Fluchtpunkt Kantpark: Kunst aus Brot und alten Bäumen in Duisburg

Kleiderskulptur von Jana Sterbak im Lehmbruck-Museum. (Foto: es)

Die besten Ideen sind oft geklaut: Zum Beispiel Lady Gagas legendäres Kleid aus Fleisch. Die tschechisch-kanadische Künstlerin Jana Sterbak hatte diesen Einfall schon 1987 mit ihrer Arbeit „Vanitas.Fleischkleid für ein magersüchtiges Albino“.

Inzwischen ist die Robe etwas eingeschrumpelt, aber sie steht im Zentrum der Ausstellung Life-Size mit Werken von Jana Sterbak, die noch bis zum nächsten Wochenende (11. Juni) im Lehmbruck Museum Duisburg zu sehen ist.

Auch die anderen Objekte haben alle etwas mit dem Kult um den Körper zu tun: Stählerne Reifröcke symbolisieren das strikte Reglement, in das Frauen in früheren Zeiten eingezwängt waren – außer man nutzt sie für eine Tanz-Performance, wie das begleitende Video es vormacht. Letzte Dinge spricht das auseinandergezogene Skelett in einer Vitrine an, zum Trost ist es aus Schokolade. Überhaupt verwendet Sterbak am liebsten ganz existenzielle Materialien, sprich Lebensmittel im Wortsinn: Das große Bettgestell hat eine Matratze aus Brot.

Bett mit Matratze aus Brot von Jana Sterbak. (Foto: es)

Freiluftwerkstatt

Ich widerstehe der Versuchung, mich gleich hineinzulegen und wandere bei dem schönen Wetter lieber durch den Kantpark zur cubus Kunsthalle, denn hier wird sogar im Garten Kunst gemacht: Der syrische Bildhauer Mohamad Al Natour hat zurzeit eine Art Freiluftwerkstatt bezogen und schnitzt seine Skulpturen aus Baumresten, die einst der Sturm im Park gefällt hat.

Der Künstler Mohamad Al Natour mit seiner Skulptur im Kantpark. (Foto: es)

Vor anderthalb Jahren kam Al Natour nach Deutschland, lebte in verschiedenen Unterkünften und hat nun eine Wohnung in Duisburg-Ruhrort gefunden. Seine Skulpturen haben oft zwei Gesichter: Die eine Seite zeigt eine ganz verzerrte Visage und stehe für den Hass, erklärt er. Die andere Seite trägt weibliche Züge, eine Frau, die ihr Kind beschützt. Am Baumstamm entlang schlängelt sich eine orientalische Altstadt, von vielen Treppen durchzogen. „Das steht für die Lebensreise“, so der junge Künstler, der selbst schon eine lange Reise hinter sich hat und nun ganz neu anfängt: im Kantpark in Duisburg.

Weitere Infos:
www.lehmbruckmuseum.de
www.cubus-kunsthalle.de




Vandalismus unter der Gürtellinie

Ikonoklasmus, Bildersturm: eine der absurdesten Artikulationen unserer Zeit. Passive Kulturgüter, ob aus politischer oder persönlicher Aversion, mit Gewaltakten zu zerstören, ist in aufgeklärt-demokratischen Gesellschaften schlichtweg daneben. Was jedoch heutzutage besonders bemerkenswert erscheint: das avisierte Körperteil.

Hans-Peter Feldmann: "David"

Hans-Peter Feldmann: "David" © Lehmbruck Museum

Michelangelo, dessen Statue des „Auferstandenen Christus“ in der römischen Kirche Santa Maria sopra Minerva bis heute einen pietätsgerechten Lendenschurz zu tragen hat, war gestern. Aber immerhin, diese große Bildhauerei ist ja noch vollendet, wenn auch mit Fremdslip. Unterhalb der Gürtellinie trifft’s derzeit die zeitgenössischen männlichen Figuren brutal. Schlimm steht es jetzt um eine Plastik von Hans-Peter Feldmann im Kantpark in Duisburg. Sein „David“, eine neun Meter hohe, quietschrosa Replik des Michelangelo-Originals, wurde um ihr bestes Stück gebracht. Lehmbruck-Direktor Raimund Stecker konnte noch schmunzeln, als seinem Schutzbefohlenen neulich, gleich dem klerikalen Kollegen aus Rom, ein genitaler Sichtschutz verpasst wurde.

Nun ist da nichts mehr, und das Entmannen ist beileibe kein Einzelfall: Im Mai erwischte es eine metallene Figur von Antony Gormley und Vicky Parsons aus der 100-teiligen Serie „Horizon Fields“ im Vorarlberger Lechquellengebirge, Österreich. Kastration mit dem Winkelschleifer hier, Hammerschläge dort. Nein, wir leben gerade nicht in Zeiten gesetzmäßiger oder klerikaler Schamverordnungen. Am längst ad acta gelegten Nacktheitsverbot kann es nicht liegen, dass die Vandalen unter die Gürtellinie bolzen. Hier offenbart sich die erbärmliche Spießigkeit unserer bigotten Schenkelklopfergesellschaft.