Düsseldorfer K21: Parkett saniert, Kunst neu sortiert

Türen neu, Parkett saniert, Technik repariert: Die Handwerker waren fleißig im Düsseldorfer K21, dem zeitgenössischen Teil der Kunstsammlung NRW.

Wiedereröffnung des K21 in Düsseldorf: Installations-Ansicht mit Werken von Jeff Wall und Rosemarie Trockel. (Foto: Achim Kukulies / © Kunstsammlung NRW)

Wiedereröffnung des K21 in Düsseldorf: Installations-Ansicht mit Werken von Jeff Wall und Rosemarie Trockel. (Foto: Achim Kukulies / © Kunstsammlung NRW)

Auch die beliebte Kletterinstallation „in orbit“ von Tomás Saraceno – Abenteuerspielplatz für Schöngeister – musste gewartet werden. Drei Wochen blieb das alte Ständehaus hinterm Schwanenspiegel geschlossen. Direktorin Susanne Gaensheimer nutzte die Zeit, um ein festes Team zu installieren und die Kunst frisch aufzumischen. Die Sammlungsräume sehen mal wieder anders aus, ein Besuch lohnt sich.

Eintritt frei heißt es im ersten Stock. Das ist allerdings nicht so sensationell, denn es gibt wenig zu entdecken außer Sammelkartons und Alt-Videos aus dem Archiv der legendären Düsseldorfer Avantgarde-Galerie Fischer. In einem rot ausgelegten und schräg bestuhlten Veranstaltungsraum mit dem Titel „Salon21“ darf der Besucher sich ausruhen oder lesen. Das machen wir aber lieber später bei einem Kaffee in der neu und praktisch möblierten Museumsbar Pardo’s, wo nur das Blubberblasen-Muster der Tapete noch darauf hinweist, dass das Ganze mal eine Rauminstallation von Jorge Pardo war.

Dicke Hosen mit Holzwolle

Wer mehr erleben will, zahlt zwölf Euro und steigt empor in den zweiten Stock, auch „Bel Étage“ genannt. Hier gibt es bis Januar eine kleine Sonderausstellung jener amerikanischen Konzeptkünstlerin, die sich das männliche Pseudonym Lutz Bacher zugelegt hat und ihre eigene Identität schon seit den 1970er-Jahren erfolgreich verbirgt. Die Szene schweigt sich aus, denn das Geheimnis gehört zur Show, die in diesem Fall nach einem Song von Tina Turner benannt ist: „What’s Love Got to Do With It“.

Was Liebe damit zu tun hat? Keine Ahnung. Wie die junge Kuratorin Beatrice Hilke erklärt, ist Bachers Werk sehr heterogen, also uneinheitlich. Durchgängig sei nur ihr „Interesse an Strategien der Aneignung“. Soll heißen: Lutz Bacher benutzt Vorgefundenes und macht es nicht ohne Witz zu ihrer Kunst: Konsumartikel, Handy-Videos, Notizzettel zum Beispiel. Die vergrößerte und verzerrte Unterschrift von Donald Trump hat sie zu einer Art Wandfries ausdrucken lassen. Drei Säle sind damit bestückt – und mit Holzwolle und Glitzerfolienstreifen ausgestreut. Was an den Schuhen kleben bleibt, kann weg. Stehen bleiben sollen 21 mit „Las Vegas“ bedruckte und mit Holzwolle ausgestopfte Schlafanzughosen („Vegas Pants“). Dicke Hosen ohne Inhalt. Verstehe.

Von draußen dröhnt Orgelgebraus: Bachs Toccata in d-Moll, von Lutz Bacher bei einem Konzert in New York mit dem Smartphone aufgenommen, samt Nebengeräuschen. Beherzt geklaut, wird der Klassiker nun als eigenes Soundwerk im Treppenhaus von K21 präsentiert: „Music in the Castle of Heaven“, Musik im Himmelsschloss. Jedenfalls nicht zu überhören.

Großer Geist im Treppenhaus

So beschallt döst keiner, der weitergeht zu den Sammlungsräumen. Zehn von 13 Mini-Ausstellungen wurden neu gestaltet. Dabei sind skurrile Kombinationen entstanden wie Rosemarie Trockels dunkle Wollbilder „My Phantasy“, ein aus der Wand ragendes Wachsbein mit Socken und Herrenschuh von Robert Gober und Jeff Walls Leuchtfotografie von zwei Mädchen am unheimlichen „Abfluss“ im Wald. Überhaupt gibt es von Wall, dem Meister der irritierenden Bilderzählung, einige interessante Arbeiten im K21. Schön, sie wiederzusehen.

Im Treppenhaus steht jetzt einer von Thomas Schüttes „Großen Geistern“ aus Gussstahl und bewacht den Eingang zum dritten Stock. Schüttes große „Bronze-Frau“ von 2001 liegt still in ihrer zerstückelten Pracht vor drei Regalen mit kleinen „Ceramic Sketches“. In einer anderen Raumfolge weist eine geschunden aussehende Gipsfigur des tabulosen amerikanischen Performers Paul McCarthy den Weg zu einem Video von Marina Abramović, die sich 1975 unter dem Motto „Art is beautiful“ (Kunst ist schön) die Haare bis weit über die Schmerzgrenze mit stählernem Gerät gekämmt und gebürstet hatte. „Einige Werke in diesen Räumen könnten möglicherweise verstörend wirken“, heißt der Warnhinweis an der Tür.

Magisches Schattenspiel

Jugendfrei sind hingegen die liebevollen Installationen von Hans-Peter Feldmann, der mit allerlei sich drehendem Trödelkram ein magisches „Schattenspiel“ geschaffen hat. Vier große Frauenköpfe, die Feldmann nach berühmten Bildnissen hat kopieren lassen, amüsieren den Betrachter mit ihren unerklärlichen Blicken. Weiterhin wurden sachliche Fotografien des Becher-Schülers Thomas Ruff kombiniert mit den für uns rätselhaften Bilderfunden von Akram Zaatari von der Arab Image Foundation, der die Direktorin Gaensheimer im letzten Herbst eine Ausstellung gewidmet hatte. Für den westlichen Blick ebenso fremd, aber faszinierend sind die „Cabaret Crusade“-Trickfilme des ägyptischen Künstlers Wael Shawky. Mit zauberhaften, gläsern wirkenden Marionetten vor surrealen Kulissen erzählt Shawky die Geschichte der Kreuzzüge aus arabischer Sicht.

Das ist originell, aber man weiß nicht, ob das Publikum davon so gebannt sein wird wie das „Audience“ auf Thomas Struths gleichnamiger Serie von Großfotografien, die im Flur hängen. Eine Sonderausstellung der angesagten chinesischen Multimedia-Künstlerin Cao Fei soll im Herbst für Spannung sorgen.

Info: Nach Sanierungs- und Umbauarbeiten ist das K21 in Düsseldorf an der Ständehausstraße 1 jetzt wieder für das Publikum geöffnet: Di.-Fr. 10 bis 18 Uhr, Sa./So. 11 bis 18 Uhr. Neben neu sortierten Sammlungsräumen ist im zweiten Stock eine Ausstellung der US-Konzeptkünstlerin Lutz Bacher zu sehen: „What’s Love Got to Do With It“ (bis 6. Januar). Eintritt: 12 Euro. www.kunstsammlung.de




Frechheit siegt im Kunstbetrieb – Sonderfall der Szene: der gebürtige Dortmunder Martin Kippenberger

Von Bernd Berke

Düsseldorf. Mit dem üblichen Werkbegriff kann man an einen wie Martin Kippenberger (1953-1997) nicht herangehen. Der Kerl nahm’s und gab’s, wie es kam. Häufig zog er auch andere in seinem Namen zur Kunst heran. Er schlug dann die Motive vor und ließ von fremder Hand fertigen. Eine Serie heißt denn auch „Lieber Maler, male mir…“

Der gebürtige Dortmunder brachte seit den späten 70er Jahren sozusagen drastischen „Punk“ in Galerien und Museen. Immer gleich drauf und dran, erfrischend direkt, zuweilen dilettantisch, um keinen Kalauer verlegen. Er führte ein rastloses, verzehrendes Leben, als hätte er geahnt, dass er früh sterben würde. Heute gilt er als typische Leitfigur des damaligen Zeitgeistes – wie gewisse Rockstars.

Jetzt würdigt ihn das Düsseldorfer K 21 (Kunstsammlung NRW, Haus fürs 21. Jahrhundert) mit einer letztlich doch als „Werkschau“ gedachten Auswahl, die in Kooperation mit Tate Modern (London) entstanden ist.

Eine ausufernde Installation füllt weite Teile des Erdgeschosses: „The Happy End of Franz Kafkas .Amerika'“ (1994). Dazu muss man wissen: Kafka entwarf am Schluss seines Amerika-Romans („Der Verschollene“) die Utopie eines allumfassenden Bewerbungsgesprächs mit massenhafter Einstellungsgarantie. Fiebriger Traum für Zeiten der Arbeitslosigkeit…

In jedem Moment könnte alles passieren

Davon inspiriert, bespielte Kippenberger ein grünes Feld, das (nicht nur in diesen WM-Tagen) an einen Fußballplatz erinnert. Darauf befinden sich, jeweils mit Stühlen und Tischen gebaut, vielfach variierte Situations-Vorgaben für Gespräche. Allein das Formenvokabular der Sitzmöbel reicht vom Kinderstühlchen bis zum Jagd-Hochsitz, vom Cocktailsessel bis zum erhöhten Ausguck des Tennis-Schiedsrichters. Im Detail sind es lauter festgelegte Hierarchien, in der überwältigenden Summe aber leuchtet eine Offenheit, in der wahrhaftig alles simultan möglich zu sein scheint. Es ist ohnehin ein Kennzeichen dieses windungsreichen Kunst-Kosmos‘: In jedem Moment könnte alles passieren. „Geht nicht“ gibt’s nicht.

Im Untergeschoss sieht man einen Querschnitt durch Kippenbergers Schaffen. Mehrfach tauchen Skulpturen auf, die dem Betrachter gekränkt den Rücken zuwenden. Tîtel jeweils: „Martin, ab in die Ecke und schäm Dich.“ So lachlustig ging Martin Kippenberger mit Kunstkritik um. Und überhaupt mit dem ganzen neunmalklugen Betrieb, der ihn dann hofierte. Oh, närrischer Überdruss, oh, siegesgewisse Frechheit!

Ein hellwacher Ideenschöpfer, oft aus Launen heraus

Ob wilde, munter beschriftete Collagen oder zerstörte Bilder, deren Fetzen er in einen Container packte – vieles wirkt so, als wäre bald Schluss mit aller Kunst. Jedoch: So sehen Neuanfänge aus! Joseph Beuys‘ Sinnsprüchlein, jeder Mensch sei ein Künstler, hat Kippenberger flugs umgedreht: „Jeder Künstler ist ein Mensch.“ Just an solchen Grenzlinien zum Alltagsleben wollte er Freiräume ausloten. Kein Material, das er nicht verwendet und kommentiert hätte. Nichts und niemand war vor ihm sicher.

Ein großer Maler oder Zeichner ist Kippenberger nicht gewesen, gewiss aber ein hellwacher Ideenschöpfer, oft aus Augenblickslaunen heraus. Eine Ausstellung kann allerdings nur Spurenelemente dieses regen, wüsten, spontanen Geistes und seiner Eingebungen konservieren. Der Selbstdarsteller, der recht unverfroren zur Sache ging, ist leider nur noch in Filmen präsent, die hier in Endlosschleifen laufen. Seine Bilder wirken hingegen wie Relikte (oder je nach Lesart: Reliquien) eines Verschwundenen.

Kunstsammlung NRW „K 21 „. Düsseldorf (Ständehausstr. 1). Bis 10. September. Di-Fr 10-18, Sa/So 11-18 Uhr. Eintritt 6,50 Euro.

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ZUR PERSON

Zoff in Schule und Lehrzeit

  • 1953 wurde Martin Kippenberger in Dortmund geboren. Sein Vater war Zechendirektor, die Mutter Hautärztin.
  • 1956 zieht die Familie nach Essen, es folgen Schuljahre im Schwarzwald. Martin schwänzt den Zeichenunterricht, weil der Lehrer ihm nur eine „zwei“ gegeben hat.
  • 1968: Nach dreimaliger Wiederholung der Untertertia: Abbruch der schulischen Laufbahn.
  • 1968/69 Dekorateurslehre bei einem Bekleidungshaus. Küdigung wegen Drogenkonsums.
  • 1971 Umzug nach Hamburg, diverse WGs.
  • 1977 Erste Einzelschau in einer Hamburger Galerie – Beginn einer unverhofft steilen Kunst-Karriere.



Ein Piktogramm zieht sich aus – Bilderfahnen-Serie des Briten Julian Opie in Düsseldorf

Von Bernd Berke

Düsseldorf. Rechnet man nach Quadratmetern gefüllter BiIdfläche, so gibt es jetzt im obersten Geschoss des Düsseldorfer „Ständehauses“ (K 21) enorm viel zu sehen. Doch inhaltlich reduziert sich die Sache gehörig, denn es geht nur um dies: Eine Frau zieht sich aus.

Der Brite Julian Opie (Jahrgang 1958) „bespielt“ den Riesenraum unter der gläsernen Kuppel mit insgesamt 15 lang und strahlend weiß herab hängenden (Kunst)-Stoffbahnen, die wie Fahnen oder Banner wirken. Jede „Flagge“ ist rund 7 mal 2.50 Meter groß.

Doch keine staatlichen Symbole prangen darauf, sondem die scharf konturierten, anonymisierten Ganzkörper-Bildnisse einer jungen Dame, die in drei trickfilmhaften Sequenzen diverse Kleidungsstücke ablegt. Mal fällt nach und nach die Jeans-Hose, dann sinken Kleidchen und Bluse zu Boden. Es sieht hie und da recht nett aus. wenn man sich denn ‚was Schönes hinzudenkt. Doch eine Offenbarung ist es gewiss nicht.

Ohne jede persönliche Note

„Bijou gets undressed“ (Bijou entkleidet sich) heißt die ganze Serie, die den Dialog mit der umgebenden Architektur aufnehmen soll. Weitläufig ist der Weg um die beidseitig bedruckten Fahnen herum, stets ergeben sich neue Perspektiven.

Zuweilen ragt die halb entblößte Frau monumental über dem Betrachter auf, dann wieder scheint sie sich hinter dem gläsernen Aufzugsschacht verbergen zu wollen. Im Grunde aber „will“ sie gar nichts, denn es geht ihr ja jede persönliche Note ab.

„Gezeichnet“ sind die weiblichen Umrisslinien mit einem Computerprogramm. Individuelle Züge fehlen, es handelt sich um eine idealtypische Figur – wenigstens nach den (Schlankheits)-Maßstäben der gängigen Produktwerbung.

Schlicht und einfach die Sachen ablegen

Diese Piktogramm-Frau, deren Kopf als ungefüllte Kreisform halslos über den Schultern schwebt, vollführt freilich keinen lasziven Striptease. Sie legt schlicht und einfach ihre Sachen ab; ohne Pose, ganz alltäglich, offenbar gedankenlos. Standardisiert, ja geradezu steril wirken ihre Haltungen. Eros und Sexus sind fern.

Nichts für Voyeure also. Für wen aber dann? Wahrscheinlich für alle, die grübeln wollen über den Schwund der Individualität in den Stadtwelten oder über das mittlerweile ziemlich Unspektakuläre des in allen Medien beäugten nackten Leibes. Kein Mythos, keine Erregung. Nirgends.

Julian Opie: Installation „Bijou gets undressed“. Bis 25. April 2004 im „Ständehaus“ (K 21), Düsseldorf, Ständehausstraße 1. Di-Fr 10-18, Sa/So 11-18 Uhr.