Zum Tod von Helmut Dietl: „Kir Royal“ – ein Gipfelglück der deutschen Fernsehgeschichte

Seine Fernsehserien „Monaco Franze“ und „Kir Royal“ sind Legenden. Man kann man sie wieder und wieder anschauen – und man wird ihrer nicht müde werden.
Der Regisseur Helmut Dietl, der jetzt im Alter von 70 Jahren an Lungenkrebs gestorben ist, war einer der ganz Großen des Metiers, der mit „Schtonk“ (1992) und „Rossini“ auch im Kino Erfolge feierte. Aus Anlass seines Todes hier noch einmal ein Beitrag aus der Revierpassagen-Reihe „TV-Nostalgie“, zu verstehen als Hommage und als tiefe Verneigung vor dem Regisseur.

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Wir erinnern uns: Nach den vergleichsweise kargen 70ern standen viele Leute nach 1980 ganz unverblümt auf Luxus und Verschwendung. Diese Zeitstimmung ist nirgends trefflicher eingefangen worden als in einer Fernsehserie: „Kir Royal“ (ab September 1986 im ARD-Programm) gehört wohl immer noch zum Besten, was das Medium in Deutschland je geboten hat.

Der feiste Fabrikant Haffenloher (Mario Adorf, re.) triumphiert über den konsternierten Klatschreporter "Baby" Schimmerlos (Franz Xaver Kroetz). (Bild: Screenshot aus: http://www.dailymotion.com/video/xyfa8q_kir-royal-folge-1-wer-reinkommt-ist-drin_creation)

Der feiste Fabrikant Haffenloher (Mario Adorf, re.) triumphiert über den konsternierten Klatschreporter „Baby“ Schimmerlos (Franz Xaver Kroetz). (Bild: Screenshot aus: http://www.dailymotion.com/video/xyfa8q_kir-royal-folge-1-wer-reinkommt-ist-drin_creation)

Man hätte all die Dekadenz und Korruption, den obszönen Reichtum und das dazu passende Schnorrertum in der Münchner „Bussi“-Gesellschaft ganz anders, nämlich viel zorniger darstellen können. Doch Regisseur Helmut Dietl und sein Drehbuchautor Patrick Süskind (beide entwickelten auch die ebenfalls famose Reihe „Monaco Franze“) bevorzugten die funkelnd elegante, vor Humor sprühende und doch nicht so leichthin versöhnliche Variante. In „Kir Royal“ wurde mit leichtem Florett gefochten, nicht mit dem Degen. Die Stiche „saßen“ aber umso zielsicherer.

„…und dann biste mein Knecht“

Schon die erste Folge (Titel „Wer reinkommt, ist drin“) des Sechsteilers darf als kleines Wunderwerk gelten. Wie spielerisch und doch überaus präzise die Figuren eingeführt werden, wie man gleich mitten in die pralle Handlung gezogen wird, das ist und bleibt meisterlich.

Sodann die großartige Besetzung: Franz Xaver Kroetz als hochmütiger, selbstherrlicher, oft grantiger Klatschreporter „Baby Schimmerlos“, der jegliche Bestechlichkeit weit von sich weist und dann doch ziemlich schnell kapitulieren muss, als der stinkreiche Klebstoff-Fabrikant Heinrich Haffenloher (Mario Adorf) finanziellen Druck macht, um groß in der Zeitung gefeiert zu werden. Unvergessen, wie Haffenloher diesen Schimmerlos zur Schnecke macht („Ich sch*** dich zu mit meinem Geld…und dann biste mein Knecht…“). Eine groteskere Mixtur aus armem Würstchen und erdrückendem Machtgehabe hat die Welt nicht oft gesehen.

Ein Ensemble sondergleichen

Dabei haben wir Senta Berger als „Babys“ Gespielin noch gar nicht erwähnt. Oder Dieter Hildebrandt, der einen ebenso servilen wie listigen Zeitungsfotografen mit heischendem Dackelblick gibt. Ruth-Maria Kubitschek als Verlegerin. Billie Zöckler als dralle Redaktionssekretärin. Harald Leipnitz und Peter Kern, die mit ihrem Restaurant nach Anerkennung in der Schickeria lechzen. Edgar Selge als arroganter Kellner im Edelfresstempel. Und und und. Ein Ensemble sondergleichen.

Hemmungslos auf dem Tisch tanzen

In „Kir Royal“ sind alle getrieben von der Gier nach Glanz und Prominenz. Jede(r) will gepflegt die Sau rauslassen, in der Klatschspalte des einflussreichen Boulevardblatts auftauchen und an den Partys teilnehmen, wo Champagner und eben Kir Royal in Strömen fließen. Ausgerechnet zu den schmetternden Freiheitsklängen der „Marseillaise“ wird in der ersten Folge turbulent auf dem Tisch getanzt. Da darf ein strohdummes Mäuschen beim Cancan auch schon mal im forcierten Überschwang die Brüste freilegen, damit’s ein schön frivoles Foto gibt… Das ist so herrlich peinlich!

Späte, allerdings weit weniger glanzvolle Pointe: Ausgerechnet die Münchner Abendzeitung (AZ), die damals für die Zeitung in „Kir Royal“ Pate gestanden hat, geriet vor einiger Zeit finanziell ins Schlingern. So ändern sich die Zeiten.

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Vorherige Beiträge zur Reihe : “Tatort” mit “Schimanski” (1), “Monaco Franze” (2), “Einer wird gewinnen” (3), “Raumpatrouille” (4), “Liebling Kreuzberg” (5), “Der Kommissar” (6), “Beat Club” (7), “Mit Schirm, Charme und Melone” (8), “Bonanza” (9), “Fury” (10), Loriot (11)

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Hier noch ein Link zum Nostalgie-Beitrag über „Monaco Franze“: http://www.revierpassagen.de/19073/tv-nostalgie-2-monaco-franze-bleibt-unvergesslich/20130726_1310




TV-Nostalgie (2): „Monaco Franze“ bleibt unvergesslich

Auf der Suche nach Figuren, die wir im Fernsehen schmerzlich vermissen, gibt’s manchmal kein Vertun: Helmut Fischer als „Monaco Franze – Der ewige Stenz“ gehört unbedingt dazu. Und alle anderen, die an Helmut Dietls grandioser Serie von 1983 mitgewirkt haben, denn die war bis in die kleinste Nebenrolle passgenau besetzt.

Auf Bayern III werden derzeit, den ganzen Sommer hindurch (jeweils montags und donnerstags, immer um 20.15 Uhr), die Folgen des ARD-Zehnteilers abermals gezeigt. Da kann man wirklich sagen: Wiederholung macht Freude!

Wehmütiger Blick zurück

Selig in wehmütiger Nostalgie schwelgend, habe ich mir die Auftaktfolge mit dem schönen Titel „A bissel was geht immer“ noch einmal angeschaut, die am 2. März 1983 erstmals ausgestrahlt worden ist. Du meine Güte, über 30 Jahre ist das schon her…

Moment der ungetrübten Harmonie: Monaco Franze (Helmut Fischer) und sein "Spatzl" (Ruth-Maria Kubitschek) (© BR/Balance Film)

Moment der ungetrübten Harmonie: Monaco Franze (Helmut Fischer) und sein „Spatzl“ (Ruth-Maria Kubitschek) (© BR/Balance Film)

Und so fängt’s an: Der vermeintliche „kulturlose“ und doch auf seine Art so elegante Abenteurer Monaco Franze scharwenzelt mal wieder außerehelich einer Dame (Gisela Schneeberger) hinterher, die sich ein völlig falsches Bild von ihm macht und ihn für einen leidvoll einsamen Wolf halten möchte. Wenn sie wüsste! Monaco Franze, gleichsam nur nebenberuflich Kripobeamter, versucht, mit einer Art Rasterfahndung auf ihre Spur zu kommen. In welchem Münchner Stadteil wohnt sie nur, in welchem Tanztempel kann man sie antreffen?

Ehemann an der langen Leine

Viel besser kennt natürlich die hochkultivierte Gattin Annette von Soettingen (Ruth-Maria Kubitschek) ihren Charmeur Monaco Franze (bürgerlich Franz Münchinger), den sie klugerweise an der langen Leine laufen lässt. Hauptsache, der Schwerenöter übertreibt seine Eskapaden nicht. Dessen herzig-lausbübische Aussage „Geh, Spatzl, seelisch bin i dir treu“ ist längst so legendär wie die ganze Reihe, die nebenher so manchen Eheratgeber ersetzt.

Besser als in dieser ersten Folge kann man einen Serieneinstieg wohl nicht hinbekommen. Wie kunstvoll die Handlungsstränge da verwoben werden! Wie wunderbar stimmig die Episode von den Wagner-Opern erzählt wird, in die Annette ihren Mann unbedingt zerren will. Dabei hasst der ihre hochnäsigen Freunde ebenso wie die Klänge und das Wagalaweia-Getue auf der Bühne. Doch dann bedient er sich einer herrlichen List und weiß plötzlich so gut Bescheid wie der beste aller Opernkritiker. Welch ein Triumph…

Gipfel der Komik

Da werden einige Gipfel der Hochkomik erklommen, und zwar scheinbar völlig unangestrengt. Auf diese Weise funktioniert das nur mit einem famosen Ensemble, zu dem u. a. auch Christine Kaufmann und Erni Singerl zählten. Wie da der herrschende Zeitgeist nachgezeichnet und gleichzeitig funkelnd parodiert wurde, das erreichte geradezu literarische Höhen. Das hat Bestand.

Als Regisseur Helmut Dietl, der sich den „Monaco Franze“ gemeinsam mit dem Schriftsteller Patrick Süskind und mit Franz Geiger ausgedacht hat, 1986 auch noch den gleichfalls unvergesslichen Sechsteiler „Kir Royal“ nachlegte, zählte er endgültig zu den wichtigsten TV-Schaffenden überhaupt. Und München war in jenen 80er Jahren bei weitem die glanzvollste Stadt im deutschen Fernsehen. Auch da gibt es kein Vertun.

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Der Beitrag ist zuerst bei www.seniorbook.de erschienen