„Tätiger Vulkan“: Buchheim wird 70

Von Bernd Berke

Dieses Widerspenstigen Zähmung hat, noch keiner vollbracht: Lothar- Günther Buchheim, der heute 70 Jahre alt wird, steht wie ein erratischer Fels in der Kulturlandschaft. Daß der Maler, Sammler, Autor und Verleger bis heute vielfach als „Multitalent bezeichnet wird, deutet – zwei Herzinfarkten zum Trotz – darauf hin, daß sein Kraftquell noch sprudelt. Der „Vulkan“ ist noch nicht erloschen.

Viele Städte und Museen wollten sich mit seiner wertvollen, auf Welt-Tourneen bestaunten Expressionisten-Sammlung schmücken; er hat sie alle mit barocker Wucht verprellt – mal berechtigt, mal ohne nachvollziehbares Motiv. Wer ihm nicht paßt, fängt sich (wie unlängst ein Lokaljournalist in Bayern) auch schon mal eine Watsch’n oder wird mit Buchheims Lieblingsspruch abgefertigt: „Sie verstehen von Kunst so viel wie ein Brunnenfrosch vom Ozean“. 70 Jahre und kein bißchen leise. Ein Verhandlungs-Gegner aus Granit, der seine Visionen und Obsessionen notfalls mit Zähnen und Klauen verteidigt. Man hat es zu spüren bekommen: in München, in Duisburg, an seinem Wohnort Feldafing und anderswo.

Vielleicht liegt es daran, daß sich Buchheim schon früh „durchbeißen“ mußte. Geboren wurde er am 6. Februar 1918 an der Wirkungsstätte der klassischen „Dichterfürsten“, in Weimar. Doch seine Jugend war alles andere als edel und gut. Er kam als uneheliches Kind einer Malerin zur Welt, der Vater hatte sich aus dem Staub gemacht. Damals galt solche Herkunft als Schmach und brachte Demütigungen mit sich.

Mit 15 stellte Buchheim seine Zeichnungen aus, mit 16 war er – neben dem Schulbesuch, wohlgemerkt – für eine Tageszeitungs-Seite verantwörtlich und belieferte weitere Blätter mit Reportagen. Das Abitur bestand er trotzdem. Italienreise und Kunststudium in München waren weitere Stationen der Lehr- und Wanderjahre.

1938 paddelte er auf der Donau bis zum Schwarzen Meer, die Erfahrung war Thema seines ersten Buchs, des 1940 erschienenen Bandes mit dem poesieträchtigen Titel „Tage und Nächte steigen aus dem Strom“. Robust auf der Suche nach „Romantik“ – Buchheim, wie er leibt und lebt. Doch auch mit der Boots-Romantik hatte es ein abruptes Ende. Im Zweiten Weltkrieg war Buchheim Kriegsberichter- und Leutnaut auf einem U-Boot, sein Dokumentar-Roman „Das Boot“ (1973) und Wolfgang Petersens Verfilmung wurden zu Welterfolgen, Millionen sahen die Fernsehserie.

Nicht so spektakulär, aber bis heute ein Standardwerk: sein Buch über die expressionistische Künstlergemeinschaft „Blauer Reiter“ (1959). Ohne Aufsehen blieb auch diese Publikation nicht, denn die darin erschienenen Reproduktionen von Bildern Wassily Kandinskys führten zu einem Prozeß um die Abdruckrechte. 13 Jahre zog sich das juristische Duell Buchheims gegen die Künstlerwitwe Nina Kandinsky hin.

In jüngster Zeit malt der „Löwe vom Starnberger See“ wieder häufiger („Mein eigentlicher Beruf“) und arbeitet an seinem Roman „Die Festung“. Der Titel paßt auch zu seiner Sammler-Burg in Feldafing, in der er und seine Frau Diethild nicht nur expressionistische Bilder verwahren (die er in den 50er Jahren oft zu Spottpreisen erwarb), sondern zahllose weitere Objekte – von nostalgisehen Karussellpferdchen bis hin zur Kollektion alter Versandhauskataloge.




Sammler Buchheim wettert weiter gegen die Stadt Duisburg – Buch über „Expressionisten-Sandal“ vorgestellt

Von Bernd Berke

Duisburg. „Beamtenbanausen“ und „kommunale Schweinehunde“ hocken „in ihrer Wagenburg“ und verhindern die Kultur; mit ihnen über Kunst zu sprechen, gleicht einem Dialog „mit Brunnenfröschen über den Ozean“.

Wer redet denn so? Ganz richtig, es ist Lothar-Günther Buchheim, der Kunstsammler, der Duisburgs Lehmbruck-Museum seine unschätzbar wertvolle Expressionisten-Sammlung entzogen hat und jetzt vor Ort ein Buch über seine Erfahrungen mit der Stadt vorstellte („Das Museum in den Wolken“. Albrecht Knaus-Verlag).

Die Schimpfkanonade vermittelte einen Eindruck vom Rohmanuskript, das Buchheim „dreimal überarbeitet und gemildert“ hat. Mit etlichen Verbalinjurien, bei denen er auch das Wort „Schmutz-Presse“ nicht vergaß, kam Buchheim den Erwartungen von Teilen des Publikums im Audimax der Duisburger Universität entgegen. Eingeladen hatte der AStA (Allgemeiner Studenten-Ausschuß), denn Buchheim ist Ehrendoktor der Uni und Lehrbeauftragter für Kunst. Viele waren gekommen, um Buchheim als „Poltergeist“ wider das „Duisburger Bilderbuch-Beispiel“ von Kunstfeindlichkeit zu erleben.

Wer freilich erwartet hatte, daß Vertreter der Stadt Buchheims „barocker“ Strafpredigt direkt Paroli bieten würden, sah sich enttäuscht. Durch die Abwesenheit seiner Kontrahenten geriet Buchheims Abrechnung leider zum ungebremsten Monolog, Diskussionswillige wurden unter Hinweis auf ihre „Kenntnismängel“ abgefertigt. Es war aber eine „kontrollierte Raserei“, der sich Buchheim überließ: Er nahm sich, juristisch wohl gut beraten, doch sehr in acht und verknüpfte an keiner Stelle eine Beleidigung mit konkreten Namen.

Auch sonst gab’s kaum präzise Aussagen. Wer unbedingt will, darf weiter rätseln, ob das sprichwörtliche Tischtuch zwischen dem Sammler und der Stadt vollends zerschnitten ist. Zwar drohte Buchheim, nur noch per Anwalt mit der Stadt Duisburg zu verkehren (in welcher Angelegenheit?), doch dann teilte er mit, er habe noch jetzt von seinem Duisburger Hotel aus (vergebens) versucht, Kontakt mit Stadtvertretern aufzunehmen.

Buchheim: .„Ein Wort vom Oberbürgermeister hätte genügt, und ich wäre mit meiner Sammlung zurückgekehrt“. Wie dies Zauberwort hätte lauten müssen, verriet er nicht. Von Anfang an, so Buchheim, sei man in Duisburg nur „geil“ auf Kunstbesitz gewesen, ohne auf die Vision vom Zusammenhang der Kollektion einzugehen. Buchheim: „Die wollten mich nur von meinem Eigenturn trennen“. Der Anbau, entworfen von seinem Intimfeind Manfred Lehmbruck, sei völlig ungeeignet für diese Sammlung und zeige, daß man es nur auf die Museumserweiterung und nicht auf eine angemessene Präsentation der Expressionisten angelegt habe.

Am Rande der Veranstaltung wurde bekannt, daß Anhänger des freien Duisburger Kulturzentrums „Eschhaus“, dem die Stadt den Mietvertrag gekündigt hat, durch eine kurze (Dach)-Besetzung des Lehmbruck-Museums ein weiteres Kapitel im lokalen Kulturkampf aufschlugen.




Buchheim hält Gerichtstag ab – „Boot“-Autor drehte eigenen Dokumentarfilm über den U-Boot-Krieg

Von Bernd Berke

„Den einzelnen Kriegsteilnehmer glorifizieren, die Verführer aber dekuvrieren“ (aufdecken, entlarven) – dieses fürwahr zwiespältige Ziel hat sich Lothar-Günther Buchheim, derzeit wegen des „Boot“-Dreiteilers in aller Munde, gesetzt – für seine Dokumentation „Zu Tode gesiegt“ (WDF, 22.15 Uhr).

Buchheim gibt hier vor allem einer (Un-)Person die Schuld am Untergang der deutschen U-Boot Flotte und am Tod vieler tausend Soldaten im 2. Weltkrieg: Großadmiral Dönitz, dem Befehlshaber des Seekriegs. Sobald Buchheim, der zwischen den dokumentarischen Teilen immer wieder mal in Strickjacke an seinem Schreibtisch gezeigt wird, auf „den Totmacher“ Dönitz zu sprechen kommt, entlädt sich sein ganzer bebender Zorn. Vorbei ist es dann mit der scheinbaren Gemütlichkeit am Schreibtisch. Buchheim, im Innersten verwundet, hält Gerichtstag.

Die Dokumentation war fester Bestandteil des Vertrags zwischen Buchheim und der ARD. Wird das „Boot“ ausgestrahlt, so der Autor, dann darf eine ergänzende Recherche im historischen Umfeld nicht fehlen. An diesem Anspruch, um dessen Erfüllung sich Buchheim freilich nur zu später Stunde in den dritten Programmen bemühen kann, muß „Zu Tode gesiegt“ gemessen werden. Und da stellen sich bei mir Bedenken ein.

Immer wieder muß Buchheim während des Films Abbitte dafür leisten, daß die Bilder niemals den vollen Schrecken des Krieges wiedergeben können. In der Tat: Oft ist das schiere Gegenteil der Fall. Da dokumentarische Aufnahmen vom U-Boot-Krieg mangels Alternative meist aus propagandistisch vorgefiltertem Materiai stammen, gehorchen sie einer „Ästhetik“, die sich am blanken Stahl und dessen Zurichtung zu technischer Perfektion berauscht.

Man muß Buchheim zugute halten, daß er diese Schwächen selbst benennt und auch nicht mit dem Eingeständnis hinter dem Berg hält, heute noch seltsam fasziniert zu sein, wenn er Bilder vom U-Boot-Krieg sieht. Er hätte es allerdings kaum aussprechen müssen. Beredt nämlich ist, was er da ins Unreine spricht. Ungebrochen verwendet er den Begriff des „Helden“, der so manche Geleitzugschlacht geschlagen habe. Wie von einer Obsession geleitet, spricht er von „Prankenschlägen“, die die See austeile, spricht er gar von der „Natur“ eines Waffensystems und nennt einen altgedienten U-Boot-Kommandanten „einen alten Barsch“. Der Krieg ein Naturereignis, gesteigertes Lebensgefühl in der Hölle?

Buchheim, so zeigt sich, ist immer noch zutiefst betroffen und ‚besessen von „seinem“ Thema. Daher ist „Zu Tode gesiegt“ nicht so sehr Dokumentation als bewegendes, grundehrliches Bekenntnis. Ungeglättet wie die rauhe See, läßt der Film aber wenig Raum für gedankliche Distanz und Klärung.




Buchheim schimpft über ARD: Petersens „Boot“-Mehrteiler ist wie „Krieg zum Knabbergebäck“

Von Bernd Berke

Köln. Lothar-Günther Buchheim, Hansdampf in allen Gassen des Medien- und Kulturbetriebs und bekanntermaßen streitbarer Geist, macht wieder einmal lautstark von sich reden. Bei Gelegenheit der gestrigen Pressevorführung seiner Dokumentation über die U-Boot-Schlachten im Zweiten Weltkrieg (Titel: „Zu Tode gesiegt“), polterte Buchheim los: „Man hat es wieder einmal fertiggebracht, eine wichtige Sendungin die Spätschiene der Dritten Programme zu verbannen. Zu diesen Sendezeiten gucken doch nur noch ein paar verrückte Intellektuelle zu.“

Buchheim hat seine 90minütige Dokumentation als „Gegengewicht“ zur Ausstrahlung des Dreiteilers „Das Boot“ (ARD, ab 24. Februar; von Wolfgang Petersen nach dem gleichnamigen Buchheim-Roman gedreht) gedacht. Nun fürchtet er, daß der Spielfilm einem Millionenpublikum „den Krieg frei Haus liefert, zum Knabbergebäck“, während die historischen Hintergründe nur einer verschwindenden Minderheit nahegebracht würden.

Mutmaßte Buchheim: Es gebe bestimmt massive Interessen, das Programm so zu gestalten, denn schließlich werde auch heute mit dem U-BootBau Geld verdient. Einer solchen „Verschwörungstheorie“ widersprach unter anderem Günther Witte, Leiter der WDR-Fernsehspielredaktion, entschieden: Die Dokumentation laufe auf dem üblichen Fernsehspiel-Termin des 3. Programms.

Buchheim hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, daß er die Petersen-Verfilmung für wenig gelungen ansieht. Insgesamt halte er die Femsehfassung aber für besser als den Kinofilm, gestand er zu. Buchheims Dokumentation „Zu Tode gesiegt“ (am 4. März um 22.15 Uhr im WDF) ist eine sehr beeindruckende, persönlich geratene Abrechnung mit den grausamen Praktiken des U-Boot-Kriegs und besonders mit dessen Befehlshaber, Admiral Dönitz.