„On the Road“ und seine Nachbeben – Jack Kerouac wäre jetzt 90 geworden

Noch heute ist es – wie gern statistisch angemerkt wird – zwar nicht das meistverkaufte, dafür aber das meistgeklaute Buch in den USA, so als wollten viele derer, die es später lesen wollen, bereits mit der Art des Erwerbs manifestieren, dass auch sie wie einst der Autor gesellschaftlichen Konventionen entweichen und gemäß dem Titel „On the Road“ („Unterwegs“) gehen, eins werden mit den Haikus und ihren Zen-Inhalten, die Jack und Neal zitierten, während letzterer die beiden halsbrecherisch quer durch die Staaten chauffierte.

Neal, das war Neal Cassady, der für Jack, Jack Kerouac, Inbegriff des rastlos, abenteuerfreudigen, frontiers suchenden Amerikaners war. Neal Cassady lag 1968 bereits im Koma, als man ihn in Mexico fand und starb kurz darauf, betrauert unter anderem nicht zuletzt auch von den „Greatful Dead“-Musikern, die er nach Jack halsbrecherisch durch die Staaten chauffiert hatte. Jack Kerouac, der heute, am 12. März, 90 Jahre alt geworden wäre, überlebte ihn um ein Jahr, weil er seiner Leber einfach zu viel zugemutet hatte. Aber „On the Road“ überlebte beide, den eigentlichen Helden und den für die Beatniks, die Beat-Generation sinnstiftenden Helden, der nach diesem Buch und dem damit verbundenen Ruhm nicht mehr so recht etwas literarisch Wertvolles zu Papier brachte.

"On the Road"-Übersetzung "Unterwegs" in der Rowohlt-Ausgabe von 1968

"On the Road"-Übersetzung "Unterwegs" in der Rowohlt-Ausgabe von 1968

Beide lebten noch, als ich von ihnen und über sie las. Es faszinierte mein spätpubertierendes Gemüt und inspirierte mich zu manchem Haiku, das besser ungeschrieben geblieben wäre. Ich sah mich bereits durch Kalifornien (weil es da so schön warm sein soll) easyridern, obwohl ich ja eigentlich Motorräder nicht mochte. Und doch, schon bald darauf verhallten derlei Träume im immer stärker werdenden Donnerhall des Schlachtens im fernen Vietnam und seinen Folgen auch in Westeuropa – zumindest für mich.
Damit verhallten aber auch Kerouac und „On the Road“ und es umfing mich ein schnöder Alltag, der sowohl mein Interesse an Haikus als auch an der Beatnik-Romantik erstickte.

Sehr viel später, als ich vermutlich in den Fängen einer Midlifecrisis versuchte, bloß nicht in Angststarre zu geraten, kehrte das Interesse zurück, ergründete ich für mich, dass Neal und Jack eigentlich ein Beben auslösten, das nicht eine, sondern mehrere, aufeinander folgende Generationen in Wallung versetzte. Dass Bob Dylan und zahllose Musiker dem Rhythmus dieses Bebens folgten und selbst bei den „Sportfreunden Stiller“ – das waren die mit der WM-Hymne, die 2006 jede Fanmeile in den strahlenden Sommerhimmel schmetterte – noch nachhallende Akkorde angeschlagen wurden, was auf den ersten Blick niemand vermutet hätte.

Jack Kerouac wäre heute 90 geworden, sein Urahn aller Roadmovies lebt heute noch ziemlich ohne entscheidende Alterserscheinungen. Ich werde auf ihn und Neal ein Haiku verfassen, es wird ebenso wie seine Vorgänger von damals von mir nicht veröffentlicht werden. Erstens, weil das besser so ist und zweitens, weil das nur eine Sache zwischen uns Dreien bleiben soll.




Thanks for your company, Bobby

Keine Ahnung, wann es war, aber ich war ganz sicher ein Jüngelchen, da trällerte ich auf dem Schulweg, so etwa in Höhe der Kreuzung Lindemannstraße/Kreuzstraße in Dortmund „Like a rollin‘ stone“ – hatte ich nächtens gehört, via Transistorradio. Keine Ahnung wer da sang, aber es ging widerstandslos ein und blieb in Erinnerung.

Ehrfürchtig meinte mein damaliger Schulfreund, der mich wie jeden Morgen begleitete: „Ah, Bob Dylan …“ Und ich tat so, als wüsste ich, wer das ist. Wenig später wusste ich es, wusste ich, wer dieser Robert Allen Zimmermann war, der sich (man weiß nie, ob man ihm wirklich glauben darf, oder er einen schlicht auf den Arm nimmt), der sich also nach Marshall Matt Dillon nannte, weil ihm die Serie so gut gefiel. Und ich wusste, was er mit „Blowing in the wind“ meinte. Und ich wusste, dass mir seine Version von „Tambourine Man“ besser gefiel als die der „Byrds“ – allenfalls Melanie Safka coverte den Song kongenial.

Seit diesen Mittsechziger Tagen in Dortmund begleitet mich der „Meister“ nun, näselt er sich durch unsere gemeinsame Geschichte, von Baez bis heute. Belegt er immer wieder neu, dass er weder ein umwerfender Sänger noch Mittelpunkt einer ebenso umwerfenden Bühnenshow ist, dass er aber umwerfend bleibt, immer wieder umwerfende Titel lebendig macht und sich niemals in einen noch so umwerfenden Mainstream schachteln lässt.

Er wird heute 70, ein wenig Zeit bleibt mir bis dahin noch. Es ist sicher die Zeit der alten Herren, wenn zahllose Wunderer oder Bewunderer ihm innerlich dazu gratulieren, dass er bisher jeden Trend, jede Sucht und sich selbst überlebt hat. Der „Meister“ ist 70, und ich fühle mich auch nicht mehr so gut.
Irgendwann hörte ich „Knock, knock, knockin‘“ und war begeistert. Dann irgendwann mal wieder „Lenny Bruce“. Und immer auch mal wieder die alten – wie „Lay Lady Lay“. Sie fielen mir einfach immer mal wieder im Radio auf, ich legte weder ein Platte auf den Teller noch eine CD in der Schacht, wenn ich Bobby hörte. Er blieb präsent, von Zeiten, die er mit Jack Kerouacs Beatnik-Literatur verbrachte über die Wilburys bis zum Zeitpunkt,vf als zwei Päpste ihm zuhörten (der eine war es noch, der andere wurde es nach ihm und ist es bis heute).

Und warum näselt sich Bobby „der Meister“ durch meine Zeit? Weil er nie das Alte machte, sondern das Neue suchte, es manchmal fand und uns servierte. Tolle Zeit, Bobby, und noch einmal: Happy Birthday. Ich freue mich auf Zukunft.

(Foto: Bernd Berke)