Revolution bis zum Exzess: Schauspielhaus Düsseldorf eröffnet nach langer Renovierungsphase mit „Dantons Tod“

Szenenbild aus „Dantons Tod". (Foto: Thomas Aurin)

Szenenbild aus „Dantons Tod“. (Foto: Thomas Aurin)

Verstrickt und gefangen: Eingeschnürt hängen Danton und seine Parteifreunde wie in einem großen Spinnennetz auf der schiefen Ebene der Bühne, die Guillotine wartet schon auf ihre Köpfe.

Dabei wollten sie doch nur für eine gerechte Welt kämpfen, für „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.“ Doch über den Weg dahin waren sich die französischen Revolutionäre zuletzt nicht mehr einig: Danton möchte das Morden beenden, das Erreichte festigen. Robespierre reicht das nicht, er will die totale Herrschaft des Volkes, nicht nur die der Bürger, dazu ist ihm jedes Mittel recht, auch der Terror. Und so frisst die Revolution ihre eigenen Kinder.

Immer noch eine Baustelle

1970 wurde das Düsseldorfer Schauspielhaus mit „Dantons Tod“ von Georg Büchner eröffnet, nun zieht das Schauspiel nach einer längeren Renovierungsphase wieder ins Haus am Gustaf-Gründgens-Platz und startet nach fast 50 Jahren ebenfalls mit „Dantons Tod“, diesmal in einer Inszenierung von Armin Petras. Damals begleiteten studentische Proteste die Eröffnung: „Bürger in das Schauspielhaus, schmeißt die fetten Bonzen raus“.

Diesmal gab es dort keine Demonstrationen, das wäre auch schwierig gewesen, denn es stehen überall noch Bauzäune, auch innen ist bei weitem noch nicht alles fertig: In der Garderobe hängen Kabel aus der Wand, das Kassenhäuschen residiert im Container. Aber der Teppich ist bereits neu, der Zuschauerraum in Schuss und bis auf den letzten Platz besetzt.

Lebensfroher Kriegsveteran

Wie eine überdimensionale Skaterbahn wirkt das Bühnenbild von Olaf Altmann, auf der die Akteure brüllend herumrutschen, der revolutionäre Furor äußert sich in viel Geschrei und man hat als Zuschauer zunächst Mühe, dem dichten Text inhaltlich zu folgen. Doch mit der Zeit findet die Inszenierung ihren Rhythmus, ohne den Drive zu verlieren. Dann, wenn sie sich auf die Personen konzentriert, allen voran Wolfgang Michalek als Danton, der hier als lebensfroher Kriegsveteran inszeniert wird, der vom Morden, Sterben und Töten die Nase voll hat. Großartig, wie er sich in seiner schicksalhaften Aussprache mit Robespierre langsam und beiläufig, fast spielerisch entkleidet, erst Schuhe, Jacke, Strümpfe, dann den Rest. Nackt steht er da und will sagen: Ich habe nichts zu verbergen, ich fürchte dich nicht. Ich sage, was ich denke und bin dennoch dein Freund.

Robespierre mit weiblichem Furor

Lieke Hoppe als Robespierre kann damit gar nichts anfangen, sie ist im Tugendwahn: Armin Petras Kunstgriff, ihn und seine Anhänger mit Frauen zu besetzen, geht dabei gut auf. In Anlehnung an die 70er Jahre wirken sie wie eine fanatische RAF-Clique, unerbittlich in ihrem Hass gegen Abweichler, gleichsam berauscht von ihrer Macht und zugleich so überzeugt von ihren Zielen, zu deren Durchsetzung sie die Gewalt als adäquates Mittel keine Sekunde in Frage stellen. Besonders unerbittlich agiert dabei Cathleen Baumann als St. Just, die in silberner Disco-Hose und Lederstiefeln den Deutschen-Herbst-Look auch als modisches Statement begreift.

In der Video-Sequenz aus den Katakomben des Verlieses, die Petras auf die Bühne projiziert, treibt St. Just zu immer größerer Eile, in immer rascherem Tempo sollen die Delinquenten aufs Schafott gebracht werden, möglichst ohne Prozess. Robespierre dagegen wird gegen Ende dünnhäutiger: Sie muss morden, weil sie das für richtig hält, aber ihr Geist, ihr Körper wehren sich; Lieke Hoppe sind die Qualen anzumerken, die sie zurückdrängen will, aber die sie nicht verdrängen kann.

Bogen zu den heutigen Diskursen

Dramaturgisch haben Petras und sein Team den Büchner-Text um einige andere Schriften erweitert, beispielsweise um Olympe de Gouges „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“, aber auch Antoine de Condorcets „Für die Abschaffung der Sklaverei und des Sklavenhandels“, in denen soziale Fragen in den Fokus geraten, die leicht vergessen werden, weil sie nicht im Zentrum der Revolution standen. So spannt sich auch der Bogen zu heutigen Diskursen.

Insgesamt schafft die Aufführung spektakuläre Bilder in rot-weiß-blau, gemalt mit Licht und Nebel, Blut und Schweiß, den die Schauspieler beim Klettern und Kämpfen auf der Rampe lassen. Ein bisschen Mundart wird auch gebabbelt, eine Reminiszenz an Büchners Flugschrift „Hessischer Landbote“, wegen der er aus seiner Heimat floh. Rosalie (Madeline Gabel), die Frau aus dem Volk, schimpft in breitem Hessisch auf das Elend ihrer Klasse, die nach Brot schreit, das auch die Revolution ihr nicht geben kann. Nur abgeschlagene Köpfe…

Karten und Termine: www.dhaus.de




Peymann inszeniert „Dantons Tod“: Posen mit Standbein und Spielbein

Rebellion – so weit das Auge reicht. In den arabischen Ländern werden Diktaturen hinweg gefegt. In den kapitalistischen Metropolen besetzen Aktivisten Banken und Börsen. Das Gespenst der Revolution geht um, und während sich Marx im Grab die Hände reibt, meckert der olle Brecht, dass ein Gespräch über Bäume derzeit schon fast ein Verbrechen ist. Wer in dieser Situation Georg Büchners Revolutionsdrama „Dantons Tod“ aus dem Theaterfundus holt, hat Großes, auf jeden Fall Politisches im Sinn. Sollte man meinen. Vor allem wenn der Regisseur Claus Peymann heißt. Schließlich will er doch mit seinem Berliner Ensemble zeitgenössisch brisantes Theater liefern, das zum „Reißzahn im Hinterteil der Herrschenden“ werden soll.

So die Theorie. In der Praxis unternimmt Peymann zusammen mit seinem langjährigen Bühnenbildner Karl-Ernst Herrmann einen nächtlichen Ausflug ins Kunstmuseum und fuchtelt ein bisschen mit der Theatertaschenlampe im Dunkeln herum. Infiziert vom artifiziellen Bühnendesign eines Robert Wilson und der expressionistischen Stummfilmästhetik eines Friedrich Wilhelm Murnau, agieren die französischen Revolutionshelden in manieristischen Standbein-Spielbein-Posen auf einer halsbrecherischen Schräge. Die kargen Stühle und Tische wirken mit ihren schief abgesägten Beinen wie Zeichenstriche in einer fragilen Kunstlandschaft.

Danton (Ulrich Brandhoff, links) und Robespierre (Veit Schubert). (Foto: BE / Monika Rittershaus)

Danton (Ulrich Brandhoff, links) und Robespierre (Veit Schubert). (Foto: BE / Monika Rittershaus)

Ob der tugendhafte Robespierre (Veit Schubert) mit schneidender Stimme Schrecken und Tod verbreitet oder der von Lebensekel erfasste Danton (Ulrich Brandhoff) der Revolution überdrüssig ist und sich in den Untergang fügt, alles geschieht im Lichtkegel scharf geschnittener Lichtbahnen und in grellem Schwarz-Weiß. Die Gesichter der revolutionären Massen clownesk geschminkt, die Gebärden ein stiller Schrei. Robespierre und seine verbiesterten Anhänger tragen tödlich-schwarze, Danton und seine genussfreudigen Freunde weiße Kleidung. Alles ist hübsch übersichtlich, jede Geste vorausschaubar und jedes Wort ein offenes Geheimnis. Und wenn im Konvent die Abgeordneten den Revolutionshymnen Robespierres ergeben lauschen, rühren sie ihre weiß behandschuhten Hände zum nur angedeuteten, stummen Applaus.

Die Revolution frisst ihre Kinder. Das tut weh. Und wir erleben es gerade wieder aufs Neue in Ägypten und anderswo. Doch was Peymann an diesem blutigen Abgesang auf die Entgleisungen der Revolution und die Lügen der Weltverbesserer interessiert haben könnte, bleibt unklar. Alles nur Theater, garniert mit sanfter, leer laufender Ironie. Doch dann gibt es doch noch ein, zwei berührende Momente. Der von Todesangst gepeinigte Danton kuschelt sich wie ein kleines Kind in den Schoß seiner Gattin Julie (Katharina Susewind) und lässt sich trösten. Und wenn Angela Winkler sich in die schlampige Hure Marion verwandelt und den Revolutionskitsch einfach verlacht und vernuschelt, wird man Zeuge eines kleinen Schauspielwunders. Es ist allerdingsz zu wenig für einen fast dreistündigen Abend.

Berliner Ensemble, nächste Vorstellungen am 16., 21. Januar, Karten unter 030/28408155.




Dieser „Woyzeck“ sollte sich mal um die Papiertiger kümmern – Jürgen Bosse inszeniert Büchners Stück in Essen

Von Bernd Berke

Essen. Die Bühne ist grau, und das Spiel dauert 90 Minuten. Am Ende steht es bei Büchners „Woyzeck“ im Essener Grillo-Theater gewissermaßen immer noch unentschieden. War’s denn spannend?

Woyzeck wird bekanntlich von Militär und Medizin mißbraucht, seiner Menschenwürde schändlich beraubt. Am Ende treibt ihn seine Geliebte Marie in mörderische Eifersucht hinein. Kein Hund möchte so leben. Das immer noch verstörende Stück von 1836/37 deutet auf Greuel des 20. Jahrhunderts weit voraus.

Doch in Essen, wo sich zum Saisonauftakt Schauspielchef Jürgen Bosse des fragmentarischen Dramas annimmt, ist es offenbar halb so schlimm. Der klobige Woyzeck (Matthias Kniesbeck) muß, so scheint es, weniger leiden. Denn rings um diesen Riesenkerl gibt es hier nur Popanze und Papiertiger. Der Doktor (Klaus-Peter Wilhelm), der Woyzeck aus „wissenschaftlichen“ Gründen ausschließlich mit Erbsenkost traktiert, kommt als lachhafter Wicht daher, als Karikatur eines wahnwitzigen Forschers.

Auch der Hauptmann (Claus Boysen), der Woyzeck strammstehen läßt, ermuntert hier eher zur medizinischen Diagnose: Als Asthmatiker mit Überfettung und Bluthochdruck, ja vielleicht sogar Infarktgefährdung, ist er dem Kollaps viel näher als sein Opfer. Hoffentlich ist er in der richtigen Krankenkasse.

Auf der üblichen Bühnenschräge

Es sieht überhaupt so aus, als müsse – seltsame Umkehrung – Woyzeck seine Peiniger schonend behandeln und sich als eine Art Pfleger um sie kümmern. Wenn alle Machthaber so harmlos wären, wären die Woyzecks dieser Welt besser dran.

Bleibt als Grund für den Untergang noch das barfüßige Vollweib Marie (Tatjana Clasing), das mit dem schmucken Tambourmajor turtelt und damit Woyzeck zur Weißglut bringt. Mit der plötzlichen Zwangsläufigkeit einer altbekannten Moritat findet nunmehr alles sein blutiges Ende. Woyzeck sticht zu wie auf dem Schlachthof, das Finale ist vollbracht.

Auf der theaterüblichen Bühnenschräge erlebt man das Geschehen wie ein allmähliches Steigen und Sinken der Figuren. Konturenschärfe und Spannkräfte gewinnen dieseSzenen kaum. Der Stoff wird nicht entschlossen gefaßt, man läßt ihn halbherzig dahingleiten. Nicht so sehr Zerrissenheit, die man doch wohl zeigen wollte, sondern Zerfaserung ist allenthalben zu spüren. Auch die Schauspieler wecken jeweils nur für Momente tieferes Interesse, dann ist es schon wieder vorbei. Büchners Sprachmacht kommt gleichfalls nur verdünnt zum Ausdruck.

Trotz des relativ kurzen Durchgangs von eineinhalb Stunden kann es einem so vorkommen, als bringe man etliche Zeit hin. Als hätten sie den Text nur deshalb gekürzt, um die verbliebenen Einzelteile desto behäbiger auszurollen. Wie gesagt, es ging unentschieden aus. Ob Regisseur, Schauspieler oder Publikum – keiner muß sich nun furchtbar grämen. Aber gewonnen hat auch keiner.

Weitere Aufführungen: 3. und 12. Okt. (0201/8122 172).




Neues Theaterfestival mit „Tatort“-Mann Eberhard Feik – und das ganze Dorf Münzenberg hilft mit

Von Bernd Berke

Münzenberg/Hessen. 4600 Einwohner, Ackerbürger-Städtchen. So unaufgeregt hakt das große Meyers-Lexikon den idyllischen Flecken Münzenberg im Wetteraukreis ab. Doch jetzt weht frischer Wind durch die hessische „Provinz“: Der kleine Ort will sein eigenes Theaterfestival „aus dem Landboden stampfen“, wie man dort kernig formuliert.

Gespielt wird ab 14. Juli, dem 200. Jahrestag der Französischen Revolution, in der pittoresken Ruine der 800 Jahre alten Stauferburg am Ort. Als Mitwirkende geben sich gleich einige Prominente die Klinke in die Hand: Eberhard Feik (als „Tatort“-Kommissar Thanner Götz Georges TV-Partner) ist Hauptdarsteller in Jo Straetens großer Festspiel-Inszenierung von Georg Büchners „Dantons Tod“. Beim Eröffnungsfest am 13. Juli treten u. a. Konstantin Wecker und der Jazzer Wolfgang Dauner auf; auch Franz Josef Degenhardt und der bekannte Berliner Schauspieler Hermann Treusch sagten Auftritte zu.

„Danton“-Regisseur Jo Straeten war es, der das Münzenberger Festival ins Leben rief. Vor längerer Zeit mal in Dortmund und Umgebung tätig, war er später Regisseur in Gießen, Stuttgart und Kaiserslautern. Straeten ist Mitgründer des seit dem 19. Februar – Büchners Todestag – bestehenden „Burgtheaters Münzenberg e. V.“ Besonderheit: Dieser Verein finanziert das Festival aus eigener Kraft, mit Sponsorenhilfe – ganz ohne öffentliche Subventionen. Straeten: „Wir haben praktisch die gesamte heimische Wirtschaft eingespannt“.

Geldgeber zu finden war gar nicht übermäßig schwer, denn mit Georg Büchner konnten die Festival-Macher auch engen Regionalbezug geltend machen. Für die Gegend rund um Münzenberg verfaßte Büchner seinen berühmt-aufrührerischen „Hessischen Landboten“ („Friede den Hütten, Krieg den Palästen“).

Das ganze Städtchen half denn auch nach Kräften: Ein Verein stellte seine Reithalle für die „Danton“-Proben zur Verfügung, das Rathaus wurde sogar kurzerhand zum Festival-Büro umfunktioniert. Auf der langen Danksagungsliste des Festivals tauchen sogar „Bauer Kissler“, alle hilfsbereiten Pferdebesitzer des Ortes sowie die „Münzenberger Spargelstecher“ auf. Und das Volk im „Danton“ besteht aus Laienspielern, die mit Feuereifer bei der Sache sind.

So kommt es, daß man nach nur sechs „Danton“-Vorstellungen finanziell aus dem Schneider sein wird. Diese sechs Abende sind schon jetzt beinahe ausverkauft (Kartenanfragen kamen auch bereits aus dem nahen Südwestfalen und dem Ruhrgebiet). Erst danach, also von der siebten bis zur abschließenden sechzehnten Vorstellung am 20. August, bekommen die Schauspieler Geld. Sie werden am Erlös des Kartenverkaufs beteiligt.

Um so erstaunlicher: daß ein Mann wie Eberhard Feik mitmischt, der sicherlich schon mal bessere Gagen gesehen hat. Doch Feik fand es gerade reizvoll, unter ganz anderen als den gewohnten Bedingungen zu arbeiten. Neue Ideen seien halt wichtiger als das Schielen nach Subventionen, befand er – und gab Jo Straeten seine Zusage. Das Hessen-Dorf dankt es ihm. Liebevoll kredenzt man ihm auch jene Vollwertkost, die Feik seit seinem Infarkt braucht.

Jo Straeten denkt derweil – trotz Probenstreß – bereits an die nächsten Jahre. Er plant Festspiel-Inszenierungen von Shakespeares „Macbeth“ und Büchners „Leonce und Lena“, auch Opern sind nicht ausgeschlossen.

Vorstellungen jeweils 20.30 Uhr. Auskünfte: Burgtheater/Rathaus, 6309 Münzenberg (Tel. 06004-512).




Büchners „Woyzeck“ in Wuppertal – Inszenierung lässt vieles offen

Von Bernd Berke

Wuppertal. Mit Georg Büchners „Woyzeck“ ist das so eine Sache. Seit Generationen streiten sich die Philologen, in welche Reihenfolge die Szenen gehören (wovon u. a. abhängt, ob Woyzecks Gang ins Wasser als Selbstmord oder als Reinigung anzusehen wäre), ja die Gelehrten sind sich noch nicht einmal einig, ob es sich um ein „Fragment“ handelt oder ob die offene Dramenform als in sich abgeschlossen zu gelten hat.

Wuppertals Bühnen haben sich in Gestalt des Regisseurs Ulrich Greiff und seines Dramaturgen Lothar Schwab dafür entschieden, die Sache nicht gar so ernst zu nehmen. Im Programmheft läßt Schwab durchblicken, daß man die Szenen nahezu beliebig umstellen könne, was während der Proben auch mehrfach geschehen sei.

Und so läßt denn diese Inszenierung vieles offen. Sie umkreist gleichsam ihre Hauptfigur (den nicht nur mit medizinischen Versuchen geschundenen Franz Woyzeck), greift den oder jenen roten Faden auf, läßt ihn fallen, faßt an anderer Stelle wieder zu. So kommt es, daß auch die Motivationen sich auffächern. Ist nun, so fragt man sich, Woyzeck das Opfer sozialer Umstände oder seiner eigenen Seelenverwirrung oder gar der allgemeinen Unzuträglichkeit menschlicher Existenz? Auch Ansätze, Woyzeck überhaupt nicht mehr als unbedarftes Opfer, sondern als messerscharf denkenden (und träumenden) Menschen darzustellen, sind vorhanden.

Manches wirkt umständlich. Heftigst werden Kulissen geschoben,  ja einmal rollt mitten in der Szene, die ganze graue Silhouette einer Stadt weg. Den Protagonisten werden zuweilen Laufleistungen abverlangt, die das Stück nicht um ein Jota vorwärtsbringen. Und wenn ein wallendes Tuch, mit blutrot verlaufendem Fleck besprenkelt, zunächst die ganze Bühne bedeckt und sich wie ein wörtlich zu nehmendes „Verhängnis“ bläht, sodann aber als bodenlose Rutschbahn für eine Bühnenleiche (die von Woyzeck erstochene Marie. de ihn betrogen hat) dient, dann schlägt Umständlichkeit in Abwegigkeit und unfreiwillige Komik um.

Eher ablenkend als sinnerhellend wird auch die Figur des „Idioten Karl“ eingesetzt. Im Text nur mit wenigen Sätzen ausgestattet, ist sie hier – das Haupt bandagiert – ständig anwesend, trinkt, raucht und vollführt pantomimische Darstellungen.

Auf Heiner Stadelmann, der die Titelrolle spielt, lastet viel; er entledigt sich seiner Aufgabe bemüht, wenn auch nicht immer zureichend (sein Mord etwa wirkt wie ein Zufall, der auch hätte unterbleiben können); Isabell Zeumer als „Marie“ tritt gar nicht recht in Erscheinung. Glanzpunkte hingegen im grotesken Panoptikum rund um Woyzeck: Gerd Mayen als „Doktor“ liefert einen wahnsinnigen Wissenschaftler – immer hart am Rande des Klischees, aber doch glückhaft daran vorbei. Heinz Voss als Hauptmann setzt seine Mittel ökonomisch ein und erzielt viel Wirkung. Für Wuppertaler Verhältnisse gab’s nur mäßigen Beifall.