Familienfreuden XX: Die Spielzeug-Sekte

Das "richtige" Spielzeug. (Bild: Albach)

Das „richtige“ Spielzeug. (Bild: Albach)

Kinder sind Ideologie pur. Und seitdem Fiona da ist, weiß ich: Die Kampflinie verläuft zwischen Plastik und Holz!

Es war auf den Straßen von San Francisco, Fiona schlummerte selig in ihrem Kinderwagen, als uns eine Frau freundlich ansprach: „Sorry, are you from Germany?“ Normen und ich schauten uns erstaunt an: Wir waren es schon gewohnt, dass wir, kaum dass wir den Mund aufmachten, als Deutsche identifiziert wurden, aber just in diesem Moment hatten wir golden geschwiegen. Woran sie denn das erkannt habe, fragten wir neugierig. Zielsicher und mit breitem Grinsen zeigte sie auf die Spielzeugkette, die an Fionas Kinderwagen baumelte. Sie war – aus Holz. „In the US, this would be plastic!“

Niemals hätte ich gedacht, dass meine Nationalität einmal am Spielzeug unserer Tochter ablesbar sein würde. Bunte Bilder von aufblasbaren Eiffeltürmen, Spaghetti aus Stoff oder Holz-Frikandeln futschen durch meinen Kopf – willkommen in Klischeetanien!

Demarkationslinie zwischen Holz und Plastik

Dabei muss ich der spielzeugweltgewandten Dame doch entschieden widersprechen – schließlich gibt es sie auch in Deutschland selbst, die ideologische Demarkationslinie zwischen Plastik- und Holzspielzeug. Und noch vor einigen Jahren wäre ich selbst fahnenschwingend und „Ostheimer“-rufend für Holz als einzig echten, wirklich wahren Spielzeug-Werkstoff auf die Barrikaden gegangen.

Inzwischen bin ich da vorsichtiger geworden. Denn inzwischen bin ich ihr begegnet: der Spielzeug-Sekte.

Ein Graus!

Es war zu Fionas erstem Geburtstag. Meine Schwiegermutter wollte Fiona unbedingt eine Puppe schenken. Sie hatte eine diese ganz klassischen Babypuppen ausgesucht – für mich ehrlich gesagt ein Graus! Ich gestand ihr meine Aversion mit Bauchschmerzen. Sie reagierte ganz entspannt: „Dann such‘ Du doch einfach eine aus!“

Erleichtert ging ich in die Stadt. Dort hat man die Auswahl zwischen zwei Spielzeugläden – und zwei Weltanschauungen: Der eine hat sich auf das qualitativ hochwertig, pädagogisch wertvolle Spielzeug spezialisiert. Der andere verkauft einfach alles, was der Markt hergibt. Meine Schwiegermutter hatte sich für die gute Seite der Macht entschieden. Dachte ich.

Mission Umtausch

Ich betrat den Laden, ohne zu ahnen, dass es ein Kriegsschauplatz würde. Meine Mission: Baby- gegen Stoffpuppe umtauschen. Naiv wurde ich bei einer Verkäuferin vorstellig. Kaum hatte ich mein Sätzchen aufgesagt, fiel die gute Dame fast in Ohnmacht. „WAS wollen sie?“, rief sie empört, die Augen vor Entsetzen geweitet. „Diese wunderschöne Puppe umtauschen?“

Schon etwas vorsichtiger geworden, nickte ich nur. Sie holte zum Rundumschlag aus. Noch NIE in ihrer 40-jährigen Verkäuferinnenkarriere habe sie etwas Derartiges erlebt. „Also nein! Das ist doch eine Puppe für die Ewigkeit! Darüber freut eine Frau sich auch noch im hohen Alter, wenn die im Schrank steht und sie anlächelt.“ Attacke, versenkt. Ich stand nur noch wackelig auf den Beinen und murmelte, dass das doch vielleicht Geschmackssache sei. Sie entlud einen weiteren Hagel Fassungslosigkeit.

Tief fliegendes Kaufladen-Obst

Als sie erkannte, dass ich trotz allem standhaft blieb, sah sie mich an, als erwöge sie, gleich die UN-Puppenrechtskonventionen zu zitieren oder mich mindestens noch mit Kaufladen-Obst (aus Holz natürlich) zu bewerfen. Doch sie zuckte nur mit den Schultern ob so einer Ignoranz und sagte: „Tja, wenn sie sich sicher sind (kurze Pause), DANN müssen sie eben zur Kasse gehen.“

Mit gesenktem Kopf tat ich wie geheißen. An der Kasse wiederholte ich mein Anliegen – in der Hoffnung, das Schlimmste nun überstanden zu haben. Stattdessen erwischte mich die neue Zermürbungstaktik kalt. Die ältere Dame an der Kasse sah mich strafend und schweigend an. Dann nahm sie mir die Puppe ab, legte sie wie ein echtes Baby in ihre Arme, schaute sie mitleidig an und sagte: „Hast Du kein Zuhause gefunden? Och, Du Arme! Dann kommst Du wieder zu uns! Bei uns bist Du willkommen!“

Wie eine Menschenhändlerin

Ich brach fast zusammen. Das Geld nahm ich mit dem Gefühl, eine Menschenhändlerin zu sein.

Draußen auf der Straße plagten mich Gewissensbisse. Warum hatte ich diese Puppe nicht lieben können? Ich rief meine beste Freundin an. Jemand musste mir jetzt versichern, dass ich nicht der schlechteste Mensch auf diesem Planeten bin.

Als ich wieder hergestellt war, ging ich zu dem Spielzeugladen, der alles verkauft. Vorsichtig sah ich mich um. Keine Verkäuferin, die mir eine Moralpredigt halten wollte. Keine Schilder, die mir anzeigten, welches Spielzeug „gut“ oder „schlecht“ war. Ich nahm eine Stoffpuppe. Schaute mich um. Ging schnell zur Kasse. Bezahlte. Keiner kommentierte meine Auswahl. Ich hatte selbst entscheiden dürfen! So, wie es Fiona jetzt tun soll – auch wenn es dann eben Plastik oder eine Babypuppe ist. Denn das war der Tag, an der ich der Spielzeug-Ideologie abschwor.




Familienfreuden XVIII: Österliche Schonfrist

„Fiona“, fragte ich gestern Abend, „weißt Du eigentlich, was morgen ist?“ „Vogelparty?“ Letztens hatte die Tagesmutter Karneval nachgeholt und Fi hing dem flatterhaften Event immer noch sehr hinterher. „Nein, die war doch schon. Weißt Du, was morgen ist?“ „Ja!“ …. „Was denn?“ Sie überlegte kurz. „Weiß gar nicht.“ Diese Formulierung gehört mittlerweile zu unseren geflügelten Worten. „Morgen ist doch Ostern!“ In Fionas Augen stahl sich ein Strahlen. „Schokolade!“

Große Ostergeschichten sind noch nicht gefragt. (Bild: Albach)

Große Ostergeschichten sind noch nicht gefragt. (Bild: Albach)

Seit einigen Tagen schon hatten wir erzählt, dass bald Ostern ist. Ihr Geschichten dazu vorgelesen. Ihr auch vom Osterhasen erzählt. Aber das einzige, was hängen geblieben war: Es gibt Schokolade! Und das ist gut so – weil es ablenkt und Misstrauen gar nicht erst aufkommen lässt. Davon, dass Normen und ich unsere Ausbildung beim CIA (Club der IntelligentvorFeiertagen AgierendenEltern) noch nicht abgeschlossen haben. Oder anders ausgedrückt: Die Geheimhaltungsstufe ist bei uns im Moment noch viel zu niedrig angesetzt.

Vor ein paar Tagen habe ich zum Beispiel Geschenkpapier gekauft, ziemlich auffällig, mit vielen Küken drauf. Fiona entdeckte es und spielte vergnügt mit der bunten, großen Rolle. Als sie heute Morgen ihre Ostergeschenke auspackte, schien sie sich nicht darüber zu wundern, wie der Osterhase an unser Geschenkpapier gekommen war.

Oder die Süßigkeiten. Wir gehen eigentlich immer mit Fi einkaufen. Und natürlich ist der Versuch, die österlichen Naschwaren unbemerkt in den Einkaufswagen zu schmuggeln, gnadenlos gescheitert. Ganz im Gegenteil bestand sie darauf, die Schokoladenküken bis zur Kasse in der Hand zu halten. Immerhin konnten wir die Maus davon abhalten, die Packung auch gleich aufzureißen und den Inhalt aufzuessen. Aber auch hier: Keinerlei Verwunderung, dass die Küken heute in ihrem Nest lagen.

Und der krudeste Coup: die Ostereier! Samstagmorgen starteten Fi, meine Ma und ich die Fließbandproduktion und färbten, bemalten, betupften, beklebten 30 Eier, jedes für sich genommen ein kleines, wunderschönes Kunstwerk. Ich bemühte mich redlich, Fiona zu erklären, dass der Osterhase unsere Unterstützung braucht, weil er ja schließlich nicht alle Eier für alle Kinder anmalen kann. Sie nickte zwar ernst. Aber ich hätte glaube ich genauso gut von einem sprechenden Auto erzählen können.

Wir haben also noch Schonfrist. Jetzt nimmt Fi die Dinge noch hin – Hauptsache, es gibt Schokolade. Für die nächsten Osterfeste müssen wir uns aber besser präparieren. Ostercodes entwickeln. Geheime Einkaufstouren organisieren. Eine falsche Hasenidentität entwickeln. Oder: Den Berg an Schokolade einfach größer werden lassen.




Familienfreuden XV: Ostern von seiner Schokoladenseite

Wenn "Lade" lockt, braucht man mit Möhrchen nicht mehr zu kommen. (Bild: Nadine Albach)

Wenn „Lade“ lockt, braucht man mit Möhrchen nicht mehr zu kommen. (Bild: Nadine Albach)

So ist das ja meistens mit den Sachen, die man sich auf eine ganz bestimmte Weise sooo schön vorgestellt hat – sie laufen ganz anders als geplant. Oder mit anderen Worten: Ostern mit einer fast Zweijährigen.

Eier und Geschenke verstecken, Gäste herzlich begrüßen, vielleicht noch etwas vom Osterhasen erzählen – und dann das Startsignal für die große Suche im Garten geben, bei der alle freudig die Tulpen nach Buntebemaltem durchforsten. So in etwa sah meine Vorstellung vom Osterfrühstück mit den beidseitigen Großeltern aus. Ich hatte die Rechnung ohne den Forschungsdrang von Fiona gemacht.

Von wegen gutes Timing

Die Großeltern waren für halb Elf bestellt. Gut eine halbe Stunde vorher hatte ich – im Osterhasen-Stellvertreter Amt– alles versteckt. Gutes Timing, dachte ich. Prima, dachte Fi, die gerade vom Vierrad-Fahren mit Normen zurückkehrte, die Gartenpforte öffnete – und mit messerscharfem Blick das erste Ei erblickte. Soviel auch zu meiner Theorie, dass die Eier besser nicht zu schwer versteckt sein sollten…

Fi stürzte sich „Ei! Ei! Ei!“ brüllend auf das eben so Beschrieene, reckte es stolz empor wie einst die Affen den Knochen in Kubricks „2001“ – und donnerte die Beute auf die Natursteinmauer. Hatte ich schon erwähnt, dass Fiona Eier ungefähr so liebt, wie andere Kinder Süßigkeiten – und Ostern somit für sie Weihnachten gleichkommen dürfte? Jedenfalls: Das erste Ei war schneller in ihrem Mund verschwunden, als ich ein Versteck dafür ersonnen hatte. Als das zweite Ei dem gleichen Schicksal anheim zu fallen drohte, klingelte es glücklicherweise an der Tür…

Lebensmittel-Konkurrenz

Der Vormittag verging friedlich mit der Suche nach den immer wieder neu versteckten Eiern. Ein Lebensmittel aber machte dem Produkt glücklicher Hühner ernsthafte Konkurrenz. „LADE!“ Ich bin sicher, wenn Fiona einmal eine Partei gründen sollte – dies wird ihr Schlachtruf: „LADE für alle!“ Alle Menschen werden sie dafür wählen, denn wer isst sie nicht gern – die Schokolade?

Fiona jedenfalls öffnete sich zu Ostern eine Tür in eine neue Welt, die wir zu Weihnachten noch geschlossen halten konnte: Die verlockend lächelnden Hasen, die süßen Eier in allen Größen die Küken und Käfer – sie alle präsentierten sich ihr diesmal ungehemmt von ihrer Schokoladenseite. Von den Großeltern, der Nachbarin, auch ein wenig von uns. Wir hatten keine Chance.

Versteckspiel nur umgedreht

Irgendwann mussten wir das Versteckspiel umdrehen und die bereits gefundenen Schoko-Schätze außer Sichtweite bringen, damit das Ganze nicht in einer Orgie endete, für die jeder Zahnarzt uns gekreuzigt hätte.

Einen Tag später hatten wir fast alle Spuren beseitigt. Fionas Spürnase allerdings ist jetzt schon äußerst ausgeprägt, so dass sie zielsicher und für uns unerwartet einen lächelnden Schokohasen in der Hand hielt, der so groß war, dass er ihr ein ehrfürchtiges „Boah!“ entlockte.

Nicht allein

Übrigens, wir sind nicht allein. Als wir – ja, Schande über uns – heute den beiden Nachbarskinder ein verspätetes Schokoladen-Nest reinreichten, fielen die Eltern fast in Ohnmacht.

P.S.: Wir haben jetzt mit den besagten Nachbarn ein „No-Schoko-Agreement“ beschlossen  – kurz NSA.

 

(Mehr von Nadine Albach gibt es übrigens auf der Medienwiese).