Jagd nach dem begehrtesten Auto der Welt – doch Martin Walkers Krimi „Grand Prix“ kommt dabei nur mühsam voran

Im Périgord lebt man heute wie Gott in Frankreich. Herrliche Trüffel, köstliche Weine, leckere Speisen. Außerdem kann man dort ausgedehnte Wanderungen unternehmen oder mit dem Boot auf klaren Flüssen paddeln. Wo einst bittere Armut und verheerende Landflucht herrschte, haben längst gut betuchte Aussteiger die verfallenen Landhäuser renoviert und die Touristen ihr Freizeitparadies gefunden.

Um die Gegend überregional noch attraktiver zu machen und den internationalen Geldadel herbei zu locken, hat Bruno, Polizei-Chef von Saint-Denis, eine Idee. Für Leute mit dem nötigen Kleingeld organisiert er eine Oldtimer-Rallye.

Doch der Lockruf nostalgischen Abenteuers wird nicht nur von kauzigen Kapitalisten erhört, die gern mit offenem Verdeck durch eine sommerliche Landschaft brausen. Auch dubiose Sammler strömen herbei, die auf der Jagd sind nach dem wertvollsten und begehrtesten Auto aller Zeiten: einen in den Wirren des 2. Weltkriegs verschollenen sportlich-schnittigen Bugatti aus einer Serie von nur vier je gebauten Exemplaren. Ausgerechnet im Périgord, so geht die Legende, verliert sich die Spur des Autos im Dunkeln der Geschichte. Spätestens jetzt ist klar: Wo das Jagdfieber ausbricht und Millionengewinne die Hirne vernebeln, sind Neid und Mord nicht weit.

Melange aus Gaumenfreuden und Gewalt

„Grand Prix“ ist bereits „der neunte Fall für Bruno, Chef de police“. Martin Walker, der schottische Journalist, der als Berater politischer Think-Tanks in Washington arbeitet und sich seine Auszeiten im beschaulich-schönen Périgord gönnt, hat als Krimi-Autor eine ebenso simple wie erfolgreiche Formel gefunden: Er mischt Gaumenfreuden mit Gier, Genuss mit Gewalt. Wo das Leben leicht und die Natur herrlich ist, wirken menschliche Sünden und hinterhältige Morde, geheimdienstliche Machenschaften und terroristische Attacken noch ein wenig perverser.

Weil das Böse überall ist und nie zur Ruhe kommt, darf Polizei-Chef Bruno selten das machen, was er am liebsten hat: mit seinem Pferd ausreiten, mit Freunden ausgiebig feiern und sich mit den ihm reihenweise zu Füßen liegenden Frauen zu Schäferstündchen verabreden.

Doch die bisher von Martin Walker ziemlich launig angerührte Melange aus purer Lebens- und nackter Mord-Lust gerät ihm diesmal allerdings etwas fade und allzu leicht vorhersehbar. Die Jagd nach dem verschollenen Oldtimer wirkt müde und inszeniert, die sich in Saint-Denis ein Stelldichein gebenden Geldwäscher und Erbschleicher durchschaut man auf den ersten Blick.

Die Geschichte kommt nur mühsam voran, die Spannung ist gleich Null. Auch dass Bruno seine alte Flamme Isabelle wieder trifft und sich – ganz nebenbei – um einen aus ärmlichen Verhältnissen kommenden Jungen kümmert, der von seinen Mitschülern gemobbt wird und in die Kriminalität abzudriften droht, hilft der Story nicht recht auf die Beine.

Bruno ist ein sympathischer Kerl, aber ihm fehlen einfach die intellektuelle Tiefe, die ironische Melancholie und künstlerische Ader seines venezianischen Kollegen Commissario Brunetti. Bruno ist nett, aber auch ein bisschen langweilig.

Martin Walker: „Grand Prix“. Der neunte Fall für Bruno, Chef de police. Kriminalroman. Aus dem Englischen von Michael Windgassen. Diogenes, 384 Seiten, 24 Euro.




Sehnsucht nach Tralala – Zwei neue Schlager-Bücher zur Einstimmung auf den „Grand Prix“ mit Guildo Horn

Von Bernd Berke

Am nächsten Samstag gilt’s. Dann muß der „Meister“ Guildo Horn beim „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ zeigen, ob er in der Champions League des Schlagers bestehen kann. Bevor wir uns aber mit Nußecken zur Fernseh-Party rüsten, ist Besinnung ratsam. Zwei neue Bücher sagen uns, was die Schlagerwelt im Innersten zusammenhält.

Eine ganze Phalanx von Autoren hat die an kultverdächtigen Abstrusitäten so reiche Geschichte des „Grand Prix“ nachgezeichnet – von 1956 bis 1997, also bis ins „Jahr eins vor Guildo“. Unfeine Täuschung: Obwohl der Trierer, der uns alle so schrecklich lieb hat, in den Texten überhaupt nicht vorkommt, prangt sein Konterfei auf dem Titel. Man muß das Eisenzeitig schmieden…

Inhaltlich aber ist s ein gelungener Band mit schrillen Bildern und hilfreichen Siegertabellen seit Anbeginn. Der sarkastische Titel „L’Allemagne deux points“ (Deutschland zwei Punkte) deutet die Richtung an. Das eigene Nest wird freudig beschmutzt.

Die Iren vorn, die Finnen hinten

Doch auch andere Länder entgehen der Ironie nicht; beispielsweise, wenn die Daseinsfrage erwogen wird, warum Irland zuletzt auf Sieg nahezu abonniert war, während die „Grand Prix“-verrückten Finnen noch nie einen vorderen Platz ergattern konnten; vielleicht, weil sich deren Titel nur stockend nachsingen lassen?

Das Phänomen des Euro-Schlagerwettbewerbs wird von allen Seiten beleuchtet. Die oft schrulligen Eigenheiten der am großen Tralala beteiligten Nationen kommen ebenso respektlos zur Sprache wie die Psychologie eines Ralph Siegel, des bisherigen Lordsiegelbewahrers deutscher Schlager-Seligkeit. Die Wandlungen des TV-Studio-Designs seit den 50er Jahren geben ebenso Auskunft über den Zeitgeist wie die Kleidung der Stars und Sternchen. Wie etwa France Gall, Katja Ebstein oder Mary Roos sich gaben – das sind Dokumente erster Güte!

Als Historiker wagen die Autoren auch eine Epocheneinteilung. Die ganz große Zeit des „Grand Prix“ seien die Jahre von 1968 bis 1981 gewesen, als Oma, Eltern und Enkel oft noch gemeinsam mitfieberten – und manche nach dem seichten Zeug ganz süchtig wurden.

Da macht es „Ring Ring“ oder „Boom Boom“

Das Waterloo des deutschen Schlägers gab s im Jahre 1974, als die Gruppe Abba just mit dem Titel „Waterloo“ gewann, während Cindy & Bert („Sommermelodie“) auf dem letzten Rang landeten. Nur Nicole konnte 1982 (mit „Ein bißchen Frieden“) die Scharte als Siegerin auswetzen. These: Gerade weil das Lied so provinziell und bieder gewesen sei, habe man es einer Deutschen gern „abgekauft“.

Ansonsten aber hieß es meist bedauernd (oder hämisch?): „Deutschland – zwei Punkte“. Ganz klar, denn mit ausgeklügelten internationalen Titeln wie „Pump, Pump“, „Lalala“,„Ding-a-Dong“, „Ring Ring“, „Boum badaboum“, „Boom Boom“ und „Boom-Bang-ABang“ konnte man nie konkurrieren. Goldrichtig also, daß sich Guildo Horn („PiepPiep Piep“) aufs europaweit gängige Stammeln einstellt.

Italien, die Südsee und das Soziale

Ein Mann mit dem Pseudonym André Port le roi zeichnet verantwortlich für das Buch „Schlager lügen nicht“. Auch hier grinst Guildo Horn auf dem Titel, der auf gerade mal zwei Seiten als Scharlatan abgebügelt wird. Sich gierig an den Trend, hängen und dann meckern, das haben wir gerne.

Der Autor vertieft den Grundkurs aus dem „Grand Prix“-Buch. In manchmal kurzschlüssiger Weise koppelt er die bekanntesten Trailer-Zeilen ah politische Phasen der letzten Jahrzehnte. Es gibt eben die typischen Schläger der Adenauer-, Brandt-,Schmidt- oder Kohl-Ära.

Belustigt verfolgt man das stete Hin und Her zwischen rockigen Akzenten (Peter Kraus, Drafi Deutscher) und Volkstümelei, zwischen vorsichtiger Emanzipation (Gitte, Rita Pavone) und Macho-Reaktion (Günter Gabriel). Auch wechselnde Moden der Italien-, Südsee- und Sozial-Schlager (Udo Jürgens) plätschern vorüber.

Übrigens werden die Perlen deutscher Sehnsuchts-Lyrik abgedruckt, Strophe für Strophe. Da hat man was fürs Leben.

„L’Allemagne deux points – Ein Kniefall dem Grand Prix“. Ullstein. Reihe „Fun Factory“. 160 Seiten. 22,90 DM / „Schläger lügen nicht“. Klartext-Verlag, Essen. 223 S., 19,80DM.