Es könnte ruhig ein wenig mehr sein – Museum Folkwang zeigt Werke Lyonel Feiningers aus eigenem Bestand

Lyonel Feininger: „Leuchtbake I“, um 1913 (Bild: Museum Folkwang, Essen © VG Bild-Kunst, Bonn 2018)

Einer Ritterburg gleich trutzt der Leuchtturm über feindseligen Felsenmassen, eine von Menschen gefügte Stahlkonstruktion übertrumpft die unwirtliche Natur. Ihr Licht erhellt diffus das aufgewühlte und vom Stein durch die Farbe kaum zu unterscheidende blaue Meer, die Strahlen wirken prismatisch zerlegt, verweigern sich bei ihrer Ausbreitung physikalischen Prinzipien.

Hier trifft Kraft auf Kraft, Meer und Fels und Turm und Himmel, fast wähnt man sich in einem Kampfgeschehen, und unklar ist wer siegt. Auch mag man sich fragen, ob der Kampf der Elemente die Landschaft dergestalt zerklüftet hat, wie Lyonel Feininger sie 1913 malte. Oder ob er gleich einem Muskelspiel lediglich die Kräfte zeigen und gleichsam überhöhen wollte, die der rauhen Natur unter glatter Oberfläche innewohnen. Der Konstruktivist – und Lyonel Feiniger gilt als einer ihrer herausragenden Vertreter – ist zwangsläufig eben immer auch ein Dekonstruktivist, besonders dann, wenn Machart und Thema so wunderbar zusammenpassen wie in diesem Bild, das übrigens sehr nüchtern „Leuchtbake I“ heißt und sein Vorbild einst in Swinemünde fand.

Lyonel Feininger: „Gelmeroda IX“, 1926 (Bild: Museum Folkwang, Essen © VG Bild-Kunst, Bonn 2018)

Bezug zur Romantik

Fast einen Quadratmeter groß und mit düsteren Ölfarben gemalt zeigt die „Leuchtbake“ viel Nähe zum Expressionismus; in Holz geschnitten und gedruckt ist beim selben Motiv der Grad der Abstraktion größer, und Bezüge zur magischen Romantikwelt eines Caspar David sind beiden Bildern eigen. Jetzt hängen sie beide im Essener Folkwang-Museum nahe beieinander und ermöglichen Vergleiche.

„Bauhaus am Folkwang“ heißt die kleine Ausstellungsreihe anläßlich des 100. Geburtstags des Bauhauses, die mit Lyonel Feininger ihren Anfang macht, um im weiteren Jahresverlauf „Bühnenwelten“ und den Fotografen Lázló Moholy Nagy zu präsentieren.

Feininger wurde 1919 von Walter Gropius als erster Meister an das Weimarer Bauhaus berufen – im selben Jahr übrigens, als das Museum Folkwang, damals noch in Hagen, dem Achtundvierzigjährigen eine erste große Ausstellung ausrichtete.

Überragender Handwerker

Alle drei Folkwang-Ausstellungen speisen sich ausschließlich aus eigenem Bestand, was die Sache leider recht übersichtlich macht. 34 Feininger-Arbeiten sind jetzt ausgestellt, darunter ganze vier Gemälde. Druckgraphik – vor allem Holzschnitt – überwiegt. Angesichts der ungewöhnlich hell gehaltenen Holzschnitte immerhin wird sofort deutlich, daß Feininger auch ein überragender Handwerker war.

Wee Willie Winkie’s World

Nun ist es durchaus beachtlich, wenn ein Museum vier Gemälde Lyonel Feiningers besitzt, aber für eine Ausstellung ist es eher wenig. Nicht viele Kunstinteressierte werden eigens für diese „Kabinettausstellung“ nach Essen reisen. Einmal mehr wäre Kooperation zwischen Museen einzufordern, die Bilder dieses Künstlers besitzen, um eine größere, angemessenere und attraktivere Werkschau auf die Beine zu stellen. Dann könnte man vielleicht auch mal etwas mehr erfahren über den Comic-Zeichner Lyonel Feininger, der ab 1906 für die Chicago Sunday Tribune „Wee Willie Winkie’s World“ und „The Kin-der Kids“ (wirklich mit Bindestrich) zeichnete. In Essen ist nichts davon.

Doch immerhin können sie hier „Gelmeroda IX“ (1926) zeigen, eine Kirche aus Konturen, Helligkeitswerten und prismatisch aufgebrochenen Farben in wechselseitiger Durchdringung, imposantes Ölbild in der meisterlichen Vervollkommnung des Spätwerks. 1948 war das Aquarell „Gelmeroda“ (nicht verwechseln) übrigens der erste Feininger-Ankauf des Folkwang-Museums nach dem Krieg, nachdem die Nazis den alten Feininger-Bestand 1937 als „entartet“ ausgeräumt hatten. Weitere Gemälde sind „Dorf Alt-Salenthin“ (um 1912) und der Kirchturm von Mellingen (1912).

Lyonel Feininger: „Die Eisenbahn-Brücke“, 1919 (Bild: Museum Folkwang, Essen © VG Bild-Kunst, Bonn 2018)

Gut konzipiert

Die Ausstellung selbst ist ganz untadelig von Kuratorin Nadine Engel konzipiert worden. Absolut lesenswert sind die Wandtexte in den beiden Ausstellungsräumen, die Lyonel Feininger kompetent in die Kunst- und Künstlerwelt seiner Zeit einsortieren. Große Namen reihen sich, Osthaus, Matisse, Delaunay, Gropius und nicht zuletzt der des Galeristen Herwarth Walden, dessen Berliner Galerie „Der Sturm“ vor dem ersten Weltkrieg ein Kulminationspunkt der modernen Kunst war.

Ein konstruktivistisches „Who is who“, wenn man so sagen darf, war 1924 dann sicherlich die von der Malerin Galka Scheyer vorangetriebene Gründung der Gruppe „Die Blaue Vier“: Paul Klee, Wassily Kandinsky, Alexej von Jawlensky und Lyonel Feininger. Respektlos gesprochen war dies allerdings ein Zusammenschluß von Frührentnern, Klee war mit 45 Jahren der mit Abstand jüngste, Jawlensky mit 59 der älteste, gefolgt von Kandinsky (58) und Feininger (53). Der Name war – auch – eine sprachliche Verbeugung vor der Gruppe „Der blaue Reiter“, und es ging den Herren wohl nicht mehr so sehr um künstlerische Selbstfindung. Sie sahen sich, damals in Weimar, eher als Ausstellungsgemeinschaft. Wie hätten sie wohl das Folkwang-Museum bespielt? Zugegeben, eine rein rhetorische Frage.

Der Spaßvogel

Schließen wir beschaulich mit Feininger, dem Spaßvogel, der neben Bergen, Meeren und Kirchen gerne auch Tore in Holz schnitt. Einem solchen Bild hat er unten links eine stadtbekannte Prostituierte hinzugefügt und es mit „Lein-öl-Ein-Finger“ signiert. Einen direkten Zusammenhang zwischen diesen beiden Feststellungen soll es aber nicht geben.

  • „Bauhaus am Folkwang – Lyonel Feininger“
  • Museum Folkwang, Essen, Museumsplatz 1
  • Bis 14. April 2019.
  • Geöffnet Di, Mi, Sa, So und Feiertage 10 – 18 Uhr, Do, Fr 10 – 20 Uhr
  • Der Eintritt ist frei
  • In der Bauhaus-Reihe folgen die Ausstellungen
  • „Bühnenwelten“ (28.4. – 8.9.2019)
  • László Moholy-Nagy (20.9. – Dezember 2019)

 




Maler zwischen den Epochen – Conrad Felixmüller in Haus Opherdicke

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Conrad Felixmüller im Selbstbildnis von 1954 (Foto: Kreis Unna)

Suchte man nach einem Wort, das kennzeichnend wäre für den Maler Conrad Felixmüller, so wäre es vielleicht das Wort „dazwischen“. Conrad Felixmüller, der eigentlich Konrad Felix Müller hieß und den Felix seinem Nachnamen zuschlug, um sich von den anderen Müllers dieser Welt zu unterscheiden, lebte und wirkte zwischen Epochen.

Geboren 1897, arbeitete er als junger, hoch begabter und früh geförderter Künstler im modernsten Stil seiner Zeit, dem Expressionismus. Er sah seine Arbeit politisch, wurde früh KPD-Mitglied. 1920, mit gerade einmal 23 Jahren, erhielt er den sächsischen Staatspreis und hätte für zwei Jahre nach Italien in die Villa Massimo ziehen können. Doch statt dessen ging er als Kunststipendiat ins Ruhrgebiet, brachte im harten Schwarzweiß der Tuschezeichnung, der Radierung oder des Holzschnitts Arbeits- und Streikszenen auf das Papier, deren ungeschönte Wirklichkeit sich trotz expressiven Umgangs mit Perspektiven und Dimensionen auch heute noch augenblicklich erschließt.

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Fabrikarbeiter (Arbeitsinvalide), 1921, Holzschnitt auf Bütten, Sammlung Wilke (Foto: Kreis Unna)

Klassenkämpfer

Der Künstler als Klassenkämpfer – bis etwa 1925. Da wandte er sich abrupt vom Expressionismus ab und pflegte fürderhin weitgehend die Malweise der Neuen Sachlichkeit, die nur sehr gedämpft noch stilistische Anleihen beim Expressionismus nahm. Felixmüller wurde das Glück zuteil, nicht schon im Ersten Weltkrieg zu fallen und fast 80 Jahre alt zu werden. Wenngleich er, dessen Kunst die Nazis als entartet gebrandmarkt hatten, ab 1949 Kunstprofessor in Halle war, wird er die neuen Strömungen in Westdeutschland registriert haben, den Abstrakten Expressionismus, das Informel, Zero und was es sonst noch so gab.

Volkswagen im Holzschnitt

Er muß auch die Pop-Art wahrgenommen haben, die in seinem Todesjahr 1977 ihren Höhepunkt auch in Europa schon überschritten hatte. Doch nichts davon schlägt sich in Felixmüllers Schaffen nieder. Im Gegenteil ist es geradezu frappierend, wie der gereifte Künstler, seinen Stilmitteln treu bleibend und kompositorisch noch souveräner als in frühen Jahren, sich wiederum dem Ruhrgebiet zuwendet. Sein später Blick auf die Verhältnisse ist, zu Recht vielleicht, milder geworden. Den Schichtwechsel auf der Zeche sieht er nun vom Parkplatz aus – was, kleine Bemerkung am Rande, dem VW-Käfer dazu verholfen hat, im Oeuvre Conrad Felixmüllers präsent zu sein („Schichtwechsel auf Zeche ,General Blumenthal’ (Recklinghausen)“, Holzschnitt, 1974).

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Dieses Bild ziert auch die Titelseite des Katalogs: Bildnis Londa im blauen Samtkleid (Ausschnitt), 1927, Öl auf Leinwand (Foto: Kreis Unna)

Abschiedsgeschenk

In Haus Opherdicke, das dem Kreis Unna gehört und sich vorzüglich für die Präsentation kleiner und mittlerer Bildformate eignet, sind nun rund 100 Arbeiten des Künstlers zu sehen. Thomas Hengstenberg und Sigrid Zielke-Hengstenberg, Leiter bzw. Kulturreferentin des Fachbereichs Kultur, haben die Ausstellung zusammengetragen und realisiert, und unhöflicherweise, wie es vielleicht scheinen mag, wurde hier der Herr zuerst genannt, weil Thomas Hengstenberg mit dieser Bilderschau in den Ruhestand geht. Er hat sich also, wie man in solchen Fällen zu sagen pflegt, mit Felixmüller selbst ein schönes Abschiedsgeschenk gemacht. Und dem Publikum selbstverständlich auch.

Der Drucker

Und natürlich wäre diese Ausstellung ohne viel Kontaktpflege und Netzwerkerei in den vergangenen (Dienst-) Jahren nicht möglich gewesen. Wiederum steuert der Sammler Frank Brabant einige Werke bei, und ein Großteil der ausgestellten Druckgraphik stammt aus der Sammlung Wilke. Hans-Jürgen Wilke war in Berlin Felixmüllers Drucker, und die Holzschnitte und Radierungen, die er als Auflagenwerke druckte, hat er auch gesammelt. Die beiden schätzten sich, und sie mochten sich wohl auch, denn 1976 hat Felixmüller den Drucker und seine Frau Dagmar gemalt, in Farbe, Öl auf Leinwand. Weitere Leihgaben kamen aus der Sammlung Bunte, vom P.A.Böckstiegel Freundeskreis und aus dem Von der Heydt-Museum Wuppertal.

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Frühlingsabend in Klotzsche, 1926, Öl auf Leinwand, Sammlung Brabant (Foto: Kreis Unna)

Perfekt und gesittet

Es gibt kaum einen Künstler vom Rang Felixmüllers, der in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts noch – und in fortgeschrittenem Alter zudem – so intensiv die anstrengende Kunst des Holzschnitts pflegte. Und wenn man kein ausgewiesener Felixmüller-Experte ist, gibt erst der Blick auf die Bildunterschrift Aufschluß über die Entstehungszeit, so homogen wirkt das Werk.

In der Landschaft und in Stadtansichten aquarellierte er einige Male meisterlich, doch vorzugsweise malte er in Öl, vor allem Portraits. Auch die Familie – die Söhne Luca und Titus, Gattin Londa – mußten immer wieder einmal auf die Leinwand, auf der es gut bürgerlich zugeht, züchtig und gesittet, manchmal fast ein bißchen langweilig.

Von der expressiven Wucht der frühen Jahre jedoch, von der etwa die Holzschnitte von Max Liebermann und Christian Rohlfs noch künden und die der Katalog auf einer Doppelseite nebeneinander stellt, ist späterhin nichts mehr zu spüren. Möglicherweise war die Zeit für diese Kunst vorbei, jedenfalls in den Augen Conrad Felixmüllers.

  • Conrad Felixmüller
  • 25. September 2016 bis 26. Februar 2017
  • Haus Opherdicke, Dorfstraße 29, Holzwickede
  • Di-So 10.30 – 17.30 Uhr
  • Eintritt 4,00 €, Katalog 26,00 €
  • www.kreis-unna.de, www.kulturkreis-unna.de