„Sammlung Berg“: Osthaus-Museum zeigt seine kostbare Erbschaft

Von Bernd Berke

Wenn die in Hagen ansässige Industrie- und Handelskammer (IHK) Südwestfalen ihre Jahreshauptversammlung zwischen lauter Kunstwerken abhält, muß das eine besondere Bewandtnis haben. So wie letzten Donnerstag im Hagener Osthaus-Museum.

Die Wirtschafts-Experten der Region, sonst vorrangig mit nüchternen Bilanzen befaßt, gerieten ins Schwärmen über ein bemerkenswertes Kunst-Erbe der Stadt: Die „Sammlung Berg“, mit kostbaren Bildern aus Impressionismus und Expressionismus, hebt, so freut sich auch Osthaus-Chef Dr. Michael Fehr, „das Niveau des Museums noch einmal spürbar an“. Arbeiten so berühmter Künstler wie u. a. Lyonel Feininger, Erich Heckel, Alexej Jawlensky, Ernst Ludwig Kirchner, Emild Nolde, Max Pechstein und Auguste Renoir rechtfertigen diesen Stolz.

Die neue Kollektion paßt so „angegossen“ zum bisherigen Sammlungsbestand, als hätte man sie gezielt auf dem Markt erworben, was wegen horrender Preise heutzutage praktisch unmöglich ist. Nur genaue Kenner des Museums an der Hochstraße werden denn auch auf Anhieb alle neuen Bilder herausfinden können. Kleiner „Geheimtip“: Jene, die (noch) von Goldrahmen eingefaßt sind, gehören zur „Sammlung Berg“.

Bilder fügen sich bestens zum bisherigen Eigenbesitz

Die Hagener Erbschaft stammt von Fritz Berg (1901-1979), einem mittelständischen Industriellen (Drahtverarbeitung) aus Altena. Berg war von 1946 bis 1971 Präsident der IHK Südwestfalen und langjähriger Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Seine im Dezember 1988 verstorbene Witwe Hildegard Berg vermachte die Kunstsammlung, zu der auch Ostasiatika wie chinesiches Porzellan und historische Möbel gehören, völlig überraschend dem Osthaus-Museum. Ursprünglich hatte sich ein anderes Kunstinstitut Chancen ausgerechnet. Bedingung: Hagen muß 21 Gemälde in der ständigen Ausstellung präsentieren und darf sie nicht weiterverkaufen. Da sich die „Sammlung Berg“ so glückhaft in den angestammten Osthaus-Besitz einfügt, fällt beides leicht.

Mit der Übergabe des Nachlasses verheilt zum Teil eine alte Hagener „Wunde“. 1922, nach dem Tod von Karl Ernst Osthaus, wanderte dessen Kunstsammlung nach Essen, wo sie das Folkwang-Museum bis heute zur „feinen Adresse“ macht. Beispiel Lyond Feininger: Bisher besaß das Osthaus-Museum zwei seiner Arbeiten, ein Aquarell und das Ölbild „Gaberndorf I“ (1921), eine für diesen Künstler typische Überlagerung prismatischer Architektur-Formen.

Sinnvolle Ergänzungen bei Feininger und Heckel

Jetzt kann man mit „Am Quai“ (1908) auch die frühe Phase dokumentieren, in der sich Feininger gerade erst als freischaffender Künstler zu etablieren begann. Bis dahin hatte er vor allem als humoristischer Zeichner und Karikaturist gearbeitet. Das Hafengemälde zeigt nun den Übergang zum Tafelbild: Die Figuren sind karikaturhaft überzeichnet, und gleichzeitig deutet die Ausführung auf Feiningers späteren Stil voraus – besonders der Umstand, daß praktisch jedes Ding und jede Figur unter einer eigenen Perspektive dargestellt wird. Bei genauerem Hinsehen merkt man sogar, daß auf verschiedenen Bildteilen der Wind aus verschiedenen Richtungen weht. Der Hafen als Ort einer verwirrenden Gleichzeitigkeit, von vielerlei Abschied, Ankunft, Sehnsucht und Einsamkeit. Auch für eine spätere Feininger-Phase gibt es jetzt einen Beleg in Osthaus-Besitz: „Frau mit rotem Haar“ (1927) markiert den Übergang zu einer neuen Beschäftigung mit dem menschlichen Bildnis.

Genau so sinnvoll ist die Ergänzung bei Erich Heckel. Vom Maler der expressionistisehen Künstlergruppe „Brücke“ konnte man bisher „Frühling in Flandern“ (1915/16) zeigen – verzweifelter Seelenzustand in Form einer Landschaft, Bild der „verbrannten Erde“. Nun ist, als Kontrast, „Gehölz am Meer“ hinzugekommen, ein Vorkriegsidyll von 1913. Dieses Bild hat einen gar nicht idyllischen Irrweg hinter sich. Anfangs hing es in der Kunsthalle Bremen. Dann, von den Nazis als „entartet“ gebrandmarkt und vermutlich 1937 in Zürich für Devisen versteigert, befand es sich in den USA, bevor es in den 50er Jahren in einer Münchner Galerie auftauchte und von Fritz Berg erworben wurde.

Ein besonderes Stück ist auch Auguste Renoirs „Blick von Haute-Cagnes aufs Meer“ (nach 1903); es gibt nur ganz wenige „Renoirs“ in unserer Region, bislang mußte man mindestens nach Essen fahren, um einen zu sehen. Den materiellen Wert kann man nur schätzen, vergleichbare Bilder dieses Malers haben jedenfalls auf Versteigerungen – vorsichtig formuliert – höchst namhafte Preise erzielt.

Dies und die anderen Bilder der „Sammlung Berg“ bedeuten auch ein gehöriges „Pfund“, mit dem das Osthaus-Museum künftig bei seinen Wechselausstellungen „wuchern“ kann. Denn die Ausleihpraxis zwischen Museen funktioniert nun einmal nach dem Motto: Nur wer attraktive Leihstücke anbieten kann, bekommt auch welche.

Die „Sammlung Berg“ ist ab Sonntag im Zusammenhang mit bisherigen Beständen als Dauerausstellung zu sehen (Katalog 12 DM). Öffnungszeiten des Osthaus-Museums, Hagen, Hochstraße 73 (Tel.: 02331/207 576): So 11-16 Uhr, Di/Mi/Fr/Sa 11-18 Uhr. Do 11-22 Uhr, montags geschlossen.

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(erschienen in der Wochenend-Beilage der Westfälischen Rundschau)




Was Künstler aus Würfeln machen können – Hagener Ausstellung mit spielerischen Akzenten

Von Bernd Berke

Hagen. Der eine Würfel kann aufgeklappt werden, bis sich nur noch eine hölzerne Linie über den Fußboden erstreckt, ein zweiter blockiert bedrohlich einen Treppenaufgang, ein dritter hat fensterartige Öffnungen und wird so zum Würfelhaus, im vierten leuchtet ein Gedicht-Text als geisterhaftes Hologramm.

Der Würfel ist, das erfährt man jetzt in einer sehenswerten Ausstellung des Hagener Osthaus-Museums, kein simples und einförmiges Ding. Rund 60 Arbeiten von 37 Künstlern (darunter so hoch gehandelte wie Sol Lewitt und Tony Smith) belegen die Wandelbarkeit des scheinbar profanen Urthemas.

Für die Schau „Aus dem Würfelmuseum“ wurden ausschließlich Künstler geholt, die sich ausführlich mit Kubus-Themen befaßt haben. Daß sie über diese Formen lange nachgedacht haben, merkt man vielen Arbeiten auf den ersten Blick an, so etwa Diethelm Kochs besagtem Klappwürfel oder seinen aus Recht- und Dreiecken gebildeten, fast mathematisch ausgetüftelten Würfelfaltungen. Derlei Konstruktionen wiederum ironisiert Alfonso Hüppi mit seinen „Ent-Würfelungen“. Dekonstruktion also, eine Art „Abbau“, betreibt auch Ewerdt Hilgemann, der einem hohlen Stahlwürfel die Luft entzog, worauf das gute Stuck zum Knautschgebïlde schrumpfte. David Nashs „Crashing Boxes“ geraten gleichfalls aus der angestammten Form. Nash baute sie aus verschiedenen HolzSorten (Eiche, Esche), die auch unterschiedlich trocknen, so daß sich die Linien verziehen.

Überhaupt ist das spielerisch-ironische Moment in der Ausstellung stets gegenwärtig. Der Holländer Herman de Vries, vielleicht ein Anhänger des Würfelspiels, macht sich den puren Zufall zunutze und kippt einige Dutzend Würfel aus einer Kiste in die Museumsecke. Wie’s dann liegt, ist’s halt recht. Oft spielt auch nicht nur das faßbare Material eine Rolle, sondern auch Schattenlinien, so bei Hans Florey, der aus lauter kleinen Farbwürfeln eine wiederum würfelförmige Netzstruktur bildet, die einem biochemischen Anschauungsmodell gleicht. Hier und bei anderen Werken macht geschickte Beleuchtung den Verlauf von Schattenlinien zu Bestandteilen der Kunstwerke.

Ein durch und durch systematischer Beitrag stammt von Dieter Hacker, der zeichnerisehe „Reihenuntersuchungen“ an Würfelformen vorgenommen hat. Ausgerechnet dieser Künstler hat sich übrigens inzwischen am weitesten vom kühlen Konstruktivismus entfernt, er ist zur expressiven Kunst „abgewandert“.

Ähnlich wie in Lüdenscheid, wo Bürger dem Museum Knopfkunst liefern können, kann man sich auch an der Hagener Würfel-Schau beteiligen. Wer möglichst pfiffige, würfelförmige Gegenstände hat – vom Suppenwürfel bis zum abstrakten Objekt – kann sie dem Museum für die Dauer der Ausstellung überlassen. Auch einschlägige Ideen sind hochwillkommen, denn zur Ausstellung erscheint zwar kein Katalog, wohl aber nachher ein Buch, das sich dem Würfelthema eingehend widmet. Osthaus-Chef Dr. Michael Fehr: „Mit der Ausstellung hört das Thema nicht auf, es beginnt erst.“

Osthaus-Museum, Hagen, Hochstraße 73. Bis 27. März (Di.-Sa. 11-18 Uhr, Do. bis 22 Uhr, So.11-16Uhr), Führungen donnerstags ab 18.30 Uhr. Katalogbuch (25 DM) erscheint erst nach der Ausstellung.




Hagen: Design und Anti-Design – Leistungsschau des Nachwuchses

Von Bernd Berke

Hagen. Um Ausstellungs-Ideen ist Michael Fehr, Leiter des Hagener Osthaus-Museums, nie verlegen. Kürzlich holte er die Jux-„Sammlung von der Lippe“ ins Haus (WR berichtete). Jetzt macht Fehr wieder Ernst: Das Museum an der Hagener Hochstraße soll zu einem Mekka für junge Designer werden. Erstmals können hier alle neun Design(hoch) schulen von NRW ihre besten Abschlußarbeiten vorzeigen (bis 4. Dezember).

Künftig soll diese Leistungsschau des Designnachwuchses zur Regel und schon ab 1989 von Hagen aus möglichst bundesweit organisiert werden. Dafür würde man Geld vom Land brauchen. Willkommene Ansprechpartnerin: NRW-Wissenschaftsministerin Anke Brunn, die sich für gestern abend zur Eröffnung angesagt hatte.

Was gibt’s zu sehen? Rund 50 Arbeiten von jungen Designern, ausgewählt von den Dekanen der jeweiligen Schulen; deren unterschiedliche Ausbildungsschwerpunkte schlagen sich auch in dieser Design-Schau nieder. Der Querschnitt reicht vom (nur schwach vertretenen) Industrie-Design über Graphik-, Foto- und Textil-Design bis hin zu Formexperimenten im Grenzbereich zwischen angewandter und freier Kunst.

Gesamteindruck: Nicht nur Produktveredelung ist angesagt, sondern vielfach eine in die Arbeiten einfließende Nachdenklichkeit über das eigene Tun. Das führt mitunter zu einer Art „Anti-Design“: Wenn etwa Hermine Oberück von der Fachhochschule Bielefeld Fotos von Geistesschwachen aus einer Landesklinik (Titel: „Die Unvernünftigen“) behutsam arrangiert, hat das nichts mehr mit dem Gefällig-Machen der Welt zu tun. Krasses Gegenbeispiel – und dem Spruch „Design ist Schein“ viel näher – sind etwa Verpackungs- und Werbeentwürfe für eine fiktive Parfümserie oder auch die aerodynamische „Skibrille der Zukunft“.

Bemerkenswert: Mehrere Designer befassen sich mit Gestaltungen im kirchlichen Bereich: Entwürfe für Prozessionsfahnen, Stylibg für Texte aus dem Evangelium und ein mobiler Klapp-Altar gehören dazu. Auffällig auch ein Hang zur freien Kunst. Zu nennen wären da die Dortmunderin Sybille Hassinger (Fachhochschule Dortmund) mit bemalten Wandobjekten oder die Bochumerin Angelika Pietsch (auch FH Dortmund) mit Holz-Installationen, die sich meilenweit vom gängigen Design-Begriff entfernen. Angelika Pietsch gehört zu den drei von einer Fachjury gekürten Preisträger(inne)n der Schau. Je 3000 DM stiftete dafür die IHK Südwestfalen.




Die Erregung beim Malen – Hagener Künstler Emil Schumacher wird 75

Von Bernd Berke

Der Hagener Maler Emil Schumacher, eine der bahnbrechenden Gestalten der deutschen Nachkriegskunst, wird heute 75 Jahre alt. Aus diesem Anlaß verleiht ihm seine Geburtsstadt die Ehrenbürgerschaft, und im Osthaus-Museum wird eine Schumacher-Ausstellung eröffnet.

Schumacher genießt weltweiten Ruf; er bekam zahllose internationale Auszeichnungen; er war auf den größten Ausstellungen (documenta, Biennale in Venedig) vertreten. Doch stets „war und ist für seine Malerei die südwestfälische Herkunft bestimmend“, befindet Kindlers Malerei-Lexikon. Die Kunstzeitschrift „Art“ zitiert sein Bekenntnis zu Hagen: „Die Leute hier sind mir vertraut. Die Arbeitergegend inspiriert mich. Der gute Geist, der von diesem Flecken ausgeht, gibt mir Bilder, die ich nur hier malen kann.“ In der Tat: Die Landschaft Südwestfalens regte nicht nur die Gestaltung schrundig-erdhafter Bilder an, sie lieferte manchmal auch gleich das zugehörige Material.

Am 29. August 1912 wurde Emil Schumacher im Haus Bleichstraße 11 in Hagen (dort wohnt er noch heute) als Sohn eines Schlossers geboren. Von 1932 bis 1935 studierte er an der Dortmunder Kunstgewerbeschule, strebte dann eine Existenz als freier Maler an.

Bedeutsam war die Begeglung mit dem Altmeister Christian Rohlfs im Jahr 1937. Rohlfs (1938 in Hagen gestorben) gehörte zu den vom NS-Regime verfemten Künstlern (1934 verhinderten die Nazis in Witten auch eine Schumacher-Ausstellung). Rohlfs‘ expressive Malweise gab Schumacher Impulse.

Vom Fronteinsatz zurückgestellt, wurde Schumacher von 1939 bis 1945 als technischer Zeichner in die Hagener Akkumulatorenfabrik verpflichtet. Erst nach dem Krieg konnte er wieder als freischaffender Künstler arbeiten. Alsbald gehörte er zu den Malern, die den Anschluß an die so lang und gewaltsam unterdrückte Moderne wiederherstellten.

Zunächst experimentierte Schumacher mit kubischen .Formen, die die Farborgien noch „bändigten“. Doch nach einem Besuch in Paris (1951) wagte er das Abenteuer der Abstraktion. Die Farbe sprengt nun die Form. Die spontane Aktion an der Leinwand wird bestimmend. Schumacher trägt die Farbe oft mit bloßen Händen auf. Bekannt wurden seine reliefartigen „Tastobjekte“ sowie die „Hammerbilder“, bei denen Schumacher die Malfläche durch aggressive Hammerschläge bearbeitete und die entstandenen Furchen erneut ausmalte – Zerstörung und neues Werden. Dabei kommt die pure „Körperlichkeit“ der Farbe zum Vorschein, und es entfaltet sich ihre psychologische Macht. Man mag Schumachers Bilder dem „Tachismus“ oder dem „Informel“ zuordnen. Ihre Qualität erfaßt man mit solchen Schubladen-Begriffen nicht.

Seine immens lebendigen Bilder tragen deutliche Spuren heftiger Malgesten, sie sind ersichtlich aus starker Motorik, aus kraftvoll ausgetragenem Kampf hervorgegangen. Zwar spielt dabei auch Zufall eine Rolle, doch gerade deshalb ist eine souveräne Beherrschung von Form und Farbe wichtig. Schumacher: „Handwerk, Technik und Erregung sind eins.“

Die Erregung beim Malen hat Schumacher auch in seinem jetzigen Alter nicht verlassen. Im Gegenteil, seine Arbeiten wirken vitaler denn je. Schumachers häufig zitierter Satz „Ich nehme eine Farbe, wie ich in einen Apfel beiße oder einem Freund die Hand gebe“, läßt ahnen, wie lebenswichtig ihm die Kunst ist.




Wunderbare Rettung der verletzten Bilder – Neuere Arbeiten des Hagener Altmeisters Emil Schumacher in Mülheim

Von Bernd Berke

Mülheim. Auf der Bildfläche herrscht, so scheint es, das schiere Chaos. Alle einzelnen Formen sind verletzt, zerstört. Da ist keine Linie, die einen „schönen“ oder auch nur regelmäßigen Verlauf nach herkömmlichem Verständnis niinmt. Sogar die Signatur des Künstlers wirkt oftmals, als sei sie vor lauter Verzweiflung zerflattert oder zerrissen. Trotzdem, und dies kommt einer unverhofften „Rettung“ der Bilder gleich, wird eine „höhere“, wenn auch sehr brüchige Ordnung sichtbar.

Die Rede ist von neuesten Arbeiten eines Altmeisters Emil Schumacher, Jahrgang 1912, in Hagen lebend, schöpferisch wie eh und je. Jetzt zeigt das Städtische Museum Mülheim („Alte Post“ am Viktoriaplatz, bis 12. Oktober, di-so 11-17 Uhr, Katalog 15 DM) eine Auswahl seiner Gouachen und Ölbilder. Ab 23. Januar 1987 wird diese Ausstellung in der Städtischen Galerie Lüdenscheid zu sehen sein.

Bilder beginne er, als ob er gegen eine imaginäre Mauer angehe, hat Schumacher einmal geäußert. Tatsächlich zeigen all seine Werke Spuren eines inneren Kampfes, man spürt Widerstände und deren Überwindung. Nie aber sind die Arbeiten bloßer Ausdruck eines seelischen Ereignisses, sie bleiben – aller Emotion zum Trotz – „komponierte“ Bilder. Die vorherrschenden Töne: erdhaftes Braun, blaue Schattierungen. Tendenzen zur Monochromie (Einfarbigkeit) stehen hier aber nicht für Experimente mit der Modulation dieser Farben, sondern für äußerste Konzentration. Die Farben werden gleichsam zur Materie, erscheinen mitunter als Erhebungen und Verwerfungen auf dem Bildgrund. Dagegen setzt Schumacher scheinbar ungefüge lineare Strukturen, die dem Ganzen dennoch auf wunderbare Weise „Halt“ geben. Und dies ist eben das Erstaunliche: daß diese Bilder „verhalten“ wirken, obgleich ihnen große Zerstörungskräfte innewohnen.

Vor Schumachers (oft titellosen) Bildern kann man, so man mag, den Assoziationen freien Lauf lassen. Man glaubt vielleicht, Menschenumrisse zu erkennen, Ruinen, Tiere oder Landschaften. Diese Kunst ist offen für vielerlei Vorstellungen. Für eine Deutung freilich eignen sich derlei Einfälle kaum. Diese Bilder wollen als Bilder angeschaut werden, nicht als Abbilder.

Gerade die Gouachen (Malerei mit deckenden Wasserfarben) zeigen den Entstehungsprozeß beinahe brutal unverhüllt. Bei dieser Technik läßt sich (im Gegensatz zu Ölbildern) kaum etwas zurücknehmen oder zurückhalten.

Schumacher, einer der wichtigsten Vertreter des sogenannten „Informel“, war nie in Mode, drängte sich niemandem auf, hing keiner Richtung sklavisch an. Dennoch gab es, unabhängig von den wechselnden Konjunkturen, seit denKrieg immer wieder wichtige Ausstellungen seiner Werke, so daß er auch nie in Vergessenheit geriet – ein Umstand, der auch für die Ausstellungsmacher spricht.




Sechs NRW-Museen zeigen „Westdeutschen Impuls“ – Kunst und Design im Rhein- und Ruhrgebiet nach 1900

Von Bernd Berke

Im Westen. Vom „Museum der gescheiterten Hoffnungen“ war die Rede, und Johann Heinrich Müller, Direktor des Hagener Osthaus-Museums, sah bestätigt, daß „Kunst seit jeher in politischen Sackgassen endet.“ Eine Pressekonferenz mit Molltönen: Dabei lautet der Titel des gestern in Essen vorgestellten Ausstellungsprojekts von sechs NRW-Museen selbstbewußt: „Der westdeutsche Impuls.“

Die insgesamt 1,1 Mio. DM teure Gemeinschaftsaktion von Museen in Hagen, Wuppertal, Essen, Düsseldorf, Krefeld und Köln soll künstlerische Anregungen und deren Umsetzungen in Architektur, Industrie und Handwerk darstellen, die zwischen 1900 und 1914 im Land an Rhein und Ruhr besonders ausgesprägt waren. Nur wenige Relikte haben „überlebt“, von der Aufbruchstimmung ganz zu schweigen. Darauf bezogen sich die eingangs zitierten Aussagen.

Der Anstoß kam vom Essener Folkwang-Museum, das heute große Teile der Sammlungen von Karl Ernst Osthaus beherbergt. So rankte sich das ursprüngliche Konzept auch um den Hagener Bankierssohn Osthaus, der um 1900 (umgerechnet) 60 Mio. DM erbte und vor allem in die Kunst „steckte“. Leitidee: dem Leben im industriellen Raum durch Verschönerung der Alltagsgegenstände Weihe zu verleihen. Von Osthaus und „seinem Architekten Henri van de Velde gingen „Impulse“ zu einem „Gesamtkunstwerk“ aus, das sich sogar auf eine umfassende Regionalplanung für das Revier erstrecken sollte – eine Keimzelle für den 1920 gegründeten Ruhrsiedlungsverband und für Ideen, die später vom „Bauhaus“ weitergeführt wurden.

Das Essener Konzept erweiterte sich. Das Ergebnis ist kaum überschaubar. „Von der Teekanne bis zur Schwebebahn; von Picasso bis zur Keksdose“ – so könnte man pointieren. Die einzelnen Schwerpunkte:

  • Hagen (Osthaus-Museum und „Hohenhof): Dokumente zur Sammlertätigkeit von Karl Ernst Osthaus, der Hagen nach 1900 zu einem Stützpunkt der Avantgarde machte; Mobiliar, das sich Osthaus im Jugendstil entwerfen ließ.
  • Wuppertal (Von der Heydt-Museum): Dokumente zur Schwebebahn, dem zukunftsweisenden Verkehrsmittel jener Zeit; Ideen zu einer funktionellen „Architektur ohne Ornament“ und Beispiele für die damals in Elberfeld und Barmen geleistete Vermittlung vorausweisender Kunst (z. B. 1911 weltweit der erste Picasso-Ankauf für ein Museum).
  • Essen (Museum Folkwang): Dokumente zur Siedlung Margarethenhöhe, Paradebeispiel für „Gartenstadt“-Konzepte; Industriedesign, das seinerzeit deutschen Waren auf die Weltmärkte verhelfen sollte, wodurch Bestrebungen, dem Alltag etwas „Kunstschönes“ zu verleihen, oft mit imperialistischen Unterströmungen in Berührung kamen.
  • Düsseldorf (Kunstmuseum): Peter Behrens und seine Entwicklung vom Jugendstilkünstler zum Industrie-Designer; „Sonderbund“ -Ausstellungen 1909-1911.
  • Köln (Kunstverein): Dokumentation zum „Werkbund“ (Gründung von Künstlern und Industriellen).
  • Krefeld (Kaiser Wilhelm-Museum): Erstmals eine geschlossene Präsentation der 1923 aus Hagen erworbenen Teile der Osthaus-Sammlung.
  • Sämtliche Ausstellungen beginnen an diesem Wochenende und dauern – je nach Lokalität – bis Mitte oder Ende Mai bzw. Mitte Juni. Der Katalog (6 Bände) kostet komplett 125 DM, einzeln je 25 DM.



Auch Dortmunder Theater erwägt verbilligte Karten für Arbeitslose – Umfrage nach Krefelder Initiative

Von Bernd Berke

Im Westen. Sehr unterschiedliche Reaktionen hat die Nachricht ausgelöst, daß das Krefelder Theater als angeblich erste deutsche Bühne Karten für Arbeitslose um die Hälfte billiger abgeben will.

Während es beim Wuppertaler Theater auf WR-Anfrage hieß, dies könne beispielgebend sein, meinte Bochums BühnenVerwaltungsdirektor Dr. Rolf Paulin: „Verbilligte Theaterkarten für Arbeitslose sind ein uralter Hut. Die gibt’s in Bochum schon seit langem“.

Während in Bochum der Eintrittspreis für Erwerbslose um 50 Prozent reduziert ist, gibt es beim Westfälischen Landestheater (WLT) in Castrop-Rauxel 40 Prozent Ermäßigung. WLT-Rendent Günter Dammeier: „Was die Krefelder jetzt machen wollen, praktizieren wir schon seit Jahren“. Das Angebot werde freilich nicht sehr intensiv genutzt. Eine möglich Erklärung dafür hat Bochums Verwaltungsdirektor Paulin parat: „Kaum ein Arbeitsloser nimmt die Vergünstigung in Anspruch. Die meisten wollen sich lieber nicht zu erkennen geben auch nicht an der Theaterkasse“. Deshalb hätten Bochums Kassierer auch strikte Anweisung, sich nur kurz die übliche Arbeitslosen-Bescheinigung zeigen zu lassen. In Münster wird’s schon komplizierter: Dort müssen Arbeitslose vor verbilligtem Kunstgenuß ein Extra-Papier vorlegen.

In Dortmund gibt es noch keine entsprechenden Ermäßigungen. Wie der stellvertretende Theater-Verwaltungsdirektor Friedrich Gidde der WR sagte, wird eine solche Regelung jedoch seit einigen Wochen ernsthaft erwogen. Gidde: „Das Thema wird den Rat mit Sicherheit in Kürze beschäftigen“. Wenn es eine neue Preisgestaltung geben sollte , so werde sie frühestens zum Beginn der nächsten Saison wirksam. Auch in Dortmund hätten die Betroffenen sich bislang nicht geregt. Friedrich Gidde: „Kein einziger Arbeitsloser hat sich bei uns nach eventuellen Preissenkungen erkundigt.“

Überhaupt keine Chancen gibt man einer Kartenermäßigung in Hagen. Wie aus der Theaterverwaltung zu erfahren war, glaubt man dort, angesichts der Sparzwänge keine Mindereinnahmen verkraften zu können. Wuppertals Verwaltungsdirektor Erich Neumann hingegen hat sich das Krefelder Beispiel zu Herzen genommen. Er will „seinem“ Kulturdezernenten demnächst entsprechende Überlegungen vortragen.

Übrigens: Die Agenturmeldung aus Krefeld hatte einen weiteren Haken. Nicht nur, daß Krefeld gar nicht als erstes Theater preiswerte Arbeitslosenkarten anbietet. Auch den Stadtrat hat der Vorschlag des Generalintendanten noch nicht passiert, sondern erst den Kulturausschuß. Da es dort ein einstimmiges Votum gab, rechnet man allerdings fest mit der Zustimmung des Rates.