Frank Goosen huldigt den Beatles – ein amüsanter Abend im Dortmunder „Fletch Bizzel“

Das Gesamtwerk der Beatles sollte man schon in wesentlichen Zügen kennen, sonst würde man ihm nicht so recht folgen können: Frank Goosen, mit trockenem Ruhrgebiets-Humor gesegneter Rock-, Fußball- und Revier-Fachmann, ist mit seinem neuen Buch „The Beatles“ angerückt. Im Dortmunder Szene-Theater „Fletch Bizzel“ plaudert er freiweg über seine innigen biographischen Verbindungen zu den „Fab Four“. Im Publikum ist die Generation 60 plus bestens repräsentiert.

Der freundliche Herr Goosen beim Buchsignieren nach seinem Dortmunder Auftritt. (Foto: Bernd Berke)

Im Gegensatz zu Leuten, die in den 1950er Jahren geboren wurden und deren Adoleszenz zeitlich direkt mit dem Aufstieg der Beatles verknüpft war, ist Goosen (Jahrgang 1966) ein „Nachgeborener“, wie er sich selbst bezeichnet. Als ihm Musik überhaupt zu Bewusstsein kam, lag das Oeuvre der Beatles schon fertig vor – abgesehen von dieser oder jener Soloplatte, zumal von Sir Paul McCartney.

Dass nun aber dieser „Nachgeborene“ so überaus viel über die Beatles weiß, das hat mich – als etwas älteren Fan der Liverpooler – beinahe schon gewurmt. Nun gut, ich fasse mich: Es hat mir vor allem Bewunderung abgenötigt, wie sehr sich der Mann in die Materie eingelebt (eingehört, eingelesen) hat. Und wie sinnreich er das mit seiner Jugend verwoben hat, das ist aus Erfahrung gekonnt (und nicht wohlfeil gewollt): Es waren jene Zeiten, als man angehimmelten Mädchen in heißer Hoffnung selbst zusammengestellte Audio-Cassetten zusteckte. In diesem Fall hieß sie Regina. Aber es war zwecklos. Da musste dann halt eine gewisse Michelle herhalten. Moment mal. Michelle? Nein, mehr wird hier nicht verraten. Nur, dass Frank Goosens Opa einmal ziemlich irritiert war, als John Lennons Gefährtin Yoko Ono auf einer Scheibe aufstöhnte, als hätte sie vor dem Mikro einen echten Orgasmus gehabt.

Das konnte doch kein Zufall sein!

Dass sein Vortrag gewohnt unterhaltsam ist, hat man von Goosen nicht anders erwartet. Zwar legt er zwischendurch keine einschlägigen Platten auf (Hallo, GEMA, nix zu holen!), aber am Schluss darf ihm das Publikum Fragen stellen, die er nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet.

Der ebenso bodenständige wie weltoffene Bochumer hat gleich eingangs berichtet, dass die Beatles gerade mal 25 Tage nach seiner Geburt in der Essener Grugahalle gespielt haben. So nah sind sie sich dann nie wieder gekommen – rein räumlich besehen… Und bald darauf sind die Beatles gar nicht mehr mehr live aufgetreten. Sonnenklar: Das konnte doch kein Zufall sein! Sondern? Es war wohl ein Zeichen. Fast so magisch wie die Bedeutung der Zahl 9 im Leben John Lennons (und sei’s in der Quersumme).

Seit den späten 70er Jahren hat sich der pubertierende Frank Goosen denkbar intensiv mit John, Paul, George und Ringo befasst. Los ging’s mit den beiden roten und blauen Doppelalben für den ersten Überblick, dann folgte nach und nach alles Weitere. Mit den Beatles, so dozierte Frank G. schon damals auf dem Schulhof, sei recht eigentlich Farbe in die vordem schwarzweiße oder auch graue Welt gekommen – bis hin ins seinerzeit auch nicht gerade bunte Ruhrgebiet. Goosens mehr oder weniger exklusive Entdeckung: Die zunächst allmähliche, dann explosive Farbwerdung habe sich ja schon an ihren Albumhüllen und an so manchen Songtexten gezeigt. Der selbsternannte Beatles-Experte Michael („Name geändert“), der damals blasiert widersprechen wollte, habe übrigens keinen blassen Schimmer gehabt. Damit das mal klar ist.

Den Vatikan reißt man ja auch nicht ab

Überhaupt waren die Beatles für ihn eine bis heute nachwirkende Offenbarung. Unverzeihlich findet es Goosen, dass der berühmte Cavern Club in Liverpool abgerissen und durch einen weit weniger auratischen Nachbau ersetzt worden ist. Nachvollziehbare Analogie: „Den Vatikan reißt man doch auch nicht ab!“

Dennoch war es ein Lebens-Höhepunkt, als Goosen vor einiger Zeit mit Frau und Kindern endlich einmal Liverpool aufsuchte und auf den Spuren der frühen Beatles unterwegs war – mit dem geradezu besessenen Guide namens Steve, der an Beatles-Detailwissen alle anderen in den Schatten stellte. Welch‘ ein Gänsehaut-Erlebnis, tatsächlich einmal durch die Penny Lane zu schreiten oder die wahrhaftigen Strawberry Fields (bzw. deren Nachfolge-Areal) zu sehen! Allerdings merkt Goosen auch an, welch massentouristische Untiefen dort zu gewärtigen sind. Da wird man an manchen Punkten von allen Seiten dermaßen mit Beatles-Titeln beschallt, dass es kaum auszuhalten ist. Noch weitaus unerträglicher: die idiotische Anmaßung mancher Touristen, sich in New York vor dem Dakota Building (dort wurde am 8. Dezember 1980 John Lennon ermordet) mit dem heutigen Doorman fotografieren zu lassen…

Noch eine Erkenntnis der Marke Goosen gefällig? Nun, wenn man bestimmte Beatles-Titel auf ordentlichen Vinyl-LPs gehört und dabei ungeahnte Instrumente entdeckt habe, so könne man seine CD-Sammlung eigentlich wegwerfen.

Weitere NRW-Tourneedaten mit dem Programm „Acht Tage die Woche – die Beatles und ich“: 3.3. Menden, 4.3. Bottrop, 17.3. Oberhausen, 18.3. Essen, 23.3. Duisburg, 31.3. Waltrop, 1.4. Haltern, 2.4. Gladbeck, 21.4. Herne, 25.4. Hagen. Gesamtprogramm: www.frankgoosen.de

Frank Goosen: „THE BEATLES“. KiWi Musikbibliothek (Kiepenheuer & Witsch). 182 Seiten. 12 €.




Meilensteine der Popmusik (30): The Beatles

Progressiv entwickelte sich die Popmusik des Jahres 1967 sowieso – einen besonderen Kick hätte sie eigentlich gar nicht nötig gehabt. Und dennoch kam er. Die beiden Genies, die einst eng befreundet waren und sich jetzt langsam auseinanderlebten, taten sich für ihr Meisterwerk doch noch einmal zusammen.

beatles

John Lennon und Paul Mc Cartney stießen die immer näher herankommende Konkurrenz zurück in ein tiefes, dunkles Loch. Die Beatles und ihre Plattenfirma hatten sich den genialen Coup einiges kosten lassen. Für damalige Verhältnisse waren die Dimensionen unvorstellbar: Jeder Song ihrer neuen LP sollte eine ganze Woche Aufnahmezeit beanspruchen, die Produktionskosten betrugen umgerechnet gigantische 115.000 Euro.

Und dann noch der (inszenierte?) Skandal, dass die BBC vorab in den Besitz von Bändern gekommen war und diese natürlich auch gleich spielte. Der weltweit avisierte Veröffentlichungstermin (1. Juni 1967) musste notgedrungen vorverlegt werden. Das ganze Drumherum erzeugte bei den Fans eine unvergleichliche Spannung, die sich in einem weltweiten Run auf diese Superscheibe löste. Allein in den USA wurden in der ersten Woche über eine Million Platten verkauft.

Zum Rekord passte das überaus aufwendige Cover, das in einer Collage ca. 60 Köpfe der Zeitgeschichte zeigte, von Laurel and Hardy bis Karl Marx, von den Rolling Stones bis Marilyn Monroe. Genauso vielfältig waren die Songs auf „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“. Selbst der sonst eher kritische John Lennon reagierte noch Jahre später euphorisch: „Sgt. Pepper ist das ultimative Album. Es war der absolute Höhepunkt. Paul und ich arbeiteten definitiv zusammen.“

Etwas realistischer sah es Produzent George Martin: „Sgt. Pepper war wohl in erster Linie Pauls Werk. John steuerte lediglich drei Songs bei.“ Trotzdem, zwei der wohl stärksten Titel entstanden in Gemeinschaftsarbeit: „With a little help from my friends“ und „A day in the life“. Mit erst einmal 7 Millionen verkaufter Exemplare wurde die LP damals Rekordhalter – bis auf weiteres.

Gruppen und Interpreten auf der ganzen Welt orientierten sich an diesem neuen Maßstab. Psychodelic-Rock hieß wenig später ein neuer Trend, u.a. auch zurückzuführen auf das Meisterwerk der Beatles. Sie selbst koppelten keine einzige Single aus. „Sgt. Pepper“ sollte jungfräulich zusammen bleiben, als das erste ganz große Konzeptalbum der Rock-Geschichte.

Für die Beatles wurde es der absolute Höhepunkt ihrer Karriere – gerade mal zwei Jahre vor der spektakulären Trennung. Diese zeichnete sich schon damals ab. John war nach der langen Produktionsarbeit müde und wollte kein Studio mehr sehen. Doch Abwechslung war nicht in Sicht. Das, was John und Paul vielleicht wieder zusammengeschweißt hätte, war illusorisch geworden, denn die neuen Songs ließen sich mit dem damaligen Stand der Technik auf gar keinen Fall live reproduzieren. Also gab es keine Rückkehr der Beatles auf die Bühne – diesem Platz, an dem sie vielleicht wieder den Spaß gefunden hätten gemeinsam zu musizieren, so wie nur wenige Jahre zuvor in Liverpool oder Hamburg, als alles begann mit dieser frühen Boygroup.

John, Paul, George und Ringo waren blutjung, und niemand konnte Anfang der 60er vorhersehen, dass hier etwas Einmaliges entstand: die Revolution der populären Musik. Was die vier auslösten, wurde fast über Nacht zu einem weltweiten, gesellschaftlichen Phänomen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten das ganze 20. Jahrhundert hindurch US-amerikanische Einflüsse, vom Jazz bis hin zum Rock´n´Roll, die Popmusik dominiert.

Nun tauchten im Gefolge der Beatles unzählige britische Gruppen auf und stürmten die Hitparaden. Selbst die Rolling Stones bekamen ihren Plattenvertrag bei Decca nur, weil man dort die damals noch unbekannten Beatles einige Zeit zuvor abgelehnt hatte und einen solchen Fehler nicht noch einmal begehen wollte. Und viele andere, neue Formationen folgten. Ängstlich und verschreckt sprach man in den USA schon von einer britischen Invasion: The Kinks, The Hollies, Dave Clark Five, Small Faces, The Who, Herman´s Hermits, Swinging Blue Jeans, Searchers, Animals…die Liste ließe sich beliebig weiterführen. Für all´ diese Gruppen hatten die Beatles letztlich den Weg bereitet.

Bis heute wurden von der berühmtesten Band der Welt über eine Milliarde Platten, Cassetten oder CDs verkauft. Die meisten davon übrigens im Jahr 1980, als John Lennon am 8. Dezember von dem damals 25-jährigen David Chapman vor seinem Appartement in New Yorks Upper West Side erschossen wurde. Da waren die Beatles schon zehn Jahre Geschichte. Die Hoffnung von Millionen Fans auf eine Wiedervereinigung der Beatles hatte sich spätestens mit dem gewaltsamen Tod von John Lennon zerschlagen.

Es blieb bei der letzten gemeinsamen Presseerklärung der Beatles vom 10. April 1970: „Der Frühling ist da, und Leeds spielt morgen gegen Chelsea. Und Ringo, John, George und Paul sind am Leben, wohlauf und voller Hoffnung. Die Welt dreht sich weiter – so wie wir, und so wie ihr. Erst wenn sie aufhört sich zu drehen…das wird der Zeitpunkt sein, sich zu sorgen. Vorher nicht. Bis dahin sind die Beatles am Leben und wohlauf. Und der Beat geht weiter, der Beat geht weiter …“

Beatles on dailymotion

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Die bisherigen “Meilensteine”:

Peter Gabriel (1), Creedence Clearwater Revival (2), Elton John (3), The Mamas and the Papas (4), Jim Croce (5), Foreigner (6), Santana (7), Dire Straits (8), Rod Stewart (9), Pink Floyd (10), Earth, Wind & Fire (11), Joe Cocker (12), U 2 (13), Aretha Franklin (14), Rolling Stones (15), Queen (16), Diana Ross (17), Neil Diamond (18), Fleetwood Mac (19), Simon & Garfunkel (20), Bruce Springsteen (21), ABBA (22), The Kinks (23), Michael Jackson (24), Bob Dylan (25), The Eagles (26), The Who (27), Electric Light Orchestra (28), Prince (29)