Ungeahnte Leuchtkraft der Farben – Heinz Mack (92) stellt in Hagen aus

Der Künstler Heinz Mack (92) und Hagens Osthaus-Museumsdirektor Tayfun Belgin (li.) vor einem Bild von Mack. (Foto: Bernd Berke)

„Ich bin ein stolzer Maler!“ Das sagt der heute 92-jährige Künstler Heinz Mack im Hagener Osthaus-Museum. Dort zeigt er rund 70 neuere Arbeiten, die von ungebrochener Vitalität zeugen.

Seine künstlerischen Anfänge reichen weit zurück. 1957 gründete er mit Otto Piene die Avantgarde-Gruppe ZERO, der sich bald darauf auch der „Nagelkünstler“ Günther Uecker anschloss. Heinz Mack hat sich schon 1963 von der Tafelmalerei verabschiedet und sich vollends auf Skulptur und Kinetik verlegt. Damals sah nicht nur er die Malerei „am Ende“. Doch um 1991 hat er wieder zu malen begonnen und ist bis heute dabei geblieben.

Mack betrachtet sein Oeuvre nicht chronologisch. In Japan habe er die asiatische Sichtweise kennengelernt. „Dort denkt man nicht linear, sondern in Zyklen.“ Auch sein Werk zeichne sich durch kreisende Wiederkehr aus, nicht durch fortschreitende Entwicklung. Von einer Wiederholung des Immergleichen kann jedoch nicht die Rede sein. Mack selbst spricht von der „Kraft des Wachsens“.

Heinz Mack in seinem spanischen Atelier neben einer 2022 entstandenen „Chromatischen Konstellation“. (Foto: © Courtesy Archiv Atelier Mack)

Seit Picasso, so Mack weiter, gehe es in der Kunst nicht mehr um Komposition, sondern um Strukturen. Dieser Entwicklung habe auch er sich nicht entziehen können. Deutlich wird dies in seriellen Mustern seiner Reliefs oder in subtilen Farbstufungen seiner meist titellosen Bilder. Vor allem die Übergänge zwischen verschiedenen Farben erprobt er bis in alle Nuancen.

Eigentlich inspiriere ihn alles, sagt der Künstler. Er gehe „mit offenen Augen durch die Welt“ und orientiere sich an der Natur, auch im mikroskopischen Bereich. Gerade da zeigten sich die wunderbarsten Strukturen. Es sind Anregungen sondergleichen.

Ein Raum der Osthaus-Schau verblüfft mit großformatigen Bildern in Schattierungen von Schwarz, Weiß und Grau. Selbst diese Tönungen beginnen auf ihre Art zu leuchten. Erst recht erstrahlen die farbstarken Arbeiten. Heinz Macks Bekenntnis: „Licht i s t eine Farbe“. Ergo: Farbe zeichne sich vor allem durch Leuchtkraft aus.

Glücklicher Moment: Heinz Mack umarmt seine Tochter Valeria in der Hagener Ausstellung. (Foto: Bernd Berke)

Heinz Mack lebt auf einem Anwesen bei Mönchengladbach (und auf Ibiza): „Ich bin da von lauter Frauen umgeben, die mir bei der Arbeit helfen.“ Allen voran seine Ehefrau Ute und seine Tochter Valeria, die Kunstgeschichte studiert hat, zur Vorbesichtigung nach Hagen kam und vom Vater beim Pressetermin ganz spontan herzlich umarmt wurde. Ein anrührender Moment.

Neben der täglichen Malerei beschäftigen ihn vor allem archivarische Katalogisierungen seiner Werke, die sich auf fünf größere Lagerstätten verteilen. Hinzu kommen viele, viele seiner Bilder und Objekte in über 140 öffentlichen Sammlungen. Der Mann hat mehr als 400 Einzel- und zahllose Gruppenausstellungen absolviert. Wie soll da jemand den Überblick behalten? Sogar der Künstler selbst tut sich da manchmal schwer. Der Schöpfer ist eben höchstens in zweiter Linie Archivar.

Heinz Mack – „Das Licht in mir“. Bis zum 3. September 2023 im Osthaus Museum, Hagen, Museumsplatz 1 (Navi-Info: Hochstraße 73). Geöffnet Di-So 12-18 Uhr, Mo geschlossen. Eintritt 7 Euro, diverse Ermäßigungen. Telefon 02331 / 207 3138.

www.osthausmuseum.de




Der Kick in der Kunst – Ausstellung rund um den Fußball im Mönchengladbacher Schloß Rheydt

Von Bernd Berke

Mönchengladbach. Worum dreht sich (manchmal) das ganze Universum? Der Künstler Heinz-Josef Mess hat da so seine Vermutung – und äußert sie im Bilde: Mitten im endlosen galaktischen Nebel thront ein Zentralgestirn, das uns irgendwie bekannt vorkommt. Es ist ein Fußball. Wie sehr Kultur mit Kult und Kult wiederum mit Kicken zu tun hat, untersucht jetzt eine Ausstellung im ehrwürdigen Mönchengladbacher Schloß Rheydt.

Der Ball ist rund, das Spiel dauert 90 Minuten, das Runde muß ins Eckige, „Grau is‘ alle Theorie, entscheidend ist auf m Platz“ – derlei zeitlose Fußball-Weisheiten lassen auch Künstler nicht ruhen. Die pfiffige Gladbacher Schau versammelt staunenswerte Stücke. Wer hätte etwa gewußt, daß der berühmte Pop-Künstler Andy Warhol nicht nur eine Marilyn Monroe, sondern auch den Kölner Torwart Toni Schumacher als Glamour-Star porträtiert hat?

Wie eine Reliquie: Originalabguß von Netzers Schuh

Warhols Antipode Joseph Beuys hatte exakt den gleichen Club im Sinn, als er 1978 ein mit Geißbock-Maskottchen verziertes Schlüsselbund kurzerhand per Signatur zum Kunstwerk erklärte.

Besonderen Drall bekommt die Ausstellung durch Traum-Kombinationen zwischen Kunst und Kultgegenständen der Fans: Wimpel, Trikots, Pokale und dergleichen. Letztere werden wie Reliquien mit grünem Samt drapiert, beispielsweise ein Originalabguß von Günter Netzers Schuh oder ein Abdruck vom Fuße des Berti Vogts, der sich die Ausstellung demnächst anschauen wird.

Ironische Antwort auf den Kult um Vereinsfarben: Stefan Banz hat einer nackten Frau den schwarz-gelben Dress von Borussia Dortmund direkt auf die Haut gemalt, ein unbekleideter Mann trägt derweil das Schalker Königsblau. Auch sein „bestes Stück“ ward beim Kolorieren nicht vergessen…

Der Künstler Dag Seemann zeigt den Fußball als Religionsersatz dieser Zeit: Die von ihm kreierte Abfolge (altgriechische Amphora, Abendmahls-Kelch und WM-Trophäe) spricht für sich.

Die Aggressivität des Sports ist gleichfalls künstlerisches Thema. Thomas Virnich etwa hat ein kleines Spielzeug-Fußballfeld aus Blech gründlich zerfetzt und dann mit dem Lötkolben bearbeitet. Die versengten Stellen künden nicht vom hehren „Fair geht vor“, sondern gleichsam von einer „Taktik des verbrannten Rasens“. Der Werktitel zielt in die gleiche Richtung: Beim Match ist es „Drunter und drüber“ (1995) gegangen.

Abstrakter, aber ebenso faszinierend ist die Spuren-Suche von Susken Rosenthal. Sie hat sämtliche Spielzüge einer Länderspiel-Partie zwischen Argentinien und Deutschland auf ein verdunkeltes Spielfeld graviert. Resultat: ein Gewitter aus energetischen Linien mit bedrohlichen Ballungen. Dem Spiel-Verlauf wird hier ein Eigenwert zuteil, der sich von den Spielern selbst gelöst und sich zeichenhaft weit über sie erhoben hat.

Daß „das Spiel an sich“ machtvoller sein könnte als das arme kleine Individuum, teilt als Angstvision auch Dieter Asmus mit: Sein „Torwart“ (1970) wird von einem gigantischen roten Ball schier überrollt.

Weitaus kühler gibt sich Gregor Russ, der die Markierungslinien des Spielfelds auf 72 Bildern variiert: Anstoßkreis, Elfmeterpunkt und Fünfmeterraum mutieren dabei zu geometrischen, nach Regeln optischer Schönheit frei kombinierbaren Elementen.

„Heimspiel. Fußball: Kult und Kunst“. Mönchengladbach, Städt. Museum Schloß Rheydt, Schloßstr. 508. Bis 4. Okt. („Verlängerung möglich / kein Elfmeterschießen“). Tägl. außer Mo 11-19 Uhr. Katalog 29 DM.