Gemeinsam stärker: Vier NRW-Landestheater bündeln ihre Kräfte

Von Bernd Berke

Im Westen. Weiterhin getrennt spielen, aber ab sofort mit einer Stimme für sich werben wollen die vier Landestheater in NRW. Sie leisten sich ein gemeinsames PR-Büro in Düsseldorf. Entsteht da ein Theater-Kartell?

Das Bühnen-Quartett (Castrop-Rauxel, Neuss, Detmold und Dinslaken) ist vor allem zuständig für Gastspiele auf dem „flachen Land“, also für die kulturelle Versorgung von insgesamt rund 150 kleineren Orten ohne eigene Ensembles. So manche Gemeinde in Südwestfalen etwa greift gern auf Angebote des Westfälischen Landestheaters (WLT, Castrop-Rauxel) zurück.

Doch neuerdings „wird der Markt enger“, wie WLT-Intendant Herbert Hauck und Vertreter der anderen Landesbühnen gestern in Dortmund zugaben. Burkhard Mauer vom Landestheater Neuss deutete an, daß einige Kommunen im Zuge von Sparzwängen mit dem Kommerz flirten. Sie wollen nur noch Tourneetheater verpflichten, jene lieblos um ein bis zwei TV-bekannte Stars gruppierten Wandertruppen, die mit oft seichten Produktion vermeintlich hohe Platzausnutzung garantieren.

Spielpläne aus dem „Musterkoffer“

Die Landesbühnen bieten hingegen auch sperrige Stücke an. Dies wollen sie nun mit vereinten Kräften und offensiv als Erfüllung ihres Kulturauftrags vertreten. Im gemeinsamen Büro für Öffentlichkeitsarbeit und Verkauf (Tel. 0211/7118345), gelegen in Sichtweite des Kultusministeriums, von dem alle Landesbühnen Zuschüsse erhalten, nimmt die frühere Dramaturgin Claudia Scherb (31) Platz. Doch es ist kein Sitzjob. Sie soll viel unterwegs sein und mit den Kulturamtsleitern der Städte verhandeln – bis hin zur Vertragsreife. Sie wird eine Art „Musterkoffer“ mit sich führen, aus dem sie Angebote der vier Landesbühnen zu veritablen Spielplänen zusammenstellen kann. So sollen selbst kleine Orte ein tragfähiges Theater-Konzept verfolgen können, indem sie (beispielsweise) eine ganze Brecht-Reihe aus dem Baukasten einkaufen.

Das alles verlangt penible Termin-Koordination zwischen den vier beteiligten Bühnen. Und es läuft wohl auch auf eine Art „Gebietsabsprache“ hinaus, so daß man einander nicht unnötig wehtut. Die einzelnen Spielpläne werden ja sowieso schon längst im Vorfeld miteinander abgeglichen, damit nicht auf einmal alle dasselbe Stück proben. Also doch ein Abwehr-Karteil gegen das Kommerztheater? Wenn man so will, ja. Aber was wäre dagegen einzuwenden? Freilich: Das Büro bekommt nur einen Jahresetat von 150 000 DM. Ob sich damit Bäume ausreißen lassen?




WLT-Finanzen auf des Messers Schneide – Leitung des Landestheaters im Rundschau-Gespräch

Dortmund/Castrop-RauxeI. (bke) Am 3. März wird sich die Spreu vom Weizen sondern: Dann steht auf Messers Schneide, wie viele von 22 Städten bereit sind, ein kulturpolitisches Bekenntnis zum Westfälischen Landestheater (WLT) in Castrop-Rauxel abzulegen und wie viele womöglich als Mitglieder aus dem Trägerverein des Theaters ausscheiden.

Wird es „Fahnenflüchtige“ geben, droht gar eine Vereins-Auflösung? Brisanter Stoff für ein Gespräch, zu dem WLT-Intendant Herbert Hauck, sein Verwaltungschef Norbert Kronisch sowie Olaf Reifegerste, Pressesprecher und Spielplan-Disponent des Theaters, ins Dortmunder Rundschauhaus kamen.

Letzlich geht es nicht nur um Bekenntnisse, sondern um Geld: Seit langem ist der Jahresbeitrag pro Gemeinde auf läppische 300 Mark eingefroren. Für diesen „Tischtennis-Beitrag“ (Reifegerste) genießen die Kommunen weitreichende Stimmrechte in Existenzfragen des WLT. Künftig sollen die Städte zusammen im Jahr 45 000 DM Beiträge zahlen, etwa nach einem Verteilerschlüssel auf Basis der Einwohnerzahlen. Anfang Febmar hatten die Gemeinde-Vertreter sich nicht geeinigt. Seitdem hängt das WLT, das ja landauf landab gastiert, finanziell „in der Luft“. Nächsten Freitag soll ein zweiter Anlauf den Durchbruch bringen.

Da die Kommunen, so Herbert Hauck, nicht mehr gar so ärmlich dastehen wie vordem, geht das WLT selbstbewußt in die „Zerreißprobe“ und fordert von jeder Stadt – zusätzlich zum Beitrag – eine ein- bzw. erstmalige Umlage von 7 Pfg. pro Einwohner, was insgesamt 105 000 DM ergäbe.

Nun warten alle gespannt auf Signale der Städte. Die Theaterleute sowieso (Hauck: „Jetzt müssen wir das durchfechten“), aber auch das NRW-Kultusministerium, das mehrfach seine Zuschüsse erhöhte, nun aber die Kommunen im Zugzwang sieht – und der zuständige Regierungspräsident in Münster, der den neuen WLT-Etat (5,5 Mio. DM) nicht absegnen mag, bevor die Gemeinden Geld drauflegen.

Ungeachtet relativ hoher Einnahmen durch Kartenverkauf beklagt das WLT Defizite. Neue Tarifabschlüsse erzwingen jetzt nochmals Einsparungen von 70 000 DM. Dies alles, so die Theaterleute zur WR, bedeute keinesfalls, daß man künftig einen Boulevard-Spielplan anbiete. Herbert Hauck gelobt: „Brecht-Pflege und regionalbezogene Stücke bleiben Schwerpunkte.“

Trotz aller Unbill plant man beim WLT zwei neue Projekte; Eines soll sich ostwärts bewegen, ein anderes auf Flüssen und Kanälen…

Plan Nummer ems: Man verhandelt mit einem DDR-Theater. Herbert Hauck verriet, daß es sich um die Bühne in Döbeln/Sachsen handelt. Mit diesem Theater will das WLT u. a. einen Stücke-Zyklus über die deutsche Nachkriegsgeschichte herausbringen. Hauck: „Die Landkarte für eie DDR-Tournee haben wir auch schon im Kopf.“

Plan zwei, die Einrichtung eines mobilen „Theater-Schiffes“ gemeinsam mit den Städtischen Bühnen Oberhausen, geht – nach erfolgtem Antrag – zwischen Kultus- und Städtebauministerium des Landes seinen bürokratischen Gang. Dabei drängt die Zeit: Schon kommen konkrete Terminanfragen aus den Schulen – und ein bereits ausgesuchtes Schwimm-Objekt ist nicht mehr zu haben. Ein Lastkahn, rund 60 Meter lang und 8 Meter breit, soll – zum Bühnenschiff umgebaut – besonders Jugendlichen die „Schwellenangst“ vorm Theater nehmen. Hauck, Kronisch und Reifegerste haben sich bereits Kenntnisse angeeignet, die eines Reeders oder Kapitäns würdig wären. Freilich merkten sie auch, daß vom Land gefördcrte Kooperationen (hier mit Oberhausen) rechtlich kein leichtes Fahrwasser sind.

Über eines sind die WLT-Leute voll des Lobes: Das „Klima“ in Castrop-Rauxel habe sich enorm verbessert. Kein Wunder: Bestimmte Industrieansiedlungen sind auch auf die Präsenz des WLT zurückzuführen: Kultur lockt Wirtschaft an. Von einem WLT-Umzug nach Hamm, vor Zeiten noch erwogen, ist jetzt keine Rede mehr.