Nun jauchzet und frohlocket: Löw hat doch nicht alle Dortmunder aussortiert

Man möchte bitterlich auflachen. Von Borussia Dortmund, dem besten Tabellenzweiten seit Anbeginn der Bundesliga, nimmt „Jogi“ Löw gerade mal zwei Spieler mit zur Fußball-EM nach Frankreich: den 20jährigen Julian Weigl und Mats Hummels, der unterdessen eigentlich gar kein „richtiger“ BVB-Mann mehr, sondern quasi schon ein halber Bayer ist.

Sind alle BVB-Leistungen "für umme", wenn's nach Jogi geht? (Foto: BB)

Sind alle BVB-Leistungen „für umme“, wenn’s nach Jogi geht? (Foto: BB)

Zum Vergleich: Von Wolfsburg und Schalke, zwei Teams, die in der Liga zutiefst enttäuscht haben, fahren ebenfalls je zwei Spieler mit. Ja, da ist doch wohl etwas aus der Balance geraten. Und gezz ma‘ ährlich: Diese Ansicht hat zwar etwas mit einer gewissen Neigung zum BVB zu tun, aber beileibe nicht mit engstirniger Nibelungentreue zum schwarzgelben Verein. Engstirnig? Ich? Niemals!

Schon im 27 Spieler umfassenden, vorläufigen Kader standen n i c h t die hochtalentierten Dortmunder Abwehrkräfte Schmelzer, Ginter, Durm und Bender. Mindestens einen oder zwei von ihnen hätte man nach Lage der Dinge wenigstens im erweiterten Kreis erwarten dürfen. In Erwägung der jüngsten Torwartleistungen der Neuer-Stellvertreter Ter Stegen und Leno (bei der Testspiel-Pleite gegen die Slowakei) hätte man sich auch noch den BVB-Keeper Roman Weidenfeller wünschen können, obwohl er nicht mehr der Allerjüngste ist.

Aber nichts da! Löw hat’s anders gewollt. Man könnte argwöhnen, er hätte eine schlimme Farballergie gegen Schwarzgelb.

Pechvogel Ilkay Gündogan hatte sich bereits im Vorfeld verletzt; wie eigentlich immer, wenn es darauf ankommt. Und heute, ja heute hat Löw auch noch den BVB-Stürmer Marco Reus aus dem Aufgebot gestrichen – just wegen einer Verletzung. Die Blessuren von Hummels und vor allem von Bastian Schweinsteiger werden derweil viel optimistischer ausgelegt. Da bestünden baldige Heilungschancen, so dass die Turnierteilnahme nicht gefährdet sei, heißt es. Geht’s da etwa nach dem bloßen Prinzip Hoffnung? Wir werden ja sehen, ob der langjährige Bayern-Arzt Müller-Wohlfahrt mit seiner Einschätzung recht behält.

Doch nun jauchzet und frohlocket: Löw hat ja nicht alle Dortmunder aussortiert.

Ich gebe zu, dass mir als Dortmunder die Vorfreude auf die EM etwas vergällt worden ist und frage mich, ob wirklich Leistung das alleinige Auswahlkriterium gewesen ist – oder ob nicht doch auch Wohlverhalten und unverbrüchliche Loyalität zum Trainer eine gewichtige Rolle gespielt haben. Löw mag keine Widerspenstigen, sondern wohl eher brave Jasager.

Auch landsmannschaftlicher Sympathien und Antipathien ist der Bundesjogi ja nicht ganz unverdächtig. Es gibt eine interessante Aufstellung, die zeigt, von welchen Vereinen er die über 80 Debütanten seiner Amtszeit geholt hat. Gewiss, immerhin je zehn Dortmunder und Schalker waren zwischenzeitlich dabei. Aus Löws geliebtem Südwesten (Stuttgart 7, Freiburg 4) durften – fast ohne Rücksicht auf schlechte Tabellenplätze und Abstiegsnöte – elf Neulinge ran. Das erscheint einem doch etwas überproportional.

Überraschender Spitzenreiter ist übrigens Bayer Leverkusen mit 13. Ob’s daran liegt, dass Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler das eine oder andere gute Wort eingelegt hat? Oder hat er andernfalls mit seinen gefürchteten Wut-Interviews gedroht?




Mats, wat machste nur?

Ich geb’s ja zu, ordentlich Zweckoptimismus war schon dabei, als ich dieser Tage Bernd Berke, meinem Freund im schwatz-gelben Geiste, seine Zweifel über die zukünftige sportliche Heimat des Spielers Mats Hummels nehmen wollte. Ich schrieb, dass dieser ewig beim BVB bleiben werde. Aber ich bin nun mal ein gutgläubiger Mensch.

Solche Szenen wird Mats Hummels nicht mehr erleben: Momentaufnahme vom Meister-Corso durch die Dortmunder Innenstadt im Mai 2011. (Foto: Bernd Berke)

Solche Szenen wird Mats Hummels nicht mehr erleben: Momentaufnahme vom Meister-Corso durch die Dortmunder Innenstadt im Mai 2011. (Foto: Bernd Berke)

Ich setze nun gern auch mal die Intelligenz voraus, die ich bei Menschen zu erkennen glaube, deren eloquente Art, die eigene Arbeit zu analysieren, durchdacht erscheint. Okay, Mats Julian Hummels habe ich da allem Anschein nach ziemlich überschätzt. Hätte er Liverpool genannt als letzte Herausforderung einer angejahrten Karriere, oder den königlichen Verein in Spanien mit hauseigener Gelddruckmaschine, dann hätte ich das Profi-Gesabbel von der sportlichen Herausforderung ja noch verstanden. Aber Bayern? Nee. Die hatten ihn nach eigenem Bekunden schlecht behandelt. Die hatten nachweislich seine überragende Veranlagung nicht wahrgenommen. Die hatten seinen Vater und Berater gefeuert. Alles vergessen?

Mann, wie müssen die sprengend mit ihrem Gehaltsgefüge umgehen. Anders wäre doch so eine vollkommen unverständliche Affinität kaum zu erklären. Hier der unvergleichliche BVB, die unvergleichliche Südtribüne. Hier in Dortmund: das bestfrequentierte Stadion Europas. Hier ein Verein mit funktionierenden Strukturen, bei dem der Spieler Mats Julian Hummels geliebt und höchst geachtet wurde. Und hier der Verein, dessen großartige Arbeit erst den großartigen Spieler Mats Julian Hummels erst zu dem machte, der er wurde.

Torjubel im (wie üblich) ausverkauften Dortmunder Westfalenstadion, vulgo Signal Iduna Park. (Foto: Bernd Berke)

Torjubel im (wie üblich) ausverkauften Dortmunder Westfalenstadion, vulgo Signal Iduna Park. (Foto: Bernd Berke)

Und dort die „Buyern“, mit einem Stadion, das höflichen Applaus spendet, wo Dortmunds Südtribüne in leidenschaftliche Raserei übergeht. Dort die Buyern, die sich nur mit dem Ankauf der spielerischen Klasse bei konkurrierenden Vereinen in der Liga deren sportliche Qualität vom Hals halten können. Dort die zugegeben beste Vereinsstruktur der Liga, bei gleichzeitigem Verschleiß des “Spielermaterials”. Und da ist Mario Götze nur ein Beispiel.

Mats Hummels hatte das Zeug, eine Dortmunder Legende zu werden. Er wäre so einer wie Nobby gewesen, oder Kalle Riedle oder Timo. Ihm hätten Türen offen gestanden, wo der Süden applaudierend Spalier gestanden hätte, wenn sie von ihm durchschritten worden wären. So wird er nun in der Vergessenheit versinken, in der zahlreiche schon darben, die mal für den BVB gespielt haben. Und bei den Buyern ist er schon jetzt einer von vielen.

Bleibt zu hoffen, dass er Borussia Dortmund viel, viel Geld einbringt, für das der BVB wieder Talente in seine Mannschaft holen kann, sie zu sportlicher Höhe führt – und die dann von Bayern weggekauft werden. So brächte er doch noch zusätzlich was für den Verein, der ihn so wertvoll machte.

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Der Beitrag ist in ähnlicher Form zuerst in Rudi Bernhardts Blog dasprojektunna.de erschienen.




Deutschland – Österreich: Die alte Hassliebe – diesmal völlig unaufgeregt

Lange nicht mehr einen solch leidenschaftslosen Fußballabend erlebt wie diesen. Das Resultat beim alten Hassliebe-Duell Deutschland gegen Österreich war mit 3:0 klar wie Kloßbrühe.

Das Münchner Stadionpublikum blieb denn auch vergleichsweise still. Und der ZDF-Kommentator Oliver Schmidt fiel allenfalls durch Zurückhaltung auf. Der Mann versucht gar nicht erst zu glänzen oder aufzutrumpfen. Ob er es im Fall des Falles könnte, lassen wir mal dahingestellt.

Ein Duo zwischen Krampf und Komik

Das Geplänkel vor dem Spiel tue ich mir in der Regel nicht an. Da wird doch meistens enorm viel heiße Luft in den Äther geblasen. Diesmal mussten Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein und Experte Oliver Kahn (unterstützt von optisch aufgemotzten Einspielfilmchen) rund eine halbe Stunde bis zum ersehnten Anpfiff überbrücken.

ZDF-Fußballexperte Oliver Kahn (Foto: ZDF/Sascha Baumann)

ZDF-Fußballexperte Oliver Kahn (Foto: ZDF/Sascha Baumann)

Dieses Duo wirkt immer ein wenig verkrampft. Während sie die Tendenz hat, leichthin über alles hinwegzutraben, windet und kämpft er sich mühsam zu Meinungen durch, die meist darin gipfeln, dass Oliver Kahn „mehr Aggressivität“ von den Spielern einfordert. Im Zusammenspiel sind die beiden hin und wieder unfreiwillig komisch.

Gerne einer Meinung mit „Jogi“

Ansonsten bestätigt Kahn immer gern die Meinung des Bundestrainers Löw oder rudert sogar eilends zurück, falls er mal nicht mit „Jogi“ übereingestimmt hat. Dass der Ex-Bayer Kahn vor allem im Dortmunder Mats Hummels (der heute auf der Ersatzbank blieb) einen Sündenbock für Defensiv-Defizite ausgemacht hat – geschenkt! Löw hatte Hummels ja nicht aufgestellt, also konnte Kahn quasi nach Herzenslust über den BVB-Spieler herziehen.

Eine Bemerkung zwecks größerer Transparenz: Ja, das sage ich als Dortmunder, aber nicht von ungefähr. Kahns Bayern-Lastigkeit ist ebenso nachvollziehbar wie überprüfbar. An seinem ARD-Pendant Mehmet Scholl (ebenfalls ein Bayer) könnte er sich in jeder Hinsicht ein Beispiel nehmen.

Irgendwann begann das Spiel dann endlich. Es war nicht übel, aber eben auch nicht allzu spannend. Insofern konnte man auch vom Kommentator keine emotionalen Ausbrüche erwarten. Allerdings hätte er in einem Match, in dem die Ellenbogen derart häufig und gesundheitsgefährdend eingesetzt wurden, diese arg rustikale Spielweise thematisieren müssen.

Die altbewährte Namens-Sirene

Stellenweise war man allerdings schon froh, dass das ZDF diesmal nicht den sonst allzeit präsenten Béla Réthy einsetzte, so dass einem dessen oft unsinnige Prosa erspart blieb. Immerhin pflegt Oliver Schmidt eine Marotte, nämlich das unnötig eingeschobene „Ja“. Beispielsatz: „Deutschland und Österreich, zwei Länder, die sich – ja – sehr nahe sind.“ Größere Chancen quittiert er mit der altbewährten Namens-Sirene: „Öziiiiiil…“ Und wenn er auf Bayerisch „dahoam“ (daheim) sagen will, hört sich das an wie verunglücktes Englisch.

Nach dem Spiel lobte Oliver Kahn – na, was wohl – die „Aggression“ der deutschen Mannschaft, aber auch die „Kreativität“. Katrin Müller-Hohenstein rief abermals aus, Miroslav Kloses 68. Länderspieltor sei etwas „für die Geschichtsbücher“. Kann jemand der Frau bitte mal erklären, was wirklich geschichtsträchtig ist?

Zum Ritual eines Länderspielabends gehört es seit jeher, das Statement des Bundestrainers abzuwarten. Doch auch das blieb diesmal ziemlich blass und farblos. Alles in allem: eine Partie, nach der man vollkommen ruhig schlafen kann. Und das ist doch auch etwas!

Der Beitrag ist zuerst bei www.seniorbook.de erschienen.