Das Ungeheuer vom Harkortsee lockt die Welt ins Revier

Der Harkortsee mit Blick aufs Revierstädtchen Wetter. Bald könnten sich hier Seeungeheuer tummeln – wenn wir es nur wollten. (Foto: Bernd Berke)

Nun liegt die Fußball-EM auch schon wieder ein Weilchen hinter uns – und im Revier muss man sich wieder nach anderen touristischen Attraktionen umsehen. Es gibt leichtere Aufgaben. Doch guter Rat ist gar nicht so teuer, es gibt ihn hier sogar gratis!

Der Reihe nach. Gestern gingen meine Frau und ich an Ruhr und Harkortsee entlang, zwischen den seitwärts gelegenen, recht idyllischen Revier-Städtchen Herdecke und Wetter. Da wurde eine gemeinsame Erinnerung wach: Vor rund 20 Jahren waren wir im schönen Schottland und dort unter anderem am Loch Ness (aka Lough Ness), dem mutmaßlichen Aufenthaltsort des weltberühmten See-Ungeheuers und seiner etwaigen Nachfahren. So gut wie alle Veranstaltungen und Merchandising-Aktivitäten am Ort ranken sich um diesen Mythos und haben seit etlichen Jahrzehnten einiges Geld eingespielt. Vom glucksenden Spaßfaktor mal ganz abgesehen.

Offensichtlich eine lukrative Sache: vielsagende Hinweistafel am schottischen Loch Ness. (Foto: Bernd Berke)

Und nun aber: Warum entdeckt oder erfindet niemand – gern mit Hilfe allfälliger „Experten“ – ein solches Ungeheuer im Harkortsee, meinethalben auch im Hengstey- oder Baldeneysee? Eindrucksvolle Schummel-Bilder sind doch in Zeiten von KI fix hergestellt und in den sozialen Netzwerke rasch verbreitet. Es lebe die gekonnte Sinnestäuschung! Gängige Erkenntnis: Dinge, die nur innig genug imaginiert werden, manifestieren sich mitunter tatsächlich halbwegs handfest. Wenn es so weit ist, rufen die regionalen Medien ihr Publikum dazu auf, einen Namen für das Monster zu finden. Vorzugsweise im gefürchteten „Sommerloch“.

Dann solltet ihr mal sehen! Zuerst kämen wieder die Holländer, dann nach und nach weitere Europäer. Eine Extra-Einladung ginge an eine Delegation aus dem schottischen Distrikt rund um Loch Ness raus. Das entsprechende Pressefoto ginge flugs um die Welt. Schließlich spräche sich das Phänomen bis in die von Kamala Harris regierten USA und nach Ostasien herum. Was wäre das für ein Jubel und Trubel. Hier, bei uns.

Doch halt! Es träfen vielleicht dermaßen viele Touristen ein, dass die Ruhris alsbald einen „Über-Tourismus“ wie etwa in Venedig oder Barcelona beklagen könnten. Mh. Vielleicht sollten wir es doch lieber bleiben lassen, oder?

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P. S.: Beim Rumgoogeln habe ich doch wahrhaftig den Hinweis auf einen „Loch Ness Monsters e. V.“ in Dortmund entdeckt. Weitere Nachforschungen ergaben freilich schnell, dass dieser Verein seit einiger Zeit „dauerhaft geschlossen“ ist. Schade eigentlich.




Weil der Energieriese RWE drastisch sparen will: Industriedenkmal Koepchenwerk bedroht

Als hätte ich es geahnt. Vor ein paar Tagen verfasste ich einige Zeilen über drei Buchstaben (die sehen echt erbärmlich aus) und über ein industriehistorisch wertvolles Elektrizitätswerk, das nach seinem Konstrukteur Arthur Koepchen benannt wurde. Und heute lese ich, dass die Eigentümerin (früher war das mal die VEW), dass also RWE in Essen aufgrund des hohen Kostendrucks im Allgemeinen drastisch sparen will: Das Schieberhaus am Oberbecken mit dem Schriftzug RWE, die oberirdischen Druckrohrleitungen und das Krafthaus am Ufer des Hengsteysees stünden zur Disposition, berichtet das online-portal www.derwesten.de.

Ansicht des Koepchenkraftwerks am Hengsteysee zwischen Dortmund, Hagen und Herdecke. (Foto: Bernd Berke)

Ansicht des Koepchenkraftwerks am Hengsteysee zwischen Dortmund, Hagen und Herdecke. (Foto: Bernd Berke)

Blöd nur, dass das ganze Ensemble des Koepchenwerks seit 1986 unter Denkmalschutz steht, auf den sich nun die gastgebende Stadt Herdecke beruft und beim Denkmalamt in Münster um Hilfe bittet. Tatsächlich können Denkmäler wieder aus der schützenden Liste genommen werden. Wenn beispielsweise ein Brand sie zerstört, oder wenn ein übergeordnetes öffentliches Interesse das notwendig macht – oder dem Eigentümer ist der Erhalt aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr zuzumuten.

Dann ist anscheinend bei der RWE die Armut ausgebrochen: Wie derwesten.de schreibt, musste das Unternehmen „2,5 Millionen Euro in den letzten rund 20 Jahren für Instandsetzungsarbeiten an den nicht mehr benötigten Gebäuden wegen Witterungs- und Altersschäden bereit stellen“.

Und weiter wird RWE-Sprecher André Bauguitte dort so zitiert: „Um langfristig den sicheren und wirtschaftlichen Betrieb der Anlage zu gewährleisten und angesichts der schwierigen Lage, in der sich RWE Power auch durch den Rückgang der Einsatzzeiten für das Pumpspeicherkraftwerk befindet, sind die finanziellen Anstrengungen nicht mehr zu vertreten.“

Da kommen mir ja die Tränen. 2,5 Millionen in 20 Jahren. 2,5 Millionen durch 20 ist? 125.000. (Uih, ich gestehe, ich hatte mich zunächst mit 25.000 schwerst verrechnet, hiermit korrigiert,. Das ändert aber nichts an meiner Einschätzung, dass dies für RWE nahe bei den Peanuts ankommt.) Also die geradezu erschütternde Belastung der RWE durch den Erhalt der Substanz im Koepchenwerk machte über zwei Jahrzehnte 125.000 Euro jährlich aus. Was mag wohl ein RWE-Chef im Jahr verdienen? Das kann man bestimmt irgendwo nachlesen.

Nah- und Teilansicht des Koepchenwerks (Foto: Bernd Berke)

Nah- und Teilansicht des Koepchenwerks (Foto: Bernd Berke)

Dass kulturbewusste Menschen nicht gerade zahlreich zu denen zählen, die managend in Großunternehmen mit Zahlen jonglieren, überrascht mich nicht wirklich. Die argumentative Beliebigkeit allerdings überrascht mit schon: „Technisch und wirtschaftlich gibt es auch nach 75 Jahren keine Alternative zu Pumpspeicherkraftwerken. Bis heute hat die Anlage in Herdecke mit historischem Kern und moderner Technik nichts von ihrer Bedeutung verloren. Im Gegenteil: Gerade im liberalisierten Strommarkt und besonders durch den Zubau von Windkraftanlagen mit ihrem stark schwankenden und entsprechend durch andere Quellen auszugleichenden Leistungsangebot sind die Anforderungen an das Pumpspeicherkraftwerk Herdecke in den letzten Jahren gestiegen.“ So heißt es auf einem pdf, das auf den Internetseiten der RWE die Vorzüge des Koepchenwerkes rühmt.

Klar, damit sind vermutlich nur die heutigen technischen Anlagen gemeint und nicht das denkmalgeschützte Ensemble. Aber der Energieriese kratzt mit seinen Sparplänen (2,5 Millionen in 20 Jahren) an einem absoluten Wahrzeichen der Region. Und das, um jährlich eine Summe Geldes einzusparen, die vermutlich sogar von den Portokosten übertroffen wird. „Das nachhaltige Nettoergebnis – die Kennzahl, die zur Errechnung der Dividende herangezogen wird – fiel auf 1,28 Mrd. Euro, wie der Konzern am Dienstag in Essen bekanntgab. Im Jahr zuvor hatte RWE 2,31 Mrd. Euro verdient.“ So schrieb die „Welt“ in diesen Tagen. Ja, schwere Zeiten in so einer Energiewende. Aber es ist immer noch das „Nettoergebnis“, von dem die „Welt“ da schreibt.

Technik hat Geschichte, Industrie hat Geschichte, die müssen in einer Industrieregion sichtbar bleiben. Wer leichtfertig ausradiert, was in Landschaft und Städten an die dynamische Entwicklung erinnert, die naturgemäß in Technik und Industrie stecken, der vergeht sich letztlich am eigenen Unternehmen. Und RWE wünscht sich ganz sicher, dass noch eine lange Unternehmenszukunft bevorsteht, während der man viel Zeit haben wird, auf eine ruhmreiche und innovative Vergangenheit zurückzublicken. Oder?