrsche Katarstimmung, das Ganze sei eine Katarstrophe. Wat ham wer gelacht. Aber inhaltlich ist ja was dran.

Und nun mal in die nähere Zukunft geblickt, aufs Jahr 2022, wenn im dort etwas kühleren November und Dezember (!) die Fußball-WM gleichfalls in Katar ausgetragen werden soll, jedenfalls nach dem Willen der FIFA. Gleich zwei Ereignisse dieses globalen Kalibers haben die Sport-Gewaltigen also an den winzigen Wüstenstaat Katar vergeben. Wer wird denn da an Korruption denken? Na, fast alle! Natürlich ist Katar keine Fußballnation und wird auch nie eine werden – was freilich noch eines der geringeren Probleme an der bizarren Veranstaltung ist. Es geht nur um einen Zirkus für ein paar Scheichs und deren Gefolge.

Auch als Fußball-Anhänger, der seit Jahrzehnten keine WM verpasst hat, muss man entschieden NEIN dazu sagen! Allein schon der Umstand, dass – wie auch das wirtschaftsfreundliche Handelsblatt berichtet – beim Stadionbau unfassbar viele Arbeiter umkommen (und umkommen werden), sollte zur sofortigen Stornierung und Neuvergabe des megalomanen „Events“ ausreichen. Wie wär’s denn beispielsweise, wenn der neue DFB-Präsident Fritz Keller seinen gewiss nicht ganz geringen Einfluss in diesem Sinne geltend machen würde?

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P. S.:  …und wenn ein Mainzer den Zehnkampf gewinnt, ist das in diesem größeren Kontext auch nur eine Randnotiz.

Nachtrag: Auch der Guardian berichtet dieser Tage über den massenhaften Tod von zugewanderten Arbeitern in Katar. Ernsthaft untersucht werden diese furchtbar häufigen Fälle offenbar nicht.




Draußen! Das war’s mit der WM… (ein Trauerspiel in drei Akten)

Die Luft ist 'raus, der Ball ist nicht mehr rund. (Foto: Bernd Berke)

Die Luft ist ‚raus, der Ball ist nicht mehr richtig rund. (Foto: Bernd Berke)

Endgültiger Nachtrag und Abgesang am 27. Juni:

Aus in der Vorrunde! Sie haben es wirklich nicht besser verdient. Was war das heute für ein müdes, hilfloses Ballgeschiebe gegen Südkorea. Hat man die Blamage also doch schon beim ersten Spiel kommen sehen!

Es hat auch sein Gutes. So bleibt uns wenigstens ein Auftritt gegen Brasilien erspart, der vielleicht noch mit 1:7 ausgegangen wäre. Wer will das ausschließen? Und auch gegen die Schweiz hätten sie verloren.

Durch alle drei Vorrunden-Spiele ist es eine Quälerei gewesen, heute noch verschlimmert durch den ZDF-Kommentar von Béla Réthy.

Eine Pointe im sonstigen Einerlei: dass heute pfeilgerade ein Niederländer das Videobeweis-Team leitete und für die Vorentscheidung zum koreanischen 1:0 sorgte. Das kann man nicht besser erfinden. Hallo, Italiener und Niederländer, auch „unsere“ #Mannschaft kommt jetzt schon nach Hause. Obwohl: So war „Football’s Coming Home“ doch eigentlich nicht gemeint.

P. S.: Wie schade, dass nicht morgen die neue Bundesliga-Saison beginnt; möglichst mit einem wieder erstarkten BVB…

Nachtrag / Update am Samstag, 23. Juni:

Also gut, mit diesem Wahnsinns-Freistoß von Toni Kroos zum 2:1 gegen Schweden hatten wir alle nicht mehr gerechnet. Trotzdem war’s insgesamt kein Ruhmesblatt. Eigentlich hätte ich das Folgende schreiben wollen und möchte auch jetzt nicht weit davon abrücken:

Ursprünglicher Beitrag vom 22. Juni, nach dem Mexiko- und einen Tag vor dem Schweden-Spiel:

Titel: „Was ich geschrieben haben würde, falls das deutsche Team die Fußball-WM schon vergeigt hätte“

Aus, aus! Das Spiel ist aus! Auch gegen Schweden hat es nicht gereicht. Sie (DFB und Boulevard-Medien) haben uns all die Jahre mit einem ganz anderen – Achtung, Modewort! – Narrativ hinters Licht geführt: Deutschland sei eine „Turniermannschaft“, hieß es immer, die sich im Laufe einer EM oder WM kontinuierlich steigere und mindestens das Halbfinale erreiche. Ein Ausscheiden in der Vorrunde? Undenkbar. Und jetzt? Sind sie draußen.

In Umfragen vor der Weltmeisterschaft war alles wie üblich: Rund 70 bis 80 Prozent der Leute waren hierzulande überzeugt, dass „die Mannschaft“, „der Weltmeister“, den Titel verteidigen und den fünften Stern holen werde. Was haben wir uns da vorgaukeln lassen?

Die Talfahrt der Adidas-Aktie

Zwar gab’s nicht mehr so viel Public Viewing wie ehedem (ein Warnzeichen?), doch wurde noch das eine oder andere schwarzrotgoldene Fähnchen samt Trikot verhökert. Aber schon nach der peinlichen Auftaktpleite gegen Mexiko fuhr die Aktie von Adidas in den Keller. Die Investoren, diese Sensibelchen, erwarteten keine sonderlichen Geschäfte mehr mit den heimischen Fans. Recht hatten sie.

Bisher ist es ja ohnehin eine ziemlich blöde WM bei Herrn Putin! Von bislang 26 Spielen (Stand 22.6.2018, 22 Uhr) endeten zehn mit dem Langweiler-Ergebnis 1:0. Vieles wurde durch Eigentore und/oder Elfmeter entschieden. Da darf man schon mal herzhaft gähnen. Auch beim allfälligen Warten auf den Videobeweis.

Seit Jahren überschätzte Spieler

Please, let me introduce myself, darf ich mich vorstellen: Ich bin einer von ca. 50 Millionen Bundestrainern. Als solcher hätte ich Özil nicht aufgestellt, ja, nicht einmal nach Russland mitgenommen, und zwar schon aus sportlichen Gründen. Ihn und erst recht Khedira halte ich seit Jahren für überschätzt. Echt jetzt. Doch Löw steht in Nibelungentreue zu ihnen. Und die Sache mit Özil und Gündogan? Sehr prekär. Ganz und gar nicht, weil sie türkische Wurzeln haben oder die deutsche Hymne nicht mitsingen, sondern weil sie sich als nützliche Idioten eines üblen Diktators haben einspannen lassen.

Zurück zum Sportlichen: Timo Werner als Sturmspitze kann Vorläufern wie Rudi Völler oder Miro Klose, geschweige denn Uwe Seeler und Gerd Müller (noch längst) nicht das Wasser reichen. Charakterlich gefällt mir dieser Bursche gar nicht, aber: Der aggressive Sandro Wagner wäre vielleicht sogar die bessere Lösung gewesen, hätte aber vielleicht das Klima vergiftet. Mag sein, dass „Jogi“ außerdem Sané hätte mitnehmen sollen, Reus von Beginn an hätte bringen müssen und was dergleichen Ratschläge mehr sind. Ist jetzt auch egal. Schietegal.

Die dümmliche Ausrede mit Kroos

Ein schlechter Witz war Löws Ausrede nach dem Mexiko-Spiel. Die Mexikaner hätten Toni Kroos in Manndeckung genommen und dadurch verhindert, dass das deutsche Spiel in Gang kam. Ja, sakra! Dann hätten eben andere das Heft in die Hand nehmen müssen. Reicht es denn, einen einzigen Spieler auszuschalten, damit der „Weltmeister von 2014″ (Ich mag die bodenlose Retro-Lobhudelei nicht mehr hören) quasi nicht mehr stattfindet?

Jetzt ist das Kind im Brunnen. Um es pathetisch zu sagen: Die Fußballnation Deutschland nimmt Schaden. Auch die Bundesliga nimmt Schaden. Im „Land des Weltmeisters“ haben noch einige Legionäre von Format spielen wollen. Damit ist’s jetzt Essig. Jetzt werden sie endgültig alle nach England oder Spanien ziehen wollen.

Auf Jahre hinaus schlagbar

Wie sagte die Nicht-mehr-Lichtgestalt Franz Beckenbauer um 1990? „Wir“ seien auf Jahre hinaus unschlagbar. Jetzt sind „wir“ eben auf Jahre hinaus schlagbar. Ebenso wie Messis Argentinien, unser Endspielpartner von 2014, der gleichfalls schon ausgeschieden ist. Vergessi Messi! Und Brasilien hatte auch nur Dusel. Apropos unschlagbar: Wäre theoretisch ein Finale Serbien – Kroatien denkbar? Ich weiß es nicht. Aber dann wären „die Jugos“ ja auf Jahre hinaus unschlagbar gewesen… Öhm. Gerade scheint Serbien gegen die Schweiz zu verlieren.

Und zu wem sollen wir fortan halten? Kroatien? Belgien? Schweiz? Brasilien? Immer noch zu Island? Sucht Euch was aus. Oder wendet euch halt ab.

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P.S.: Das „Schicksalsspiel“ Deutschland – Schweden hat tatsächlich erst am Samstag, 23. Juni (20 Uhr mitteleuropäischer Zeit) begonnen. Na und?

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P.S.: Putzig übrigens, wie bereitwillig aus der Ferne angereiste Zuschauer in den russischen Stadien (wer so viel Zeit und Geld hat, gehört eben zum globalen Establishment) die billigsten nationalen Klischees erfüllen. Der Ägypter sitzt als Pseudo-„Pharao“ auf der Tribüne, der Mexikaner mit Sombrero – und so weiter.

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Von Rahn bis Reus – Was wären die deutschen WM-Teams ohne Fußballspieler aus dem Ruhrgebiet?

Gastautor Heinrich Peuckmann über die unverkennbar wichtige Rolle von Kickern aus dem Revier:

Hat Jogi Löw für die morgen beginnende WM Fußballer aus dem Ruhrgebiet übersehen? Wenn es nach meinem jüngsten Sohn Niklas (Theologe an der Ruhruniversität Bochum) ginge, wäre da unbedingt Andreas Luthe zu nennen.

Essener Denkmal für den Fußballer Helmut Rahn, der von 1951 bis 1959 für Rotweiß Essen spielte und 1954 den deutschen Siegtreffer im WM-Endspiel erzielte. (Foto: Sebastian Ritter / Wikimedia Commons - Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de)

Essener Denkmal für den Fußballer Helmut Rahn (1929-2003), der von 1951 bis 1959 für Rot-Weiss Essen spielte und 1954 den deutschen Siegtreffer im WM-Endspiel erzielte. (Foto: Sebastian Ritter / Wikimedia – Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de)

Luthe ist Ersatztorwart beim Zweitligisten VfL Bochum, der mit seinen Paraden so manche Partie entschieden hat, einige freilich auch zugunsten des Gegners. Wenn bei einer Fußballübertragung ein Torwart einen Fehler macht, ruft mein Sohn: „Luthe! Die sollten sich den Luthe holen.“

„Die sollten Andreas Luthe holen!“

Zuletzt war das beim Finale der Champions League der Fall, als Karius von Liverpool das Spiel ganz alleine entschied, allerdings für Real Madrid. Da schlug Niklas wieder Liverpools Trainer Klopp vor, den Luthe zu holen. Aber mein Sohn trinkt auch das Bochumer Fiege-Bier, und wer Fiege trinkt, der darf auch Luthe gut finden.

Aus dem Ruhrgebiet ist diesmal Marco Reus von Borussia Dortmund dabei, und dem haben wohl alle Fans im Revier die Berufung gegönnt, war er doch bei Großturnieren stets verletzt. EM, WM, egal was kam, Reus lief an Krücken. Aber diesmal ist er fit, die Fans im Revier staunen. Zuletzt haben sie gewitzelt, dass Löw ihn in den Testspielen besser nicht aufstellen sollte, damit bloß nichts passiert. Aber Löw hat nicht auf die Fans gehört, hat Reus (ein echter Dortmunder Junge übrigens) spielen lassen und der hat tatsächlich das Spielfeld verlassen, ohne zu humpeln. Es gibt in diesen harten Zeiten auch noch gute Nachrichten.

Weigl und Götze – leider nicht dabei

Hätte Löw noch andere Spieler aus dem Revier mit nach Russland nehmen sollen? Den Julian Weigl vom BVB vielleicht. Weigl ist ein Abräumer vor der Verteidigung, er läuft die Lücken zu, unterbindet wunderbar die Angriffe des Gegners und sorgt für Stabilität. Leider war er lange verletzt und fehlte Borussia. Bis auf den 8. Tabellenplatz rutschte der BVB zwischenzeitlich ab, dann kam Weigl zurück und es reichte gerade noch für die Qualifikation zur Champions League. Ein paar schöne Abende im kommenden Herbst bedeutet das. Mindestens. Fünfmal hat Weigl für die Nationalmannschaft gespielt, vielleicht ist er, wenn es bei der Borussia in der nächsten Saison (hoffentlich!) wieder besser läuft, bald wieder dabei.

Das könnte auch für Mario Götze gelten, Schütze des entscheidenden Tores bei der letzten WM. Sein Schuh, mit dem er das Tor zum 1:0-Siege gegen Argentinien im Endspiel erzielte, steht nun in einer Vitrine im Dortmunder Fußballmuseum. Wer sagt eigentlich, dass die Zeit der Reliquienverehrung vorbei ist? Götze hat sich damit in die Reihe der anderen WM-Finaltorschützen eingereiht: Helmut Rahn 1954, Gerd Müller 1974, Andreas Brehme 1990.

Entscheidende Finaltore von Revierjungs

Helmut Rahn, dies nebenbei, war auch ein echter Ruhrgebietsjunge, was man nicht zuletzt an seiner Liebe zum Bier erkennen konnte. Rahn stammte nämlich aus Essen und hat die längste Zeit für Rot-Weiss gespielt, das mit ihm den Meistertitel gewann und Pokalsieger wurde. Heute dümpelt der Verein in der vierten Liga rum. Wer die B1 durch Essen fährt, kann an den Brücken ablesen, wie präsent der Helmut noch immer ist. Der unsterbliche Kommentar von Herbert Zimmermann ist nämlich dort zu lesen. Erste Brücke bei der Einfahrt: „Rahn müsste schießen“, zweite Brücke: „Rahn schießt auch“, dritte Brücke bei der Ausfahrt: „Tor, Tor, Tor!“

Mario Götze war auch lange verletzt und hat nicht mehr rechtzeitig zu seiner alten Form gefunden. Schade. Für Borussia und die Nationalmannschaft. Götze ist ein eher langsamer Spieler, er war das von Jugend an. Umso wichtiger war daher für ihn die Ballbehandlung und die ist Klasse. Wie er den Ball stoppt, ihn fast blind weiterleitet, wie er auf engstem Raum den Gegner austricksen kann, eine Augenweide! Aber dafür muss er in Form sein und das war er lange nicht. Erst zuletzt blitzte in einigen Spielen sein Können auf. Leider nicht in jedem.

Keine Chance für Fährmann bei Jogi Löw

Auf Schalke, wie man im Revier sagt, spielt ein guter Torwart. Fährmann heißt er und der hätte, das sagen selbst wir „Feinde“ aus Dortmund, längst mal eine Chance bei Löw verdient. In den berühmten Derbys hat er die Spieler von Borussia so manches Mal zur Verzweiflung gebracht. So gut wie Trapp, dritter Torwart im Löw-Team, ist er auch. Aber merkwürdig, Fährmann bekam nie eine Chance. Aber vielleicht ergeht es ihm ja wie dem Dortmunder Torwart Roman Weidenfeller, der auch jahrelang großartig hielt und von  Löw penetrant übersehen wurde, so dass Trainer-Idol Klopp schon witzelte, Weidenfeller sei der weltbeste Torhüter ohne Länderspiel. Das änderte sich erst kurz vor der WM 2014, als er überraschend doch berufen wurde, im reifen Alter von 34 Jahren noch zur WM mitgenommen wurde und es auf insgesamt 5 Länderspielen brachte.

Mit dabei ist noch Leon Goretzka, wie Reus ein richtiger Ruhrgebietsjunge, der aus Bochum stammt. Bis Ende dieser Saison spielte er für Schalke, nun wechselt er nach München. Dort spielt Manuel Neuer, trotz monatelanger Verletzung wieder Torwart Nummer 1 bei Löw. Neuer kommt auch aus dem Revier, aus Gelsenkirchen-Buer. Er ist der beste Torhüter der Welt, ein Junge von uns, aber seit er nach München gewechselt ist, mögen ihn auf Schalke nicht mehr viele.

Gelsenkirchen liegt nicht in der Türkei

Ja, und dann kommen noch andere Spieler aus dem Ruhrgebiet, die nun in ausländischen Spitzenclubs spielen. Julian Draxler, Mesut Özil und Ilkay Gündogan, alle aus Schalke, Verzeihung aus Gelsenkirchen. Auch wenn Özil und Gündogan zuletzt vielleicht gemeint haben, Gelsenkirchen liege in der Türkei und werde von Erdogan regiert.

Allein mit den Ruhrgebietsjungen könnte man also eine halbe Topmannschaft bilden. Nur fällt das leider nicht auf. Die Jungs verlassen uns. Warum eigentlich? Im Ruhrgebiet ist es doch „klasse“. Trotzdem, bei so viel „Ruhrgebiet“ im Löw-Team sind die Chancen auf den fünften WM-Titel riesig. Zweimal haben unsere Jungs schon die WM entschieden, Rahn und Götze. Deshalb stellt sich nicht die Frage, ob Deutschland wieder Weltmeister wird. Nein, einzig die Frage, wer von unseren Ruhrgebietsjungen das entscheidende Tor schießt, muss noch beantwortet werden.




Dortmunds Weihestätte des deutschen Fußballs – Eröffnung zum etwas ungünstigen Zeitpunkt

Mist! Verpasst. Vergeigt. Versemmelt. Den Dortmunder Kulturtermin des Jahres, ach was, des Jahrzehnts: versäumt. Oder doch nicht? Ist alles nur halb so wild?

So sah das Akkreditierungsformular aus. (© DFM)

So sah das erwähnte Akkreditierungsformular aus. (© DFM)

Frisch aus einem Kurzurlaub zurück, habe ich jedenfalls das Akkreditierungsformular (siehe Bildwiedergabe) zur Pressekonferenz leider erst heute aufgerufen. Doch just zu jener Morgenstunde lief die Chose schon, nämlich die offizielle Vorstellung des Deutschen Fußballmuseums zu Dortmund. Volle sechs Tage, bevor das allgemeine Publikum Zutritt erhält, durfte die versammelte Weltpresse Kenntnis nehmen.

So bleibt mir einstweilen nur die Zaungastrolle à la Waldorf und Statler, die bekanntlich jede „Muppet Show“ vom Balkon aus mit ätzenden Bemerkungen begleitet haben. Meinetwegen bin ich namenshalber auch „Bernd das Brot“. Hauptsache schlechte Laune.

Dortmund, von nicht wenigen als deutsche Fußballhauptstadt apostrophiert, hat also nun endlich „sein“ Fußballmuseum. Das heißt, es ist sozusagen das Fußballmuseum der Nation oder, noch richtiger, eine Weihestätte des Deutschen Fußballbundes (DFB). Da klingelt doch was.

Genau. Man hätte kaum einen ungünstigeren Zeitpunkt für die Eröffnung erwischen können. Durch diverse „Spiegel“-Berichte sind hochmögende Repräsentanten des DFB bekanntlich in den Ruch geraten, das deutsche WM-„Sommermärchen“ von 2006 zuvor pekuniär befördert zu haben. Wobei zu sagen wäre, dass wohl kaum eine Weltmeisterschaft jüngerer Zeitrechnung ganz ohne freundliche „Nachhilfe“… Aber lassen wir das.

Und so musste denn auch heute DFB-Präsident Wolfgang Niersbach mehr – oder zumindest dringlicher – zu solch unangenehmen Vorwürfen sich äußern, als zu musealen Fragen. Die Steigerung folgt auf dem Fuße. Zur Eröffnungsgala am Freitag wird u. a. auch noch die (etwas ins Flackern geratene) „Lichtgestalt“ Franz Beckenbauer erwartet…

Hier noch virtuell, jetzt real: das Deutsche Fußballmuseum in Dortmund. (@ DFM/Triad)

Hier noch virtuell, jetzt real: das Deutsche Fußballmuseum in Dortmund. (@ DFM/Triad)

Zurück zum eigentlichen Anlass: Das Museum ist sozusagen kein Dortmunder Gebiet, sondern exterritorial. Hier hat der DFB das Sagen. Und so darf man auch keine durchdringend kritische Darstellung der Fußballgeschichte erwarten, sondern eher so eine Art „Domschatzkammer“ der Fußballreligion – mit Reliquien sonder Zahl; Mario Götzes Schuh inbegriffen, mit dem er beim WM-Finale 2014 den goldenen Treffer erzielte.

Kurzum: Rund 1600 Exponate auf 3700 Quadratmetern legen erschöpfend Zeugnis ab von großen deutschen Fußballmomenten, besonders von den Triumphen bei den Weltmeisterschaften 1954, 1974, 1990 und 2014, aber auch von Höhepunkten der (am 28. Juli 1962 in Dortmund gegründeten) Bundesliga.

Ob sich alle Erwartungen im Hinblick auf die Besucherströme erfüllen, steht dahin. Man rechnet mit Hunderttausenden pro Jahr. Schon jetzt dürfte aber feststehen, dass das Deutsche Fußballmuseum das mit Abstand meistbesuchte in der Stadt sein wird, denn mit den Künsten hat man es hier immer noch nicht gar so sehr. „Stand jetzt“ (schrecklicher Fußballjargon) muss übrigens die Stadt Dortmund etwaige Verluste des Museums ausgleichen. Man will allerdings noch nachverhandeln. Viel Vergnügen dabei.

So wird denn – übrigens zu recht noblen Eintrittspreisen – manche(r) durch den musealen Spielertunnel schreiten, sich in Sepp Herbergers Notizen versenken, allerlei Trophäen bestaunen und schließlich im hochheiligen Bus der Weltmeister Platz nehmen. Vielleicht denkt man ja auch mal über die etwas uninspirierte Architektur des Baus gegenüber dem Hauptbahnhof nach. An diesem exponierten Ort hätte man noch ganz andere Zeichen setzen können.

Unterdessen hat schon der Wettbewerb um das tollste Wortspiel zum neuen Museum begonnen. Die Ruhrnachrichten haben heute online den „Ballfahrtsort“ vorgelegt. Wir halten hochkulturell dagegen: „Ballhalla“!

Infos: https://www.fussballmuseum.de/




Husaren, Helfersyndrom, Hahn im Korb, Huberty – noch ein paar Zeilen zur Fußball-WM

Ja, ist es denn zu glauben? Nur noch acht Partien, dann ist auch diese Fußball-WM schon wieder vorbei. Gegen derlei Flüchtigkeit muss man sich stemmen und wenigstens ein paar Kleinigkeiten festzuhalten suchen.

Ach, man könnte herrlich schwelgen in ausgelutschten Sätzen wie „Es gibt im Weltfußball keine leichten Gegner mehr“ oder „Es gibt auch interessante 0:0-Spiele“. Ja, diese WM gibt das alles her und sorgt somit für allzeit gut gefüllte Phrasenschweine.

Als es mal wieder in die Verlängerung ging - hier das Team aus Argentinien. (Foto: abgeknipst vom TV-Bildschirm)

Als es mal wieder in die Verlängerung ging – hier das Team aus Argentinien. (Foto: abgeknipst vom TV-Bildschirm)

Alle „Großen“, alle Favoriten haben sich bislang enorm schwer getan. Spielverlängerung ist die Regel. Es wird also keinen Weltmeister geben, der durchweg strahlend gespielt hätte. Aber gab es je solch einen unumwunden glänzenden Gewinner? Blättert mal ruhig in den Annalen, auch heute ist ein spielfreier Tag.

Ich habe ja gut reden, aber: Ich würde mir oft mehr bedenkenlosen „Husaren-Stil“ wünschen statt des gegenseitigen Belauerns und der rundum kontrollierten Taktik. Doch der Zwang zum zählbaren Erfolg überlagert die Spielfreude. Auf ein Match mit reichlich genialen Phasen, in denen alles ins Schweben geriete, warten wir einstweilen noch. Aber immerhin entgleisen manche Situationen in glühendes Chaos.

Fragen über Fragen: Hat Deutschland gegen Algerien tatsächlich „schlecht“ gespielt oder „hat es der Gegner nicht anders zugelassen“? (Noch’n Fünfer ins Phrasenschwein). Und weiter: Ist Joachim Löw stur oder nur konsequent? Hat er grundsätzlich etwas gegen Spieler aus Dortmund? Warum zieht er Lahm nicht in die Verteidigungslinie zurück, warum bringt er bisher weder Großkreutz noch Durm? Man könnte endlos schwadronieren. Und man tut es. Schließlich ist man ebenfalls privat bestallter Bundestrainer. Wie alle anderen auch.

Zuvor haben vor allem zahlreiche Frauen das Ausscheiden von Chile und Mexiko zutiefst bedauert. Es sind sozusagen die „Weltmeister der Herzchen“. Manche Damen halten es eben prinzipiell gern mit den vermeintlichen Außenseitern und Schwächeren, ohne alle fußballerischen Erwägungen.

Doch wehe, wenn sich dieser im Prinzip schöne Zug, wenn sich also die Ausprägung des Helfersyndroms auch noch mit der Ausschau nach „schönen Männerbeinen“ und dergleichen Qualitäten verknüpft, wobei der Latino schon als solcher Hahn im Korb ist. Dann tut sich doch wieder der tiefe Graben zwischen den Geschlechtern auf. Es soll Männer geben, die sich schon wieder nach der Bundesliga sehnen, die Welt- und Europameisterschaften genau deshalb nicht mögen, weil in diesen vier Wochen auch Frauen übers Kicken mitreden wollen. Ist ja unerhört!

Für Sekunden im "Weltbild" des Fernsehens: Anhängerin Argentiniens. (Foto: abgeknipst vom Fernsehbildschirm)

Für Sekunden im „Weltbild“ des Fernsehens: Anhängerin Argentiniens. (Foto: abgeknipst vom Fernsehbildschirm)

Man müsste generell mal untersuchen, warum jemand (abgesehen vom Team des Herkunfts- oder Einwanderungslandes) diese oder jene Mannschaft vorzieht. Man würde sicherlich nicht nur edle Motive finden, sondern auch Ressentiments. Wenn man das alles ausformulieren wollte…

Bemerkenswert, dass die vier Nachbarn Frankreich, Belgien, Holland und Deutschland noch dabei sind. Das heißt, auf ein paar (global betrachtet) recht kleinen Fleckchen Erde steht es offenbar nicht so übel um die Ballkünste und ums zugehörige Glück. Und nein: Das kann man jetzt wirklich nicht nur den Schiedsrichtern anlasten. Wie? Jaja, sicher, der Begriff „Nation“ muss heute eh ganz anders gefüllt werden. Geschenkt.

Jetzt also „gegen Frankreich“. Mon dieu! Allein dieser Benzema, dessen Namen ich mir immer hessisch ausgesprochen vorstelle, damit er nicht so erschröcklich wirkt. Nun, wir werden sehen.

Unterdessen geht das Kommentatoren-Elend mit anschwellenden Stimmen auf breiter Front weiter. Gewiss: Wer weiß, was wir alle vor einem Millionenpublikum verbal verzapfen würden. Wer sich da couchkartoffelig hinfläzt und dem Kommentator jede, aber auch jede missglückte Redewendung ankreidet, der soll sich was schämen.

Doch ach, es sind ja beileibe nicht nur einzelne Phrasen. Da stimmt oft der ganze Duktus nicht, die Haltung zum Spiel und zu den Zuschauern ist vollends verkorkst. Nein, man wünscht sich nicht die Namens-Aufzählerei aus Hubertys Zeiten zurück.

Doch ab und zu sollten Béla Réthy, Gerd Gottlob und Kollegen einfach mal den Schnabel halten und den Ball laufen lassen. Unser zeitweiliger Dank wäre ihnen gewiss. Wir müssten dann nicht bei jedem – auf welche Weise auch immer – abgewehrten Ball erfahren, er sei „geblockt“ worden. Wir müssten nicht bei jeglichem Fehlpass hören, es fehle noch an Präzision. Auch sollen uns diese Beschwörer des Offenkundigen nicht allweil sagen „Er kommt nicht dran“, wenn einer den Ball nicht erreicht.

Apropos Fernsehen: Ist da noch jemand, den das sogenannte „Weltbild“ nicht nervt, wenn haltlos jubelnde Fans entdecken, dass sie „drauf“ sind und wie verrückt winken, worauf die Regie rasch woanders hin schaltet? Es ist wie ein Katz-und-Maus-Spiel. Als dann freilich ein (bekleideter) „Flitzer“ mit einem Protest-Shirt auf den Rasen lief, hat die Weltregie noch ungleich schneller weggezappt. Die 15 Minuten Weltberühmtheit, die Andy Warhol einst jedem Erdbewohner prophezeite, wird man also auf anderem Wege bewerkstelligen müssen.

Übrigens: Kein Wort mehr zum Interview mit Per Mertesacker. Aber bitte auch nicht mehr so viele Interviews mit ihm, jedenfalls nicht von diesem koddrigen Kaliber. „Cool“ fand ich den zornigen reichen Mann nicht. Keineswegs. Einige Herren haben sich offenbar an Streichelbefragungen à la Katrin Müller-Hohenstein gewöhnt. Und was soll nur aus den wunderbar sinnfreien „Ja gut, äh“-Dialogen werden, wenn es jetzt beim leisesten Reporter-Zweifel immer gleich Saures gibt?

Aber jetzt wirklich kein Wort mehr darüber.

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Sahnelinien, Türsteher, Trinkpausen – eine kleine Zwischenbilanz zur Fußball-WM

Was machen wir bloß morgen; am Freitag, wenn keine WM-Spiele sind? Seit dem 12. Juni werden wir tagtäglich mit Höhen und Tiefen des Ballsports versorgt. Da droht ein Horror vacui.

Nun gut. Da müssen wir durch. Ich brauche eh ein wenig Zeit, um mir eine neue Strategie für die Facebook-Tipprunde zu überlegen, bei der ich nur im Mittelfeld liege. Ordentlich getippt – chaotisch gekickt. So sieht’s bislang aus!

Was ich mir diesmal gar nicht mehr antue, ist das gesamte Vor-, Zwischen- und Nachgeplänkel im Fernsehen. 90 Minuten Spiel plus etwaige Dreingabe – das reicht! Sogar in der Halbzeit schalte ich ab. Bloß keine sogenannten „Analysen“.

Mexikanischer Jubel in Brasilien (v. li.): Torwart, Trainer und Betreuer. (Foto: abgeknipst vom ARD-Bildschirm)

Mexikanischer Jubel in Brasilien (v. li.): Torwart, Trainer und Betreuer. (Foto: abgeknipst vom ARD-Bildschirm)

Schon vom Hörensagen sehe ich mich bestätigt. Es muss ja unfassbar sein, was insonderheit die Anbiederfrau Katrin Müller-Hohenstein (ZDF) abliefert. Immerhin habe ich zwei bis drei Statements des ARD-Experten Mehmet Scholl vernommen. Der ist allerdings ziemlich gut.

Während der Spiele die Kommentatoren gänzlich stummzuschalten, das getraue ich mich noch nicht. Immerhin bleibt die Lautstärke minimal. Ein fauler Kompromiss, gewiss.

Man hört von kultivierten Menschen, die den Ton ganz abdrehen und zum Match Musik von Ligeti oder Luigi Nono laufen lassen. Das finde ich, wie soll ich sagen, ein klein wenig snobistisch. Aber bitte. Jeder nach seinem Gusto. Bevor man sich von Wortspechten wie Béla Réthy oder Tom Bartels gnadenlos zutexten lässt, ist so manches Mittel erlaubt, ja geboten. In den ersten Tagen der WM war ich in Holland und habe den halbfremden Zungenschlag genossen. Da fallen eventuelle Dummheiten nicht so sehr auf, die wahrscheinlich in allen Sprachen der Welt anliegen.

2010 in Südafrika hat – beispielsweise – die Endlosdebatte über den Vuvuzela-Krach die Journalisten nebenher beschäftigt. In den ersten Tagen des jetzigen Turniers haben u. a. die Spraydöschen der Schiedsrichter Spalten und Sendezeiten gefüllt. Es ist ja auch allerliebst, wie sie den Kickern bei Freistößen „Sahnelinien“ vor die Füße sprühen. „Bis hierher und nicht weiter!“ Ob man demnächst seinen Rasierschaum mit zum Bolzplatz nehmen soll?

Von abenteuerlichen Haartrachten, wüsten Tattoos, knatschbunten Schuhen und dergleichen Stilvergehen wollen wir hier nicht weiter reden, erst recht nicht vom beißwütigen Señor Suárez. Da ist jeder denkbare Witz gemacht.

Auffällig ist die zunehmend muskelbepackte Athletik vieler Spieler. Etliche Ballbehandler imponieren mit der Physis von Türstehern – allen voran der Brasilianer Hulk, der laut TV-Reporter einen „Schuss wie ein Pferd“ hat. (Bei Gelegenheit mal gucken, wie Pferde so schießen).

Deutsche TV-Präsenz am Zuckerhut: Matthias Opdenhövel und Mehmet Scholl (hinten links), Kommentator Tom Bartels (eingeblendetes Bild rechts). (Bild: abgeknipst vom ARD-Bildschirm)

Deutsche TV-Präsenz am Zuckerhut: Matthias Opdenhövel und Mehmet Scholl (hinten links), Kommentator Tom Bartels (eingeblendetes Bild rechts). (Bild: abgeknipst vom ARD-Bildschirm)

Doch auch vielen anderen sprengt die Muskelmasse schier die Trikots. Es ist nicht zuletzt eine bullige und wuchtige WM. Dazu passen nach dem frühen Ausscheiden Spaniens auch die zahllosen Abgesänge auf das Tiki-Taka-Ballgeschiebe, das bis gestern noch als Wundermittel galt. Geht das so weiter, wird man demnächst den Ballbesitz als Teufelswerk ablehnen. Nehmt ihr die Kugel doch. Wir machen lieber die Tore. Aber womit?

Puh. Trinkpause.

Gewagt sei folgende, nicht allzu kühne Prophezeiung: Falls das deutsche Team heute Abend nicht ausscheidet, so werden unsere wackeren Sportjournalisten den guten alten, vielfach bewährten Satz wieder hervorholen, dass nun – nach dem Ende der Vorrunde – das Turnier erst richtig anfange. Es ist ja auch was dran. Das Geplänkel mancher Punktspiele in der Gruppenphase ist nicht vergleichbar mit den Fährnissen der K.o.-Runden. Ach so, ja, auch diese unverwüstliche Mitteilung wird unter Garantie wieder aufgewärmt: Deutschland hat eine „Turniermannschaft“. Immer schon und immerdar.

Dass ausgerechnet die Nationalmannschaften aus den Ländern mit den teuersten Ligen (also England, Spanien und Italien) schon „draußen“ sind, darf uns nicht allzu sehr verwundern. So sehr verlässt man sich dort auf Stars aus allen Weltwinkeln, dass der eigene Nachwuchs offenbar deutlich weniger Chancen hat. So die gängige Erklärung. Und warum hat Spanien dann in den letzten Jahren die wichtigsten Titel errungen? Je nun. Äh.

Dass im übrigen die lateinamerikanischen Teams in Brasilien nicht nur einen geographischen und klimatischen Vorteil haben, sondern hie und da auch von Schiedsrichtern begünstigt werden (siehe nicht nur Uruguay – Italien), hat sich rasch herumgesprochen. Es wäre ja auch finanziell fatal, in erster Linie auf Stadionpublikum aus Europa setzen zu müssen. Ein frühzeitiges Ausscheiden Brasiliens wäre zudem auch politisch riskant. Das wissen sie auch bei der FIFA.

Apropos Zuschauer: Seit jeher frage ich mich, was das eigentlich für Leute sind, die über viele Wochen in die Ferne (diesmal eben nach Brasilien) reisen und sich alle Eintrittskarten leisten können. Doch halt! Solche Gedanken können geradewegs in den Sozialismus führen.

Nachspielzeit 5 Minuten. Wie neuerdings üblich.

Aber nicht hier.

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TV-Nostalgie (18): Ernst Huberty – Fußball ohne Geschrei

Wenn man dieser Tage Béla Réthy, Tom Bartels, Steffen Simon, Marcel Reif und Co. über Fußball palavern hört, dann sehnt man sich manchmal zurück in die alten Zeiten eines Kurt Brumme, Rudi Michel – oder Ernst Huberty. Wie nüchtern und abgeklärt wirkte das, verglichen mit heute.

Im Vorfeld der Fußball-WM in Brasilien fällt es wieder besonders auf, welch ein Geschrei jetzt um den Fußball gemacht wird. Im Laufe eines Spiels werden alle möglichen und unmöglichen Statistiken geliefert, auch gibt’s schon mal neckische Anspielungen auf halb private Umtriebe der Kicker. Mal ganz abgesehen von der umfangreichen Vor- und Nachberichterstattung. Das alles war in den alten Zeiten undenkbar.

„Ausgerechnet Schnellinger“

Man höre sich noch einmal (leider nur in Ausschnitten möglich) Ernst Hubertys Fernsehkommentar zum sogenannten „Jahrhundertspiel“ zwischen Italien und Deutschland bei der Fußball-WM 1970 in Mexiko an. Lange wogte die legendäre Begegnung hin und her, es ging in eine Nerven zerreißende Verlängerung. Schließlich gewann Italien mit 4:3.

TV-Legende Ernst Huberty (Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=VmYQEJ_Ww8E)

TV-Legende Ernst Huberty (Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=VmYQEJ_Ww8E)

Man mag sich gar nicht ausmalen, wie heutige Sprecher bei einem solchen Match simulieren würden, dass sie von einer Ohnmacht in die andere fallen. Ernst Huberty, ab 4. Juni 1961 über Jahrzehnte der „Mister Sportschau“ der ARD (als noch keine private Konkurrenz drohte), blieb hingegen die Ruhe selbst. Ein leise, aber irgendwie doch intensiv dahingesagtes „Ausgerechnet Schnellinger“ markierte schon einen Gipfel der Gefühle.

Keine starken Gefühle zeigen

Tatsächlich wurde damals ja auch noch langsamer gespielt, so dass Huberty und Kollegen die Ballstaffetten sehr gemächlich mit bloßer Namensnennung abhaken konnten. Wenn überhaupt. Fiel ein Treffer, so reichte meist ein lakonisches „Und Tor.“ Oder dergleichen. Während des Spiels wurde oft einfach geschwiegen. Es gibt ja auch nicht immer was zu schwätzen.

Selbst das WM-Finale von 1966 (England – Deutschland 4:2) rang Rudi Michel nur begrenzte Emotionen ab. Jedenfalls trug er sein Herz nicht auf der Zunge, nicht einmal beim berühmten „Wembley-Tor“ (oder eben Nicht-Tor). „Das wird wieder Diskussionen geben“, sagte er, äußerlich seelenruhig, innerlich aber wohl bewegt. Männer durften damals noch immer keine allzu deutlichen Gefühle zeigen. Metallisch dröhnende Töne wie noch 1954 waren freilich auch nicht mehr erwünscht.

Wohltuend unaufgeregt oder langweilig?

Die Sprecher der 60er und 70er Jahre klingen für heutige Empfinden einerseits wohltuend unaufgeregt. Andererseits bringt man die Geduld für einen solchen Stil gar nicht mehr auf. Je nach Gemütszustand, möchte man Ernst Huberty am liebsten nachträglich schütteln: „Nun reg’ dich doch endlich mehr auf! Nun lass doch mal deinen Empfindungen freien Lauf!“

Es müsste mal einer ein Buch darüber schreiben, wie sich die Fernseh-Fußballreportage seit Hubertys Zeiten grundlegend verändert hat, mit Zwischenstationen wie Heribert Faßbender oder Gerd Rubenbauer – und wie sie alle hießen.

Ein Extra-Kapitel könnte man der Entwicklung widmen, dass gesellschaftliche Befunde anhand des Fußballs dingfest gemacht werden – und dass neuerdings auch mehr oder weniger subtiler Humor in Sachen Fußball erlaubt ist. Man vergleiche etwa den betulich ernsten „Kicker“ mit dem quicken und hellwachen Blatt „11 Freunde“…

Der Mann mit dem „Klappscheitel“

Ernst Huberty, der Mann mit dem unvergleichlichen „Klappscheitel“, hatte seine Laufbahn in den späten 50er Jahren begonnen. Als WDR-Sportchef und Moderator der Sportschau wurde er 1982 abgelöst, weil er es mit Spesenabrechnungen nicht so genau genommen haben soll. Man schob ihn ins dritte Programm ab.

1990 sprang Huberty beim noch neuen Bezahlsender Premiere ein und gab nebenher jungen Talenten wie Johannes B. Kerner oder Reinhold Beckmann Tipps. Doch da waren die alten Zeiten schon vorbei – und das unaufhörliche Geschrei über Fußball hatte begonnen.

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Vorherige Beiträge zur Reihe: “Tatort” mit “Schimanski” (1), “Monaco Franze” (2), “Einer wird gewinnen” (3), “Raumpatrouille” (4), “Liebling Kreuzberg” (5), “Der Kommissar” (6), “Beat Club” (7), “Mit Schirm, Charme und Melone” (8), “Bonanza” (9), “Fury” (10), Loriot (11), “Kir Royal” (12), “Stahlnetz” (13), “Kojak” (14), “Was bin ich?” (15), Dieter Hildebrandt (16), „Wünsch Dir was“ (17)




Auslosung zur Fußball-WM – Löw vs. Klinsmann oder: Überstehen ist alles…

Jetzt ist es also heraus: Deutschland spielt bei der WM 2014 in einer Gruppe mit Portugal, Ghana und den USA. Ausgerechnet die USA mit Trainer Jürgen Klinsmann! Wird das ein Duell mit seinem früheren Assistenten Jogi Löw. Und überhaupt ist es keine leichte Gruppe.

In einer ersten ARD-„Analyse“ befand Experte Mehmet Scholl dennoch, dies sei eine lösbare Aufgabe. Ungleich härter haben es wohl Spanien und die Niederlande getroffen, die schon in der Vorrunde gegeneinander spielen. Und England bekommt es gleich mit Italien zu tun.

(© lukas555 - www.fotolia.com)

(© lukas555 – www.fotolia.com)

Löws erste Reaktion: „Das ist ’ne schwere Gruppe. Aber ich akzeptiere es so, wie es ist.“ Tja, was bleibt ihm auch sonst übrig? Deutlich wurde ebenfalls: Ab sofort gilt auch gegenüber dem alten Freund Klinsmann quasi Geheimhaltung. Und vor der brasilianischen Tropenhitze hat man zumindest Respekt. Es war halt das übliche Fußball-Palaver mit allen Klischees und Schikanen. Man ist ja schon froh, wenn es nur „Hammergruppe“ und nicht „Todesgruppe“ heißt…

Schier endlos gestreckte Auslosung

Das mit Filmchen und Show auf rund zwei Stunden gestreckte Los-Verfahren zog sich schier endlos hin. Man besaß immerhin Takt genug, anfangs an den verstorbenen Nelson Mandela zu erinnern. Die rasch absolvierte Pflichtübung war aber auch das Mindeste. Im Mandela-Einspielfilm tauchte der FIFA-Präsident Sepp Blatter schon unangenehm penetrant auf. Dasselbe gilt für Blatters Bühnenauftritt.

Ansonsten: Welch ein Brimborium! Die reichlich komplizierte Auslosungs-Zeremonie in Costa do Sauípe (bei Salvador da Bahia) fand in einer eigens errichteten Arena statt. Allein das lässt schon den immensen Aufwand ahnen, der da betrieben wird. Einige der Stadien, die jetzt in Brasilien aus dem Boden gestampft werden, werden nach der WM vermutlich nie mehr gebraucht.

Traumfinale gegen Brasilien?

Natürlich fragen wir uns alle gespannt, welche Chancen die deutsche Mannschaft im nächsten Jahr haben wird. Kommt es etwa zum deutschen Traumfinale gegen den Gastgeber Brasilien? Das wäre was!

Aber gemach! Immer langsam. Unter den 32 Teams der Endrunde (12. Juni bis 13. Juli 2014) gibt es wahrlich noch ein paar andere, die mit Macht zum Endspiel drängen, nicht nur die „üblichen Verdächtigen“ wie etwa Argentinien, Spanien, Holland oder Italien. Einige Experten haben gar die Belgier, die sich so souverän qualifiziert haben, als Geheimfavoriten ausgemacht. Allerdings ist fraglich, ob überhaupt europäische Mannschaften sich im brasilianischen Klima bis zum Schluss behaupten können. Deutschland spielt zunächst in Salvador, Fortaleza und Recife. Auch nicht so bequem.

Hohe Erwartungen

Sagen wir mal so: Die Vorrunde sollten Löws Mannen wohl überstehen. Was danach geschieht, wissen die Fußballgötter. Eventuell geht’s dann bereits gegen Belgien. Man kann nur die Daumen drücken, dass die derzeit verletzten Spieler – wie beispielsweise Khedira – zeitig wieder zu Kräften kommen. Doch wenn das deutsche Team erst einmal unter den letzten Vier steht, ist „alles möglich“, wie man so schön sagt.

Noch größer als die Hoffnungen in Deutschland dürften die Erwartungen in Brasilien sein. Alles andere als die „Hexa“ (also den sechsten WM-Titel) würde man den Kickern in Gelb und Blau nicht durchgehen lassen. Zu tief sitzt immer noch das Trauma von 1950, als Brasilien im eigenen Land den Titel nicht holte.

Massiver Protest

Wie es aussieht, wird man 2014 beileibe nicht nur über Fußball zu reden haben. Schon jetzt formiert sich im eigentlich so fußballverrückten Brasilien massiver Protest gegen die ungemein kostspielige Veranstaltung in einem aufstrebenden, aber vielfach immer noch armen Land, das nicht nur unter Korruption und gebietsweise katastrophaler Infrastruktur ächzt. Auch Bildungs- und Gesundheitswesen brauchen dringend Geldzufuhr…




Banny, Bicky und die Banker

Allmählich beginnt es zu nerven: Jedweder Hansel, der mit Überweisungen zu tun hat, will seit einiger Zeit deine IBAN und deine BIC haben.

Ob’s nötig ist? Wer fragt schon danach? Im Vergleich zur vorherigen Kontonummer nebst Bankleitzahl lesen sich die neuen Zahlenreihen auf den ersten Blick reichlich kompliziert. Aber bitte: Die da oben in den Bankpalästen machen ja doch, was sie wollen.

Man möchte allerdings lieber nicht wissen, wie viele hochbezahlte Ideengeber sich hierfür haben rühmen lassen; wie viele Konferenzstunden darüber in allen beteiligten Ländern verflossen sind; wie viele WHS (Wichtige-Herren-Stunden) in dieses immense Projekt investiert worden sind…

Brüllend komisch: Banny und Bicky (erste Entwurfsskizze: © Bernd Berke)

Brüllend komisch: Banny und Bicky (erste Entwurfsskizze: © Bernd Berke)

Was allerdings verwundert, ist dies: wie staubtrocken und nüchtern das alles abgelaufen ist. Offenbar wollten die Banker nicht in den Ruf des Unseriösen geraten. (*röhrendes Gelächter aus dem Off*)

Welch eine wunderbare Kampagne hätte sich schmieden lassen! Wie lehrreich, bildkräftig und überaus witzig hätte man etwa zwei muntere, flott gezeichnete Gesellen (nennen wir sie mal „Banny“ und „Bicky“) allüberall antreten lassen können, um uns cross- und multimedial die Notwendigkeit der Umstellung auf IBAN und BIC zu erklären – so ähnlich, wie man uns damals die Postleitzahlen eingetrichtert hat. Welche Abenteuer hätten Banny und Bicky nicht erleben können. Ich denke da nur an Suspense-Geschichten wie „Bannys prickelnde Gewinnerwartung“ oder „Bicky und das Zinsluder“.

Tja. Da müssen wir wohl wieder auf eine Weltmeisterschaft warten, um alberne Maskottchen zu sehen. Apropos: Weiß jemand schon, wie die Glücksbringer der Fußball-WM in Katar 2022 aussehen werden? Keckernde Wüstenfüchse? Lachende Bauarbeiter?