Christo baut Mauer aus 13000 Ölfässern – Verhüllungskünstler sorgt 1999 für Attraktion im Gasometer

Von Bernd Berke

Oberhausen. Das wird ein Ding: Der berühmte Verhüllungskünstler Christo und seine Gefährtin Jeanne-Claude wollen 1999 im Oberhausener Gasometer eine Mauer aus 13.000 Ölfässern errichten lassen. Als beide gestern die Grundzüge des Projekts präsentierten, war auch NRW-Kulturministerin Ilse Brusis schon im voraus begeistert. „Weltkünstler“ und „wunderbar“ waren die zentralen Stichworte ihrer kurzen Ansprache.

Prof. Karl Ganser, Geschäftsführer der Internationalen Bauausstellung „IBA Emscher Park“, die im nächsten Jahr u. a. mit dem Christo-Spektakel in die Zielgerade geht, ist gleichfalls schon jetzt vom Gelingen mit enormer Werbewirkung fürs Revier überzeugt: „Christo ist ein Ereignis per se“, befand er.

Das Grandiose ist schon ausgemachte Sache

Wenn also das Grandiose an dem Vorhaben bereits ausgemachte Sache ist, kann man sich getrost den profanen Details zuwenden, soweit sie bekannt sind: 13.000 Ölfässer werden im 117 Meter hohen Gasometer (wo zuletzt die Fernseh-Schau „Der Traum vom Sehen“ Furore machte) so aufgetürmt, daß sie eine 26 Meter hohe, 68 Meter breite und 7,23 Meter tiefe, undurchdringliche Wand im Inneren des Industriebaus bilden und diesen gleichsam in zwei Hälften spalten. Der Titel der gigantischen Arbeit lautet denn auch „The Wall“ (Die Mauer).

Mit dem Aufbau sollen rund 25 Helfer schon Anfang Januar beginnen, denn am 30. April 1999 soll das Werk in voller Schönheit aufragen. Dies sagte Projektkoordinator Wolfgang Volz, der bereits Christos legendäre Reichtagsverhüllung in Berlin organisiert hat. Bauvorschriften würden auch in Oberhausen peinlich genau beachtet, damit „The Wall“ nicht etwa wankt oder stürzt.

Bei den Ölfässern werde es sich keineswegs um verrostete, sondern um nagelneue Exemplare handeln, verriet Jeanne-Claude, ohnehin ungleich beredsamer als Christo. Grund für den Neueinkauf: Die frischen bunten Lackierungen sollen eine Art Mosaik ergeben. Und nach der Aktion, so wurde ökologischen Bedenkenträgern versichert, gehen die Metallfässer in den normalen Wirtschafts-Kreislauf samt Recycling ein. Beruhigend.

„Den Menschen Freude und Schönheit bringen“

Wiederum war es Jeanne-Claude, die all dies mit einem hübschen Motto drapierte: ,Joy and beauty“ wolle man den Menschen mit dieser Arbeit bringen, Freude und Schönheit also. Wem wird es dabei nicht warm ums Herz? Und dann hörte man noch, daß Christo und Jeanne-Claude einen Teil ihrer Herzen just in Nordrhein-Westfalen verloren haben. Denn in Köln hatten sie anno 1961 ihre erste gemeinsame Einzelausstellung, weswegen sie jetzt besonders gern wieder in diesem Lande…

Freude bringen – ja. Freude schenken – diesmal nicht. Anders als bei den meisten bisherigen Christo-Aktionen, an denen man sich gratis sattsehen konnte, ist das Revier-Ereignis kostenpflichtig. Der Eintritt in den Gasometer wird 10 DM betragen. Erst nach diesem Obolus darf man staunend vor dem machtvollen Raum-Zeichen, dem Ruhrgebiets-Weltwunder stehen – oder mit gläsernem Aufzug vertikal daran vorübergleiten. Außerdem gibt s eine Doku-Schau zu artverwandten Christo-Projekten.

Die Veranstalter in Oberhausen wappnen sich für einen großen Ansturm. Man will die Öffnungszeiten flexibel halten, sprich: Ausweitungen sind jederzeit möglich.




Das Revier soll leuchten – Pläne der Kultur Ruhr GmbH für die nächsten Jahre

Von Bernd Berke

Dortmund. Sage niemand. daß man bei der Kultur Ruhr GmbH keine Visionen hat: „Weltmusik vor der Haustür“, „inszenierte Landmarken“, allerlei Gesamtkunstwerke und zahllose kulturelle „Vernetzungen“ – ja, das alles und mehr hatte die Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Gepäck, als sie jetzt im Dortmunder Harenberg City-Center mitteilte, wohin – bis übers Jahr 2000 hinaus – in Sachen Revierkultur „die Reise geht“. Nach rund eineinhalb Jahren Vorarbeit hat sich ein Kern von 18 größeren Projekten herausgeschält. Doch längst nicht alle sind wirklich schon spruchreif.

Prof. Karl Ganser, Aufsichtsratsvorsitzender der Kultur Ruhr GmbH, legt Wert darauf, daß man keine teuren Stars ins Ruhrgebiet einfliege. Vielmehr sollen alle Vorhaben aus der kulturellen Substanz der Region selbst hervorgehen. Subventionierte Häuser und freie Szene arbeiteten dabei endlich einmal Hand in Hand. Kennzeichen etlicher Pläne: Die Industrielandschaft werde direkt ins künstlerische Geschehen mit einbezogen. Und „Vernetzung“ ist (wie so oft) das gängige Zauberwort.

Ein Star kommt doch: US-Künstler Richard Serra („Terminal“-Stahlplastik am Bochumer Hauptbahnhof) soll die Schurenbach-Halde zwischen Essen und Gelsenkirchen als riesige Landschafts-Skulptur gestalten. Die Halde wird nach seinen Vorgaben gepflügt und dann mit einer Walzstahlplastik gekrönt. „Erhabene Ruhe“ soll der Ort sodann vermitteln – Beispiel für „Landmarken“-Projekte.

Dortmunder „U“ – ein „Ort der Ungewißheit, des Stillstands“

Auch Dortmund bekommt etwas ab. Die hiesige „Landmarke“ ist das „Dortmunder U“, weithin sichtbarer Leucht-Buchstabe über dem früheren Gelände der Union-Brauerei. Noch weiß niemand, was mit diesem Innenstadt-Areal geschehen soll. An diesem „Ort der Ungewißheit, des Stillstands“ (Ganser) werden etwa 25 Künstler noch im Sommer 1998 womöglich zukunftsträchtige Zeichen setzen. Hintergedanke: Künftige Investoren sollen animiert werden, mit der bedeutsamen Stätte nicht nur kommerziell, sondern auch kreativ umzugehen. Ähnliche Impulse könnte der künstlerische Zugriff auf den Förderturm der ehemaligen Zeche Königsborn in Unna geben. Hier befindet man sich aber erst in der Ideenphase.

Jede Menge Festivals vor Industriekulissen

Ein weiteres Projekt trägt den neudeutschen Arbeitstitel „Connected Cities“ und soll die Revierstädte mit noch nicht näher bezeichneten Performance- und „Netzaktionen“ virtuell verknüpfen. Umfangreiche Ausstellungen im Essener Ruhrlandmuseum sowie in den Industriemuseen sind gleichfalls vorgesehen. Zur Jahrtausendwende soll hier „ein letzter Rückblick“ auf die unvergleichliche Gestalt dieser Industrieregion gerichtet werden.

Hochfliegende Pläne auch auf dem klingenden Sektor: Ein 1999/2000 anstehendes Festival „Musik-Theater Revier“ soll E-Musik und Industriekulisse auf unerhörte Weise verschmelzen: Wagner-Töne im Gasometer, Kompositionen von Edgar Varèse in einer Kokerei, geistliche Musik in alten Fabriken. Außerdem sollen Stücke für Maschinen geschrieben werden, z. B. eine Sinfonie für Sirenen…

Weitere Projekte der Kultur Ruhr GmbH (Tochter des Kommunalverbands Ruhrgebiet, des Vereins Pro Ruhrgebiet und der IBA Emscherpark) seien im Schnelldurchgang genannt: Festival mit „Weltmusik vor der Haustür“, möglichst bestritten von Revierbewohnern aus allen Ländern, „Jazz-Podium Ruhr“, „Internationales Chor-FestivaI“, „Fortissimo“ (gleichsam schwimmende Musik auf Schiffen, Rhein-Herne-Kanal), ein „Don Quichote“ als vielsprachige Euro-Theaterproduktion und „Ruhrwerk“, ein alle Künste vereinendes Bühnen-Projekt, frei nach einem Einfall von Bert Brecht.

NRW-Kulturministerin IIse Brusis war jedenfalls von der Ideenflut beeindruckt. Das alles werde dem Revier „neuen drive“ geben, befand sie.




DGB sucht nach neuen Wegen in der Kulturarbeit – Beispielhaftes Projekt mit Jugendlichen

Von Bernd Berke

Hattingen. Neue Wege in seiner Kulturarbeit mit Jugendlichen soll der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) beschreiten – wenn es nach dem Team geht, das gestern in Hattingen den Abschlußbericht eines ungewöhnlichen Projekts vorgelegt hat, bei dem nicht – wie so oft – typische Gewerkschaftsthemen (35-Stunden-Woche usw.) nur noch umgesetzt wurden, sondern bei dem Erfahrungen und Bedürfnisse Jugendlicher den Anstoß gaben und Themen, Medien und Darstellung bestimmten.

Ilse Brusis, als Mitglied des DGB-Bundesvorstands an dem Modellversuch interessiert, nannte gestern den Hauptgrund für die Aktivitäten, an denen 12 Gruppen mit insgesamt rund 150 Jugendlichen beteiligt waren: Immer mehr Jugendliche gehen, so Frau Brusis, auf vorsichtige Distanz zur Gewerkschaft, die sie oft genug nur noch als Institution mit zahllosen bürokratischen Gremien erleben. Also müsse sich der DGB auch auf dem kulturellen Sektor etwas einfallen lassen, um attraktiver und lebendiger zu werden. Das Projekt (Kosten für drei Jahre: 380.000 DM) solle ein erster Schritt sein, die vorliegende Bilanz eine Anregung.

Von traditioneller Gewerkschafts-Kultur sind die meisten Gruppen in der Tat weit entfernt: Manchem altgedientem Gewerkschafter mag z. B. die Art nicht gefallen, wie sich eine Bergkamener Projektgruppe jugendlicher Bergarbeiter kritisch äußerte: Unter Anleitung eines Künstlers entwarfen sie eine Gipsfigurengruppe, die zeigt, wie lebenswichtige Solidarität unter Bergleuten zwar „vor Ort“ funktioniert, in der Freizeit aber nicht mehr. Da herrscht Vereinzelung. Die Bergkamener bauten auch ein bizarres „Traumauto“, einfach weil sie gerade alle den Führerschein machten und das Thema deshalb akut war. Und sie drehten einen Videofilm, der direkt in der Arbeitswirklichkeit ansetzt und u. a. einen „Kumpel“ unter Tage zeigt, der sich durch den Berg zur Freiheit vorarbeitet und plötzlich an einem Südseestrand steht.

Weitere Projektgruppen: Junge Bergarbeiter in Gelsenkirchen spielten ein Stück über Südafrika, eine Jugendgruppe von Opel in Bochum absolvierte einen Theaterkursus. und in Herne erarbeiteten deutsche und türkische Jugendliche gemeinsam ein Stück über Ausländerfeindlichkeit. Prinzip war jeweils, daß den Beteiligten keine gewerkschaftlichen Thesen vorgegeben wurden.

Projektleiter Jürgen Krings vom „jungen forum“ der Ruhrfestspiele glaubt dennoch, daß das Mißtrauen „orthodoxer“ Gewerkschafter unbegründet sei, denn: „Hier werden gewerkschaftlich wichtige Fähigkeiten wie Miteinander-Reden ganz nebenbei entwickelt.“ Freiere kulturelle Arbeit nach Art dieses Projekts schaffe „ein Stück sozialer Heimat“. Zwei beteiligte Jugendliche aus Bergkamen bestätigten das. Die Gewerkschaft, so sagten sie gestern, sei ihnen durch das Kulturprojekt nähergerückt.