Essener Choreographin Christine Brunel überzeugt New Yorker – Mit NRW-Kultusminister Hans Schwier beim Festival „Ruhr Works“

Aus New York berichtet
Bernd Berke

New York. Die „Entdeckung“ von New York heißt Christine Brunel. Zwar wirkt die gebürtige Französin schon seit einigen Jahren in Essen und setzt dort die große Folkwang-Ballett-Tradition fort, doch bekommt sie keinerlei Subventionen und wird bislang auch eher von Insidern wahrgenommen. Jetzt hat sie an sechs aufeinanderfolgenden Abenden die Kultur des Reviers hervorragend in New York repräsentiert.

Im Rahmen des Festivals „Ruhr Works“ zeigte sie ihre Solo-Choreographie „Frau mit blauem Ball“ und das Drei-Frauen-Stück „Lied auf der Brücke“ vor stets gut gefülltem Haus – und das in der renommierten Brooklyn Academy Of Music, wo schon Caruso große Partien sang und in den letzten Jahren Inszenierungen etwa von Peter Stein und Ingmar Bergman gastierten.

Frau Brunel hat einen eigenständigen Tanztheater-Stil entwickelt, der sich durchaus neben denen ihrer bekannteren Kolleginnen Pina Bausch und Reinhild Hoffmann behaupten kann. Die Verbindung ungeheurer Konzentration und Disziplin bis in die kleinste Bewegung hinein mit fließend-lyrischen Ausdruckswerten ist frappierend. Hier mit gezielter öffentlicher Förderung einzusetzen, wäre sicherlich keine Fehlinvestition. New York hat den Beweis erbracht. Rund 2000 New Yorker, darunter viele „Meinungsführer“ der Kulturszene, haben es erlebt und mit wohlwollendem, wenn auch ortstypisch kurzem Beifall quittiert.

Ausstellungen über Velazquez, Picasso und Braque

Gegen welch überragende Konkurrenz „Ruhr Works“ (das denn seinen Sinn auch eher in Stetigkeit als im Auftrumpfen hat) hier in New York antritt, zeigen Besuche in den weltberühmten Museen der Stadt, die sich auch NRW-Kultusminister Hans Schwier auf seiner Informationsreise nicht entgehen ließ. Während das MetropolitanMuseum mit Velazquez prunkt, zeigt eine sehr sinnreich gehängte Ausstellung im Museum Of Modern Art erstmals in dieser Form Bezüge zwischen zwei „Vätern“ der Moderne, Picasso und Braque (bis 16. 1. 1990).

Für Europäer kaum zu glauben: Solche sündhaft teuren Ausstellungen werden hier nicht etwa durch Staatsgelder, sondern durch Beiträge von Stiftungen, Sponsoren und Mitgliedern der jeweiligen „Freundeskreise“ ermöglicht – eine Anregung für Minister Schwier, die Rolle von Kunst-Sponsoren auch in Nordrhein-Westfalen stärker ins Kalkül zu ziehen.

Die gefährliche Drogenszene in der Bronx

Der Minister bewegte sich in New York nicht nur auf kulturellem Parkett. Als für die Schulen zuständiges Kabinettsmitglied mußte Schwier sich auch über das in New York allgegenwärtige Drogenproblem unterrichten. In der Bronx, einem der katastrophalsten (und gefährlichsten) Stadtteile der Erde, ergab sich dazu erschütternde Gelegenheit. Unter diskretem Polizeischutz (erst am Wochenende war hier ein Polizist erschossen warden) besichtigte die Schwier-Delegation unter anderem das „Phoenix-House“, in dem ehemalige Drogenabhängige wieder an ein bewußtes Leben herangeführt werden sollen. Die harte Realität haben sie täglich vor Augen: Direkt gegenüber liegt eine Häuserzeile, in der unverhüllt mit der tödlichen Droge „Crack“ gehandelt wird. Anderwärts in der Bronx versucht man mit Schulprogrammen die Drogenflut einzudämmen. Auch kulturelle Angebote wie Theaterspielen und Musikmachen spielen hier eine zentrale Rolle.

Mit dem in Amerika vorherrschenden Ansatz, nur auf die Willenskraft der Betroffeneu zu setzen und nicht auch das gesellschaftliche Umfeld ins Visier zu setzen, konnte sich Minister Schwier allerdings nicht zufriedengeben, Fest steht für ihn jedenfalls: „Wenn wir nicht jetzt etwas tun, bekommen wir auch solche Probleme.“ Die Reise nach New York hat auch dafür den Blick geschärft.




Verlockungen des Ruhrgebiets sind Thema in New York – Festival „Ruhr Works“ mit Kultur aller Sparten

Aus New York berichtet
Bernd Berke

New York. Die Kultur des Ruhrgebiets „hat in New York erste Anker werfen können“! Das befand NRW-Kultusminister Hans Schwier, der sich gegenwärtig in der Metropole am Hudson River über Erfolg und Fortgang des Projekts „Ruhr Works“ informiert. Diese Festivalreihe der Essener „Kulturstiftung Ruhr“ hat seit September einem gewissen Teil der kulturversessenen New Yorker Szene „Aspekte des Reviers“ nähergetragen.

Für den meisten Gesprächsstoff haben dabei die Tanztheater, Gastspiele von Susanne Linke (Essen) und Reinhild Hoffmann (Bochum), gesorgt. Die ehrwürdige „New York Times“ berichtete allein neunmal über einzelne Veranstaltungen der Reihe, die noch bis Januar 1990 mit Gastspielen aus den Bereichen Musik, Tanztheater, Literatur. Film und Kunst andauern wird. In dem New Yorker Weltblatt war sogar der schöne Reim von „Allure of the Ruhr“ die Rede (Verlockung der Ruhr/Reiz der Ruhr).

Die Kulturstiftung Ruhr will es, wie hier bekannt wurde, „nicht bei dem Ankerwurf“ an der US-Ostküste belassen, sondem zu weiteren Ufern aufbrechen. 1991 soll ein ähnliches Festival in Sao Paulo starten, 1993 ist Tokyo an der Reihe. Minister Schwier zur WR: „Es ist sinnvoll, gerade in solchen Wirtschaftsmetropolen unsere Kultur zu zeigen.“ So soll es denn in New York auch schon erste Anfragen nach Investititionsmöglichkeiten im Revier gegeben haben – wohl nicht veranlaßt, aber vielleicht beflügelt durch die kulturellen Gastspiele.

Andererseits darf man auch nicht in verfrühten Jubel verfallen. Ehrlich gesagt droht die New Yorker Revier-Reihe, die auch einige programmliche Schwachpunkte hat, doch etwas im Gewimmel dieser Riesenstadt „unterzugehen“. 35 000 gedruckte Programm-Magazine von Ruhr Works können die Millionenbevölkerung wohl kaum überschwemmen. Die Stadt bietet einfach enorm viel – von den Rolling Stones, die soeben hier aufgetreten sind, bis hin zu den laufenden Ausstellungen über Velazquez, Picasso und Braque. Günstige Fügung allerdings: die Frage einer „deutschen Wieder-Vereinigung“ wird auch in New York heftig diskutiert. Das schafft unverhofftes Interesse für solche Belange, indirekt also auch für deutsche Kultur.

Immerhin kamen jetzt zum Beispiel rund 500 Vernissage-Gäste zur Eröffnung einer von vier Revierfotografen bestückten Ausstellung im derzeit führenden Künstlerviertel SoHo, das bis vor einiger Zeit verfallen war und nun plötzlich die meisten, besten und teuersten Galerien der gesamten Stadt beherbergt. In seiner explosiv-kreativen Atmosphäre entfernt an Berlin-Kreuzberg erinnernd, ist dieses quirlige Stadtquartier Schauplatz eines unablässigen „Gallery Hopping“, eines Lieblingssports der hiesigen Kunstszene, der einfach darin besteht, von Galarie zu Galerie zu laufen und „in“ zu sein. Mit dem, was sich allein in diesem Bezirk an Galerien ballt, kann zum Beispiel ganz Köln nicht konkurrieren.

Seltsam übrigens, nach über 6000 Kilometern Flug, hier fotografische Ansichten des Ruhrgebiets wiederzufinden – von Dortmund, Essen oder Bottrop. Noch seltsamer und schwer in Worte zu fassen: diese Aufnahmen lassen eine gewisse unterschwellige „Verwandtschaft“ zwischen dem Revier und New York erahnen. Als Bochums Ex-Theaterchef Claus Peymann vor Jahren sagte, das Revier sei New York, wisse es aber nicht, hatte er wohl nicht ganz Unrecht. Bestärkt wird dieses Gefühl noch durch einen Besuch in der Clocktower-Gallery, die ebenfalls Revierfotos zeigt und außerdem mit einem fast konkurrenzlosen Dachterrassen-Rundblick auf Manhattans Skyline lockt.

Beim New Yorker Goethe-Institut, das Ruhrworks mitorganisiert, zeigt man sich übrigens mit dem bisherigen Verlauf der Revierreihe zufrieden. Es gebe, so Institutsleiter Jürgen Uwe Ohlau, in der Bunderepublik nur ganz wenige Regionen, deren kulturelle Substanz für solche Projekte ausreiche. Das Ruhrgebiet gehöre auf jeden Fall dazu.




Johannes Rau beim SPD-Kulturkongreß: „Theatersterben findet in NRW nicht statt“

Von Bernd Berke

Castrop-Rauxel. „Ein Theatersterben findet nicht statt“, dieses Trauerspiel sei endgültig „vom Spielplan abgesetzt“; die Landesregierung werde die kulturelle Vielfalt in NRW sichern und ausbauen. Das betonte Ministerpräsident Johannes Rau am Samstag in seiner Eröffnungsrede zum SPD-Kulturkongreß in der Europahalle zu Castrop-Rauxel. Kultur sei auch bei knappen Kassen nicht überflüssig, sondern notwendig, ja sogar „not-wendend“ (Rau), indem sie – als „humaner Stachel gegen Sachzwänge“ – Gegenwelten entwerfe.

Ein „Zukunftsgespräch“ über NRW-Kultur führten vor schätzungsweise 500 Zuhörern dann Experten und Macher am runden Tisch. Erst vor Wochenfrist hatte die CDU in Mülheim eine Debatte zur Revierkultur veranstaltet (WR berichtete). Die Teilnehmerzahl beim SPD-Zukunftsgespräch war rund zehnmal größer. Deutlich wurde – im Unterschied zur CDU – eine entschiedene Skepsis gegenüber privaten Kultur-Sponsoren; außerdem wurden beim SPD-Treffen größere Vorbehalte gegenüber Kommerz-Produktionen wie dem Bochumer Musical „Starlight Express“ geäußert. Beiden Parteien gemeinsam: Kulturpolitik ist, obgleich intensiver als zuvor diskutiert, noch keine dringliche „Chefsache“. CDU-Landesvorsitzender Norbert Blüm hatte der Mülheimer Runde lediglich ein kurzes Grußwort übermittelt, Johannes Rau kam jetzt immerhin selbst nach Castrop-Rauxel, verließ die Halle aber kurz nach seiner Rede, was den Kölner Literaturprofessor Karl-Otto Conrady zu der „Dallas“-Frage veranlaßte: „Wo ist J. R.?“

Eberhard Kloke: Nicht viel mehr als die „Lustige Witwe“

Es wurde kein durchweg rosiges Bild der NRW-Kultur gezeichnet. Willi Thomczyk vom Herner „Theater Kohlenpott“ sah die „Freie Szene“ vom Land als bloßen kulturellen „Lückenbüßer“ behandelt, es drohe da „ein Ausverkauf wie bei Kohle und Stahl“, die Finanzen hätten eindeutig Schlagseite zur „Hochkultur“. Gegen zuviel Repräsentationskultur wandte sich auch Bertram Müller vom Düsseldorfer Kulturzentrum „Die Werkstatt“: „Von den Subventionen für die Düsseldorfer Oper könnte man 40 Kultur-Werkstätten für jedermann betreiben“. Anlaß genug für die Mahnung Roberto Ciullis („Theater an der Rühr“, Mülheim), „Hoch“- und „Basiskultur“ nicht gegeneinander aus- zuspielen. Bochums Generalmusikdirektor Eberhard Kloke, vor einer Woche schon der CDU zu Diensten, hob erneut zu seiner Rundumkritik an NRW-Spielplänen an. Tenor: Landauf, landab werde derzeit nicht viel mehr als die „Lustige Witwe“ gespielt.

Das „Gießkannenprinzip“ bei der Mittelvergabe kritisierte Rainer Glen Buschmann (Musikschule Dortmund) : Man solle lieber wechselnde Schwerpunkte setzen und Besonderheiten fördern. Literaturprofessor Conrady schrieb der SPD Versäumnisse ins Stammbuch: Die Partei sei „seit 10 bis 15 Jahren nicht mehr Stimmführer“ in Sachen Kultur, weil ihr vielfach der „Mut zur Utopie“ gefehlt habe.

Ein anderes Defizit machte Eugen Gerritz, kulturpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, aus: Die Zeitungslandschaft in NRW biete kein Forum für tiefgreifende Kulturdebatten. Die Gesichter hellten sich etwas auf, als NRW-Kultusminister Hans Schwier ankündigte, man sei „auf dem besten Wege«, eine (u.a. aus Lotto und „Spiel 77″ finanzierte) neue Kulturstiftung auf die Beine zu stellen.




In der Höhle der Theater-Löwen – Diskussion über Kulturfinanzen im dritten Programm

TV-Kritik: „Mittwochs um acht“ (West 3; 20.00 Uhr)

In die „Höhle des Löwen“ wagte sich gestern abend NRW-Kultusminister Hans Schwier. Die Live-Diskussion aus dem Essener Grillo-Bau (Thema: Theaterkrise in NRW) führte ihn mit finanziell gebeutelten Theatermachern, darunter Essens Schauspielchef Hansgünther Heyme, zusammen.

Schwier hatte unlängst den Theatern „Versorgungsempfänger-Mentalität“ vorgeworfen, Heyme war am entschiedensten gegen Etateinschnitte aufgetreten. Als lautester „Löwe“ erwies sich jedoch Bochums Schauspielleiter Frank-Patrick Steckel, der zunächst – was man vielleicht noch ganz gut nachvollziehen kann – gegen Glitzer-Kultur à la „Starlight Express“ wetterte („Schrott“, „schäbiges Profitinteresse“), sich dann aber vollends in Unsachlichkeit hineinsteigerte: „Ich hab‘ Ihnen doch schon mal gesagt, Herr Schwier: Treten Sie zurück!“ Weitere Rundumschläge folgten.

Die anderen Theaterleute (Heyme aus Essen; Roberto Ciulli vom Mülheimer „Theater an der Ruhr“; Willi Thomczyk von der freien Truppe „Theater Kohlenpott“ in Herne) sowie der Kritiker Ulrich Schreiber argumentierten bedächtiger, waren aber auch nicht eben gut auf Politiker zu sprechen. Schwier stand praktisch „allein gegen alle“. Allerdings wurden, je nach Subventionslage (Thomczyk bekommt keine Zuschusse, Ciullîs Truppe arbeitet ohne Tarifverträge) auch Differenzen zwischen Schwiers Widersachern sichtbar. Thomczyk bezeichnete die Debatte um Zuschußkürzungen gar als Gerede um „Kräuterbutter auf dem Schnitzel“, mithin als Luxus.

Die 90-Minuten-Sendung, aufgelockert mit Unterhaltungs-Einschüben und kurzen Filmeinspielungen, erfüllte ihren Zweck: Sie versammelte kompetente Gesprächspartner, deren Positionen deutlich zum Ausdruck kamen. Das ergab einen recht guten Überblick zur derzeitigen Theater-Situation. Die Moderatoren, Bernd Müller und Ines Jacob, griffen im Sinne des Zuschauers ein und sorgten dafür, daß man nah am Thema blieb. Mehr konnte man nicht erwarten.

Bernd Berke




Künstler beklagen sich: Die neuen Museen sind zu teuer und verfehlen ihren Zweck – Diskussion mit NRW-Kultusminister Schwier

Von Bernd Berke

Münster. Mit den bejubelten neuen Museumsbauten sind Künstler offenbar gar nicht einverstanden. Ob Mönchengladbach (Abteiberg), Essen (Folkwang), Düsseldorf (Kunstsammlung NRW), Frankfurt oder Stuttgart – wirklich ausstellungstauglich seien diese Kunsttempel mitnichten.

Diese Auffassung vertraten jedenfalls einige handverlesene Künstler aus NRW, die jetzt mit dem Kultusminister des Landes, Hans Schwier (SPD), in Münster über Aspekte der Kunstförderung diskutierten. Preiswertere und gleichwohl zweckmäßigere Museen hätte man errichten sollen, so die vorherrschende Meinung. Ulrich Rückriem, Konrad-von-Soest-Preisträger und wohl bekanntester Diskussionsteilnehmer auf Künstlerseite: „Vier Wände und ein Oberlicht, das würde reichen!“ Die Architekten aber hätten wohl vergessen, daß der Museumsbau der Kunst zu dienen, nicht aber sie zu überwältigen habe.

Ulrich Rückriem: Förderung schwemmt schlechte Kunst nach oben

Rückriem, Bildhauer und Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie, war der vehementeste Diskutant. Gegen seinen Wortschwall kam Minister Schwier kaum an. In Sachen Kunstförderung ließ Rückriem den diskussionswilligen Minister glatt „auflaufen“. Er, Rückriem, wolle für sein Teil gar keine Förderung; ein jeder Kunstler müsse sich auf eigene Faust durchkämpfen, und überhaupt sollten staatliche Stellen die Kunst „in Ruhe lassen“. Schon jetzt könne man 90 Prozent der Kunst vergessen (Rückriem benutzte ein schlimmeres Wort), bei verstärkter Förderung werde immer noch mehr „Mist“ hochgeschwemmt. Mit dieser fast sozialdarwinistischen Position eines international Arrivierten, vertrat Rückriem das Extrem.

Rolf Glasmeier aus Gelsenkirchen hingegen verwies auf das beachtliche Kunst-Potential im Ruhrgebiet, das jenem in Köln oder Düsseldorf durchaus ebenbürtig sei, das aber eben noch nicht ausreichend gefördert werde. Dies habe sich ganz deutlich bei der Revier-Kunstaktion „Grenzüberschreitung“ gezeigt. Glasmeiers Vorstellung: Das von „Horror-Designern“ geprägte Schreckbild unserer Städte könne von Künstlern korrigiert werden. Im übrigen gehöre unbedingt eine Kunst-Akadamie ins Revier.

Den Architekten auf die Finger sehen

Eine Möglichkeit verstärkter Kunstförderung ergibt sich – kurios genug – aus den Umstand, daß die Schülerzahlen im Lande beständig sinken. Alte Schulgebäude werden Verfügbar, die Künstlern kostengünstig als Atelierhäuser überlassen werden könnten; eine Möglichkeit, die Minister Schwier ausdrücklich guthieß.

Bei allem Geldbedarf: Als Sozialhilfeempfänger möchten sich die Künstler nicht abstempeln lassen. Statt dessen halten sie Ausschau nach alternativen Berufsfeldern. So wurde zum Beispiel der Vorschlag laut, „in jedes Architektenbüro“ einen Künstler oder eine Künstlerin als Aufpasser zu setzen, der/die – auf Honorarbasis – schlimme Bausünden verhindern solle.

Architekten, die (historisch gesehen) zuerst Autonomie und Freiheit der Kunst erstritten haben, schienen denn auch für die anwesenden Künstler in vielen Punkten die Haupt-Widersacher zu sein. Jammerschade, daß kein Vertreter der geschmähten Zunft an dem Gesprach teilnahm.

Statt Künstler zu Freizeit-Animateuren oder Sozialtherapeuten zu machen, müsse der Eigenwert der Kunst gewahrt werden. Unter anderem könne man hilfreiche Dienste bei Restaurationen von Gebäuden leisten, indem man das „Umweltverbrechen“ (Rolf Glasmeier) notorischer Stilbrüche vermeidet. Dazu freilich – so Ulrich Rückriem – fehlt es den Künstlern oft an rein handwerklichem Verständnis. Rückriem: „Die sollten beim Steinmetz oder in der Schlosserei anfangen, nicht in einer Akademie“.




Bochums OB: Aussichten für Peymanns Bleiben gestiegen – „Krisensitzung“ mit Kultusminister Schwier

Von Bernd Berke

Bochum/Düsseldorf. Ist er mit dem Wiener Burgtheater handelseinig geworden, oder bleibt Claus Peymann doch am Bochumer Schauspielhaus? Es darf weiter gerätselt werden – auch nach der dreistündigen „Krisensitzung“, zu der Bochums Oberbürgermeister Heinz Eikelbeck Peymann und (als Vermittler) NRW-Kultusminister Hans Schwier am späten Montagabend nach Wattenscheid gebeten hatte.

Manfred Gutzmer, Pressesprecher der Stadt Bochum: „Der Oberbürgermeister ist optimistisch und beziffert die Chancen dafür, daß Peymann bleibt, jetzt wieder auf über 50 Prozent.“ Das Gespräch mit dem OB und dem Kultusminister habe „Eindruck auf Peymann gemacht“.

Nach Auskunft von Michael Rüdell, Pressesprecher des Kultusministeriums, sind Peymann von keiner Seite aus bindende Zusagen gemacht worden. Insbesondere Peymanns kostspielige Forderung nach einer zweiten Schicht seiner Technik (nötig für häufige Auswärts-GastspieIe) könne vom Land ebensowenig erfüllt werden wie sein Wunsch, die Bühne zu einem höher bezuschußten „Staatstheater“ zu machen. Rüdell: „Zur Bereitstellung von ein paar Hunderttausend Mark würden sich Mittel und Wege finden.“ Man könne, um die notwendigen Mittel freizumachen, notfalls den gesamten Haushalt des Kultur-Ressorts auf Einsparmöglichkeiten durchforsten oder auch beim Finanzministerium sogenannte „überplanmäßige Mittel“ beantragen. Die Hauptlast der finanziellen Zugeständnisse müsse gegebenenfalls aber die Stadt Bochum tragen. Dort war zu erfahren, daß man sich „über gewisse Steigerungsraten“ beim 17,5-Mio.-Zuschuß fürs BO-Theater durchaus verständigen könne.

Bochums OB Eikelbeck ging gestern auf Reisen – dem Vernehmen nach nicht in Richtung Wien, sondern rein privat nach Paris. In Wien jedenfalls gehen alle beteiligten Stellen davon aus, daß Peymann an die „Burg“ kommt; es ist gar von einer „Zusage“ die Rede, wobei in der Schwebe gelassen wird, ob bereits Unterschriften geleistet wurden.

Schwiers Sprecher Rüdell faßt die in Wattenscheid gewonnenen Eindrücke bündig zusammen: „Ein Pokerspiel, und zwar auf fallen Seiten.“ Minister Schwier, der in Begleitung eines Finanzexperten erschienen war, habe Peymann nahegelegt, sich genau zu überlegen, „was er da eigentlich gegen seine Tätigkeit in Bochum eintauschen würde.“ Der Kultusminister wolle Peymann zwar in NRW halten, werde dem Intendanten aber „nicht nachlaufen“. Schwier habe mit seiner Vermittlerrolle Oberbürgermeister Eikelbeck „eine Gefälligkeit erweisen wollen“. Nun erwarte man in Kürze eine von Peymann angekündigte Erklärung. Da Peymann Eikelbeck versprochen hat, zuerst ihn persönlich von seiner Entscheidung in Kenntnis zu setzen, wird die Erklärung vermutlich frühestens nach der Rückkehr Eikelbecks am 5. April erfolgen. Bis dahin soll Rolf Paulin, Verwaltungsdirektor des BO-Theaters, mit Schwiers Finanzexperten Vorverhandlungen aufnehmen.




Neue Kulturstiftung Ruhr will das Revier auch im Ausland zum Begriff machen

Von Bernd Berke

Essen. Einen Chirurgen benötige die Kultur des Ruhrgebiets zwar keineswegs, „wohl aber immer wieder frische Blutzufuhr“. So bildhaft begrüßte Ministerpräsident Johannes Rau gestern in der Essener Villa Hügel den Start eines hocheingeschätzten Projekts: Seit gestern gibt es die „Kulturstiftung Ruhr“, die laut Satzung alle überörtlichen Maßnahmen fördern soll, die geeignet sind, das Revier als „einheitliche Kulturlandschaft von Rang“ im In- und Ausland darzustellen.

Die Initiative ging von der Krupp-Stiftung und ihrem Kuratoriumsvorsitzenden Berthold Beitz aus. Die Stiftung bringt in den nächsten zehn Jahren je 1 Million DM in die Kulturstiftung Ruhr“ ein. Prof. Paul Vogt, Direktor des Essener Folkwang-Museums und neben Beitz im Vorstand der Stiftung, umriß die Förderungs-Aufgaben der neuen Institution wie folgt:

  • Aus- und Weiterbildung eines qualifizierten künstlerischen Nachwuchses
  • Dokumentation herausragender ruhrgebietsspezifischer Ereignisse
  • Unterstützung von Pilotprojekten mit besonderer Bedeutung für das Ruhrgebiet
  • Ausstellungen oder ähnliche Veranstaltungen, die Maßstäbe für das Kulturleben im Revier setzen können und dessen internationales Ansehen fördern.

Wie gestern weiter mitgeteilt wurde, werden erste Projekte im Sommer dieses Jahres spruchreif. Einzelheiten wurden noch nicht verraten.

NRW-Kultusminister Hans Schwier gab sich in Essen zuversichtlich. Kulturförderung sei indirekt auch Wirtschaftsförderung. Mit Blick auf den Landeshaushalt meinte Schwier, man habe endlich die „Talsohle erreicht“ und werde sie durchschreiten, indem man künftig auch im Kulturbereich wieder schrittweise aufgestocken werde. Bei diesem Normalisierungsprozeß, so Johannes Rau, könnten private Initiativen wie die soeben gegründete Stiftung wichtige „Signalwirkung“ haben und öffentliche Anstrengungen beflügeln. Insofern sehe er in der Stiftung nicht nur einen Geldgeber, sondern auch einen „Hoffnungs-Stifter“. Kultur werde gerade in sozial weniger rosigen, zur Resignation neigenden Zeiten zur „Lebensfrage“. Das Revier sei eben nicht nur eine Region der Arbeit, sondern zähle zu den wichtigsten Kulturzentren der Welt.

Ein Wermutstropfen fiel gestern dennoch in den Freudenbecher. Berthold Beitz beklagte die nach seiner Ansicht kleinlichen Richtlinien des deutschen Stiftungsrechts. Ursprünglich habe man die „Kulturstiftung Ruhr“ mit einem Grundkapital von 10 Millionen DM ausstatten wollen. Dies sei aus steuerlichen Gründen nicht möglich gewesen. Nun müsse man den Betrag auf zehn Jahre verteilen, was enormen Zinsverlust bedeute. Beitz drastisch: Es sei steuerlich einfacher, afrikanische Fußballer zu fördern als einheimische Kultur. Um das Mindestkapital aufzubringen, griff Beitz in die Privatschatulle. Betrag: 100 000 DM. Da die Stiftung sich als „Sammelbecken“ verstehe, könne jedermann sein Scherflein beitragen.