„Malerei als Poesie“: Miró-Ausstellung in Düsseldorf

Frau, Vogel, Stern: Diese Motive bilden die Konstanten im Werk des spanischen Malers Joan Miró. Im Laufe seines Künstlerlebens (1893-1983) sind sie in seinen Gemälden immer wieder zu finden.

Doch zeigt die aktuelle Ausstellung in der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf (zu sehen bis zum 27. September), wie Miró sich in seinen verschiedenen Schaffensperioden immer wieder neu erfand: Seien es seine Themen, seine Materialien oder seine Farbgebung. Die Zeit spiegelt sich in seinem Werk, mag es vordergründig auch so kindlich daherkommen. Denn es waren beileibe keine friedlichen Zeiten in diesem 20. Jahrhundert, das von zwei Weltkriegen und der spanischen Diktatur unter Franco geprägt war.

Außerdem legt die Ausstellung den Schwerpunkt auf Mirós Beziehung zur Poesie. Denn eigentlich malte er Gedichte. So spielt die Schrift als poetische Zeile oder als grafisches Zeichensystem eine entscheidende Rolle in seinem Werk. In der „Schlange des Aberglaubens“ beispielsweise: Schon vom Format her ist das Bild ein Spruchband, das sich an der Wand entlang schlängelt. Wie eine steinzeitliche Bilderschrift wirken die bunten Hieroglyphen, die nicht ohne Hintersinn auf die Ängste des modernen Menschen anspielen.

Foto: Gabriel Ramon © Kunstsammlung NRW

Foto: Gabriel Ramon
© Kunstsammlung NRW

Nicht zuletzt zeigt die Schau verschiedene Künstlerbücher, die Miró gemeinsam mit seinen Dichterfreunden wie Paul Éluard, André Breton u.a. geschaffen hat. Joan Miró war ein passionierter Leser: So hat die Kunstsammlung in die Mitte des ersten Saals sozusagen seine Bibliothek nachgebaut und mit Titeln ausgestattet, die Miró selbst besaß. Wer möchte, kann sich in einem Ledersessel niederlassen und ein wenig schmökern.

Auch als Hörprobe spielt die Dichtung in der Ausstellung eine Rolle. Wie Trockenhauben beim Friseur hängen Lautsprecher vor bestimmten Bildern von der Decke, darunter hört man Poesie, auf Französisch rezitiert. „Une étoile caresse le sein d’une négresse“, so der Titel eines Bild-Gedichts von 1938. Die Textzeile ist in weißer Schrift in die schwarze Leinwand hineingeschrieben. Das Bild ist aber nicht als Illustration eines Gedichts zu verstehen, sondern es ist das Gedicht selbst, ein gemaltes Gedicht.

Surrealismus, Kubismus, Fauvismus – an all diesen Strömungen hatte Miró Anteil und man kann sie in seinem Werk entdecken. In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts kam er als junger Mann aus Barcelona nach Paris und taucht tief in die Kunstszene ein. Am liebsten traf er sich mit Literaten aber auch Picasso bewunderte er. Im spanischen Pavillon der Weltausstellung 1937 in Paris stellte Miró neben Picassos „Guernica“ sein Gemälde „Der Schnitter“ aus, das später leider verloren gegangen ist.

Foto: Jaume Blassi © Kunstsammlung NRW

Foto: Jaume Blassi
© Kunstsammlung NRW

Der zweite Saal zeigt Mirós Aufbruch ins Großformat, inspiriert von der 68er Bewegung: Sein Stil wird bewegter, wilder, man spürt den Furor in den Bildern. Die kindliche Schreibschrift weicht einer zeittypischen Druckschrift, auf einem Gemälde lässt sich „Mao“ entziffern. Am Ende des Rundgangs leuchten die Bilder in knalligem Orange; Frau, Vogel, Stern – diese Motive kann der Besucher hier wieder entdecken. So bleibt Miró sich treu, auch in der Veränderung.

Weitere Informationen:
www.kunstsammlung.de




Die neuen Zeichen am Himmel – Überblick zum Spätwerk von Joan Miró in Dortmund

Von Bernd Berke

Dortmund. Die Sonnenfinsternis hätten wir nun also recht glücklich hinter uns gebracht. Doch halt! Schon gibt es neue Himmelszeichen. Sogar ein völlig verfinstertes Zentralgestirn, aus dem dunkle Tropfen herabfallen, gibt es nun im Museum am Ostwall zu sehen. Es gehört – man glaubt es kaum – zu einer „schwarzen Serie“ von jenem Joan Miró, dessen Werke uns doch stets so froh und bunt erschienen sind. In Dortmund aber will man uns eben den „anderen Miró“ zeigen.

Die rund 60 Gemälde, 23 Skulpturen und 40 Grafiken, die in Dortmund präsentiert werden, stammen aus den Jahren 1966 bis 1981. Es geht also um das Spätwerk des 1893 in Barcelona geborenen und 1983 in Palma de Mallorca gestorbenen Künstlers. In dieser Dichte und Breite war das Altersschaffen in Deutschland bislang nicht zu sehen.

Lust auf „Mord an der Malerei“

Miró vollzog einen teilweise entschiedenen Bruch mit jenen liebenswerten Bildern, die zahllose Kalenderblätter oder auch T-Shirts zieren und die man sich (mal ehrlich!) schon ein wenig leidgesehen hat. Wecken sie auch vielfach freudige Gefühle, so hätte man’s doch gern auch mal etwas heftiger, sperriger. Das kann man haben. Jetzt in Dortmund.

Schon in den 30er Jahren war Miró, der die Ländereien des Kubismus und des Surrealismus durchschritten hatte, die Arbeit an der Staffelei zur Qual geworden. Am liebsten hätte er „die Malerei ermorden“ wollen. Ein Grund für die Wut war wohl auch die ärmliche Enge seiner Wohnung in Paris. Ein großes Atelier mußte her, dann konnte man vielleicht endlich aufatmen und von vorn beginnen…

Miró fand sein ersehntes Refugium 1954 auf Mallorca, damals noch eine ruhige, von Touristenmassen verschonte Insel ohne scheußlichen „Ballermann“. Statt dessen gab’s dort noch 77 Kürbissorten.

Erotik als Quelle des Schöpferischen

1956 ließ sich der Katalane auf Mallorca ein geräumiges Atelier nach seinen Wünschen errichten. So groß war es geraten, daß den Künstler anfangs eine Angst vor gähnender Leere befallen haben muss. Er hortete nun allerlei Fundstücke – rostige Nägel, leere Dosen, interessant geformte Steine. Hinzu kommen einfache Bildträger wie Sackleinen oder billiges Holz. Eine Kunst, die nicht stolz triumphiert, sondern so wirkt, als wolle sie wieder am Nullpunkt anfangen.

Manche der vorgefundenen Objekte wurden hernach Bestandteile von Bronze-Skulpturen. Ein Hammer, an passender Stelle eingefügt in eine Figur („Personnage“, 1971), kann auf diese Art auch schon mal obszön wirken.

Überhaupt finden sich in der Dortmunder Schau etliche Beispiele für die erotische und somit schöpferische Anverwandlung der Welt. Sexualität ist ein reich sprudelnder Quell dieser schwebenden, kreisenden, gärenden, pulsierenden, sich gleichsam unaufhörlich selbst gebärenden Symbolsprache Mirós, die der Musik so eng verwandt ist, wie es Malerei nur sein kann.

Ein zweiter Born sind eben jene kosmisch inspirierten Zeichen, von denen anfangs die Rede war. Diese sozusagen planetarische Traumwelt wird bevölkert und durchhuscht von vielerlei irrlichternden Gestalten. Da die meisten Bilder keinen Titel tragen, sind der Phantasie kaum Grenzen gesetzt. Kichernde Kobolde treiben da ihr Wesen, aber auch bedrohliche Phantome.

Den Moment des Schocks einfrieren

Von „Schocks“, die seine Produktion anregten, hat Joan Miró einmal gesprochen. Solche Anstöße konnten von allem ausgehen; von einem rasenden Auto oder einem Staubkorn. Bisweilen, so zeigt die (von Tayfun Belgin aus den Beständen der Miró-Stiftung auf Mallorca nach Belieben getroffene) Dortmunder Auswahl, bleiben diese Schocks im Spätwerk geradezu brutal präsent. Ganz so, als habe der Künstler den Schreck des allerersten Augenblicks bewahrt und eingefroren.

Selbst in der eher lieblich angelegten Serie „Allegro vivace“ gibt es ein Bild mit dem Titel „Der Raub“. Eine andere Arbeit heißt „Rette sich, wer kann“, und eine bebend „Eifersüchtige“ scheint vor lauter Leid explodieren zu wollen.

Wohlig umsonnte Altersmilde zeigt sich hier kaum, sondern Furcht und Schrecken treten oft fratzenhaft hervor. Oder auch der schiere Zorn, woher auch immer rührend. Wenn es dann einmal heiterer zugeht, kann man sich doppelt darüber freuen. Weil es der Finsternis abgerungen ist.

14. August bis 14. November. Museum am Ostwall, Dortmund. Eintritt 13 DM, Katalog 45 DM.




Dem Ruf der Dinge folgen – Kölner Ausstellung über Joan Miró als Bildhauer

Von Bernd Berke

Köln. Am Rhein huldigt man dem berühmten Spanier gleich zweifach. Während in Düsseldorf noch bis zum 20. April ein Überblick zum malerischen Oeuvre von Joan Miró zu sehen ist (WR berichtete), zeigt das Kölner Museum Ludwig von heute bis zum 8. Juni die dreidimensionalen Arbeiten des Katalanen.

Den hohen Bekanntheitsgrad seiner Bilder voraussetzend, konnte man in der Landeshauptstadt alte Vorurteile „ankratzen“, denen zufolge Miró ein „ewiges Kind“ geblieben sei. So einfach ist es in der Domstadt nicht: Die Skulpturen und Objekte Mirós, in solcher Fülle erstmals außerhalb Spaniens ausgestellt, müssen überhaupt erst einmal als eigenständiger Teil des Werks zur Kenntnis genommen werden.

Die Schau gibt sich bewußt ahistorisch, die rund 100 Objekte aus den Jahren 1931 bis 1975 und die zahlreichen Vorzeichnungen (Katalog 32 DM) sind nicht chronologisch, sondern eher nach assoziativen Mustern geordnet. So bilden etwa jene Arbeiten, bei denen die Textur, also die sinnlich ertastbare Beschaffenheit der Oberfläche, den Hauptakzent setzt, eine eigene Untergruppe. Hier finden sich Arbeiten, die an urtümliche Gesteinsformationen erinnern, andere gleichen totemistischen Kultgegenständen archaischer Religionen. Auch die farbigen Skulpturen, dem malerischen Werk näher verwandt, wurden einander zugeordnet.

Schwerpunkt sind die „Objets trouvés“, also die vorgefundenen Zivilisations- und Natur-„Abfälle“ (meist mediterranes Strandgut). Vom Knochenfund bis zur ausgedienten Telefonklingel und zum Wasserhahn reichen die Dinge, die Miró um sich versammelte. Der schöpferische „Gärprozeß“, aus denen die Gegenstände künstlerisch geformt hervortraten, dauerte oft viele Monate. Miró wartete gleichsam, bis die Dinge ihn „riefen“, bis sie poetischen Zauber und Magie entfalteten, ja bis sie zu „Personen“ wurden, die Miró dann „nur noch“ ausformen mußte. Der Ursprung der montierten Gegenstände wird dabei nie kaschiert, er bleibt weiterhin „lesbar“ – ein Umstand, der selbst die größten Objekte noch im faßbaren, menschlichen Maß beläßt. Erdrückende Monumentalität findet man nirgendwo.

Nach surrealistischem Prinzip, aber nicht symbolschwer, montiert Miró die vorgefundenen Bruchstücke der Wirklichkeit, mit heiterer Leichtigkeit oder milder Ironie, hinter der Ängste nur sanft und geläutert durchschimmern. Den Assoziationen des Betrachters sind kaum Grenzen gesetzt. So mag sich ein Kleiderhaken im Figurzusammenhang zur Nase verwandeln, diese wiederum zum Zeichen des Geschlechts. Ein Kleiderständer mit hölzern-phallischer Ausprägung, versehen mit einem Regenschirm, stellt einen abstrusen „Kavalier“ nach Surrealisten-Art vor.

Auch in der oft verwendeten Eiform (Frauenskulpturen) mag man ein Symbol sehen, etwa für Mütterlichkeit und Fruchtbarkeit, in der Muschel wiederum die Anspielung aufs primäre weibliche Geschlechtsmerkmal. Doch die Symbolsprache ist nie erstarrt und eindeutig festgelegt, sondern bewegt sich frei wie im Vogelflug. Zudem lassen bewußte Nachlässigkeiten in der Gestaltung nie den Eindruck des Fertigen oder gar Weihevollen aufkommen.




Joan Miró: Träume und Alpträume

Von Bernd Berke

Düsseldorf. Joan Miró? Dessen Werk kennt „man“ doch nun wirklich zur Genüge; seine federleichte Symbolsprache ist schließlich in unzähligen Drucken verbreitet. Miró, das ist doch – wie war das noch gleich? – ach ja: das spielerisch-spontane „Kind“ unter den Meistern der Klassischen Moderne, ein froher Traum-Poet, der Nachdenklichkeit abhold…

Derlei Vorurteile könnte man munter weiter pflegen, würde nicht jetzt eine Ausstellung in der Düsseldorfer Kunsthalle (in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen sowie dem Kunsthaus Zürich) eine Fülle von Gegenbeweisen oder zumindest Infragestellungen liefern.

Die größte deutsche Retrospektive des Werk von Miró (1893-1983) seit 1969 zeigt mit ihren 180 Gemälden, Zeichnungen und Objekten vor allem zweierlei: Miró hat keineswegs nur spontan gearbeitet, sondern sich ganz bewußt Klärungsprozessen gestellt, indem er Ideen Vielfach vorskizzierte. Und: Nicht alle Figurationen sind als reine Symbole oder Metaphern zu werten. In den 30er Jahren nämlich bricht das Leiden an den Zeitläuften, insbesondere am Spanischen Bürgerkrieg, auch in Mirós Bildwelt ein – in Gestalt „monströser“, gepeinigter Figuren. Keine pure Bildwelt, sondern alptraumhaftes Entsetzen mit Zeitbezug.

Die Ausstellung schlüsselt mit wichtigen Werken aus allen Schaffensperioden (1915 bis 1977), allerdings mit einem deutlichen Schwerpunkt auf dem Frühwerk, Mirós vielfältige Entwicklung auf. Seitenblicke auf andere Größen der Kunstgeschichte ergeben sich, deutliche Anklänge an Marcel Duchamp eingeschlossen. Mirós früheste Arbeiten lassen Einflüsse des Fauvismus und Kubismus, von Matisse, Braque und Gris erkennen. Es folgt eine Phase „Neuer Sachlichkeit“. Das gegenständliche Inventar erscheint in schärfsten Umrissen, denen eine immense Schärfung der Alltagswahrnehmung entspricht.

Aufschlußreich für den Übergang in die spezifische Symbolik Mirós ist „Der Bauernhof“ (1921/22). Der Kanon der Motive, die später – wenn auch abstrahiert oder in surrealen Verbindungsmustern – wiederkehren, ist hier bereits ausgebildet. Die Anverwandlung unterschiedlichster Einflüsse reicht bis in die 60er Jahre, als Miró mit „InformeI“-Strukturen experimentierte.

Die Fügungen in der Bildfläche erfolgen nie additiv, sondern nach quasi-musikalischen, rhythmischen Mustern. Auch in abstrakten Perioden entfernte sich Miró nie gänzlich vom Menschenbild. Solche Rückbindungen, wie auch jene an Mythos und Regionalismus (Verwurzelung in Katalanien), rücken das Werk in die Nähe aktueller Diskussionen.

Kunsthalle Düsseldorf, Grabbeplatz 4 (Bis 20. April. Di-Fr 10 bis 18, Sa/So 10-20 Uhr, montags geschlossen).




Spaniens Klassische Moderne – Druckgraphik im Ostwall-Museum

Von Bernd Berke

Dortmund. Frauengestalten feiern frenetische Feste, eine Stierkampfszene wird zur grazilen Tanzfigur; Kröte, Hummer oder Ziegenschädel ergeben frappierend plastisch wirkende Stilleben-Kompositionen – kein Zweifel, das ist die Bildwelt Pablo Picassos. Sie steht jetzt im Mittelpunkt einer Ausstellung des Dortmunder Ostwall-Museums (bis l. August, kein Katalog), die sich der Druckgraphik aus Spaniens „Klassischer Moderne“ widmet und aus lang nicht mehr gezeigtem Eigenbesitz bestritten wird.

Die Blätter von Picasso, Dalí, Miró und Juan Gris wurden in den 50er und frühen 60er Jahren dem berühmten Kunsthandler Daniel Hanry Kahnweiler abgekauft. Seither ist ihr Marktwert schwindelerregend gestiegen.

In der Eingangshalle sieht man 23 Graphiken von Picasso – Demonstration der außerordeutlichen Vielfalt von Techniken, mit denen der Künstler in den 50er Jahren operierte. Dieser Vielfalt entspricht die Unterschiedlichkeit der Quellen, aus denen Picasso zitierend schöpft.

Im ersten Stock folgen eine Serie kubistischer Buchillustrationen von Juan Gris, sowie Arbeiten aus Salvador Dalís nachsurrealistischem Schaffen – fast „barock“ gestaltet, aber mit hintergründigen Einsprengseln von Traumgeheimnis. Beispiele für Joan Mirós scheinbar simple und naive Darstellungsart (darunter das in seiner archaischen Gewaltsamkeit erschütternde Pastellbild „Ehebruch“ von 1928) setzen den Schlußakzent.

Wiewohl in der Summe nicht eben üppig geraten, bietet die Ausstellung doch eine Reihe hinlänglich interessanter Anschauungsstücke abseits vom Hauptwerk der spanischen Meister.