TV-Nostalgie (26): Immer hübsch harmlos bleiben – Als Hans Rosenthal „Dalli Dalli“ rief

Alles Gute, alles Liebe – Ihr Hans Rosenthal“. Wer sich nach der Show so von seinem Publikum veabschiedet und dazu noch einen tiefen Diener macht, der will einfach nur nett sein und nirgendwo anecken. Rosenthal war mit „Dalli Dalli“ beim harmonieträchtigen ZDF genau richtig.

Die Spielshow lief von 1971 bis 1986 allmonatlich und brachte es auf 153 Folgen. Wahrhaftig ein „Dauerbrenner“.

Nichts für junge Leute

Ganz ehrlich: Als wir damals jung waren, haben wir die Sendung noch nicht mal ignoriert. Solche Unterhaltung war uns völlig egal, so überaus bieder, brav und saubermännisch kam sie daher. Unausgesprochenes Motto: Allen wohl und keinem weh.

Der nette Herr Rosenthal vor der Waben-Deko im Stil der 70er Jahre (Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=y8sKHHGRXqw)

Der nette Herr Rosenthal vor der Waben-Deko im Stil der 70er Jahre (Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=y8sKHHGRXqw)

Heute urteilt man milder und sieht in den alten Sendungen lauter Zeichen der Zeit – von den durchweg harmlosen Fragethemen (z. B. Briefmarkensammeln) über die Haarmode bis zu den Umgangsformen. Die wabenförmige Bühnendekoration verströmte ebenfalls den Geist der 70er Jahre. Und Rosenthals Geplauder mit den Gästen („Ja, wenn Männer mal die Hausfrauenarbeit machen…“) klang oft ziemlich konservativ.

Neckische Spielchen

Ich habe mir jetzt die Ausgabe vom 21. November 1974 noch einmal in voller 90-Minuten-Länge angesehen. Früher hat man allenfalls mal kurz den Kopf ins Wohnzimmer gesteckt, wenn Eltern oder Großeltern „Dalli Dalli“ guckten…

Acht mehr oder weniger Prominente traten jeweils paarweise gegeneinander an. In der genannten Ausgabe waren u. a. Heidelinde Weis, James Krüss, Irene Koss und Reinhard Mey dabei. Die neckischen Frage- und Aktionsspielchen (z. B. „Woran denken Sie beim Wort ‚Umzug’?“) mussten in 15-Sekunden- oder höchstens Minutenschnelle absolviert werden.

Mal hektisch, mal geduldig

Bei „Dalli Dalli“ lief also immer die Uhr mit. Gar mancher hat sich unter diesem Zeitdruck verhaspelt. Doch Rosenthal hat sich – anders als andere Showmacher – nie über Mitspieler mokiert. Bei ihm konnte sich jeder gut aus der Affäre ziehen. Blamagen ließ er nicht zu. Eigentlich ein feiner Zug.

Ging’s bei den Spielen oft hektisch her, so nahm man sich hingegen enorm viel Zeit für Gesangseinlagen, Kleinkunst oder schauspielerische Darbietungen. Da wurden (damit alle Kandidaten gleiche Chancen hatten) auch schon mal langwierige Operetten-Auszüge gleich zweimal hintereinander abgespult, und zwar live. Derlei Geduld wird heute keinem TV-Konsumenten mehr abverlangt. Damals saß das (weit überwiegend ältere) Publikum adrett gekleidet in einem Theatersaal und war rundum dankbar für die Ablenkung vom Alltag; ähnlich wie Millionen Zuschauer „draußen im Lande“.

Berühmter Luftsprung

Hans Rosenthal war sichtlich bemüht, alles locker und entspannt wirken zu lassen, doch man konnte merken, wie penibel der Ablauf vorbereitet war. Da der Showmaster wohl einsah, beileibe kein Komiker zu sein, delegierte er die Scherze an das Jurymitglied Ekkehard Fritsch, der den Witzbold vom Dienst zu geben hatte. Ansonsten galt die Devise: bloß keine Politik, bloß keine Schleichwerbung. Und immer hübsch harmlos bleiben.

Seinen später so berühmten Luftsprung („Das war Spitze!“) vollführte Hans Rosenthal übrigens erst in den Sendungen ab September 1976. Ab 1981 wurde dieser Sprung dann kurz optisch „eingefroren“ – seinerzeit eine technische Meisterleistung.

_________________________________________________________________

Vorherige Beiträge zur Reihe:
“Tatort” mit “Schimanski” (1), “Monaco Franze” (2), “Einer wird gewinnen” (3), “Raumpatrouille” (4), “Liebling Kreuzberg” (5), “Der Kommissar” (6), “Beat Club” (7), “Mit Schirm, Charme und Melone” (8), “Bonanza” (9), “Fury” (10), Loriot (11), “Kir Royal” (12), “Stahlnetz” (13), “Kojak” (14), “Was bin ich?” (15), Dieter Hildebrandt (16), “Wünsch Dir was” (17), Ernst Huberty (18), Werner Höfers “Frühschoppen” (19), Peter Frankenfeld (20), “Columbo” (21), “Ein Herz und eine Seele” (22), Dieter Kürten in “Das aktuelle Sportstudio” (23), “Der große Bellheim” (24), „Am laufenden Band“ mit Rudi Carrell (25)

“Man braucht zum Neuen, das überall an einem zerrt, viele alte Gegengewichte.” (Elias Canetti)




„Das ist Spitze!“: Wie Kai Pflaume die Rosenthal-Show „Dalli Dalli“ neu beleben will

Hurra! Wir haben mal wieder einen Showmaster, der kräftig überziehen darf: Kai Pflaume machte „Das ist Spitze!“ (ARD) nicht nur bis 21.45 Uhr, sondern fast eine halbe Stunde länger als geplant. Aber das gehört wohl dazu, wenn man unbedingt eine Legende wiederbeleben will.

Wir reden natürlich von Hans Rosenthals „Dalli Dalli“ (1971 bis 1986). Da soll Pflaume anknüpfen. Um diesen (doch etwas überzogenen) Anspruch zu unterstreichen, hatte man zur Premiere im „Ersten“ Rosenthals Witwe Traudl, seinen Sohn, seine Tochter und sogar seine jüngste Enkelin Debora eingeladen, die nun gemeinsam mit Jan Hofer in der Spiel-Jury sitzt.

Kai Pflaume vor Rosenthal-Dekoration (Bild: © NDR/Thorsten Jander)

Kai Pflaume vor Rosenthal-Dekoration (Bild: © NDR/Thorsten Jander)

Jede Menge Vorschusslorbeeren

Die Rosenthals verteilten schon zu Beginn der Sendung jede Menge Vorschusslorbeeren und versicherten pflichtschuldigst, Kai Pflaume sei genau der richtige Mann, um diese Show zu leiten.

Und wie war’s nun wirklich?

Nun ja. Man versuchte, hie und da den speziellen Charme der 1970er Jahre neu aufleben zu lassen. Doch das klappt natürlich nur sehr bedingt. Zumindest die vier Prominenten-Duos (darunter Kati Witt, Henry Maske, Florian Silbereisen, Matthias Opdenhövel, Jutta Speidel), die da beim Schnellraten und neckischen Wettspielchen gegeneinander antraten, hatten ersichtlich ihren Spaß. Auch das Saalpublikum fühlte sich wohl recht gut unterhalten. Immerhin. Man ist ja schon froh, wenn einem in solchen Sendungen gröbere Peinlichkeiten erspart bleiben.

Hektik als Prinzip

In dieser Show (die es beim NDR seit 2011 gibt) regiert – wie eh und je – die Hektik als Prinzip. Hauptsache schnell sein, alles andere ist Nebensache. Diese Vorgabe sorgt für einige Turbulenzen und manchmal gar für sanften Irrsinn. Es ist wie bei einem bunten Kindergeburtstag – eben zuweilen etwas infantil und albern, aber doch manchmal ziemlich lustig.

Kai Pflaume ist ein hinreichend lockerer Spielleiter, der im Zweifelsfalle aber auch mal zur Ordnung rufen kann. Ob er tatsächlich den legendären Status eines Hans Rosenthal erreichen kann, ist hingegen eine ganz andere Frage.

Die alten Einfälle nachahmen

Da reicht es eben nicht, den optisch „eingefrorenen“ Freudensprung („Das war Spitze!“) nachzuahmen, der damals in den 70ern eine TV-technische Meisterleistung war und heute eine leichtere Übung ist. Auch genügt es nicht, so manche Spielidee variierend nachzuempfinden. Mal ganz nebenbei gefragt: Gibt’s beim Fernsehen eigentlich keine neuen Einfälle mehr, so dass man immer wieder die alten hervorholen muss?

In der Eile passiert der eine oder andere Lapsus: Michelangelos „David“ sei in Rom zu bestaunen, Europa sei der weltweit größte Kontinent, Mosel und Rhein flössen in München zusammen – so lauteten ein paar grundfalsche Antworten in den Raterunden. Gerade das macht teilweise den Reiz einer solchen Show aus. Ein bisschen Schadenfreude ist dabei. Doch wer weiß, ob man’s selbst vor einem Millionenpublikum viel besser machen würde.

Kontrolliertes Ausarten

Wenn dann noch eine Riesenkaffeemühle und ein Wahlplakatschredder eilends bedient werden oder Cocktailgläser mit dem Mund angesaugt und transportiert werden müssen, dann überschlägt sich die Gaudi zum Steinerweichen. Dann erreichen die zur Alarmsirene rotierenden tausend Lampen höchste Lichtverschmutzungswerte – und es kommen jene offenbar unvermeidlichen, leicht frivolen Scherzchen zum Vorschein: So wurde Henry Maske streng ermahnt, die Banane an seinem „Baströckchen“ doch bitte nach hinten zu drehen. Nennen wird es mal „kontrolliertes Ausarten“, was da vor sich geht.

Am Ende wurden dann die erzielten (und multiplizierten) Spielpunkte in Euro umgerechnet. Die fließen an die Rosenthal-Stiftung zugunsten von Familien, die unverschuldet in Not geraten sind. Fast 21000 Euro kamen diesmal zusammen. Dagegen kann man nun wirklich nichts sagen.

Der Text ist zuerst bei www.seniorbook.de erschienen.