Mumien-Ausstellung in Hamm wirft Fragen auf: Ein besonderes Exponat stammt aus dem 3D-Drucker

Fangen wir nachrichtlich nüchtern an: Das Gustav-Lübcke-Museum in Hamm zeigt ab 3. Dezember eine Ausstellung über Mumien. Titel: „Der Traum vom ewigen Leben“. Doch damit hat es nicht sein Bewenden.

In Hamm ausgestellt und n i c h t aus dem 3-D-Drucker: Mutter und männliches Baby als Gruftmumien aus der Dominikanerkirche in Vác (Ungarn). (© Naturhistorisches Museum Budapest)

In Hamm ausgestellt und n i c h t aus dem 3D-Drucker stammend: Mutter und männliches Baby als Gruftmumien aus der Dominikanerkirche in Vác (Ungarn). Tragischer Hintergrund: Die Mutter war bei der Geburt gestorben. Das Kind starb wenige Stunden, nachdem es durch Kaiserschnitt aus dem Leib geholt wurde. (© Naturhistorisches Museum Budapest)

Erweiterter Begriff

Die Fachwelt verwendet den Begriff  „Mumie“ heute mit deutlich erweiterter Bedeutung. Da geht es keineswegs nur ums Alte Ägypten und einbalsamierte Pharaonen. Vielmehr wird jeder Körper, dessen Verfallsprozess (teilweise) aufgehalten wurde, als „Mumie“ bezeichnet. Dabei ist es zunächst einmal gleichgültig, ob die Konservierung durch günstige natürliche Umstände oder durch absichtliche Behandlung des Leichnams im Rahmen von Kulten und Ritualen eingetreten ist.

Mit rund 100 Exponaten erkundet die Hammer Ausstellung, die in Kooperation mit dem Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museum entstanden ist, das ausgedehnte Feld der Mumifizierung. Die Beispiele kommen aus Ägypten, Asien, Ozeanien, Südamerika und Europa. Wer bietet mehr?

Präkolumbianische Mumiengruppe einer Frau mit zwei Kindern, 12. bis 14. Jh. nach Chr., andine Küstenregion in Südamerika (© Reiss-Engelhorn-Museum, Mannheim, Jean Christen)

Präkolumbianische Mumiengruppe: Frau mit zwei Kindern, 12. bis 14. Jh. nach Chr., andine Küstenregion in Südamerika. (© Reiss-Engelhorn-Museum, Mannheim, Jean Christen)

So weit, so interessant und (vielleicht) hie und da für empfindsame Gemüter auch ein wenig gruselig.

Enthusiastischer Mumienverein

Doch es kommt noch ein besonderer Umstand hinzu, an den sich einige Fragen knüpfen: Hamm präsentiert nämlich einen rekonstruierten Mumienkopf aus einem hypermodernen 3D-Drucker. Ja, ihr habt richtig gelesen.

Zur lokalen Vorgeschichte: 1881 waren nahe der ägyptischen Stadt Luxor 50 Mumien entdeckt worden. Der Fund spach sich in aller Welt herum, so auch bis ins westfälische Hamm. Dermaßen begeistert waren dort einige Bürger, dass sie (wir sind in Deutschland) einen Mumienverein gründeten, der Aktien ausgab. Wer Anteilsscheine kaufte, trug seinen Teil zum Erwerb einer echten Mumie bei.

Und tatsächlich: Am 14. Dezember 1886 traf mit Pauken und Trompeten die „Hammer Mumie“ ein, sie konnte freilich in Ermangelung eines Museums nur in einer Gaststätte ausgestellt werden. 1944 wurde sie im Krieg zerstört. Nur noch eine Schwarzweiß-Fotografie dokumentierte ihr einstiges Vorhandensein. Und auch darauf erkennt man nur den Kopfbereich.

Museum spricht von einer „Auferstehung“

Just diese Fotografie diente als Mustervorlage für den 3D-Druck. Das Gustav-Lübcke-Museum spricht in diesem Zusammenhang von einer „Auferstehung“. Sehen wir mal vom logischen Wackler ab, dass ein Leichnam, der sozusagen Leichnam bleibt, schwerlich auferstanden sein kann, so müsste man womöglich einmal oder mehrmals grundsätzlich (wir sind in Deutschand) über das Verfahren an sich nachdenken.

Es stellt sich ja längst nicht nur die Frage der Erfassung, Beschriftung und Katalogisierung eines solchen Exponats. Da muss natürlich glasklar dargelegt werden, dass es sich nicht um ein Original handelt, so täuschend echt es auch aussehen mag. Selbstverständlich wird solchen Ansprüchen in Hamm Genüge getan.

Ob kriminelle Fälscher schon bald etwas aushecken?

Damit ist allerdings nicht gesagt, dass die avancierte Technik des 3D-Drucks künftig immer im seriösen Sinne angewendet werden wird. Vorstellbar wäre, dass – auch angesichts der wahnwitzigen Preise auf dem Kunstmarkt – Fälscher schon bald kriminelle Erwägungen anstellen und raffinierte Duplikate aushecken.

Ich bin technischer Laie und frage mich ganz naiv, ob es eventuell Scan-Verfahren gibt oder demnächst geben wird, mit denen man Meisterwerke (etwa Skulpturen) ringsum „einlesen“ und später dreidimensional „ausdrucken“ kann. Vielleicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die passenden Materialien zur Verfügung stehen und die Oberflächenbehandlung sich weiter verfeinert. Oder sollte ich mich irren? Na, hoffentlich.

Was geschieht eigentlich mit solchen Replikaten, nachdem sie ausgestellt worden sind? Kommen sie ins Depot und werden ordnungsgemäß verbucht, mit lückenloser Entstehungsgeschichte, Provenienz und allem Komfort? Oder werden sie gar beseitigt, damit sie nicht in dubiose Kreisläufe geraten?

Kunst und Kopie von Benjamin bis Warhol

Und bei all dem haben wir noch gar nicht erörtert, dass auf diesem Gebiet ja auch zahlreiche Kopien konventioneller Art existieren, also solche, die nicht aus 3D-Druckern kommen, sondern handwerklich angefertigt wurden. Aber die stellen in der Regel kein Problem dar.

Gut vorstellbar jedenfalls, dass sich hier auf Dauer neue Horizonte nicht nur für Wissenschaftler, sondern auch für Juristen auftun.

Ach, und wie hieß nochmal jener Essay des großen Walter Benjamin? Genau. „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“. Im Prinzip hat er das schon einiges voraus gedacht. Vom bedenkenfreien Kopiergeist eines Andy Warhol mal gar nicht zu reden… Oder vom allgegenwärtigen Copy & Paste im Internet. Oder vom allgegenwärtigen Copy & Paste im Internet. Oder vom allgegenwärtigen Copy & Paste im Internet. Oder vom allgegenwärtigen Copy & Paste im Internet. Oder vom allgegenwärtigen Copy & Paste im Internet. Oder vom…

„Mumien. Der Traum vom ewigen Leben“. Gustav-Lübcke-Museum, Hamm, Neue Bahnhofstraße 9. Vom 3. Dezember 2017 bis zum 17. Juni 2018. Di bis Sa 10-17 Uhr, So 10-18 Uhr, Mo geschlossen.

Tel.: 02381/17 57 14. Infos: www.hamm.de/gustav-luebcke-museum




Hamm kann seine Ägypten-Sammlung endlich im größeren Rahmen zeigen

Wo befindet sich die größte Ägypten-Sammlung des Ruhrgebiets? Die Antwort mag überraschen: in Hamm.

Auch in ganz Westfalen hat die Kollektion nicht ihresgleichen. Das lässt sich jetzt noch besser nachvollziehen: Ab Sonntag (30. August) kann man die wesentlichen Schaustücke auf verdoppelter Ausstellungsfläche sehen. Ein durchaus angemessener Rahmen.

Sarkophag wiegt 7,5 Tonnen

Der Umbau des Hammer Gustav-Lübcke-Museums hat der ägyptologischen Sammlung endlich einen eigenen, über 500 Quadratmeter großen Bereich beschert. Dank zeitgemäßer Klimatisierung erhält das Haus jetzt auch leichter Leihgaben, beispielsweise die Hauptattraktion der neu geordneten Schau, einen rund 4000 Jahre alten Granitsarkophag des Beamten Sechem-ka. Das imposante, 7,5 Tonnen schwere Stück bleibt als Dauerleihgabe des Roemer- und Pelizaeus-Museums (Hildesheim) in Hamm.

Hildesheimer Dauerleihgabe für Hamm: über 4000 Jahre alter Granitsarkophag des Sechem-ka. (Foto: Bernd Berke)

Hildesheimer Dauerleihgabe für Hamm: über 4000 Jahre alter Granitsarkophag des Sechem-ka. (Foto: Bernd Berke)

Ungleich kleiner ist ein weiterer Stolz des Museums: Zum Eigenbesitz zählt eine grünlich schimmerne Originalringplatte des weltberühmten Tutanchamun, die allerdings mit bloßem Auge so schwer zu erkennen ist, dass man eine fotografische Vergrößerung direkt darüber gesetzt hat. Gleichwohl meint man da eine Aura zu spüren…

Totenkult und Hieroglyphen

Kuratorin Carola Nafroth hat die beachtliche Ägypten-Abteilung in zehn dicht gestaffelte Themenfelder aufgeteilt. Da geht es z. B. um den Totenkult, um die Hieroglyphenschrift und um alltägliche Verrichtungen wie Handwerk und Schmuckherstellung. Ein kleiner Tempelnachbau erweist sich als geheimes Zentrum der Ausstellung. Auch nachpharaonische Epochen und ihre Protagonisten (Ptolemäer, Römer, Kopten) geraten noch kurz in den Blick.

Grabbeigabe: Schiffsmodell (ca. 2119 bis 1976 v. Chr.) (Foto: Stadt Hamm/Thorsten Hübner)

Grabbeigabe: Schiffsmodell (ca. 2119 bis 1976 v. Chr.) (Foto: Stadt Hamm/Thorsten Hübner)

Zu all diesen Bereichen gibt es prägnante Belegstücke, zwar nicht immer in Hülle und Fülle, doch in anregender Menge. Hie und da behilft man sich mit Repliken, doch überwiegen die Originalfunde. Spürbar ist das Bemühen, rundum eine „ägyptische“ Atmosphäre zu schaffen, so etwa mit Bilderfenstern, stilecht verzierten Säulen und Obelisken, auf denen kurze Einführungstexte stehen.

Als der „Mumienverein“ aktiv wurde

Wie kommt es überhaupt, dass gerade in Hamm derlei Schätze aus dem alten Ägypten gehortet werden? Nun, es gab direkte Kontakte zu frühen archäologischen Ausgräbern. Daraus entwickelte sich eine regelrechte Ägyptomanie, die 1886 zur Gründung eines „Mumienvereins“ in Hamm führte. Erklärtes Ziel war es, eine veritable ägyptische Mumie in die Stadt zu holen. Um das kostspielige Vorhaben umzusetzen, wurden eigens „Mumien-Aktien“ zu je 20 Mark ausgegeben.

Götterfamilie: Osiris und Isis mit Horus. (Foto: Stadt Hamm/Thorsten Hübner)

Götterfamilie: Osiris und Isis mit Horus. (Foto: Stadt Hamm/Thorsten Hübner)

Tatsächlich gelang es, eine Mumie nach Hamm zu bringen. Zeitweise war sie – mangels Museum – in einer Gaststätte für ein paar Pfennige Eintrittsgeld zu besichtigen. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie zerstört, doch besaß man in Hamm, auch durch die Sammeltätigkeit Gustav Lübckes, mittlerweile etliche Kleinode aus Altägypten.

Museum ist jetzt wieder komplett

Mit der Neueröffnung der Ägyptensammlung ist das Museum jetzt wieder komplett. Sukzessive sind seit dem Frühjahr alle Abteilungen in veränderter Form wieder zugänglich gemacht worden: Stadtgeschichte, Kunst des 20. Jahrhunderts, Archäologie und Angewandte Kunst. Die ausgewählten Altertümer Ägyptens gelten freilich als Kernbestand, Museumsleiterin Dr. Friederike Daugelat und ihr Team betrachten diese Sammlung als eine Art Alleinstellungsmerkmal und rechnen auch mit Anreisen aus weiter entfernten Gegenden.

Besonderen Wert legt man in Hamm auf die Vermittlung. Beileibe nicht alle kennen sich mit dem Alten und Mittleren Reich Ägyptens aus, um nicht zu sagen: fast niemand weiß da richtig Bescheid. Deshalb gibt es, neben den schriftlichen Infos in der Ausstellung, zwei kostenlos ausleihbare Audioguides – einen für Erwachsene, einen speziell für Kinder (ab etwa 8 Jahren), übrigens mit der Stimme von „Benjamin Blümchen“. Sehr sinnvoll: Beide Rundgänge sind exakt aufeinander abgestimmt und dauern jeweils 60 Minuten, in denen man das gesamte Lübcke-Museum kennenlernt. Wohlan denn, ab September haben wir sicherlich wieder öfter mal Museumswetter.

Gustav-Lübcke-Museum, Hamm, Neue Bahnhofstraße 9. Geöffnet Di-Sa 10-17 Uhr, So 10-18 Uhr. Infos: www.museum-hamm.de