Ganz fremd ist die Natur – Max Beckmanns selten gezeigte Landschaftsbilder in der Bielefelder Kunsthalle

Von Bernd Berke

Bielefeld. Selbst der Frühling oder Gestade unter südlicher Sonne leuchten hier nicht. Sie dämmern in aschig verfinsterten, vergrübelten Mischfarben vor sich hin. Manchmal ist’s noch schlimmer: Dann mutiert das vormals Liebliche in der Landschaft gleich zum unheilschwangeren Drama. Was ist bloß mit der Natur geschehen, die Max Beckmann (1884-1950) gemalt hat?

Landschaften? Jawohl. Beckmann wurde oftmals als Schöpfer kraftvoller Menschen-Bildnisse gewürdigt, besonders seine Selbst-Darstellungen gehören zum Kernbestand der Kunst dieses Jahrhunderts. Doch von den Ausstellungsmachern wurde fast gänzlich übersehen, daß nahezu ein Drittel des Gesamtwerks im weiteren Sinne unter den Begriff „Landschaft“ fällt. Mit einer aus Hamburg kommenden, rund 70 Gemälde umfassenden Schau wird nun auch in der Bielefelder Kunsthalle Versäumtes nachgeholt. Etliche Stücke dieser bedeutsamen Auswahl stammen aus Privatsammlungen und wurden so gut wie nie öffentlich gezeigt.

Vergitterter Blick, gewittrige Farben

Was also ist der Natur zugefügt worden? Der Ausstellungstitel deutet’s an: „Landschaft als Fremde“. Künstler des 20. Jahrhunderts können sich in Feld, Wald und Flur längst nicht mehr so heimisch und aufgehoben fühlen wie ihre Vorväter. Begab sich etwa ein Caspar David Friedrich noch kontemplativ gestimmt ins Freie, so malt Beckmann das Mißtrauen stets mit. Die Folgen rabiater Industrialisierung und zweier Weltkriege lassen keinerlei Weihestimmung mehr aufkommen. In den Zeiten solcher Katastrophen wären Idyllen ohne Bruchstellen nur noch Lüge.

Beckmann schafft, schon in seinen frühen impressionistischen Anfängen, in fast herrischer Weise Distanz zur Natur, er hält sie sich gleichsam mit Bollwerken vom Leibe. Es herrscht das Bildgesetz, nicht das Naturgesetz: Immer wieder vergittert und verbarrikadiert Beckmann (beispielsweise in den Meeres-Bildern) den Ausblick ins Weite, verengt dee Perspektive, faßt einzelne Dinge mit harten Pinselstrichen in dunkle Ränder ein.

Bedrohliche Nachtstücke aus Baden-Baden und Genua

Führen Wegstrecken durchs Gelände, so scheinen sie steil abwärts ins Nirgendwo zustürzen („Der Wendelsweg“, 1928 / „Waldweg im Schwarzwald“, 1937). Fensterausblicke wie jener auf eine „Winterlandschaft“ (1930) betonen den Abstand zum Gesehenen, ja den ganz grundsätzlich versperrten Zugang: Die aus den Fugen geratenen Holzrahmen zwingen der Gegend einen geradezu zerstörerischen Bildrhythmus auf.

Freude am Dasein glüht ganz selten auf und wenn, dann eher als trotzige Behauptung. Ansonsten nur Entfremdung. Selbst ein durchgrünter Kurort wie Baden-Baden wirkt hier unbehaglich. Unter Beckmanns Händen ist ein ebenso düster-bedrohliches Nachtstück daraus geworden wie „Der Hafen von Genua“ (1927), der in Schwärze schier ertrinkt.

Ein „Blick aus der Schiffsluke“ (1934) zeigt, nahezu abstrakt, nur grau in grau tobende Gischt. Herrscht schon sonst eine gewittrige Farbstimmung vor, so verdichtet die „Große Gewitterlandschaft“ (1932) diesen Grundton auf unerhörte Weise. Und die „Möwen im Sturm“ (Kriegsjahr 1942!) hocken wie groteske Geier da, wie letzte Überlebende auf Ausschau nach Fraß.

Auch die Technik bringt keinen Trost

Beckmann, von den Nazis als „entartet“ verfemt, hatte Deutschland damals längst verlassen. Von NS-Besatzern in den Niederlanden und Frankreich immer wieder eingeholt, flüchtete er schließlich in die USA, wo er sogar die unendliche Weite Colorados in enge Bildgitter preßte. Der hochfahrende Mann, der allenfalls Picasso neben sich gelten ließ, wollte sich wohl niemals imponieren lassen, sondern selbst imponieren.

Angesichts innerer Naturferne ist es nur konsequent, daß Beckmanns Stadtlandschaften in den Überblick einbezogen werden. „Der eiserne Steg“ (1922) zerschneidet Frankfurt und den Main mehr, als daß er den Fluß überbrückt. Anders als die Futuristen, begrüßt Beckmann die Technik nicht mit Euphorie. Erblickt man seine „ Schiffswerft“ (1946), so meint man gar den Stahl kreischen zu hören. Aufschrei einer naturlosen Welt.

Max Beckmann – „Landschaft als Fremde“. Kunsthalle Bielefeld. 29 November bis 14. Februar 1999. Di./Do./So. 11-18, Mi. 11-21. Fr./Sa. 11-20 Uhr. Mo. geschlossen. Eintritt 10 DM. Katalog 49 DM.




Kaii Higashiyama – Düsseldorf präsentiert Altmeister der japanischen Landschaftsmalerei

Von Bernd Berke

Düsseldorf. In seiner Heimat ist er eine Berühmtheit: Kaii Higashiyama, 1908 in Yokohama geborener Altmeister der japanischen Landschaftsmalerei, ist gar Träger des äußerst selten verliehenen Titels „Lebender Kulturschatz“. Von ihm stammt ein großes Wandgemälde im kaiserlichen Palast.

300 000 Besucher drängten sich auf seiner letzten großen Ausstellung in Tokyo. Zum Vergleich: Henri Matisse zog „nur“ 260 000 Japaner in seinen Bann. Seit dem vergangenen Wochenende ist – als Nachtrag zu den dortigen„Japan-Wochen“ – in der Düsseldorfer Kunsthalle eine Auswahl seiner Werke zu sehen.

Higashiyama arbeitet fast ausschließlich mit hierzulande kaum verwendeten Mineralfarben. Zerriebene Mineralien, durch besondere Verfahren „streichfähig“ gemacht, verleihen den Bildern eine ganz andere Oberflächen-Struktur als Ölfarben. Feinkörnig, zuweilen ganz leicht glitzernd, geben sie den Landschaftsmotiven etwas Magisch-Geheimnisvolles, Meditatives.

„Aussagen“ im herkömmlichen Sinne wird man diesen Naturbetrachtungen kaum abgewinnen können. Sie nähern sich der „reinen Anschauung“. Es sind menschenleere Landschaften, oft in sanftesten Schattierungen einer einzigen Farbe gestuft, Orte des stillen Nachdenkens und nicht Räume, in denen der Mensch sich ausbreitet.

„Weg“, 1950 auf Seide gemalt, zeigt eine ins Unendliche verlaufende Strecke zwischen hingehauchtem Grün. Ein „innerer Weg“, keiner, den man zu Fuß bewältigt. Farben und Lichtverhältnisse sind fahl, niemals kraftvoll oder gar plakativ. Zahlreiche Bilder zeigen Strukturen von Wurzeln oder Verzweigungen kahlen Geästs. Bleiche Monde spiegeln sich in vollständig ruhigen Wassern. Welch ein Kontrast zur Ausstellung „New York Now!“ (WR vom Samstag) in den oberen Stockwerken, mit ihren grellen und in jedem Wortsinn aufregenden Bildern.

Während Higashiyama trotz seiner Studien im Deutschland der frühen 30er Jahre deutlich in der japanischen Tradition steht, zeigen gleichzeitig ausgestellte Arbeiten von fünf jüngeren japanischen Künstlern die vorsichtige Annäherung an eine universelle „West-Kunst“.

Kaii Higashiyama, Fünf zeitgenössische Künstler aus Japan; Kunsthalle am Grabbeplatz, Düsseldorf: bis 28. August.




Bilderreise durch die Sowjetunion

Von Bernd Berke

Dortmund. Die Auslandskulturtage der Stadt Dortmund mit der Sowjetunion sind ab heute auch im Ostwall-Museum präsent, und zwar gleich mit einer Doppelausstellung über sowjetische Landschaftsmalerei der letzten Jahre sowie mit sowjetischen Plakaten aus der Zeit zwischen 1918 und 1982.

103 Landschaftsbilder von 78 Künstlern sind in der ersten Abteilung zu sehen. Schnell wird dem Betrachter deutlich, daß es hier weniger um künstlerische Genietaten oder zukunftsweisende Gestaltungen geht. Man kann aber anhand der Bilder in der Phantasie eine „Reise durch die Sowjetunion“ nachvollziehen.

Ganz bewußt wurden Werke aus allen 15 Sowjetrepubliken zusammengestellt, die lediglich gemeinsam haben, daß sie Landschaften zeigen. Fast sämtliche Stilrichtungen der Malerei sind vertreten: Impressionistische Bilder hängen neben expressionistisehen, eher kunstgewerblich anmutende Idyllen neben Beispielen abstrakter Formgebung oder solchen, die an westlichen Foto-Realismus erinnern.

Die Unterschiedlichkeit der Landschaften prägt sich auch den Bildern ein: Während Werke aus Georgien farben- und lebensfroh wirken, stellen Künstler aus Estland oder Moskau zuweilen auch schon mal Überdruß an der modernen Zivilisation und zerstörter Landschaft dar. Die meisten Werke haben eher trocken-akademischen oder Plagiatcharakter, vermitteln jedoch indirekt einiges über den Sowjet-Alltag.

Im oberen Stockwerk hängen 151 sowjetische Plakate, hauptsächlich Ankündigungen für Kino- und Theaterveranstaltungen. Während die Plakatkunst aus der Zeit kurz nach 1918 noch revolutionären Optimismus und Bewegung ausdrückt, erstarren auch hier die Formen mit der Zeit zu einem eher langweilig-einheitlichen Schulstil. Dennoch gibt es interessante Entdeckungen zu machen, so etwa das Originalplakat zum berühmten Eisenstein-Film „Panzerkreuzer Potemkin“ oder sowjetische Darstellungen zu westlichen Filmen (z.B. „Wir Wunderkinder“). Beide Ausstellungen sind bis zum 3. Juli geöffnet.