Als Japan den Westen betörte – eine schwelgerische Schau im Museum Folkwang

Es ist mal wieder eine dieser Prunk- und Prachtausstellungen des Essener Folkwang-Museums. Seit das Haus Projekt-Partnerschaften mit dem potenten Sponsor e.on (vormals Ruhrgas) pflegt, gibt es solche Schauen mit schöner Regelmäßigkeit. Praktisch immer sind die üblichen Heroen der Klassischen Moderne mit dabei, deren namentliche Signalwirkung weithin ausstrahlende Events garantiert. Diesmal lautet der Titel: „Monet, Gauguin, van Gogh… Inspiration Japan“.

Kitagawa Utamaro: "Die Kurtisane Kisegawa aus dem Matsubaya". Mehrfarbiger Holzschnitt, (© Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Asiatische Kunst)

Kitagawa Utamaro: „Die Kurtisane Kisegawa aus dem Matsubaya“. Mehrfarbiger Holzschnitt, (© Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Asiatische Kunst)

Es geht um Japonismen, also japanische Einflüsse in der französischen Kunst, die damals mit der globalen Kunsthauptstadt Paris den Ton angab. Der Betrachtungszeitraum reicht im Wesentlichen von 1860 bis 1910. Das Thema wird mit 400 Werken (davon 65 Gemälde) in zwölf Kapiteln entfaltet, denen zwölf Räume entsprechen. So weit das dürre Zahlenwerk.

Doch so nüchtern bleibt es wahrlich nicht. Irgendwann erreicht man den Gipfel des Schönheitsempfindens: Grandioser, schwelgerischer Höhepunkt ist jener Raum mit den prächtig in Szene gesetzten Seerosenbildern von Claude Monet, dessen Garten in Giverny (Normandie) nach japanischen Vorbildern und mit japanischen Pflanzen angelegt worden war. Kein Wunder also, dass auch die künstlerische Gestaltung japanisierende Züge trägt, nicht zuletzt die serielle Arbeitsweise rührt von daher.

Claude Monat "Der Seerosenteich" (Öl auf Leinwand, 1899). The Metropolitan Museum of Art, H. O. Havemeyer Collection, Bequest of Mtrs. H. O. Havemeyer, 1929 (© Foto: bpk; The Metropolitan Museum of Art)

Claude Monat „Der Seerosenteich“ (Öl auf Leinwand, 1899). The Metropolitan Museum of Art, H. O. Havemeyer Collection, Bequest of Mtrs. H. O. Havemeyer, 1929 (© Foto: bpk; The Metropolitan Museum of Art)

Japonismen waren damals ein Hauptstrang der Kunstentwicklung. Alle Fluchtlinien des Rundgangs laufen gleichsam auf die Apotheose in Monets Garten zu. Ringsum wird anhand von allerlei japanischen und französischen Kunstwerken erwogen, wie die Einflüsse verlaufen sein könnten. Da begegnet man einigen Bildern wie etwa Vincent van Goghs „Sämann“ oder Gauguins „Frauen aus Arles“, die in Kunstlexika ihren festen Platz haben und auch Besucher aus der Ferne anlocken werden.

Es begann wohl mit der Öffnung und Modernisierung Japans sowie der nachfolgenden Japan-Mode, die ganz Westeuropa erfasste. Schon bald tauchten in französischen Gemälden japanische Kunstgegenstände auf – als betörende Zeichen eines luxuriösen zeitgenössischen Lebensstils, der sich alsbald nicht nur in den Alltag der „besseren Kreise“, sondern auch in die Kunst des Westens einfügte.

Paul Gauguin: "Frauen aus Arles" (Öl auf Jute, 1888). Mr. and Mrs. Lewis Larnes Coburn Memorial Collection, 1934.39, The Art Institute of Chicago (© Foto: The Art Institute of Chicago)

Paul Gauguin: „Frauen aus Arles“ (Öl auf Jute, 1888). Mr. and Mrs. Lewis Larnes Coburn Memorial Collection, 1934.39, The Art Institute of Chicago (© Foto: The Art Institute of Chicago)

Die charakteristischen japanischen Rollbilder, Holzschnitte, Masken, Fächer und Gebrauchsgegenstände (Teebehälter, Lackdosen usw.) zeichnen sich durch eine ganz eigentümliche Ästhetik aus, die durch Fremdheit fasziniert haben muss. Mal galt sie als rein und unverdorben oder auch roh, mal als raffiniert und sublim. Ihre zunächst irritierenden Weltbilder weichen jedenfalls deutlich von der europäischen Zentralperspektive ab. Ein und dasselbe Kunstwerk kann viele Blickpunkte nebeneinander haben. Solche Bilder sind nicht auf dreidimensionale Wirkung aus, sondern bleiben flächenhaft, wobei auch leere Flächen bedeutsam sind. Formen entstehen vielfach durch dekorative Arabesken und Ornamente.

Katsushika Hokusai: "Die große Welle vor der Küste bei Kanagawa" (Mehrfarbiger Holzschnitt, um 1831). Privatsammlung. (© Foto: Museum Folkwang)

Katsushika Hokusai: „Die große Welle vor der Küste bei Kanagawa“ (Mehrfarbiger Holzschnitt, um 1831). Privatsammlung. (© Foto: Museum Folkwang)

Hinzu kommen radikale Bildausschnitte, steile Draufsichten, extreme Bildformate, hohe Horizontlinien, kräftige Umrisse und eine besondere („unnatürliche“) Farbgebung. Das alles ist damals sicherlich den Tendenzen entgegen gekommen, die sich in der Moderne ohnehin abzeichneten und auf den Abschied von realistischer Abbildhaftigkeit hinausliefen. Die Impulse aus Japan dürfte den Prozess beschleunigt und intensiviert haben. Übrigens haben offenbar just jene Künstler die Anregungen am feinsinnigsten aufgegriffen, die niemals in Japan gewesen sind. Die wenigen Beispiele von Reisebildern aus Japan wirken demgegenüber geradezu uninspiriert. Es ging eben um Phantasie, nicht um Sightseeing.

Die Kuratorin Sandra Gianfreda hat sich vielfach auf Bestände des Folkwang-Museums stützen können. Schon Karl Ernst Osthaus, Begründer der anfänglich in Hagen beheimateten Sammlung, hatte erlesene Kunst mit japanischem Einschlag gekauft. Auch die von japanischen Künstlern (darunter z. B. die populären Meister Hokusai und Hiroshige) stammenden Exponate hat man jetzt nicht etwa aus japanischen Museen geliehen, sondern es sind überwiegend Stücke, die sich im Besitz französischer Künstler befanden. Das ist ja auch schon eine wichtige Frage: Wer konnte welche japanischen Arbeiten kennen? Wenn man weiß, wer was gesammelt oder sonstwie rezipiert hat, lassen sich auch die Einflüsse besser dingfest machen.

Edgar Degas: "Orchestermusiker" (Öl auf Leinwand, 1872 - überarbeitet 1874-76). Städtische Galerie, Städel Museum, Frankfurt/Main (© Foto: U. Edlemann / Städel Museum / Artothek)

Edgar Degas: „Orchestermusiker“ (Öl auf Leinwand, 1872 – überarbeitet 1874-76). Städtische Galerie, Städel Museum, Frankfurt/Main (© Foto: U. Edlemann / Städel Museum / Artothek)

Ansonsten besteht Frau Gianfreda darauf, dass es hier nicht etwa um einen kolonialistischen Blick der Europäer gehe („Japan war nie eine Kolonie“), sondern um (wertneutrale?) transkulturelle Vermittlungen. Überhaupt handle die Ausstellung „nicht von Politik, sondern nur von Ästhetik“. Ob man da auf eine Dimension verzichtet, die so manches noch ganz anders erhellen könnte?

Eine etwas schmale These der Schau lautet, dass sich französische Künstler nach und nach Motive und Duktus der japanischen Kunst anverwandelt hätten, bis dies sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen war. Hier beginnt freilich auch schon eine Schwierigkeit. Japanische Anregungen wurden, so scheint es, zuweilen dermaßen verinnerlicht und eigenschöpferisch fortgeführt, dass man sie kaum noch als solche ausmachen kann. Da droht das Thema der Ausstellung beinahe zu verschwimmen. Folglich verzichtet man auch auf direkte Gegenüberstellungen, sondern lässt das Thema teils im Ungefähren durch die Raumfolgen wabern.

Paul Cézanne: "Montagne Sainte-Victoire" (um 1890). Musée d'Orsay, Paris (© Foto: bpk / RMN - Grand Palais / Hervé Lewandowski)

Paul Cézanne: „Montagne Sainte-Victoire“ (um 1890). Musée d’Orsay, Paris (© Foto: bpk / RMN – Grand Palais / Hervé Lewandowski)

Ob und inwiefern sich etwa die luftig-duftigen Balletteusen eines Edgar Degas noch der japanischen Inspiration verdanken, ist wohl nicht ganz leicht zu belegen. Auch leuchtet nicht ohne weiteres ein, dass die Wellenbilder von Gustave Courbet auf Hokusais „Große Welle“ zurückgeführt werden können. Nun gut. In solcher Mehrdeutigkeit mag denn auch ein flirrendes Element der Spannung liegen.

Allerdings gibt es auch etliche entschiedene, sehr frappante Japonismen, seien es eine „Japonaiserie“ von van Gogh, ein zartes Blumenbild von Odilon Redon, Cézannes Ansichten der „Montagne Sainte-Victoire“, hinreißende Plakate von Pierre Bonnard und Toulouse-Lautrec oder die Holzschnitte von Félix Vallotton.

Einen erotischen Nachklang hat die Ausstellung auch noch. Reihenweise hat Pablo Picasso 1968 Erotika im quasi-japanischen Stil hervorgebracht. Da geht es freizügig „zur Sache“. Passende Kapitelüberschrift: „Die Kunst ist niemals keusch“.

„Monet, Gauguin, van Gogh… Inspiration Japan“. 27. September 2014 bis 18. Januar 2015. Geöffnet Di-Do 10-20, Fr 10-22, Sa/So 10-18 Uhr. Eintritt 13 Euro (ermäßigt 8 Euro). Führungen Tel.: 0201/201 8845 444. Katalog 39 Euro. Internet: www.inspiration-japan.de




Aus der Krise ins gleißende Licht – Wuppertaler Museum vergleicht Auguste Renoir mit Vorbildern und Zeitgenossen

Von Bernd Berke

Wuppertal. Auguste Renoir? Kennt man doch. Hatte man mal als liebliches Kalenderblatt an der Wand. Duftige Farben, ätherisch zarte Frauen. Auch Wuppertals Museumsdirektor Gerhard Finckh hat sich ganz früher mal Renoir-Reproduktionen hingehängt. Eins dieser Motive kann er jetzt im Original zeigen – und etliches mehr.

Über 50 Bilder des berühmten Franzosen präsentiert das Von der Heydt-Museum. Hinzu kommen rund 50 weitere Werke von Anregern, Freunden und Zeitgenossen des Impressionisten. Fürwahr ein großer Auftritt und viel flutendes, flirrendes Licht!

Doch Finckh behauptet: Eigentlich kennen wir Renoir gar nicht richtig – oder jedenfalls nur einen kleinen, zumeist vor 1881 entstandenen Teil seines Werks. Bis dahin hat Renoir bereits grandiose Bilder geschaffen, doch der große Erfolg bleibt aus. Die führenden Salons lehnen Impressionisten weiterhin ab, Auftraggeber und Käufer halten sich  merklich zurück.

In jener Zeit gerät Renoir in eine schwere Schaffenskrise und pfuscht sich – wie einige Exponate in Wuppertal belegen – zeitweise recht mühselig und ungelenk durch diverse Stilwechsel hindurch. Derlei Anpassung an den Markt ist seine Sache eben nicht.

An der Grenze zur reinen Farbmusik

Erst in den 1890er Jahren findet er wieder in seine Spur zurück. Er verlegt sich auf Landschaften. Doch seine ureigene Stärke blüht erst wieder auf, als er menschliche Figuren mit ihrer Umgebung verschmelzen lässt – bis hin zur Grenze der Abstraktion und der reinen Farbmusik. Wahrscheinlich überschreitet er diese Grenzlinie bewusst nicht. Er sieht sich im Grunde nie als „Revolutionär“, sondern inzwischen gar als Graubart mit Hang zur ehrwürdigen Tradition.

In Wuppertal ist also vor allem das Spätwerk ab 1890 (immerhin noch fast 30 Jahre in Renoirs Leben) zu sehen. Der Künstler zieht sich ins südfranzösische Cagnes zurück, wohnt dort erst in der Post, dann auf einem bäuerlichen Anwesen. Er pflegt regen Austausch mit Kollegen. Henri Matisse, Pierre Bonnard und einige andere Größen besuchen ihn dort. Irgendwann werden auch Kunsthistoriker und Käufer vorstellig, um ihm zu huldigen.

Tragisch genug: Porträtaufträge verbessern nun die finanzielle Lage, doch da erkrankt Renoir an Gicht, die ihn schließlich an den Rollstuhl fesselt. Gar manches kann er nur unter Schmerzen malen. Zusehends künden kleinere Formate von schwindenden Kräften.

Olivenbäume und weibliche Ländereien

Dennoch gelingt ihm nun jenes geheimnisvoll neblige und silbrig schimmernde Licht, das er beim großen Vorbild Camille Corot so bewundert und an dessen Darstellung er sich vorher vergeblich versucht hat. Das Gleißen seiner Olivenbäume muss man gesehen haben, es ist nahezu überirdisch.

Dass Renoir hin und wieder nah an die Gefilde des Weichen und Süßlichen gerät, muss man angesichts solcher Meisterwerke schlicht und einfach verzeihen. Er ist kein Mann der scharfen, folgerichtigen Analyse, sondern ein Schaffender aus Passion.

Für Anregungen bleibt er auch im höheren Alter offen. Unter dem Einfluss von Cézanne vollendet Renoir ein für ihn sonst untypisches Apfel-Stillleben. Die höchst verschiedenen Figur-Auffassungen der Bildhauer Rodin und Maillol (beim einen eher schrundig zerklüftet, beim anderen schwellend und prall) hinterlassen gleichfalls Spuren.

Renoir behandelt seine Figuren fortan mit mehr Raumgefühl. Im Verlauf dieser Entwicklung geraten übrigens auch die Frauengestalten üppiger. Ihr Leiber schmiegen sich fließend in Landschaften ein oder erscheinen gleichsam selbst als „Ländereien“ oder gar Kontinente.

Sie Seitenblicke der Schau auf Vorläufer und Anreger (bis zu Delacroix) sind mithin oft aufschlussreich. Auch lassen einzelne Gemälde der ungefähr gleichaltrigen Mitstreiter (Manet, Monet, Pissarro, Bazille) ahnen, auf welcher ästhetischen Höhe sich Renoir jeweils befunden hat. Mal so, mal so.

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HINTERGRUND

Zunächst eine Lehre als Porzellanmaler

  • Auguste Renoir lebte von 1841 bis 1919.
  • 1854 Lehre als Porzellanmaler. Den Beruf ergreift er nicht, weil neue Verfahren diese Handarbeit überflüssig machen.
  • 1862/63 mit Studienfreunden zur Freiluftmalerei in Barbizon (Wald vonFontainebleau).
  • Um 1869 entstehen in Paris seine ersten impressionistischen Gemälde im eigentlichen Sinne.
  • Um 1881 Schaffenskrise.
  • 1888 bricht die rheumatische Krankheit aus. die seinen rechten Arm und später beide Beine lähmt.
  • Ausstellung: „Renoir und die Landschaft des Impressionismus“. Von der Heydt-Museum (Wuppertal, Turmhof 8). Vom 28. Oktober bis 27. Januar 2008. Di-So 11-18. Do 11-20 Uhr. Eintritt 8 €, Familie 15 €. Katalog 25 €, Tel.: 0202/563-6231.