Lachnummern aus der Menschheitsgeschichte – Roland Rebers „Merlin“ beim Theaterpathologischen Institut in Lünen
Von Bernd Berke
Lünen. Irgendwo zwischen Zeit und Ewigkeit steht ein Gitter. Davor lümmelt sich „Merlin“ (Joe Bausch), seines Zeichens keltischer Zauberer, in den Sessel. Ein Greis in Morgenrock und langen Unterhosen, verschmitztes Einstein-Gesicht.
In Roland Rebers „Merlin“-Projekt, das am Samstag vom „Theaterpathologischen Institut“ (TPI) im Lüner Hilpert-Theater erstaufgefiihrt wurde, ist diese Titelfigur der unsterbliche Geist, der (wenn er nicht gerade über sein intergalaktisches Radio die neuestenRock-Hits sendet) die Historie mit weltbewegenden Ideen infiziert, die allemal in Katastrophen enden.
Es erscheinen einige von Merlins früheren Opfern: Die vor lauter Lustverzicht mannstoll gewordene Lysistrata (Ute Meisenheimer); der sagenhafte König „Artus“ (Jochen Nickel), über die mißlungene Gralssuche zeternd; die schamhafte Jungfrau Jeanne d’Arc (Fee Sachse), die die Holzzweige ihres Scheiterhaufens wie ein Röckchen trägt, und Robespierre (Frank Holz), ein Klugschwätzer sondergleichen. Sie alle sind auf Erden im Dienste von Ideen gescheitert. Nun sind sie Lachnummem, die mit ihren Klischees hausieren und vor Stammtisch-Zoten nicht zurückschrecken. Vollends in den Gefilden der Farce bewegen sie sich, als Robespierre den anderen das Ritual scheindemokratischer Abstimmungen beibringt. So weit das leidlich lustigeund schauspielerisch noch tragbare Geschichts-Kabarett.
Als ganz gewöhnliche Leute, diesen Plan rückt „Merlin“ dann endlich heraus, sollen die vier ins Leben zurückkehren – zwecks „Projekt ’68“, also APO-Zeit. Folgt ein Umbaupausen-Film über Vorfahrtregeln im Verkehr. Dann führt uns Reber – aber „volle Kanne – in die rebellischen Spätsechziger: dicker Joint, Che-Guevara-Poster, dümmliches Gelaber von sexueller Revolution und – Theater im Theater – lachhafte Proben für ein „proletarisches“ Stück. Soll man denken, es hätten damals nur Vollidioten die Szene beherrscht? Wirklich auseinandergesetzt hat sich der Stücke-Schreiber Roland Reber mit seinem Thema offenbar kaum – er wäre ohnehin reichlich spät dran.
Nachdem Reber das, was er für die „68er“ hält, gründlich niedergemäht hat, treibt er einige Darsteller (Auftritt: die Beziehungsgeschädigte; die Terroristin) doch noch in „große“ Tiefsinns-Monologe hinein – etwa des Inhalts, daß, gleichsam von Lysistrata bis Dutschke, der Einzelmensch unter Ideengebäuden sich krümmte, was aber nicht sein soll. Welch eine Erkenntnis! Am Schluß taucht „Merlin“ wieder auf und krächzt „We shall overcome“. Das ganze Ideentheater könnte also von vorn beginnen? Nein, danke!
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Leserbriefe
„WR-Kritiker fiel offenbar Haßgefühlen zum Opfer“
Betr.: WR-Bericht „Lachnummern aus der Menschheitsgeschichte“
Wenn Ihre Mitarbeiter und Ihre Zeitungsich schon überregional mit theaterspezifischen Themen auseinandersetzen, kann man als Leser ja wohl ein Mindestmaß an Objektivität und Sachkenntnis erwarten. Dieser oben genannte Artikel läßt aber eindeutig den Schluß zu, daß Herr Berke sich von dem Stück persönlich angegriffen fühlte und deshalb auf ein rhetorisch so niedriges Niveau abgesunken ist.
Im übrigen ist festzustellen, daß die lokale Berichterstattung sich von der überregionalen deutlich nach oben hin abhebt. Es gibt also noch Leute mit Sachverstand. Gott sei Dank! Klaudia Witt, Lünen
Eigentlich lohnt es sich nicht, über die Berichterstattung Ihres Mitarbeiters Bernd Berke Worte zu verlieren. Dieser primitive Schreibstil erreicht bzw. übertrifft noch einen Bild-Zeitungs-Journalismus. Herr Berke muß bei seiner Berichterstattung in seiner Arroganz außerdem wohl Haßgefühlen gegen Roland Reber zum Opfer gefallen sein.
Ulla und Eugen Zymner, Olfen