Die fast unbekannte Baugeschichte des alten Ostwall-Museums – ein Buch zur rechten Zeit

Eigentlich kaum zu begreifen: Die Baugeschichte des über Jahrzehnte wichtigsten Dortmunder Kunstortes war bis in die jüngste Zeit weitgehend unbekannt. Jetzt soll ein neues Buch endlich Klarheit schaffen, möglichst mit raschen Wirkungen über die hehre Wissenschaft hinaus. Denn in Dortmund wird immer noch um die Erhaltung des früheren Ostwall-Museums gerungen – neuerdings mit deutlich besseren Aussichten.

Nun aber der Reihe nach. Die eingehende Untersuchung der Dortmunder Architektur-Dozentin Sonja Hnilica trägt den nüchternen Titel „Das Alte Museum am Ostwall. Das Haus und seine Geschichte“. Der Band ist in staunenswertem Tempo (ein knappes Jahr von der Idee bis zum fertigen Buch) vom Essener Klartext Verlag produziert worden und fördert Erkenntnisse zutage, die unbedingt gegen einen immer noch möglichen Abriss des Gebäudes sprechen. Klartext-Verleger Ludger Claßen gibt sich indes keinen allzu großen Illusionen hin: Früher habe man sich mit Büchern wirksamer in öffentliche Diskussionen einmischen können.

Museum Ostawall_18.8.2014.inddDie allermeisten Menschen halten das Haus am Ostwall für einen typischen, eher schmucklosen Nachkriegsbau. Doch es verhält sich anders: Hinter der gelblichen Klinkerfassade stehen noch wesentliche Teile des alten Mauerwerks aus den Ursprungsjahren. Von 1872 bis 1875 errichtet, beherbergte der vom Architekten Gustav Knoblauch entworfene Bau zunächst das Königliche Oberbergamt, 1911 wurde die Behörde zum Städtischen Kunst- und Gewerbemuseum umgebaut. Unter Ägide des Stadtbaurats Friedrich Kullrich entstand dabei jener wundervolle Lichthof mit Glasdach, den es in ganz ähnlicher Form noch heute gibt; wie denn überhaupt der anfängliche Grundriss weitgehend erhalten geblieben ist.

Auch wenn es von außen nicht den Anschein hat: Das vormalige Ostwall-Museum darf im Kern als ältester Profanbau innerhalb des Dortmunder Wallrings gelten, nur die Kirchen sind früher entstanden.

Die heutige „Außenhaut“ des Gebäudes geht allerdings auf die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. Als Dortmund in Trümmern lag, war es vor allem der Beharrlichkeit der Leiterin Leonie Reygers zu verdanken, dass ab 1947/49 am Ostwall erneut ein Museum entstehen konnte – nun allerdings als reines Kunstmuseum ohne kulturgeschichtliche Nebenlinien. Anfang 1949 gab es am Ostwall wieder die erste Kunstausstellung, bei laufendem Betrieb gingen die Umbauarbeiten bis 1957 Schritt für Schritt weiter.

Eventuell hätte man das Haus im alten Stil wieder aufrichten können, doch diese Option ist offenbar nie ernsthaft erwogen worden. Ganz bewusst hat Leonie Reygers die Zeichen auf Bescheidenheit gestellt. Es sollte kein womöglich einschüchternder, historisierender Imponierbau entstehen, sondern ein einladender, äußerlich schlichter Zweckbau, quasi im Geiste der noch ungefestigten Demokratie. Immerhin wurden solide Materialien verwendet.

Teilansicht des alten Ostwall-Museums im jetzigen Zustand (Aufnahme vom 30. September 2014). (Foto: Bernd Berke)

Teilansicht des alten Ostwall-Museums im jetzigen Zustand (Aufnahme vom 30. September 2014). (Foto: Bernd Berke)

Mag sein, dass man eine derartige Entscheidung heute anders treffen und im Stile des 19. Jahrhunderts restaurieren würde. Tatsache bleibt, dass der Bau – gleichsam schichtweise – eine wechselvoll verwobene Geschichte mit Signaturen verschiedener Epochen darstellt. Im Gegensatz zur bisher vorherrschenden Auffassung müsste man deshalb nachdrücklich für Denkmalschutz plädieren. Das mit Vorkriegs-Relikten wahrlich nicht reich gesegnete Dortmund würde sich bundesweit unsterblich blamieren, wenn hier die Abrissbagger kämen und an selbiger Stätte ein Seniorenzentrum entstünde.

Für ein solches Buch wird es also allerhöchste Zeit, bezieht es sich doch auf einen seit Jahren schwelenden Dortmunder Streitfall: Immer wieder hat der Dortmunder Stadtrat in den letzten Monaten eine endgültige Festlegung übers Ostwall-Museum vertagt. Die nächste Sitzung steht an diesem Donnerstag auf dem Plan.

Täuscht man sich, oder darf die Zögerlichkeit vor einem endgültigen Entscheid allmählich als Hoffnungszeichen gedeutet werden? Professor Wolfgang Sonne, an dessen Dortmunder TU-Lehrstuhl die vorliegende Studie entstanden ist, sagte zur Buchvorstellung mit aller Vorsicht, es werde wohl auch jetzt keine „Guillotinen-Entscheidung getroffen“. Nach derzeitigem Stand dürfe man sogar hoffen, dass das Gebäude „noch in diesem Jahr gerettet werden kann“.

Das einstige Kunst-Domizil steht seit dem Umzug der Bestände zum „Dortmunder U“ leer. Lichtblick: Ab 25. Oktober soll der Bau als Zentrum des Theaterfestivals „Favoriten 2014“ (Treffen der freien Szene NRW) dienen. Dennoch: Bislang droht immer noch ein Abriss, ein entsprechender Ratsbeschluss müsste mit neuer Mehrheit rückgängig gemacht werden, um am Ostwall den Weg für ein NRW-Baukunstarchiv mit Nachlässen einflussreicher Architekten frei zu machen. Hinter den Kulissen wird eifrig über Kosten und Konzepte verhandelt.

Sonja Hnilica: „Das Alte Museum am Ostwall. Das Haus und seine Geschichte“. Klartext Verlag, Essen. 144 Seiten, Broschur, zahlreiche (z. T. farbige) Abbildungen, 19,95 Euro.




Qualität am Ostwall reicht für zwei Museen – Dortmunder Museum zeigt Werke aus Eigenbesitz

Von Bernd Berke

Dortmund. In Dortmund muß ein weiteres Museum her. Diese Forderung steht schon seit Jahrzehnten im Raum. Nachdem die Stadt in der Nachkriegszeit vorübergehend sogar Köln und Düsseldorf den Kunst-Rang abgelaufen hatte, verschlief man in den 60er und 70er Jahren die Entwicklung der Museumslandschaft total. Nach und nach wuchsen allerorten neue Kunsthallen aus dem Boden – nur nicht hier.

Daß die Sammlung des Ostwall-Museums es längst verdient hätte, angemessen und auf Dauer präsentiert zu werden, wird mit der neuesten Ausstellung des Hauses schlagend deutlich. Die Schau „Eine Sammlung im Wandel“ zeigt etwa 150 der wichtigsten Werke aus dem Eigenbesitz. Es könnten ohne Qualitätsverlust noch weitaus mehr sein, doch dafür fehlt am Ostwall der Platz. Insgesamt besitzt das Museum rund 500 bis 600 Originalkunstwerke (einschließlich Plastik) und etwa 2500 graphische Blätter.

Ostwall-Direktor Ingo Bartsch sieht die Präsentation denn auch als Diskussionsanstoß für kommende Beratungen im Kulturausschuß der Stadt. Dort wird man sich demnächst mit dem „Museums-Entwicklungsplan“ zu befassen haben. Dieser Plan sieht das Haus am Ostwall als Kunsthalle für Wechselausstellungen vor und will die ständige Sammlung an anderer Stelle unterbringen, möglichst in einem Neubau. Kulturdezernent Gerhard Langemeyer dämpfte gestern freilich allzu große Zuversicht: Vorrang genieße in Dortmund die Umgestaltung der Stadt- und Landesbibliothek, dann komme ein Bau für Konzerte und Kongresse auf dem Gelände der Westfalenhallen erst dann sei das Museum an der Reihe.

Die Ausstellung zeigt unterdessen, daß Kernbestände der Sammlung nicht etwa auf freihändige Ankäufe zurückgehen (was der Etat auch nie erlaubt hätte), sondern auf Stiftungen und Dauerleihgaben mit Vorkaufs-Option. Neuestes Beispiel dafür ist die „Sammlung Cremer“, die rund 1000 Objekte umfaßt und von der – als erster „Appetithappen“ – jetzt ein Joseph Beuys-Raum zu sehen ist. Im Herbst soll ein erster großer Querschnitt durch diese Sammlung vorgeführt werden. Bemerkenswert auch die Dauerleihgaben aus der Darmstädter „Sammlung Ströher“ mit Arbeiten des Informel (Bernard Schultze, KO Götz u.a.), die hervorragend etwa zu den zwei Bildern von Emil Schumacher passen, die in Dortmund vorhanden sind.

Expressionismus, Informel, Zero, Fluxus, Kunst der 80er Jahre. Diese Stichworte markieren Schwerpunkte der Dortmunder Kollektion, sie stehen auch gleichsam für die archäologischen Schichten der Sammlungstätigkeit. Es beginnt mit dem für Dortmund geradezu epochalen Ankauf der „Sammlung Gröppel“ im Jahr 1957 und reicht bis zum Erwerb der Sammlung Feelisch (1988). Die Zusammenstellung wird so auch zu einer Hommage an die ehemaligen Leiter des Museums, Leonie Reygers und Eugen Thiemann.

Die Künstlernamen die man am Ostwall präsentieren kann, sind natürlich Legion: August Macke, Pechstein, Kirchner, Rohlfs, Nolde, Max Beckmann, Grosz, Dix, Max Ernst, Käthe Kollwitz, Günter Uecker und Wolf Vostell seien nur als Beispiele genannt. Klar ist: Für diese Ausstellung sollte man sich mindestens einen halben Tag freihalten oder am besten gleich mehrmals kommen.

„Museum am Ostwall Dortmund. Eine Sammlung im Wandel“. 13. Januar bis 17. Februar 1991. Broschüre zur Ausstellung 15 DM. Ein neuer Sammlungskatalog entsteht.