Schon in den Trümmern begann die Verdrängung – Bonn: Große Ausstellung über Kunst und Kultur der Nachkriegszeit im Westen

Von Bernd Berke

Bonn. Nein, wirklich „lebendig“ kann die Nachkriegszeit natürlich nicht wieder werden – auch nicht durch eine Ausstellung großen Kalibers. Auch nicht, wenn deren Macher unter erdenklichen Mühen über 800 Exponate aus den Jahren 1945 bis 1952 aufgetrieben haben. Die Schau „Aus den Trümmern – Kunst und Kultur in Rheinland und Westfalen“ startet heute im Rheinischen Landesmuseum Bonn (bis 8. Dezember).

Ein Ford Taunus G 73 A Spezial („der mit dem Buckel“) fällt im Foyer zuerst auf. Das Gefährt steht zugleich für die Probleme des Ausstellungsteams, das unter Leitung von Professor Klaus Honnef wahre „Archäologenarbeit“ zu leisten hatte. Nicht einmal die Ford-Werke nämlich konnten mit einem solchen Fahrzeug dienen. Ein Privatmann sorgte für Abhilfe. Der Oldtimer aus einer Zeit, die noch so nah zu sein scheint, allen Moden zum trotz jedoch durch notorische „Erinnerungsfaulheit“ (Klaus Honnef) Lichtjahre entfernt liegt, steht auch für den halbherzigen Versuch, die vielen künstlerisch durchgestalteten Exponate um einige Alltagstupfer zu ergänzen.

Deutlich wird die Durchdringung immerhin im Bereich der Architektur-Dokumentation. Kein Wunder, verschränken sich auf diesem Gebiet doch ohnehin Politik, Kunst und Alltag am innigsten. Jedenfalls zeigt diese Abteilung mit Fotos, Plänen und Modellen etwas sehr Beklemmendes, nämlich, daß viele deutsehe Architekten ihre (während der Bombennächte verfertigten) Pläne nach 1945 nur aus der Schublade holen mußten, um – teils unverdrossen, teils modifiziert – ungute Traditionen des Monumentalismus fortzuführen. Es werden aber auch die Sünden der Gegenströmung des rein funktionalen Bauens deutlich.

Das Ruhrgebiet kommt leider etwas knapp weg. Immerhin sieht man u. a. auch das Originalmodell der (1952 in neuer Form wiedererrichteten) Dortmunder Westfalenhalle. Auch wird (doch da tat man dem Revier zu viel „Ehre“ an) ein von verlogener Heimeligkeit triefendes Wohnambiente der 50er Jahre als Ausfluß des „Gelsenkirchener Barock“ vorgeführt – als ob es diesen Wohnstil nur in hiesigen Breiten gegeben hätte.

Beschämend kurz kommt im zweiten Stock die Mode jener Jahre. Es folgt allerdings eine hervorragend bestückte Fotografie-Abteilung. Kinder beim Ringelreihen auf dem Trümmergrundstück; Volksfest mit Riesenrad zwischen Ruinen; Kölner Karneval gleich nach der Kriegskatastrophe. Bodenloser Frohsinn mitten im Jammer? Legitimes Ausbrechen von Lebensfreude? Beginn der Verdrängung, die bis heute nachwirkt?

Die Leitfiguren der Nachkriegskunst, hier jeweils mit wenigen Bildern vertreten, sind schnell benannt: E. W. Nay, Fritz Winter, Emil Schumacher, K. O. Götz, Ewald Mataré, Gerhard Marcks. Symptomatischer aber scheinen mir drei andere Arbeiten: Erstens Wilhelm Schmurrs „Frühlingsstilleben“ (1944) – eine karge „Inventur“ wie in Günter Eichs gleichnamigem Gedicht; viel ist den Menschen nicht geblieben. Zweitens Walter Icks‘ Selbstbildnis vor einer Trümmerlandschaft (1946): Melancholischer Versuch einer Selbstvergewisserung nach dem großen Desaster. Drittens: Leo Breuers „Bahnhof Paris-Ost“ (1951), ein kaum verhüllter Anklang an Piet Mondrian, Wiederanknüpfung an die internationale Moderne.

Die Ausstellung wandert: 26.1.-23. 3.1986 Kunstmuseum Düsseldorf, 12.4.-31.5.1986 Museum Bochum. Der Katalog (fertig erst Ende November) kostet 52 DM.




Bonn zeigt „Superstars“ der US-Kunstszene

Von Bernd Berke

Bonn. Düsseldorf hatte vor kurzem das Ausstellungsmotto „New York Now“ (Jetzt New York!) ausgegeben, nun schickt Bonn einen Ausruf hinterher: „Back to the USA“ (Zurück zu den USA!), heißt die üppige Präsentation US-amerikanischer Kunst der 70er und 80er Jahre, die seit gestem zu besichtigen ist.

Etwa 120 Arbeiten aus der ersten, seit ihrer Kindheit vom Medium Fernsehen geprägten US-Generation (was sich in vielen Bildern niederschlägt) sollen die in Europa entstandene Informationslücke über Kunst aus den „Staaten“ füllen. Die Exponate, auf unserem Kontinent bisher nur in Luzern gezeigt, stammen überwiegend aus US-Privatsammlungen. Prof. Klaus Honnef, einer der Ausstellungs-Macher, meint gar, nach dem Boom der 60er Jahre sei US-Kunst hierzulande „regelrecht bekämpft“ und zugunsten der einheimischen „Neuen Wilden“ verdrängt worden. Honnef: „Diese Ausstellung soll das Vorurteil widerlegen, daß die Entwicklung in den USA stehengeblieben sei.“

Unter solchen Vorzeichen sind sie denn versammelt, die Helden der Kunstszene New Yorks und anderer Städte – „Superstars“, die bereits wie Klassiker gehandelt werden: Nicholas Africano mit vordergründig trivialen, gleichwohl hintersinnigen Reliefs aus dem Alltagsleben; Richard Bosman mit Szenen, die von Kriminalfilmen inspiriert zu sein scheinen; Joyce Kozloff und andere mit Beispielen von „Pattern and Decoration“, einer bis vor kurzem noch verpönten Kunstrichtung, die stark auf dekorative Wirkung und Ornamente setzt; Robert Longo mit seiner Weiterentwicklung des Fotorealismus; Judy Pfaff mit expressiv-farbigenRauminstallationen, Kenny Scharf mit bissig-zynischen Comic-Adaptionen, dazu Graffiti-Kunst usw.

Gesamteindruck: Es herrscht keine bestimmte Richtung vor, historische Stilformen (einschließlich Pop-Art) werden ebenso ausgeschlachtet wie Medien- und Konsum-Mythen unserer Zeit. Der kleinste gemeinsame Nenner ließe sich auf ähnliche Formeln (herunter)-bringen wie jetzige Kunst made in Europa: Es wird wieder (oder: immer noch) gemalt, und zwar heftig, expressiv – und man schreckt (in den USA selbstredend noch weniger) vor Formen des Kitsches nicht zurück.

„Back to the USA“. Rheinisches Landesmuseum, Bonn, Colmantstraße 14-16, bis 15. Januar 1984. Katalog 32 DM.