Schokoladensüße Liebeskomödie

Angélique und Jean-René haben einiges gemeinsam: Sie sind beide sensibel und schüchtern, sie sind romantische Träumer und nicht ganz von dieser Welt, sie haben eine große Leidenschaft für Schokolade – und sie sind Singles. Eigentlich die besten Voraussetzungen, um sich ineinander zu verlieben und endlich den Partner fürs Leben zu finden.

Doch was beide miteinander verbindet, trennt sie zugleich. Angélique und Jean-René können zwar über neue Pralinen-Kreationen und gaumenfreundliche Raffinessen reden, sich auch insgeheim anschmachten. Aber ihre Gefühle können sie einfach nicht offen legen. Da helfen keine Psychologen, und auch die Leidensgenossen, die sich allwöchentlich bei den „Anonymen Romantikern“ treffen, wissen keinen Rat. Es sind also noch einige emotionale Klippen zu meistern und manche Widerstände zu überwinden, bis die schokoladensüße Liebeskomödie ein gutes Ende findet.

Dass es ein Happyend gibt, daran besteht natürlich von vornherein kein Zweifel. Doch was schön ist für Angélique (Isabelle Carré) und Jean-René (Benoit Poelvoorde), bringt den Kinozuschauer eher zum Gähnen. Es gibt einfach keine Überraschungen, alles läuft wie am Schnürchen, sogar die eingebauten Hindernisse sind so klein, dass man sie mit ein bisschen Fantasie leicht überwinden kann. Und so wird der von Regisseur Jean-Pierre Améris mit leichter Hand erzählte und von wunderbaren Komödianten gespielte Film leider zu einem überschaubaren Vergnügen.

Filmplakat (Delphi-Verleih)

Filmplakat (Delphi-Verleih)

Wundert sich jemand, dass die Schokoladenmanufaktur von Jean-René, diesem sympathischen Kauz mit dem dümmlichen Grinsen, kurz vor dem Ruin steht – und dann nur von der kokett lächelnden Angélique und ihren raffinierten neuen Kreationen gerettet werden kann? Bleibt nur noch die Frage zu klären: Was geschieht, wenn die beiden endlich aus dem Kreis der „Anonymen Romantiker“ ausbrechen und sich das Jawort geben wollen? Die Hochzeit, das darf man hier ruhig verraten, verläuft nicht ganz nach Plan. Aber auch das hätte sich der schmunzelnde Zuschauer denken können.

Ein charmanter Film über die amüsanten Verklemmungen empfindsamer Menschen, nicht mehr, aber auch nicht weniger.




Melancholischer Reigen der einsamen Menschen – Kinofilm „Herzen“ vom Altmeister Alain Resnais

Von Bernd Berke

Schnee. Schnee. Schnee. An den Nahtstellen dieses Films schneit es unentwegt; nicht nur draußen, sondern häufig – so wirkt es – bis in die Zimmer hinein. Doch obwohl Altmeister Alain Resnais in „Herzen“ lauter einsame Menschen zeigt, fallen die Flocken nicht etwa als Zeichen für Seelenkälte.

Vielmehr gibt das weiße Gestöber der Bilderfolge eine durchweg flüchtige Gestalt. Ein weiteres, häufig wiederkehrendes Element der festeren Art sind jene Wände und Gitter, hinter denen die Menschen sich hier häufig verbergen. Dass keiner sich preisgeben mag, ist insgeheim ein Hauptthema dieses großartig besetzten, formbewussten und vielschichtigen Films.

Die episodische Handlung ist als Reigen aus 54 Sequenzen angelegt. Fast kaum zu glauben, dass die Theater-Vorlage vom britischen Komödien-Vielschreiber. Pariserisch ist das Flair, alles Britische wurde getilgt, Melancholie weht durch jede Szene.

Nicole (Laura Morante) und Dan (Lambert Wilson als arbeits- und antriebsloser Mann, der stets in derselben Bar versackt) sind reif für die Trennung. Trotzdem suchen sie noch halbherzig eine neue Wohnung. Quälend die fruchtlosen Besichtigungen. Herzzerreißend ihr Unvermögen, miteinander zu reden.

Nach religiösen Liedern kommt der heiße Striptease

Die Handlung gleitet nun hin und her – zunächst zum etwas linkischen Wohnungsmakler Thierry (André Dussollier). Er lebt neben seiner nicht minder einsamen Schwester Gaëlle (Isabelle Carré) her, die abends in Lokalen trübsinnig auf Annoncen-Bekanntschaften wartet. Der Makler himmelt unterdessen seine Kollegin Charlotte (Sabine Azéma) an. Die wiederum ist fromm, hegt aber eine heimliche Lust an der Versuchung: Erst inständig beten, um sich dann der Sünde auszuliefern. Charlotte leiht dem Makler Video-Kassetten mit religiösen Liedern. Doch wenn die aufgenommenen TV-Sendungen enden, beginnt plötzlich ein heißer Striptease mit Gestöhne. Sollte sie etwa selbst…?

Barkeeper Lionel (Pierre Arditi), bei dem besagter Dan Stammgast ist, braucht mal wieder eine neue Pflegerin für seinen kranken, immerzu Obszönitäten sabbernden Vater – und engagiert just Charlotte für die langen Abende. Wie die ach so fromme Frau wohl mit dem polternden Lustgreis zurande kommt?

Gebannt verfolgt man, wie all diese Verlorenen und Vergessenen in die Ascheresten ihrer Gefühle pusten. Um jede Figur herum gibt es so etwas wie einen Strahlenkranz der Einsamkeit. Doch eine freundliche Geste genügt, um ihre verborgenen Hoffnungen zu wecken. Vor Verletzungen flüchten sie in Verzicht, Lüge und Versteckspiel. Man ahnt: Samt und sonders haben sie viel mehr Leben in sich, als sie zeigen können. All das lässt dieser Film mit weiser Zurückhaltung anklingen. Unaufdringlich, daher doppelt eindringlich.