Erst kommt das Fressen, dann fehlt die Moral: „Das Heerlager der Heiligen“ bei den Ruhrfestspielen

Szene aus "Heerlager der Heiligen". (Foto: Robert Schittko/Ruhrfestspiele)

Szene aus „Das Heerlager der Heiligen“. (Foto: Robert Schittko/Ruhrfestspiele)

Der Mann isst. Er sitzt an einer langen Tafel und stopft sich mit Speisen voll. Nach und nach gesellen sich seine Freunde und Weggefährten dazu und beginnen, ebenfalls zu futtern und Wein zu trinken.

„Once upon a time in Europe“ steht als Schriftzug über der Szene, die wie ein mittelalterliches Filmset in einem Ritterschloss wirkt. Diesen Europäern hier geht es gut, ja zu gut, bis hin zur Dekadenz. Sie leiden keinen Mangel und fürchten sich dennoch sehr: vor dem Ansturm der Armen, die auf Schiffen zu ihrer Küste unterwegs sind und ihnen ihren Wohlstand streitig machen wollen.

Einen schwierigen, abstoßenden und streckenweise menschenverachtenden Text hat sich Regisseur Hermann Schmidt-Rahmer mit „Das Heerlager der Heiligen“ von Jean Raspail vorgenommen, den er jetzt (in einer Bearbeitung gemeinsam mit Marion Tiedtke) bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen in Kooperation mit dem Schauspiel Frankfurt als Uraufführung herausbrachte.

Buchvorlage schürt Angst vor Einwanderung

Das Buch ist beliebt bei den Rechten, beispielsweise Marine Le Pen zitiert gerne daraus. So muss die Bühnenadaption eine Gratwanderung vollführen: Die Ängste und Gewaltfantasien, die gegenüber einer Masseneinwanderung aus der dritten Welt vorherrschen, als das zu entlarven, was sie sind: Fiktionen, die dazu dienen, die Bürger nationalistischen Parteien in die Arme zu treiben, um eine rigorose Abschottungspolitik zu legitimieren.

Denn ohne Zweifel entwickelt dieser Text eine diabolische Kraft, wenn man annimmt, dass auch die Furcht vor dem Fremden zum Menschen gehört und der Zivilisation innewohnt. Diese wiederum soll archaische, gewalttätige oder sexuelle Impulse bannen – damit spielt der inzwischen 93-jährige Autor ganz bewußt. Dabei ist Raspails Buch bereits 1973 erschienen, sein Szenario erinnert aber fatal daran, was wir 2015 im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise erlebt zu haben glauben.

Wo Mitleid als Verweichlichung gilt

Die Schauspieler, angetan mit bourgeoiser Garderobe für eine Abendeinladung, aber mit bleich geschminkten Gesichtern (Kostüme: Michael Sieberock-Serafimowitsch) spielen beides grandios: Die Lethargie der vollgefressenen Langeweile ebenso wie ihren Umschlag in Brutalität, Lüsternheit und Gewalt. Dabei gelingt es ihnen, die Bilder der mit Indern vollbesetzten Schiffe, die auf die französische Südküste zusteuern, rein durch sprachliche Imagination lebendig werden zu lassen. Plastisch und manchmal ekelerregend werden die Zustände an Bord beschreiben mitsamt Leichen und Fäkalien.

Ein Schaudern erfasst dabei die Zuschauer: Mitleid scheint hier niemand zu empfinden. Dieses Gefühl wird als Schwäche, als westliche Verweichlichung abgetan. Den Männern (Daniel Christensen, Stefan Graf, Michael Schütz und Andreas Vögler) dient die Situation dazu, buchstäblich die Sau herauszulassen und sich als Bürgerwehr auszutoben, wenn schon der schwache Staat die Armen nicht aufhält, dazu sind die Jagdflinten im Ritterschloss bequem zur Hand. Die Frauen (Katharina Bach, Xenia Snagowski) illustrieren das Problem der hereinbrechenden Überbevölkerung u.a. mit unzähligen kleinen Plastikpuppen, die sie an ihrem Busen nähren und die ganz zum Schluss die Bühne überschwemmen.

Dabei geht am Ende die Pointe des Ganzen fast unter: Es passiert nämlich – nichts. Kein Schiff landet an, keine Inder sind zu sehen, die Abendgesellschaft ballert mit Platzpatronen in die Luft. Die Angst vor dem schwarzen Mann hat ihre eigenen Kinder gefressen und eine Schimäre produziert, die in die Selbstzerfleischung mündet. Der Feind kommt nicht von außen, er sitzt in der eigenen Seele.

www.ruhrfestspiele.de und www.schauspielfrankfurt.de




So viel Komödie wie nur möglich – Molières „Tartuffe“ im Bochumer Schauspielhaus

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Orgon (Michael Schütz, links) und Tartuffe (Jürgen Hartmann) (Foto: Diana Küster/Schauspielhaus Bochum)

Gegen solche Verblendung ist kein Kraut gewachsen. Nur für das Wohlbefinden seines bewunderten Gastes Tartuffe interessiert sich der Hausherr, die lebensbedrohlichen Fieberschübe seiner Gattin aber sind ihm egal.

Gleich in der ersten Szene führt Regisseur Hermann Schmidt-Rahmer in unüberbietbarer Deutlichkeit vor, wie es zugeht im Hause Orgon. Das kann ja heiter werden. Bochums Schauspielhaus zeigt Molières „Tartuffe“, ein großes Vergnügen und nicht gänzlich frei von Hintersinn.

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Töchterlein Marina (Kristina Peters, vorn) ist in Ohnmacht gefallen, Zofe Dorine (Xenia Snagowski) herzt Hausherrn Orgon (Michael Schütz). (Foto: Diana Küster/Schauspielhaus Bochum)

Damals skandalös

Wenngleich: In unserer Gegenwart, in der gröbste Beleidigungen im Internet und „Shitstorms“ das gesellschaftliche Erregungsniveau bestimmen, wirkt eine Figur wie Tartuffe auf den ersten Blick vergleichsweise unauffällig. Ein Schleimer ist er, ein Verführer und Betrüger, und Heiratsschwindler könnte er wohl auch, na und?

Zu Molières Zeiten jedoch, im absolutistischen regierten Frankreich mit seiner ausgeprägten Günstlingswirtschaft, wirkte die ausführliche Zeichnung seiner Untugenden wegen ihres ausgeprägten Wiedererkennungswertes offenbar skandalös. Nach einer „Privatvorführung“ am Hof von Versailles, 1664, verbot der König die öffentliche Aufführung. Erst 1667 durfte das Volks eine entschärfte Fassung sehen, und das Aufregungspotential soll immer noch erheblich gewesen sein.

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Tartuffe (Jürgen Hartmann, links), Elmire (Raphaela Möst) (Foto: Diana Küster/Schauspielhaus Bochum)

Ein Finsterling eben

Glücklicherweise macht Regisseur Hermann Schmidt-Rahmer nicht den Versuch, Tartuffe zu einer Gegenwartsperson mit aktuellen, schändlichen Verhaltensweisen umzuformen. Tartuffe (Jürgen Hartmann), der ja erst spät die Bühne betritt, ist ein ebenso verlotterter wie gescheiter Finsterling und bleibt es auch. Natürlich ist seine kriminelle Energie erheblich, er bringt Orgon (Michael Schütz) und die Seinen um Hab’ und Gut, baggert Orgons Gattin Elmire (Raphaela Möst) an und würde auch das Töchterlein Mariane (Kristina Peters) nicht verschmähen, wenn dieses sich mit tatkräftiger Hilfe des Zimmermädchens Dorine (Xenia Snagowski) nicht zur Wehr setzte.

Das passt alles ins Bild eines schlechten Menschen und bedarf hier deshalb keiner weiteren Klärung. Das Bühnenbild versucht sie dennoch, Worte wie Ordnung, Anstand, Moral, Jungfräulichkeit oder Pünktlichkeit hängen in Großbuchstaben von der Decke (Bühnenbild: Thilo Reuther) und bemühen sich um eine Bezüglichkeit, die der Inszenierung ansonsten abgeht. Auch Orgons Motive und Gefühle stehen nicht eben im Mittelpunkt des Spiels. Hier reicht es, dass der Verführte seinen Fehler, wenn auch spät, erkennt.

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Herren in wechselnden Gewändern, von links: Orgon (Michael Schütz), Cléante (Daniel Christensen), Tartuffe (Jürgen Hartmann). (Foto: Diana Küster/Schauspielhaus Bochum)

Schenkelklopfer

Statt also in den Charakteren zu gründeln, testet diese Inszenierung lustvoll aus, was in einer gut geölten, burlesk überzeichnenden, nie um einen Gag verlegenen Komödie möglich ist. Grotesk und übertrieben bewegen sich die Personen, sprechen in getragenen Versen (deutsche Fassung von Wolfgang Wiens), um im nächsten Augenblick den Handlungsgang mit banaler Umgangssprache zu unterbrechen oder das Publikum direkt anzusprechen. Schnell wird es laut in den hitzigen Dialogen; wenn Worte fehlen, wird grimassiert und gestikuliert, und all das mit hohem Tempo. Screwball, Sitcom, Comedy: Alles drin, ein großes, schenkelklopfendes Amüsement.

Babydolls und klotzige Pumps

Michael Sieberock-Serafimowitsch, den man auch als Bühnenbildner kennt, der hier jedoch „nur“ für die Kostüme verantwortlich zeichnet, hat die Personen in hinreißend überdrehte grellbunte, die barocke Mode parodierende Kostüme gesteckt, einige Damen überdies in unförmige „Babydolls“ und klotzige hohe Pumps. Später jedoch, wenn die Wahrheit und der materielle Totalverlust ihr grausiges Haupt erheben und der Gerichtsvollzieher (Bernd Rademacher) in putzig durchgereimter Amtsspache den Pfändungsbeschluss verkündet, kauern sie sinnfällig entblößt am Bühnenrand.

An zwei Stöcken, doch überaus selbstbewusst stakt Anke Zillich als des Hausherrn verständnisvolle Mutter Madame Pernelle durch das Geschehen, Daniel Christensen gibt als Cléante einen erfrischend respektlosen Schwager, Matthias Eberle den Sohn, Roland Riebeling den Verlobten. Und wenn dieser Theaterabend so glänzend funktioniert, ist das natürlich nicht zuletzt das Verdienst dieses trefflich zusammenarbeitenden Ensembles.

Frenetischer, lang anhaltender Schlussapplaus.




Elend so nah: Jelineks „Die Schutzbefohlenen“ mit Epilog im Bochumer Schauspiel

Foto: Diana Küster/Schauspielhaus Bochum

Foto: Diana Küster/Schauspielhaus Bochum

Es regnet Menschen: Klein, rosa, nackt prasseln die Püppchen auf die Bühne hernieder und bleiben den Wohlstandsmenschen in den Haaren hängen. Sie häufen sich auf dem Boden, so dass die Bühnenarbeiter sie zum Schluss wegfegen müssen. Hilft ja nichts, es sind zu viele.

Wortkaskaden strömen in den Zuschauerraum, es sind viele Wörter, Textflächen, sie kreisen um die Themen Flucht, Migration, das Eigene und das Fremde und sie sind von Elfriede Jelinek. Hermann Schmidt-Rahmer inszenierte für das Bochumer Schauspielhaus „Die Schutzbefohlenen/Appendix/Coda/Epilog auf dem Boden“, wobei „Die Schutzbefohlenen“ bereits 2014 uraufgeführt wurde. Das Stück nimmt Bezug auf die antike Tragödie „Die Schutzflehenden“ von Aischylos. Parallel zur Entwicklung der „Flüchtlingskrise“ in Europa hat Jelinek den Text seitdem fortgeschrieben und erweitert. Der letzte Teil „Epilog auf dem Boden“ war nun in Bochum erstmalig zu sehen.

Die Perücken und Kostüme der Schauspieler erinnern an Marie Antoinette und Luis XVI, aber als seien sie von Karl Lagerfeld verfremdet und zum letzten Schrei von Paris erklärt. Die dekadente Gesellschaft trägt dunkle Datenbrillen, durch die sie in sicherem Abstand die Tragödie auf dem Mittelmeer medial verfolgt.

Nein, die Europäer sind nicht am eigenen Leibe betroffen, sie schauen nur zu. Natürlich ist das schrecklich, da muss man Mitleid haben. Wirklich beängstigend wird es aber für sie erst, als plötzlich die realen Menschen in ihr Land strömen und man diesen und ihrem Unglück von Angesicht zu Angesicht begegnen kann. Da wird’s dann doch ein bisschen viel. So genau wollte man das Elend lieber doch nicht sehen.

Foto: Diana Küster/Schauspielhaus Bochum

Foto: Diana Küster/Schauspielhaus Bochum

In Jelineks Text prallen die Absurditäten der Politik und Gesellschaft mit einer ganz eigenen Ironie aufeinander. Sie hat dem Gerede gelauscht und reiht die wahnsinnigen Worthülsen dieser Tage so aneinander, dass man nicht zu fassen glaubt, was man da alles hört.

Doch wie funktioniert das auf der Bühne? Schmidt-Rahmer hat mit seinem Bühnenbildner Thilo Reuther und den Kostümen von Michael Sieberock-Serafimowitsch eine ästhetische Plattform gefunden, in der sich das Thema sinnfällig entfalten kann: Die große Landkarte von Nordafrika ist wie ein Trichter aufgehängt, durch den die eingangs beschriebenen Püppchen in die Szene purzeln. Die großartigen Schauspieler bringen den Text zum Schweben und helfen bei der Materialisierung – inklusive Püppchenköpfen (für das Video im Netz).

Allerdings ist Jelineks Perspektive immer nur die unsere: Auch wenn Schicksale von Flüchtlingen referiert werden, geschieht das durch unsere Augen und nicht aus deren eigener Sicht. Hier gerät der Text an seine Grenzen, das ist dramatisch nicht leicht zu überwinden. In Nicolas Stemanns Inszenierung für das Thalia Theater waren Flüchtlinge selbst als Chor einbezogen, Schmidt-Rahmer überlässt es in Bochum den Schauspielern, auch in die Rollen der Flüchtlinge zu schlüpfen. Das klappt nicht immer. Aber warum sollte es auch? Jelinek schreibt über uns, weil sie von uns am meisten weiß. Und wir im Publikum schauen dabei zu – die anderen stauen sich an den Grenzen…

Karten und Termine: www.schauspielhausbochum.de




Demokratie und Peitsche: „Manderlay“ nach Lars von Trier am Schauspiel Essen

Foto; Martin Kaufhold/Schauspiel Essen

Foto; Martin Kaufhold/Schauspiel Essen

Wenn ein Mensch ausgepeitscht wird, ist das ein barbarischer Akt. Dabei zuzusehen und vor allem zuzuhören, wie das Folterwerkzeug auf die nackte Haut klatscht, das Opfer schreit und sich rote Striemen auf dem Rücken bilden, löst Scham aus. Darüber, dass man nicht eingreift und so die Züchtigung stillschweigend billigt. Darüber, dass man sich den Schmerz vorstellen kann, er aber jemand anderem zugefügt wird.

Als Auftakt für die Dramatisierung von Lars von Triers Film „Manderlay“, die Hermann Schmidt-Rahmer für das Schauspiel Essen inszeniert hat, setzt diese Szene einen starken Akzent und führt mitten in das Herz des Stückes: Kann man ein autoritäres System in ein gewaltfreies, demokratisches Miteinander überführen?

Manderlay ist eine Plantage und sie liegt im Süden der USA. Obwohl die Sklaverei eigentlich schon seit Jahrzehnten abgeschafft ist, herrscht dort noch das alte Unterdrückungssystem. Die eigenen Gesetze und Regeln der Farm sind in einem Buch von Mam, der ehemaligen Besitzerin, niedergeschrieben. Dort hat sie ihre Sklaven auch klassifiziert und je nach Charakter in Kategorien eingeteilt. Grace, die neue „Chefin“ auf Manderlay will die Sklaverei abschaffen und die Demokratie einführen. Sie hasst dieses „rassistische“ Buch zutiefst.

Doch aus abhängigen Menschen freie, selbstbestimmte Wesen zu machen, gestaltet sich als schwierig: Sie sind es nicht gewohnt, selbst zu entscheiden oder sich für eigene Ziele einzusetzen. So bleibt die Arbeit ungetan, die Felder liegen brach und die wirtschaftliche Existenz aller ist plötzlich gefährdet. „Gutmensch“ Grace (Floriane Kleinpaß) gerät in ein Dilemma, das auch in der globalen Politik zu beobachten ist: Kann bzw. soll man die Menschen zu Freiheit und Demokratie zwingen, obwohl ihnen selbst diese Lebensform total fremd ist? Ist der Zwang zur Freiheit nicht per se unfrei? Sind demokratische Werte absolut zu setzen und in jeder Gesellschaft einzuführen, wenn nötig mit Gewalt? Der aktuelle politische Bezug könnte nicht offensichtlicher sein.

Ästhetisch haben Hermann Schmidt-Rahmer und sein Bühnen- und Kostümbildner, der Künstler Thomas Goerge, der auch mit Christoph Schlingensief am Operndorf in Burkina Faso gearbeitet hat, die Geschichte nach Afrika verlegt. Aus Benzinkanistern und Wohlstandsmüll gebaute Puppen repräsentieren die Figuren und nur an diesen kann man erkennen, wer schwarz oder weiß ist.

So erhält die Inszenierung neben einem gewissen Multikulti-Lokalkolorit zugleich den Charakter eines sozialen Experiments: Es geht um Macht in einer Gruppe, wer sie ausübt und mit welchen Mitteln er das tut. Die Hautfarbe ist dabei nur das Vehikel der Unterdrückung. Genauso gut könnte es Armut oder ein irgendwie anders bestimmter Makel sein – nichtsdestotrotz vermischen sich in der Realität Rassismus, soziale Benachteiligung und Gewalt auf unheilvolle Weise.

Foto: Martin Kaufhold/Schauspiel Essen

Foto: Martin Kaufhold/Schauspiel Essen

Die Realität ist es denn auch, die Graces Utopie scheitern lässt: Obwohl das Schicksal der Farm schon (völlig untypisch für Lars von Trier) auf ein Happy End zusteuert, weil trotz aller Widrigkeiten die Ernte eingebracht, die Schule geründet und das demokratische Abstimmungswesen verstanden ist, geht zum Schluss noch alles schief. Graces Liebhaber Timothy verspielt den Gewinn der Ernte beim Poker und beweist damit, dass Mam in ihrem rassistischen Buch doch recht hatte, ihn als unzuverlässigen Sklaven einzustufen.

Die aufgeklärte Chefin im ökologisch korrekten weißen Leinenkleid greift selbst zur Peitsche, um Timothy zu bestrafen. Und so kommt es, dass der Schauspieler Daniel Christensen an diesem Abend zum zweiten Mal öffentlich gezüchtigt wird. Aua.

Karten und Termine: www.schauspiel-essen.de




Der Drang ins Grenzenlose – Uraufführung von Tankred Dorsts Stück „Die Wüste“ in Dortmund

Von Bernd Berke

Dortmund. Blühende Zeiten für die Dortmunder Bühnen. Am kommenden Sonntag wird die Grass-Oper „Das Treffen in Telgte“ uraufgeführt, am letzten Samstag kam im Schauspiel erstmals Tankred Dorsts Stück „Die Wüste“ heraus. Bemerkenswert, dass solche Autoren dem Haus vertrauen.

Neuerdings pilgern ja selbst Kölner Theaterfans nicht nur nach Bochum, sondern just auch nach Dortmund. Nun also zieht es sie in jenes ortlose, hitzig-flirrende Gelände, das allerlei unausgelebte Sehnsüchte der Zivilisation entfacht: die Wüste. Bleibt’s eine dramatische Fata Morgana, oder findet Regisseur Hermann Schmidt-Rahmer die Oase?

Tankred Dorst (79) ist 1962 auf Partikel des Stoffs gestoßen, seither hat er sich in kreativen Schüben wiederholt darauf zubewegt und sich endlich tiefer hinein begeben. Zentrale Figur ist der historische Charles de Foucauld, um 1900 französischer Kolonialoffizier in Nordafrika. Der Kerl fraß das Leben wohl wie ein Berserker, hurte haltlos herum und wurde unehrenhaft aus der Armee entlassen.

Später begann er ein zweites Leben als Eremit im entlegenen Gebiet der algerischen Tuaregs – auf mystischer Suche nach dem Unbedingten, nach Gott und Tod und überhaupt. Im wirklichen Kirchenleben gibt’s einen Orden der „Kleinen Brüder Jesu“, der auf seinen Spuren wandelt, und Foucauld soll zu Pfingsten 2005 selig gesprochen werden.

Mit der Hure Mimi in der Badewanne

Und auf der in gleißendem Weiß gehaltenen Dortmunder Bühne? Da begegnet uns anfangs ein lauthals dröhnender Soldat, der sich mit der Hure Mimi (herrlich kapriziös auf ordinäre Art: Silvia Fink) in der Badewanne ergeht.

Doch schon in den Sekunden-Ritzen dieser Gier lässt der Schauspieler Harald Schwaiger auch eine wachsende Verstörung ahnen, diesen notorischen Drang ins Grenzenlose, der sich später vom Sinnlichen abwenden und in ein selbstmörderisches Märtyrertum ergießen wird. „Töte mich!“ hallt es schon zu Beginn mit Geisterstimme in den Lüften. Tatsächlich wird der Einsiedler durch einen Kopfschuss enden.

Sind also wildester Lebensrausch und quasi-religiös unterfütterte Todessehnsucht zwei Seiten derselben dunklen Sache? In diesem Sinne hat sich Tankred Dorst (der sich erst nach der Aufführung im Foyer sehen ließ) vorab geäußert. Offenbar ist die über weite Strecken spannende Inszenierung, die vor allem bis zur Pause durch dichte Figurenführung überzeugt, seiner Intention treulich gefolgt. Und zwar auf geschmackssichere Weise, wenn man davon absieht, dass am Ende Foucauld an einer Rakete hängt wie Jesus am Kreuz.

Der Asket Foucauld wälzt sich wollüstig in seinen Visionen

In seiner Einsiedelei filtert Foucauld mit einem Grammophon-Trichter die „Stimme Gottes“ aus dem Äther, kauert halbnackt auf einem Sockel und weiß abermals dröhnend von seinen Grenzerfahmngen zu künden. Der Lüstling hatte bereits einen Hang zum Eremitentum, und noch der Asket wälzt sich geradezu wollüstig in seinen Visionen. Seine taumelnde Haltung und seine manchmal auch so träge resignierende Stimmlage haben sich kaum verändert. Dieser europäische Mensch ist und bleibt einer, der letztlich nur sein Ich steigern will – gleichgültig, in welche Richtung.

Die Wüste scheint ohnehin vielerlei schwankenden Wahn zu wecken. Zwischendurch hält die Inszenierung Ausschau nach heutigen Wüsten-Vorstellungen zwischen Hippie-Trip, komischer Geschäftstüchtigkeit (Skorpione für den Verkauf nach Europa einfangen) und touristischem Irrsinn.

Ach, Europa! Hier mündet selbst Todeswunsch in bloße Theatralik. Alles nur Auftritt, nur ichversessenes Spiel: Ein Strang des Geschehens zeigt in Paris jene Marie (äußerlich kühl, innerlich brodelnd: Birgit Unterweger), die vermeintlich ihren Mann Hector (hübsch geckenhaft: Bernhard Bauer) mit Zyankali töten will, um der ach so aufregenden „Verbrecher“-Seele Foucauld notfalls in die Hölle zu folgen. Doch es ist nur romantische Attitüde, für deren bühnenreife Folgen selbst Hector artigen Beifall spendet. Bei einem Attentat wird er doch noch sterben, inmitten eines explodierenden Büffets, einer Aggression gegen westlichen Luxus also. Spätestens mit diesem Horror ragt das Stück ins Heute hinein.

Termine: 6., 19. März; 8., 16., 30. April. Karten: 0231 / 50 27 222.




Proust auf dem Boulevard – Dortmund bringt Harold Pinters Drama über die „Suche nach der verlorenen Zeit“ heraus

Von Bernd Berke

Dortmund. Viele nennen ihn mit Ehrfurcht, die allerwenigsten dürften ihn je gänzlich gelesen haben: Marcel Prousts vielbändigen Romanzyklus „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. Am Dortmunder Schauspiel kann man das Epos jetzt in rund zweieinhalb Stunden durchmessen. Wie das?

Nun, der britische Dramatiker Harold Pinter hat anno 1972 auf der Basis seiner Proust-Lektüre ein Script erstellt, das von Joseph Losey verfilmt werden sollte. Dazu kam es nie. Viele Jahre später aber hat die Regisseurin Di Trevis den Text für die Bühne hergerichtet und fürs National Theatre in London inszeniert. Dortmunds Fassung (Regle: Hermann Schmidt-Rahmer) firmiert als deutschsprachige Erstaufführung.

Um die Wahrheit zu sagen: Mit Proust hat das Resultat nur noch von ungefähr zu tun. Schon Pinter sah sich genötigt, ungeheuer viele Feinheiten und Hunderte von Figuren des Ur-Textes zu opfern, er konnte nur Essenzen destillieren und Tupfer setzen. Gleichwohl ist’s ein Werk aus eigenem Recht.

Eine weitere Verlustmeldung betrifft die deutsche Übersetzung von Ingrid Rencher, in der gelegentlich unschöne Anglizismen („Das würdest du nicht“) durchscheinen. Eine schwierige Vorlage also.

Endlich beginnen – mit dem Leben und dem Schreiben

So sehen wir denn Prousts literarische Stellvertreter-Figur Marcel (entschieden gegen Prousts Typus besetzt, weil blond, sportlich und frisch: Manuel Harder) zumeist verhalten durch sein Werk und Leben (Leiden der Kindheit, Pariser Salons usw.) geistern. Oft sinniert er nur still, gelegentlich lacht er auf im Blitz nachträglicher Erkenntnis. Sein Fazit: Etliches hat er versäumt im unmittelbaren Dasein. Erinnerung tut schmerzlich not. Sein letzter Satz lautet, es sei „Zeit zu beginnen“. Mit dem Leben? Mit dem Schreiben?

Vor allem aber driftet Marcel durch einen triebgesteuerten Menschenreigen. Gar manches schnurrt hier letztlich auf boulevardeske Fragen an eine schrille „Szene“ zusammen: Wer trieb’s wann mit wem? Wer war schwul oder lesbisch? Ach, welch ein munterer Tratsch.

Durch sieben Türen müssen sie gehen: Im meist gleißend weißen Halbrund der minimalistischen Szenerie (Bühnenbild: Herbert Neubecker) kommen und verschwinden die Gestalten Proustscher Erinnerung. Ein Effekt, der anfangs überzeugt, sich aber abnutzt. Jedenfalls geht’s in dieser dekadenten Gesellschaft im Vorfeld des Ersten Weltkrieges vorwiegend kaltherzig, gierig und intrigant zu. Was wohlfeil zu beweisen war.

Sieben Türen und keine Erfüllung

Hier gleitet, auf spiegelglattem Boden, die Zeit gespenstisch rasch. Die Jahre überlagern sich, sie flackern mitunter fast simultan auf: Kaum sahen wir Marcel als kleinen Jungen, da erscheint er schon als kranker Mann. Denkwürdige Folge und eine Stärke des Textes, der irgendwie auch die mäandernde Vielfalt des Romans abbildet: Todesnähe folgt direkt auf selbstvergessenes Leben, Eifersucht stellt sich gleich nach erster Liebesblüte ein. Überhaupt findet hier niemand Erfüllung in Zweisamkeit. Da wähnt man sich in Gefilden von Botho Strauß.

Nicht leicht ist’s, sich im Gewimmel der aus Prousts Universum verbliebenen Gestalten zurechtzufinden. Ein pragmatischer Kritiker stellte in London die Frage: „Who is who?“ Auch in Dortmund ließe sich manches Rollenprofil wohl noch etwas schärfen (was freilich nicht im Sinne einer steilen Typisierung geschehen sollte). So aber bleibt es stellenweise bei Türenschlagen, Getrappel und Kostumvorführung.

Doch einige Figuren schleichen sich ins Gedächtnis ein, so besonders der ziemlich originalgetreue Dandy Baron de Charlus (Jens Weisser), die vor Sehnsucht waidwunde Odette (Silvia Fink) oder der linkisch sich aus dem Leben davonstehlende Swann (Bernhard Bauer); womit wir die Leistung der Anderen nicht schlankweg schmälern wollen.

Freundlicher Beifall fürs spürbare, jedoch nur zum Teil fruchtende Bemühen um einen problematischen Text. Ob andere Bühnen ihn nachspielen werden?

Termine: 13., 21., 29. November. 5.. 14, 20. Dezember. Karten: 0231/50 27 222.




Ein „Sturm“ im üblichen Rahmen – Shakespeares Drama am Dortmunder Schauspiel

Von Bernd Berke

Dortmund. Ganz träge bewegen sich die Gestalten auf dem schlingernden Schiff. Doch allmählich begreifen sie, dass der Kahn unterzugehen droht. Plötzlich wird aus Bräsigkeit helle Panik, es erhebt sich Geschrei, und das Wasser spritzt hoch – bis in die ersten Sitzreihen des Schauspielhauses.

„Der Sturm“ von William Shakespeare tobt mal wieder über die Bühne, seit Samstag herrscht schwere See in Dortmund. Sie lässt Neapels König Alonso samt Gefolge (darunter Antonio, unrechtmäßiger Herzog von Mailand) auf einem verlassenen Eiland stranden. Zauberkräftiger Beherrscher dieser Insel ist ausgerechnet Prospero, dem eigentlich Mailand zustünde, der aber vor zwölf Jahren von seinem Bruder Alonso schmählich auf offener See ausgesetzt wurde, mitsamt seiner kleinen Tochter Miranda.

Shakespeares mutmaßlich letztes Stück, schwankend zwischen heiterer Gelassenheit, Melancholie und Verzweiflung, lässt keine Rache zu. Der Büchermensch Prospero, Muster eines geistvollen Regenten, vergibt am Ende seinen einstigen Feinden und schwört aller magischen Macht ab. In Dortmund (Regie Hermann Schmidt-Rahmer/Bühnenbild Herbert Neubecker) verzeiht Prospero gleichsam zähneknirschend. Er ist der weltlichen Dinge müde, von Alters-Verzweiflung satt – und tröstet sich zum Sçhluss mit Dosenbier.

Das hier bisweilen eher tapsig als wundersam chaotisch wirkende Drama begibt sich auf sehr schräges Geläuf aus morschem Holz. Einige Planken werden herausgerissen, so dass Blicke ins buchstäblich „Bodenlose“ fallen. Man meint, derlei Bühnenaufbauten schon des Öfteren gesehen zu haben. In diesem Ambiente durchdringen einander die Welten: Hier Alonsos dümmliche Hofschranzen, da die von Prospero gezähmte Geisterwelt mit dem guten Laufwesen Ariel und dem bösen Erdling Caliban.

Ein Drang zur sinnreichen Form bleibt spürbar .

Beim oft simultanen Spiel wird es zuweilen eng auf der Bühne. Die Menschen sind niemals allein, sondern stets von Geistern und Träumen umfangen. Und beide Sphären sind geprägt von allerlei Knechtschafts-Verhältnissen; ein Umstand, den diese Inszenierung füglich betont. Doch allzu viel Erhellendes gewinnt sie dem Stoff so nicht ab, wie denn überhaupt ein Drang zur sinnreichen Form stets spürbar bleibt, doch Formvollendung sich nur selten einstellt. Mit der Zeit mag sich die Sache noch entwickeln. Die Premiere muss nicht das Maß aller Dinge bleiben.

Jede Figur bekommt ihre Attribute oder Schrullen zugeteilt, nicht immer erschließen sich die Motive: Prospero (Andreas Weißert) wandelt einher wie ein altgriechischer Philosoph, immer mehr bebenden Ernst in der Stimme, um bedeutsame Innigkeit bemüht. Alonso (Günther Hüttmann) ist kein König zum Aufschauen, sondern einer zum Knuddeln.

Wenn der Kulturlose in Büchern blättert

Gar gelenkig rollt und wälzt sich Prosperos nun 15-jährige Tochter Miranda (Birgit Unterweger) über den Bühnenboden – ein immerzu tollendes Kätzchen. So bezaubert sie Alonsos etwas unbedarften Sohn Ferdinand (Alexander Swoboda) und so weckt sie die Geilheit des wilden Caliban (hier die interessanteste Figur: Felix Römer). Der ach so Kulturlose wird ganz am Schluss in Prosperos Büchern blättern, und man darf raten: Paart sich hier Bosheit mit Wissensdurst, oder wird er sich zivilisieren?

Zwei Figuren gesellen sich dem Caliban zu wie eine brutale Ausgabe von Dick und Doof: Trinker (Sebastian von Koch) und Stephan (Rainer Galke), der eine ein arger Proll mit Bierdosen-Paletten und „saustarken“ Ballermann-Sprüchen, der andere ein feiger Depp mit österreichischem Zungenschlag. Es sind wandelnde Zugeständnisse ans Unterhaltungsbedürfnis, darin gar nicht so weit von Shakespeare entfernt.

Für Zauber und Poesie ist derweil der kahl geschorene, mit hellem Stimmchen singende Ariel zuständig, gespielt von Kindern (im Wechsel: Anna Bonkhoff, Christina Westermann), sehr lieb und somit nicht von dieser Welt. In ein solches Jenseits wären wir gern weiter entführt worden. Freundlicher Beifall im Rahmen des Üblichen. Er entsprach dem Anlass.

Termine: 24;, 26. November, 2., 17. und 29, Dezember. Karten: 0231/5027222.




Die Evolution frisst ihre Kinder – Nicky Silvers Horror-Comedy „Fette Männer im Rock“ in Dortmund

Von Bernd Berke

Dortmund. Die blonde Tussi im Kostüm beklagt sich, als wär’s mit der Pauschalreise nicht so recht gelaufen: Nein, ach nein, Strände habe sie noch nie leiden können. Der ganze Sand in Strümpfen und Schuhen…

Diese Phyllis (Harriet Kracht) und ihr debiler, anfangs immerzu stotternder Sohn Bishop (Sebastian von Koch) sind als einzige Überlebende eines Flugzeugabsturzes auf einer Insel gestrandet. Als Bishop seinen ersten Hunger mit Muttis Lippenstift gestillt hat, darf er die verblichenen Fluggäste tranchieren. Mit dem Unterarm einer Nonne fängt’s an, hernach ist es auch schon mal ein Baby, das er kannibalisch vertilgt und dessen Hirnschale er mit dem Trinkhalm ausschlürft. Hier fragt man sich denn doch beklommen, wohin sich das Theater treiben lässt.

Nicky Silvers Farce „Fette Männer im Rock“ erspart einem aber auch nichts. In der Dortmunder Studio-Aufführung (Regie: Hermann Schmidt-Rahmer) erleben wir eine schrille Horror-Comedy. Immer wieder gleiten jedoch Schatten und Irrlichter des Traumes über die Szenerie, so dass dies alles als monströse Kopfgeburt kenntlich wird, womöglich ausgebrütet in der Phantasie eines früh vom Vater vernachlässigten Kindes. Mal überlappen sich die Zeitebenen und Figuren, mal gleiten sie mit Spiegeleffekten aneinander vorbei – just wie im (Alb)-Traum.

Die Personen sind nicht mehr fest umrissen, sind nur noch Wiedergänger ihrer selbst, Attacke und Selbstaufgabe fließen ineinander. Auch bodenloser Unernst und jähes Erschrecken changieren hier, zuweilen bewusst bonbonkitschig verknüpft.

Jener besagte Vater (Sébastien Jacobi), blasiert-cooler Kinoregisseur, tut’s unterdessen mit einem durchgeknallten Pornofilm-Starlet (Sandra von Kiedrowski), das zwischen den paar verbliebenen Optionen des Lebens zuckt, als seien es Stromstöße. Frau und Sohn werden das Flugunglück ja wohl nicht überlebt haben, oder? Doch!

Nach Jahren kehren die zwei zurück, nun flackert das Urzeit-Lagerfeuer mitten im Wohnzimmer. Sohn Bishop, längst verwilderter „Wolfsjunge“ und durch nichts mehr aufzuhalten, besorgt der Mutter haufenweise die ersehnten Schuhe – von Leuten, die sie „nicht freiwillig hergeben“. Sodann schlachtet er den Vater, dessen schwangere Gespielin und wohl auch die inzestuös begehrte Mutter ab. Das hysterische Nach-Spiel in einer Psychiatrie lässt alles vollends kollabieren. Wer Arzt ist und wer Patient, kann man allenfalls noch daran erkennen, ob der Kittel vorn oder hinten zugeknöpft wird. Am Ende ertönt nur noch das Geschrei der Affen…

Umkehrung der Evolution also. Unterm dünnen Anstrich der Zivilisation bricht die rohe Kreatur hervor – wie für alle restlichen Zeiten. Wir müssen keine Kriegsgebiete nennen, um derlei Befürchtungen in der Realität zu verankern. Und wir müssen keine bestimmten Medien oder Geiselnahme-Talkshows zitieren, um zu ahnen, dass Grausamkeiten konsumierbar zugerichtet werden. Silvers Stück ist gar nicht so haltlos, wie es zunächst scheinen mag.

Die Inszenierung wandelt gelegentlich auf dem Grat, letztlich ödes Nur-noch-Chaos zu produzieren. Doch das Darsteller-Quartett, allen voran Sebastian von Koch als Mutant des abgründig Bösen, spielt zuweilen so schockierend angriffslustig, dass man die Stätte der Kultur am Ende keineswegs nur amüsiert, sondern angefüllt mit wirren Ängsten und Aggressionen verlassen mag. Ob solche Gefühle wohl fruchten?

Termine: 22., 30. September. Karten: 0231/502 72 22.