Der ewige Zwiespalt: Gehört die Stadt Dortmund eher zu Westfalen oder zum Ruhrgebiet?

Vor einigen Tagen gab es ein mächtiges Rumoren im Ruhrgebiet. Oder war’s eher ein klägliches Jammern und Jaulen? Thomas Westphal, Chef der Dortmunder Wirtschaftsförderung, hatte es offenbar gewagt, am gelingenden Strukturwandel des Ruhrgebiets zu zweifeln.

Westfalen oder Ruhrgebiet? Impression aus der Dortmunder Innenstadt, rechts die von Mario Botta entworfene Stadt- und Landesbibliothek. (Foto: Bernd Berke)

Westfalen oder Ruhrgebiet? Impression aus der Dortmunder Innenstadt, vorn die von Mario Botta entworfene Stadt- und Landesbibliothek. (Foto: Bernd Berke)

Der übrigens in Lübeck geborene und also des hiesigen Stallgeruchs ermangelnde, jedoch namentlich für Westfalen prädestinierte Westphal belobhudelte (etwas penetrant pro domo) die von ihm mitverantwortete Entwicklung in Dortmund, das er als digitales Zentrum für Westfalen ausschilderte. Laut WAZ fuhr er in diesem distanzierenden Sinne fort: „…obgleich wir öffentlich immer gerne zum Bestandteil des niedergehenden Ruhrgebiets gemacht werden, sind wir in Wirklichkeit ein Motor der westfälischen Boomregion.“

Das böse Wort vom Niedergang

Oha! Niedergehendes Ruhrgebiet. Bei diesen Reizworten bekamen sie beim Regionalverband Ruhr (RVR), der es sich allzeit angelegen sein lässt, das Revier in günstigem Licht darzustellen, Anfälle von Schnappatmung: Und das uns! Und das vom Wirtschaftsförderer der größten Ruhrgebiets-Kommune, der noch dazu vorher selbst beim RVR gearbeitet hat. Roland Mitschke (Bochum), CDU-Fraktionschef im so genannten Ruhrparlament, sprach deshalb von „Mangel an nachlaufender Loyalität“. Eine hübsche Formulierung, fürwahr.

Besonders aus den Reihen der Ruhrgebiets-CDU wurde vom Dortmunder OB Ullrich Sierau (SPD) nicht nur sofortige, „öffentlich sichtbare Distanzierung“ von den garstigen Worten gefordert, sondern gleich auch noch Westphals Amtsverzicht. Kleine Münze wird da halt nicht ausgezahlt.

Der Westen ist nur eine Richtung

Gewiss, Westphals Sätze waren in der Tat unglücklich zugespitzt. Doch nun mal halb lang. Man schaue sich die Lage von Dortmund auf einer handelsüblichen Landkarte an. Im Westen geht die Stadt zwar ins Ruhrgebiet über, jedoch im Süden ins Sauerland, nordwärts in die Ausläufer des Münsterlandes, östlich nach Unna und ins Vorfeld der Soester Börde. An drei Seiten ist also nicht so sehr die industrielle, sondern vornehmlich eine ländliche Umgebung prägend. Das unterscheidet die Stadt sehr wohl von Gemeinden, die in drangvoller Enge mitten im Pott liegen. Und das wiederum hat Einfluss aufs lokale Bewusstsein.

Nicht zuletzt aus Imagegründen ist es daher langjährig geübte Dortmunder Praxis, sich weniger als Revierkommune zu gerieren, sondern in erster Linie als „Westfalenmetropole“, was sich freilich etwas geschwollen anhört. Hätte man gewisse Gebäudeensembles nach dem Krieg nicht abgerissen, so wäre der historische Zusammenhang vielleicht noch sinnfälliger. So aber hat der übliche sozialdemokatische Betonwust der „autogerechten Stadt“ auf hässliche Weise die Oberhand gewonnen. So richtig westfälisch sieht das nicht mehr aus. Auf dem Gebiet sammelt Münster eindeutig mehr Punkte.

Trotzdem: Immer wieder hat sich die vormalige Freie Reichsstadt und Hansestadt Dortmund gern westfälisch bespiegelt. Namen wie die Westfalenhalle, Westfalenstadion oder Westfälische Rundschau (*1946 †2013) und viele andere künden davon. Richtig, andererseits erscheinen in der Stadt die Ruhrnachrichten. Aber die gehören schon zu den Ausnahmen von der Regel.

Absetzbewegungen

Immer mal wieder hat es auch Absetzbewegungen vom Ruhrgebiet gegeben, um 2007/2008 drohte der damalige Dortmunder Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer (SPD) gar brüsk mit dem Austritt aus dem Regionalverband Ruhr (RVR). Der Zwiespalt bewegte ihn auch noch im Herbst 2015. Da referierte der Ex-OB gemeinsam mit dem einstigen NRW-Städtebauminister Christoph Zöpel über das Thema „Heimat Dortmund – Großstadt in Westfalen oder Metropole Ruhr?“

Niemals hat man sich in Dortmund so mit dem „Pott“ als Ganzes identifiziert wie etwa in Essen, wo sie zwar weniger Einwohner haben als in Dortmund, sich aber gleichwohl als Revier-Kapitale sehen. Auch die Phantasien von einer künftigen „Ruhrstadt“ fielen in Dortmund am wenigsten auf fruchtbaren Boden.

Anzeichen eines „Niedergangs“ gibt es indessen nicht nur im mittleren und westlichen Revier. Da nützt alle geflissentliche Berufung auf Westfalen nichts: Auch Dortmund hat arge Probleme, die eben nicht mit landsmannschaftlich getönter Symbolpolitik zu bewältigen sind.




Neuer Schub für die Kulturhauptstadt – Sogar Oliver Scheytt wird von Fritz Pleitgens Berufung überrascht

Von Bernd Berke

Essen/Dortmund. Die Nachricht kam gestern wahrlich überraschend: Fritz Pleitgen, derzeit noch Intendant des Westdeutschen Rundfunks (WDR), wird Vorsitzender Geschäftsführer der Ruhr 2010 GmbH und damit praktisch Chef der Kulturhauptstadt Ruhrgebiet.

Sogar Oliver Scheytt, bislang alleiniger Geschäftsführer der Kulturhauptstadt-GmbH, hat bis Mitte dieser Woche nichts davon gewusst. Er hadert aber keineswegs mit der neuen Personalie. Im Gegenteil. Scheytt gestern zur WR: „Ich finde die Lösung ganz toll!“

Eine Initiative zu dem Schritt ist offenbar von RAG-Konzernchef Werner Müller ausgegangen, der als Aufsichtsratsvorsitzender der Ruhr 2010 GmbH fungiert. Die Idee, Fritz Pleitgen einzubinden, soll ursprünglich allerdings Bundestagspräsident Norbert Lammert gehabt haben. Der Bochumer gilt als intimer Kenner der Ruhrgebietskultur. An den seit einiger Zeit sehr diskret geführten Verhandlungen mit Pleitgen war schließlich auch NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers entscheidend beteiligt. Er verkündete gestern mit Essens Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger den neuen Stand der Dinge.

Abschied vom Sender früher als geplant

Fritz Pleitgens Vertrag als WDR-Intendant reicht bis zum 30. Juni dieses Jahres. Bei der Ruhr 2010 GmbH soll er indes bereits am 1. April 2007 die Amtsgeschäfte aufnehmen. Der WDR-Rundfunkrat müsste einer vorzeitigen Vertragsauflösung zustimmen, so dass Pleitgens designierte Nachfolgerin Monika Piel entsprechend früher als WDR-Intendantin antreten würde. Sie sagte, Pleitgens Berufung sei „für ihn wie für den WDR höchst ehrenvoll.“

Es heißt, dass Pleitgen nicht ganz leichten Herzens zugesagt habe, sich der Aufgabe im Ruhrgebiet zu widmen. WDR-Sprecherin Gudrun Hindersin: „Eigentlich hatte er, eine andere Lebensplanung Er wollte frei sein von täglichen Verpflichtungen, wollte Filme machen, ein Buch schreiben.“ Jetzt aber werde er sich mit ganzer Kraft der neuen Herausforderung stellen.

Wie könnte die Aufgaben-Verteilung zwischen Fritz Pleitgen und Oliver Scheytt künftig aussehen? Scheytt: „Wir haben uns jetzt ausführlich unterhalten und haben vereinbart, dass wir erst einmal alles gemeinsam machen.“ Der prominente Pleitgen werde sicherlich die großen repräsentativen Aufgaben übernehmen und etwa für Medien und Marketing zuständig sein. Scheytt selbst versteht sich als eine Art „Generalsekretär“ für die Programmarbeit der Kulturhauptstadt Ruhrgebiet. Darin, dass Pleitgen ihm faktisch vorgesetzt wäre, sieht Scheytt kein Problem und scherzt: „Der Ältere hat den Vortritt.“

Jetzt bald Leitung für die Sparten benennen

Jetzt, so Scheytt weiter, könne man endlich ein schlagkräftiges Team für die Kulturhauptstadt bilden und bald Leiter(innen) für die einzelnen Sparten (beispielsweise Theater, Musik, Städtebau, Migration) benennen. „Nun geht es voran“, freut sich der Essener Kulturdezernent.

Überhaupt herrschte gestern allgemeine Freude über die veränderte Lage. Dortmunds Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer, zugleich Vorstandsvorsitzender beim Regionalverband Ruhr (RVR), zur WR: „Fritz Pleitgen kennt Land und Leute im Revier. Er ist ein großer Moderator und Kommunikator. Also ist es eine sehr gute Entscheidung. Pleitgen und Scheytt seien „ein optimales Team“.

Langemeyer verweist darauf, dass am 22. Januar noch Aufsichtsrat und Gesellschafter der Ruhr 2010 GmbH die Ernennung Pleitgens offiziell bestätigen müssen. Die Zustimmung gilt aber als sicher.

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ZUR PERSON

„Kind des Reviers“

  • Fritz Pleitgen ist sozusagen ein „Kind des Reviers“: Er wurde am 21. März 1938 in Duisburg geboren. Später lebte er zeitweise mit seiner Familie in Essen.
  • Seit 1995 ist Pleitgen Intendant des Westdeutschen Rundfunks (WDR). Er war seinerzeit Nachfolger von Friedrich Nowottny. Pleitgens Nachfolgerin Monika Piel wird ihr Amt vermutlich zum 1. April 2007 antreten.
  • Erste journalistische Sporen verdiente sich Pleitgen bereits mit 14 Jahren als freier Mitarbeiter einer Lokalzeitung in Bielefeld.
  • Von 1970 bis 1977 war Pleitgen ARD-Auslandskorrespondent in Moskau.
  • Ab 1977 wurde er Korrespondent in Ost-Berlin, ab 1982 in Washington.

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KOMMENTAR:

Pleitgen als Kopf der Kulturhauptstadt

Befreiende Wirkung

Von Bernd Berke

Auf den ersten Blick verblüfft diese Entscheidung: Der scheidende WDR-Intendant Fritz Pleitgen soll oberster Kopf der Europäischen Kulturhauptstadt Ruhrgebiet weiden.

Skeptiker mögen einwenden, dass Pleitgen kein Spezialist für Kultur sei. Aber ist das denn erforderlich? Man kann ihm jedenfalls schwerlich „Kulturferne“ vorwerfen, er sympathisiert mit den schönen Künsten – und mit der Region. Zum Team der Kulturhauptstadt 2010 werden überdies viele Fachleute gehören, die ihm beratend zur Seite stehen.

Pleitgen ist ja auch in ‚ erster Linie als Manager gefragt, der einen „großen Betrieb“ wie die Kulturhauptstadt bewegen und wirksam repräsentieren kann. Dass er dazu in der Lage ist, hat er beim WDR wahrlich längst bewiesen.

Der überraschende Besetzungs-Coup könnte sich durchaus als „Befreiungsschlag“ erweisen. Über Monate hatte sich das zähe Ringen um die Geschäftsführung hingezogen. Vor allem geisterte dabei der Name des US-Regisseurs Peter Sellars durch die Medien.

Die Revierstädte wollten sich indes keinen Glanz von außen aufdrängen lassen. Dieser Streit dürfte sich nun erledigt haben. Und damit kann endlich die harte Detailarbeit am Profil der Kulturhauptstadt beginnen.




Das Theater sieht sich als Pflichtaufgabe – beim Berliner Kongress zur Krise der Bühnen

Aus Berlin berichtet
Bernd Berke

Ein ums andere Mal konnte man staunen beim Berliner Kongress „Bündnis für Theater“. Debattenbeiträge kamen in dichter Folge von Teilnehmern aus Dortmund, Siegen, Köln, Bonn, Düsseldorf, Krefeld und Münster. Schließlich wunderte sich auch Moderator Hansjürgen Rosenbauer: „Eine alte Befürchtung wird wahr: NRW hat Berlin übernommen.“

Offenbar ist an Rhein und Ruhr das Bewusstsein für die Finanzkrise der Bühnen am meisten geschärft. Prominente Berliner Theaterleute, die im schmucken Kronprinzenpalais ein „Heimspiel“ gehabt hätten, blieben hingegen der Veranstaltung fern.

Auf einen zentralen Begriff konnten sich praktisch alle Anwesenden einigen. Bundespräsident Rau, seit geraumer Zeit mahnender Fürsprecher der Theaterkunst und Miturheber des „Bündnis“-Gedankens, gab das Stichwort vor: Kulturförderung dürfe von der Politik nicht mehr als freiwillige Leistung, sondern müsse als öffentliche „Pflichtaufgabe“ verstanden und auch verankert werden.

Das Gejammer ist man leid

Fortan kam der Kongress immerwieder auf das Zauberwort „Pflichtaufgabe“ zurück. Stünde es erst einmal (wie in Sachsen bereits geschehen) in den Gesetzen, so könnten Kulturmittel nicht mehr ohne weiteres gestrichen werden. Endlich einmal dürfte man sich dann „auf Augenhöhe“ mit anderen Bereichen sehen. Kulturstaatsministerin Christina Weiss möchte überdies erreichen, dass derlei kulturelle Verpflichtungen nicht nur auf dem Papier sich ausbreiten, sondern „vor allem in den Köpfen“.

Theaterleute und engagierte Kulturpolitiker sind das jammervolle Krisen-Gerede offenbar ziemlich leid. Amelie Niermeyer, finanziell gebeutelte Intendantin in Freiburg: „Wenn wir immer nur die Krise beklagen, hört uns irgendwann keiner mehr zu.“ NRW-Kulturminister Michael Vesper bilanzierte zum Schluss, dies sei gottlob „kein Jammer-Kongress“ gewesen, sondern ein selbstbewusster Auftritt der Theaterschaffenden nach dem Leitsatz: „Wir bieten das, was die Gesellschaft braucht.“ Genau so müsse die Kultur auf die Politik zugehen.

Boulevardisierung greift um sich

Beklagt wurde freilich das mediale Umfeld. Die Boulevardisierung greife derart um sich, dass man damit nicht mehr konkurrieren könne. „Wir dürfen nicht alle Mensehen erreichen wollen“, lautete ein bemerkenswerter Befund. Gewiss wolle man sich um jedes Publikumssegment bemühen, doch wenn etwa bei der ZDF-Sendung über „Die größten Deutschen“ ein Daniel Küblböck mehr gelte als manche Klassiker, so dürfe man solchen Entwicklungen nicht hinterherlaufen.

In vier thematischen Foren sichtete der Kongress etliche konkrete Ansatzpunkte – von der theatergerechten Reform der Tarifverträge bis hin zu neuen Marketing-Konzepten. Dortmunds OB Gerhard Langemeyer erläuterte die womöglich bundesweit beispielhaften Vorteile des Theater-Eigenbetriebes, der über die Verwendung kommunaler Mittel selbstständig entscheidet. Essens Kulturdezernent Oliver Scheytt suchte schließlich nach starken Bündnispartnern fürs Theater und hoffte, sie in Schulen, Medien und Kulturbetrieben anderer Sparten zu finden.

Idealistisch gab sich Wolfgang Suttner, Kulturdezernent von Siegen/Wittgenstein. Wenn Menschen erst einmal von Kultur „angezündet“ seien, so sei diese „nicht mehr so leicht kaputt zu machen“. Ihm wurde freilich entgegengehalten, dass eine Mehrheit kulturell zu „erkalten“ drohe. Sollte denn am Ende alles eine klimatische Frage sein?

 




Das Prinzip Hoffnung prägt die Kulturpolitik – Dezernenten von 25 Kommunen tagten

Von Bernd Berke

Krefeld. Seitdem das Land Nordrhein-Westfalen an der Kultur spart, rücken die Städte enger zusammen. Immer öfter wird bei Veranstaltungen kooperiert, was die Finanzen schont. Schaltstelle ist das Wuppertaler Sekretariat für gemeinsame Kulturarbeit. Doch auch dort wird jetzt der Rotstift angesetzt.

Gestern versammelten sich die Kulturdezernenten aller 25 Mitgliedsstädte des Sekretariats in der idyllischen Krefelder Villa „Haus Greiffenhorst“. Was sie zu bereden hatten, war weniger behaglich. Der Vorsitzende dieses Kreises, Dortmunds Kulturdezernent Dr. Gerhard Langemeyer, sagte, den Kernbestand an gemeinsamen Veranstaltungen wolle man retten, doch man werde „fundamental nachdenken“ und Opfer bringen müssen. Sprich: Nicht alle Festivals und Austauschprogramme des Sekretariats sind gesichert.

Langemeyer erinnerte an die Alarm-Parole der letzten Städtetags-Konferenz: „Städte in Not“. Beispiel Dortmund: 10 Prozent weniger Landeszuschüsse für die Kultur schon in diesem Jahr, das bedeute ein Minus von 400 000 Mark. Man werde vor allem bei Gastspielen kürzer treten müssen. Im nächsten Jahr werde alles wohl noch schlimmer kommen.

Sekretariats-Leiter Dr. Dietmar N. Schmidt meinte, die Kulturdezernenten hätten zwar nicht durchweg „in Molltönen geredet“. Doch als er ein bereits gedrucktes Programm-Faltblatt gemeinsamer Aktivitäten der Städte vorstellte, tat er’s nicht ohne Vorbehalte: „Ich gehe davon aus, daß es stattfindet“, hieß die vorsichtige Standardformel bei nahezu allen Tanz-, Musik- und Theater-Festivals.

Ganz exakt konnte Schmidt den Geldschwund seines Sekretariats zwar nicht beziffern. Doch es dürfte sich um eine runde Million DM handeln – bei etwa 15 Millionen Gesamtvolumen, in denen allerdings auch schon private Sponsorenmittel enthalten sind. Schmidt findet die Kürzung der Landesmittel „schizophren“, da die Städte doch gerade durch jene Zusammenarbeit sparen könnten, die nun geringer gefördert werde. Man sei, so Schmidt etwas geknickt, „kalt erwischt worden“.

Krefelds Kulturdezernent Roland Schneider beschwor unterdessen die solidarische Schicksalsgemeinschaft der Kommunen. Konkurrenz zwischen den Städten dürfe in diesen schweren Zeiten nicht mehr im Vordergrund stehen.




Qualität am Ostwall reicht für zwei Museen – Dortmunder Museum zeigt Werke aus Eigenbesitz

Von Bernd Berke

Dortmund. In Dortmund muß ein weiteres Museum her. Diese Forderung steht schon seit Jahrzehnten im Raum. Nachdem die Stadt in der Nachkriegszeit vorübergehend sogar Köln und Düsseldorf den Kunst-Rang abgelaufen hatte, verschlief man in den 60er und 70er Jahren die Entwicklung der Museumslandschaft total. Nach und nach wuchsen allerorten neue Kunsthallen aus dem Boden – nur nicht hier.

Daß die Sammlung des Ostwall-Museums es längst verdient hätte, angemessen und auf Dauer präsentiert zu werden, wird mit der neuesten Ausstellung des Hauses schlagend deutlich. Die Schau „Eine Sammlung im Wandel“ zeigt etwa 150 der wichtigsten Werke aus dem Eigenbesitz. Es könnten ohne Qualitätsverlust noch weitaus mehr sein, doch dafür fehlt am Ostwall der Platz. Insgesamt besitzt das Museum rund 500 bis 600 Originalkunstwerke (einschließlich Plastik) und etwa 2500 graphische Blätter.

Ostwall-Direktor Ingo Bartsch sieht die Präsentation denn auch als Diskussionsanstoß für kommende Beratungen im Kulturausschuß der Stadt. Dort wird man sich demnächst mit dem „Museums-Entwicklungsplan“ zu befassen haben. Dieser Plan sieht das Haus am Ostwall als Kunsthalle für Wechselausstellungen vor und will die ständige Sammlung an anderer Stelle unterbringen, möglichst in einem Neubau. Kulturdezernent Gerhard Langemeyer dämpfte gestern freilich allzu große Zuversicht: Vorrang genieße in Dortmund die Umgestaltung der Stadt- und Landesbibliothek, dann komme ein Bau für Konzerte und Kongresse auf dem Gelände der Westfalenhallen erst dann sei das Museum an der Reihe.

Die Ausstellung zeigt unterdessen, daß Kernbestände der Sammlung nicht etwa auf freihändige Ankäufe zurückgehen (was der Etat auch nie erlaubt hätte), sondern auf Stiftungen und Dauerleihgaben mit Vorkaufs-Option. Neuestes Beispiel dafür ist die „Sammlung Cremer“, die rund 1000 Objekte umfaßt und von der – als erster „Appetithappen“ – jetzt ein Joseph Beuys-Raum zu sehen ist. Im Herbst soll ein erster großer Querschnitt durch diese Sammlung vorgeführt werden. Bemerkenswert auch die Dauerleihgaben aus der Darmstädter „Sammlung Ströher“ mit Arbeiten des Informel (Bernard Schultze, KO Götz u.a.), die hervorragend etwa zu den zwei Bildern von Emil Schumacher passen, die in Dortmund vorhanden sind.

Expressionismus, Informel, Zero, Fluxus, Kunst der 80er Jahre. Diese Stichworte markieren Schwerpunkte der Dortmunder Kollektion, sie stehen auch gleichsam für die archäologischen Schichten der Sammlungstätigkeit. Es beginnt mit dem für Dortmund geradezu epochalen Ankauf der „Sammlung Gröppel“ im Jahr 1957 und reicht bis zum Erwerb der Sammlung Feelisch (1988). Die Zusammenstellung wird so auch zu einer Hommage an die ehemaligen Leiter des Museums, Leonie Reygers und Eugen Thiemann.

Die Künstlernamen die man am Ostwall präsentieren kann, sind natürlich Legion: August Macke, Pechstein, Kirchner, Rohlfs, Nolde, Max Beckmann, Grosz, Dix, Max Ernst, Käthe Kollwitz, Günter Uecker und Wolf Vostell seien nur als Beispiele genannt. Klar ist: Für diese Ausstellung sollte man sich mindestens einen halben Tag freihalten oder am besten gleich mehrmals kommen.

„Museum am Ostwall Dortmund. Eine Sammlung im Wandel“. 13. Januar bis 17. Februar 1991. Broschüre zur Ausstellung 15 DM. Ein neuer Sammlungskatalog entsteht.




Ostwall-Museum: Umschwung mit Kirchner

Von Bernd Berke

Dortmund. Spür- und sichtbarer Umschwung im Dortmunder Ostwall-Museum: Nachdem Ex-Museumschef Thiemann ausgeschieden ist, werden unter der Ägide seines kommissarischen Nachfolgers, des neuen Dortmunder Kulturdezernenten Dr. Gerhard Langemeyer, schon einige Wände neu getüncht; ein Ausstellungsraum im ersten Stock ward weihevoll mit weißem Vorhang gedämpft. Außerdem verfügt das Haus nunmehr über Luftbefeuchter – ein Umstand, der womöglich manchen potentiellen Leihgeber davon überzeugen könnte, daß sein Besitz in Dortmund gut aufgehoben ist.

Brandeilig, in nur drei Monaten, hat Langemeyers Team (Sonja-Anna Meseure, Dietmar Elger) seine erste eigene Ausstellung besorgt und lockt gleich mit einem großen Namen: 79 Arbeiten des „Brücke“-Künstlers Ernst Ludwig Kirchner, vorwiegend Aquarelle, Pastelle und Zeichnungen, werden ausgebreitet. Der Anteil des Eigenbesitzes beschränkt sich auf sechs Graphiken und drei Gemälde, die nun gleichsam von den Leihgaben „kommentiert“ werden. Letztere kommen u. a. aus Stuttgart, Hannover und Düsseldorf. Die Präsentation gliedert sich, von unvermeidlichen Überlappungen abgesehen, in vier Bereiche: Stadtlandschaften, natürliche Landschaften (Davos, Fehmarn), Tierdarstellungen und Menschenbilder (vor allem Frauenbilder und bäuerliche Figuren).

Man hat hier – in komprimierter Form – wesentliche Aspekte der Kirchnerschen Entwicklung vor sich. Der Umkreis des frühen Kirchner ist in einer Vorstudie zu seinem berühmten Bild „Die Maler der Dresdner Künstlergruppe Brücke“ präsent. Von Au1fbruchstimmung und Naturbezüglichkeit dieser Gruppe zeugen etwa Aktdarstellungen, die in freier Landschaft entstanden. Gerade anhand der Akte können Steilwandlungen nachvollzogen werden – von den fiebrigem, splittrig-aggressiven Bildern der Berliner Zeit (anonymisierender Bild-Titel: „Personen auf der Straße“) bis zu schwellend-ornamentalen Formen unter dem Einfluß Pablo Picassos. Auch die Beziehungen zu Frauen veränderten jeweils die persönliche und bildnerische Grundstimmung. Großartiges Beispiel dafür, wie Kirchner bereits durch subtile Schwarz-, Grau- und Weißabstufungen eine Tiefenstaffelung im Bildraum erzielt, ist die Arbeit „Nebel in den Bergen“ (1935/36).

21.12.86 bis 15.2. 1987. Täglich außer montags 10-18 Uhr; Heiligabend, 25.12. und Silvester geschlossen; am 26.12. und 1.1. von 10-18 Uhr geöffnet. Katalog 15 DM.




„Bestenliste der Übertreibungen“ – Karikaturen aus fünf Jahrhunderten in Dortmund

Von Bernd Berke

Dortmund. Ob sie Luther heißen, Napoleon oder Franz Josef Strauß – die Großkopfeten hatten und haben eines gemeinsam: als Zielscheibe für Karikaturisten zu dienen, als Gegenstand von „Kampf-Bildern“. Ein Querschnitt durch fünf Jahrhunderte verzerrender Darstellung ist ab heute (bis 12. März) im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte zu sehen.

Die Ausstellung von 260 Karikaturen und artverwandten Darstellungen, in enger Zusammenarbeit mit dem Wilhelm-Busch-Museum in Hannover und zwei weiteren Instituten entstanden, sollte nicht zur Illustration einer „ewigen Bestenliste“ geraten. Unter der Hand ist sie dann doch so etwas geworden, denn nahezu alle bedeutenden Karikaturisten sind hier mit Originalblättern vertreten – von Annibale Carracci, einem der „Erfinder“ der Porträtkarikatur im Italien der Renaissancezeit, über Berühmtheiten wie Goya, Daumier und Saul Steinberg, bis hin zu den gegenwärtigen Schrittmachern der Zunft, wie etwa F.K. Waechter und Gerhard Seyfried.

Museumschef Dr. Gerhard Langemeyer spricht von einer „argumentierenden Ausstellung“. Tatsächlich hat man die (gewiß nicht knapp bemessenen) Schauwerte einer systematischen Annäherung untergeordnet und das Thema schrittweise verfolgt: Demonstriert werden zunächst die verschiedenen Methoden zeichnerischer Übertreibung und Vereinfachung. Es folgen Porträtkarikaturen und sodann „komponierte Bildsatiren“, bei denen sich seit der Barockzeit allmählich ein Motivkanon herausgeschält hat. Beispiel: „Schandzüge“, bei denen mißliebige Personen dem erzürnten Volk vorgeführt werden, sind schon seit Jahrhunderten geläufig – ein Traditionsfundus, aus dem heute noch zitierend und verfremdend geschöpft werden kann.

Sogenannte „Gesellschafts-Satiren“ beschließen den Ausstellungsreigen. Im Brennpunkt ätzender Darstellung stehen hier zum einen Modetorheiten verschiedener Epochen. zum anderen das Erscheinungsbild von Frauen unter dem Motto „Die häßliche Schöne“. Interessant übrigens, daß die weibliche Hälfte der Menschheit zwar oft karikiert wurde, aber nur selten eine ihrer Vertreterinnen selbst zur Feder griff. Ein Manko, dem auch diese Ausstellung nichts entgegenzusetzen vermag.

Zum Prachtexemplar ist der Katalog (38 DM) geraten, der unter anderem Werner Hofmanns 1957 verfaßten Standardaufsatz über Karikaturen, der in Buchform lange vergriffen war, nur unwesentlich gekürzt wiedergibt. Des weiteren wird jedes Exponat einzeln erläutert, was sich besonders bei Zeichnungen älteren Datums als notwendig erweist.




Respektable „Zugabe“: Meister des 19. Jahrhunderts im neuen Dortmunder Museum

Von Bernd Berke

Dortmund. Dortmunds „Museum für Kunst und Kulturgeschichte“ kann schon zur volksfestlichen Eröffnung am Samstag (Beginn: 11 Uhr) mit einer respektablen „Zugabe“ aufwarten.

Im Zwischengeschoß des für 18 Mio. DM mit Um- und Anbau versehenen, ehemaligen Sparkassengebäudes an der Hansastraße (wir berichteten), sind bis 22. Januar Bilder französischer und niederländischer Maler aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu sehen. Die 22 Leihgaben für diese Sonderausstellung stammen aus dem Rijksmuseum Mesdag. Noch nie waren an einem Ort der Bundesrepublik so viele Werke aus der in Den Haag beherbergten Kollektion des Malers Hendrik W. Mesdag versammelt.

„…deutlicher als die Natur selbst“, lautet der Titel dieser Ausstellung. Er geht zurück auf einen bewundernden Ausspruch Vincent van Goghs, der sich wiederum auf mehrere der nun in Dortmund präsentierten Maler bezog.

Die Landschaftsbilder, Idyllen, Seestücke und Stilleben markieren Übergangsfelder zwischen realistischer und impressionistischer Darstellungsweise. Große Namen, vor allem bei den französischen Meistern: Camille Corot und Gustave Courbet beispielsweise. Maler und Sammler Mesdag spielte um 1870 eine wichtige Vermittlerrolle zwischen ihnen und den Niederländern Jozef Israels, Jacob Henricus Maris oder Anton Mauve („Haager Schule)“. Wie sie die Anregungen der Franzosen verarbeiten, läßt diese Ausstellung umrißhaft ahnen. Es ergeben sich auch Vergleichsmöglichkeiten zu Teilen der nun zu zwei Dritteln zugänglichen Eigenbestände, etwa zu Arbeiten von Max Liebermann oder Lovis Corinth.

Museumsdirektor Gerhard Langemeyer, der seinem Haus nicht nur mit dieser Schau „überregionale, ja internationale Bedeutung“ zu verschaffen hofft, will Wirbel in die nicht immer sehr an- und aufregende Dortmunder Ausstellungs-Szenerie bringen und verspricht bildhaft: „Wir machen Dampf!“ Coup zum Auftakt: Ein in Kürze erscheinender, erster Band eines Bestandskatalogs mit satten 675 Seiten, der dank knapper Verlagskalkulation im Museum nur wenig mehr als 40 DM kosten soll.