Viel mehr als die Frau von „Ekel Alfred“: Zum Tod der Schauspielerin Elisabeth Wiedemann

Elisabeth Wiedemann in der legendären WDR-Fernsehserie "Ein Herz und eine Seele". (Bild: WDR)

Elisabeth Wiedemann in der legendären WDR-Fernsehserie „Ein Herz und eine Seele“. (Bild: WDR)

Gustaf Gründgens spürte ihr gewaltiges Talent auf, holte sie ans Düsseldorfer Schauspielhaus. Diesem Ensemble blieb die gelernte Tänzerin (Staatsoper Berlin) bis 1955 verbunden. Seither beschritt sie viele berufliche Wege.

Ihre Karriere im Sprechtheater, dessen Faszination sie erst 1947 einfing, verlief weiträumig. Sie war in Frankfurt, Hamburg, München, Hannover, Köln, Wien und beim Deutschen Theater in Santiago de Chile, wo sie allerdings Regie führte. „Biedermann und die Brandstifter“ von Max Frisch servierte sie den Auswanderern der Nachkriegszeit, die damals recht zahlreich einer politischen Provenienz entstammten, die ihr zutiefst zuwider war. Die Rede ist von Elisabeth Wiedemann, der Kaufmannstochter aus Bassum bei Bremen, deren hochempörtes „Alfred!“ mir heute noch in den Ohren klingt. Sie starb im Alter von 89 Jahren.

Es ist ein böses Schicksal, wenn eine so wandlungsfähige Schauspielerin wie sie die Lebensbühne verlässt und dann vom zeilenversessenen Boulevard mit der Überschrift verabschiedet wird: „Die ‚dusselige Kuh‘ ist tot“. Elisabeth Wiedemann, die „Else“ von Vater „Alfred Tetzlaff“ (Heinz Schubert) in Wolfgang Menges wunderbarer Serie „Ein Herz und eine Seele“, sie wird eben heute noch von der Bunten-Blätter-Oberflächlichkeit mit den Abfälligkeiten des Chauvi-Ekels Alfred identifiziert. Und noch lieber bildhaft auf diese reduziert, auf seinen Gipfelspruch, wenn sie mal wieder so sehr naiv-entlarvend hinterfragte, was der weltgewandte (Soldat an der Ostfront) Alfred so alles fabulierte.

Nun lebt keiner mehr von der Erststaffel-Besetzung. Auch Hildegard Krekel (Tochter Rita) und Diether Krebs (Schwiegersohn Michi), die sich während der Dreharbeiten wechselseitig ganz toll fanden, sind tot. Aber lebendig blieb die widerborstige Grundhaltung dieser Episoden über den bundesdeutschen Spießer, dessen angebräunte Innereien immer noch nicht verdauten, dass ihr Land von der Demokratie eingenommen war. Alfreds Lieblingsfeinde waren die SPD und Willy Brandt. „Dieses Kellerkind aus Lübeck“, der „Mann mit dem Künstlernamen“, „uneheliches Kind“; mit seiner „Machtübernahme“, habe „eine ganze Nation Selbstmord begangen“. So rüpelte sich das nationale TV-Ekel durch die Dialoge vieler Folgen.

Dabei war jeder aus dem Familienquartett das krasse Gegenteil dessen, was politisch aus dem kleinen Giftzwerg quoll. Da machte Elisabeth Wiedemann keine Ausnahme. Ob in „Die Geschwister Oppermann“ oder „Das Tagebuch der Anne Frank“ (Bühnenfassung): Auseinandersetzungen mit der Nazi-Vergangenheit und der der antisemitischen Spießermentalität gehörten fest zu ihrem künstlerischen Lebensweg. Nicht zuletzt auch „Ein Herz und eine Seele“, die durch Wolfgang Menges boshafte Treffsicherheit, gepaart mit der Improvisationslust seiner Truppe, Einschaltquoten in Schwindelhöhe bekam. Und der Franz Xaver Kroetz von Ferne attestierte, die Sendereihe sei einzustellen, weil sie den kruden Sprüchen des Ekels zu viel Raum gebe, die üblen Löcher wieder in den Köpfen öffne.

Elisabeth Wiedemanns Lebensleistung war es, Zuschauer und Zuhörer zu unterhalten und dabei den Menschen was zum Nachdenken zu hinterlassen, auch wenn es mal etwas länger dauerte, bis die auf den Trichter kamen. Sie hatte wesentlich mehr verdient, als diese blöde Zeile von der „dusseligen Kuh“. „Alfred“ konnte machen, was er wollte, am Ende behielt „Else“ immer mit ihrer entwaffnenden Naivität die Oberhand.




TV-Nostalgie (24): „Der große Bellheim“ – Die älteren Herren wollen es noch einmal wissen

Vier ältere Herren wollen es noch einmal wissen – und wie! Wohl selten ist der Segen langjähriger Berufserfahrung so schlüssig vor Augen geführt worden wie im legendären Vierteiler „Der große Bellheim“.

Drei vom Quartett (v. li.): Mario Adorf, Will Quadflieg, Hans Korte - es fehlt nur Heinz Schubert. (Screenshot aus: https://www.youtube.com/watch?v=qP0JA3vx_gs)

Drei vom Quartett (v. li.): Mario Adorf, Will Quadflieg, Hans Korte – es fehlt nur Heinz Schubert. (Screenshot aus: https://www.youtube.com/watch?v=qP0JA3vx_gs)

Regisseur Dieter Wedel konnte bei den Dreharbeiten (1991/92) auf eine ungemein erlesene Darstellerriege vertrauen – allen voran das Quartett Mario Adorf (in der Titelrolle des Peter Bellheim), Heinz Schubert, Will Quadflieg und Hans Korte. Sie raufen sich nach und nach zusammen, um das altehrwürdige Kaufhaus Bellheim zu sanieren, das in Schieflage geraten ist und überdies von fiesen Finanzjongleuren (Heinz Hoenig, Leslie Malton) skrupellos attackiert wird.

Langweiliger Ruhestand

Eigentlich hatte sich Peter Bellheim schon mit 57 Jahren nach Spanien zurückgezogen, um den sonnigen Ruhestand zu genießen. Kurz vor seinem 60. Geburtstag erfährt er, dass die Hannoversche Kaufhauskette in Schwierigkeiten steckt. Die Hiobsbotschaft kommt ihm sozusagen gerade recht. „Der große Bellheim“ wollte ohnehin nicht mehr dauernd herumsitzen, nicht mehr jeden Tag bis zum Überdruss ausspannen. Oder wie ein Freund es formuliert: Irgendwann ist die Briefmarkensammlung halt fertig sortiert.

Ausgefuchste Wirtschaftsprofis

Auch die drei anderen, allesamt ebenso ausgefuchste Wirtschaftsprofis, wollen sich – allen Zipperlein zum Trotz – endlich mal wieder beweisen. Anfangs zieren sie sich noch ein wenig, doch Peter Bellheim muss keine allzu großen Überredungskünste aufwenden, um sie mit ins Boot zu holen. Gewiss, sie sind noch ein paar Jährchen älter als Bellheim und nicht mehr ganz so fit wie ehedem, doch Klugheit und Erfahrung machen das bei weitem wett. Da zeigen sie es allen jungen Schnöseln. Die klopfen derweil ziemlich dumme Sprüche: „Die Eskimos machen es richtig, die setzen ihre Alten einfach aus…“

Wedels Vierteiler (Erstsendung im Januar 1993 im ZDF, Gesamtlänge satte 455 Minuten) ist eine großartig gespielte Komödie über die besondere Leistungsfähigkeit von „Senioren“, wobei dieses immer etwas gönnerhaft klingende Wort hier so gar nicht passend erscheint. Es sind einfach gestandene Burschen, die es immer noch „drauf haben“. Punkt.

Das Thema bleibt aktuell

Die über 20 Jahre alte Reihe ist zeitgeschichtlich interessant, weil sie die Anfänge der Banken- und Börsenzockerei in Deutschland aufgreift und mit Blicken hinter die Kaufhaus-Kulissen auch den ziemlich freudlosen Stechkarten-Alltag der einfachen Angestellten einbezieht.

Außerdem mutet die Handlung aus heutiger Sicht sehr aktuell an. Die gegenwärtig wieder neu aufgeflammte Debatte, ob unsere Gesellschaft es sich leisten kann, fähige Menschen zu früh in den Ruhestand zu entlassen, wird hier in höchst unterhaltsamer Form angestoßen. Kurz und gut: Das ist ein Stoff, aus dem Fernsehklassiker gemacht sind.

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Vorherige Beiträge zur Reihe: “Tatort” mit “Schimanski” (1), “Monaco Franze” (2), “Einer wird gewinnen” (3), “Raumpatrouille” (4), “Liebling Kreuzberg” (5), “Der Kommissar” (6), “Beat Club” (7), “Mit Schirm, Charme und Melone” (8), “Bonanza” (9), “Fury” (10), Loriot (11), “Kir Royal” (12), “Stahlnetz” (13), “Kojak” (14), “Was bin ich?” (15), Dieter Hildebrandt (16), “Wünsch Dir was” (17), Ernst Huberty (18), Werner Höfers “Frühschoppen” (19), Peter Frankenfeld (20), “Columbo” (21), “Ein Herz und eine Seele” (22), Dieter Kürten in „Das aktuelle Sportstudio“ (23)

“Man braucht zum Neuen, das überall an einem zerrt, viele alte Gegengewichte.” (Elias Canetti)