Jetzt werden auch Schriftsteller im Revier gesponsert – Initiativkreis Ruhrgebiet finanziert neue Lesereihe

Von Bernd Berke

Im Westen. Neues vom hochkarätigen Sponsorenzirkel der Revier-Wirtschaft: Der „Initiativkreis Ruhrgebiet“ steigt jetzt auch in die Literaturförderung ein. Vom 3. bis zum 27. November gibt es erstmals die Lesereihe „Poesie und Prosa – Junge Literatur im Ruhrgebiet“, die in neun Städten (darunter Dortmund und Unna) Station macht. Falls sie jetzt Erfolg hat, soll die Veranstaltung künftig alle zwei Jahre über die Bühne gehen.

„Ein Beweis dafür, daß der Initiativkreis nicht nur Glanz- und Glamour-Veranstaltungen wie Operngalas finanziert.“ So wertete Dr. Konrad Schilling das Engagement. Schilling, vormals Kulturdezernent von Duisburg, ist jetzt Kulturbeauftragter des Vereins „pro Ruhrgebiet“, der den Initiativkreis unterstützt.

16 Autoren aus dem Revier werden mit „Poesie und Prosa“ aller Genres (von der Jugendliteratur bis zum Krimi) vorgestellt. Bibliotheken und Literaturbüros der Region machten Vorschläge für die Namensliste. Hobby- und Arbeiterliteratur hat man ebenso „aussortiert“ wie Prominenz: Max von der Grün und Josef Reding sind beispielsweise nicht dabei.

Die 16, die nun in den einzelnen Städten (meist paarweise und nach Geschlechterparität) an den Lesestart gehen, haben allesamt schon Bücher herausgebracht, sind aber nur halbwegs arriviert. Kaum einer kann von seiner Literatur leben. Mitorganisator Gerd Herholz vom Literaturbüro Gladbeck: „Ein einzelner Autor hat es hier schon schwer, in der Nachbarstadt bekannt zu werden.“ Die Bündelung der Kräfte durch „Poesie und Prosa“ könne da Abhilfe schaffen.

Schwerpunkt in Dortmund

Schreibkünste scheinen besonders in Dortmund zu gedeihen: Mit Thomas Kamphusmann, Thomas Kade, Ewa Gust, Bettina Rolfes und Jürgen Wiersch lebt fast ein Drittel der beteiligten Autoren in dieser Stadt. Hinzu kommt die Krimi-Autorin Sabine Deitmer, die einen Leseabend moderiert. Überhaupt bleiben die Autoren nicht auf sich allein gestellt. Jeder Abend wird nicht nur moderiert, sondern auch musikalisch umrahmt.

Bringt die Literaturszene des Reviers genügend guten Nachwuchs hervor, um auch 1994 und 1996 „Poesie und Prosa“ angemessen zu besetzen? Gerd Herholz ist skeptisch: „Warten wir’s ab.“ Konrad Schilling hingegen meint: „In zwei Jahren werden wir die Qual der Wahl haben.“

Für „Nachwuchs“ will man schon diesmal ganz konkret sorgen: Am 27. November beendet ein „Stimmengewirr“ in Mülheim an der Ruhr die Literaturtage. So heißt die öffentliche Abschlußlesung eines Lyrik-Workshops, der von Hannelies Taschau und Thomas Rosenlöcher betreut wird.

Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist kostenlos. Der Initiativkreis wendet für das Projekt rund 125 000 DM auf.

Auskünfte und Programmfaltblätter bei: Initiativkreis Ruhrgebiet 0201/266 96 18 oder Stadt- und Landesbibliothek Dortmund 0231/502-3225 oder: Unna, Lindenbrauerei 02303/27 10 97.




Kulturfestival baut am „europäischen Haus“ mit – Programmschwerpunkt der Duisburger „Akzente“

Eigener Bericht

Duisburg. (bke) Das Bild vom „gemeinsamen Haus Europa“ erfreut sich großer Beliebtheit. Man kann es ja auch herrlich und fast endlos ausschmücken – notfalls bis hin zur Türklinke. „Unser Haus Europa“ lautet denn auch das Motto der 14. Duisburger „Akzente“. Zielvorgabe durch Duisburgs Kulturdezernenten Dr. Konrad Schilling: Man wolle politische Visionen mit kulturellem Sinn füllen.

Hochkarätige Politiker werden das Kulturfestival am 22. April eröffnen: der Präsident des Europäischen Parlaments und einer der Kammervorsitzenden des Obersten Sowjet. Die Schirmherren heißen Hans Dietrich Genscher und Johannes Rau – und sozusagen als „guter Geist“ über allem schwebt Michail Gorbatschow, der die Formel vom „gemeinsamen Haus“ ersann.

Nachgezeichnet werden soll das – so Kulturdezernent Schilling – „unverwechselbare Eigenprofil“ eines Kontinents, der (zumindest geistesgeschichtlich) auf den Vorrang der Ratio setzte. Zurück zu den Wurzeln dieser abendländischen Vernunft wird eine Aufstellung im Duisburger Niedenheinischen Museum führen: „Kreta – das Erwachen Europas“ werde, so die Veranstalter, mit raren Exponaten glänzen, die zum Teil noch nie außerhalb Griechenlands gezeigt wurden. Es sei überhaupt die erste deutsche Ausstellung zur Hochkultar der Minoer, die gleichsam den Grundstein zum europäischen Hause gelegt haben.

Das Theaterprogramm der „Akzente“, die bis zum 25. Mai dauern werden, umfaßt elf Inszenierungen, darunter allerdings keine Novität, sondern lauter Gastspiele erprobter Aufführungen. Hier sind allenfalls eineinhalb Stockwerke des Europa-Hauses erkennbar, drehen sich doch sämtliche Inszenierungen um die alten Griechen (Sophokles, Aristophanes, Euripides) sowie um Adaptionen griechischer Stoffe in Deutschland (Kleist, Hölderlin, Hans Henny Jahnn). U. a. werden Aristophanes‘ „Lysistrate“ in Henri Hohenemsers Augsburger Einrichtung, Jahnns „Medea“ in Manfred Karges Kölner und Werner Schroeters Düsseldorfer Ausdeutung sowie Sophokles‘ „Aias“ in Frank Castorfs Basler Version zu sehen sein. Aus Mülheim kommt Roberto Ciullis Regiearbeit „Die Bakchen“ nach Euripides. Auch ein DDR-Theater ist dabei: Das Staatsschauspiel Dresden zeigt Kleists „Penthesilea“.

Neben Vorträgen und Kongressen, in deren Verlauf europäische Visionen entwickelt werden sollen, zählt ein Tanzfestival der europäischen Jugend zum „Akzente“-Programrn. Rund 110 Jugendliche aus zehn Ländern werden gemeinsam die mittelalterliche Liedersammlung „Carmina Burana“ tänzerisch einstudieren. Außerdem wird das Heldenepos „Beowulf“ Grundlage einer Choreographie sein – gleichfalls als Beispiel fürs europäische Mittelalter. Schließlich kündigt der „Förderverein Deutscher Kinderfilm“ eine mit 30 Streifen bestückte „Kinderfilmreise durch Europa“ an.




Duisburg als Vorreiter beim Kulturaustausch mit der DDR – Bilanz nach dem „Akzente“-Festival

Von Bernd Berke

Duisburg. Einen gewaltigen „Bammel“ hatten alle Beleiligten vor dem Duisburger Kulturfeslival „Akzente“. Bei einer bisher beispiellos vielfältigen West-Präsentation von DDR-Kultur hätte ja so vieles „schiefgehen“ können. Doch gestern, nach vollbrachten Taten, konnten Duisburgs Kulturdezernent Konrad Schilling und seine Mitstreiter hörbar aufatmen.

„Kein einziger Flop“ (Schilling) sei ihnen unterlaufen, die Besucherzahl von 73 000 könne sich hören lassen, und praktisch alle Veranstaltungen seien von hoher Qualität, ja meist richtig „aufregend“ gewesen. Schilling zitierte bei seiner Bilanz den DDR-Kulturminister Hoffmann, der gesagt habe, dies sei „ein Festival des Lernens“ gewesen – für beide Seiten.

Die insgesamt rund 110 Veranstaltungen, die – vom Deutschen Theater Ost-Berlin bis hin zu Autoren wie Christa Wolf – zahlreiche „Einblicke“ (FestivaI-Untertitel) in die Kultur des zweiten deutschen Staates ermöglichten, brachten auch zahlreiche „informelle Kontakte“ mit sich. Wie Duisburgs Oberstadtdirektor Richard Klein gestern befriedigt feststellte, haben solche Begegnungen bleibende NachWirkungen. Klein zeigte sich vom Verlauf des gesamten Festivais „überwältigt“.

Kulturdezernent Schilling ließ anklingen, daß Duisburg den Ruhm nicht ganz allein ausschöpfen wolle. Man habe dermaßen viele und wichtige Kontakte in die DDR geknüpft, daß auch andere (Revier-)Städte davon profitieren könnten. Freilich müsse festgehalten werden, daß Duisburg im Kulturaustausch mit der DDR eine Vorreiterrolle gespielt habe. Das Akzente-Festival sei dabei lediglich ein Höhepunkt. Im Grunde vollziehe sich hier ein langer, tiefgreifender Prozeß, gleichsam das langsame Wachstum eines „zarten Pflänzchens“, dessen erstes Aufkeimen man in Duisburg gesehen habe. Ein erfreulichesÄnzeichen sei zum Beispiel,daß man eine Duisburger Ausstellung mit DDR-Leihgaben durch ein schlichtes Telefonat mit dem DDR-Kulturministerium habe verlängern können. So etwas sei vor einem halben Jahr noch ganz undenkbar gewesen,

Auch für das nächste Akzente-Festival im Jahr 1988 erwarten die Duisburger eine starke Beteiligung von DDR-Künstlern. Im nächsten Jahr soll das Schwerpunktthema „Die Kulturleistungen des deutschsprachigen Judentums“ lauten. Der Rat der Stadt muß die Planung noch bestätigen.

Duisburg als „Eisbrecher“ im west-östlichen Kulturbetrieb – so könnte auch die Schlagzeile für die zweite Großunternehmung lauten, die gestern im Rathaus der Revierstadt bilanziert wurde. Die Rede ist vom Gastspiel der „Deutschen Oper am Rhein“ (Duisburg/Düsseldorf) und der Duisburger Sinfoniker in Moskau. Die Sowjets hätten den Klangkörper aus Duisburg geradezu enthusiastisch gefeiert, hieß es dazu. Das Orchester aus dem Ruhrgebiet habe sich vor einem verwöhnten und daher kritischen Publikum selbst übertroffen.