„Mut zu einem ganz neuen Anfang“ – David Grossmans Plädoyer für Frieden im Nahen Osten

Wenige Tage nach dem 7. Oktober 2023, als Terroristen die Grenze zu Israel überwanden, ein Massaker an Juden verübten und zahlreiche Geiseln nach Gaza verschleppten, schwankt David Grossman zwischen Entsetzen und Ohnmacht. Seit Jahren hatte der israelische Autor sich gegen die Besatzung ausgesprochen, Frieden und eine Zweistaaten-Lösung angemahnt.

„Was jetzt geschieht“, schreibt er, sei ein „Alptraum“ und zeige „den Preis, den Israelis zu zahlen haben, weil sie sich jahrelang von korrupten Politikern verführen ließen“, die „das Justizwesen, das Erziehungswesen wie auch die Armee unterhöhlten und bereit waren, uns alle existenziellen Gefahren auszusetzen, um den Ministerpräsidenten vor einer Gefängnisstrafe zu bewahren.“

Doch bei aller „Wut auf Netanjahu, seine Leute und sein Vorgehen“ dürfe man sich „keiner Täuschung hingeben: Die Gräueltaten dieser Tage sind nicht Israel zuzuschreiben. Sie gehen aufs Konto der Hamas. Wohl ist die Besatzung ein Verbrechen, aber Hunderte von Zivilisten zu überwältigen, Kinder, Eltern, Alte und Kranke, und dann von einem zum anderen zu gehen und sie kaltblütig zu erschießen – das ist ein noch viel schwereres Verbrechen.

Die furchtbare Hierarchie des Bösen

Auch im Bösen gibt es eine Hierarchie. „Wenn man die Hamas-Terroristen auf Motorrädern sieht, wie sie junge Leute, von denen einige noch ahnungslos tanzen, einkreisen, um sie dann unter Jubelgeschrei wie Wild zu jagen und zu erlegen – ob man sie Bestien nennen sollte, weiß ich nicht, ihr menschliches Antlitz aber haben sie zweifelsohne verloren.“ Israel, das weiß er sofort, wird den Terror mit Krieg beantworten, und er vermutet: „Das Land wird nach dem Krieg sehr viel rechter, militanter und auch rassistischer sein“. Ängstlich fragt er: „Ist die winzige Chance auf einen wahren Dialog, auf ein irgendwie geartetes Abfinden mit der Existenz des jeweils anderen Volks nun für einige Jahre auf Eis gelegt worden, oder ist diese Aussicht womöglich auf ewig eingefroren?“ Dabei müsse doch jedem, der die Spirale der Gewalt durchbrechen will, klar sein: „Frieden ist die einzig Option.“

Was Grossman eine Woche nach dem „Schwarzen Schabbat“ formulierte, ist jetzt in einem Band mit Aufsätzen und Reden nachzulesen. Schon am 16. November 2023 fordert er in einer „Trauerrede für die Terroropfer“, den Hass zu überwinden und den „Mut zu einem ganz neuen Anfang“ aufzubringen.

Wie kann das denn funktionieren?

Grossman bleibt seiner Rolle als Friedensstifter treu. Bereits auf der „Münchner Sicherheitskonferenz“ von 2017 wies er darauf hin, dass der unablässige blutige Konflikt die Beteiligten „dermaßen deformiert, dass sie ihren eigenen existenziellen Interessen zuwiderhandeln.“ Die Politiker flehte er an: „Ich bitte Sie, alles zu tun, was in Ihren Kräften steht, um die beiden Seiten zusammenzubringen und den Dialog zu erneuern, dem beide schon seit Jahren mit der seltsamen Logik der Selbstzerstörung aus dem Weg gehen.“

Doch niemand mochte Grossman folgen. Dass seine Appelle nicht unumstritten sind, zeigt eine „Korrespondenz“ zwischen dem deutsch-iranischen Schriftsteller Navid Kermani und dem israelisch-deutschen Soziologen Natan Sznaider: Auf Kermanis Plädoyer für einen Frieden durch eine Zweistaaten-Lösung entgegnet Sznaider: „Wie kann denn so ein Palästina innerhalb von Gaza und Westbank funktionieren? Wie sollen sie denn in einem solchen Staatsgebilde leben? Da muss ja fast schon automatisch das Begehren bei den Palästinensern frei werden, dann doch lieber alles haben zu wollen. Ich sehe im Moment jenseits des Krieges keine Lösung und glaube nicht mehr an die Kompromissbereitschaft der anderen Seite. Der Terror wird weitergehen und somit auch die Reaktion auf den Terror.“ Bittere Aussichten.

David Grossman: „Frieden ist die einzige Option.“ Aus dem Hebräischen von Anne Birkenbauer und Helene Seidler. Hanser, 63 Seiten. 10 Euro.

Navid Kermani/Natan Sznaider: „Israel. Eine Korrespondenz“. Hanser, 64 Seiten, 10 Euro.

 




Leben wird Literatur, Literatur wird Leben: Navid Kermanis Roman „Sozusagen Paris“

Welch eine Überraschung: Gerade hat der Autor in einer Kleinstadt aus seinem neuen Roman gelesen, da steht die Figur, um die sich im Buch alles dreht, vor ihm. Als Schüler war er unsterblich in ein schönes und kluges Mädchen verliebt: das ist jetzt 30 Jahre her. Beide haben sich aus den Augen verloren. Doch bei ihm ist die Sehnsucht nach der Frau, die er im Roman Jutta nennt, geblieben.

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Nun erfährt er, dass sie verheiratet ist und drei Kinder hat. Sie ist Ärztin geworden und Bürgermeisterin in einem Provinz-Kaff. Als sie ihn spätabends in ihr Haus auf ein letztes Glas Wein, einen Joint und ein Gespräch einlädt, sagt der ebenso faszinierte wie irritierte Autor nicht nein. Doch während Jutta bis zum Morgengrauen von ihrem Leben und ihren Ehekrisen erzählt, denkt der Erzähler bereits darüber nach, wie er aus dem unverhofften Wiedersehen einen Roman machen könnte.

„Sozusagen Paris“, der neue Roman des 1967 in Siegen geborenen und heute in Köln lebenden Navid Kermani, ist kein politisches Buch. Das mag manche überraschen. Denn der streitbare deutsch-iranische Autor, Journalist und Orientalist ist zuletzt nur noch als politische Stimme, als Mahner und Warner wahrgenommen worden. In seiner Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels hat der bekennende Moslem dazu aufgerufen, den islamistischen Terror militärisch zu bekämpfen, bevor er die versammelten Honoratioren aufforderte, mit ihm gemeinsamen für den Frieden zu beten.

In seinem Buch „Ungläubiges Staunen“ untersucht Kermani aus muslimischer Sicht die Bilder-Sprache des Christentums und versucht, eine Brücke zwischen den Religionen zu bauen. Manchen gilt er gar schon als geeigneter Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten.

Wer nun aber den neuen Roman nach politisch verwertbaren Statements und Debatten fördernden Argumenten im Streit der Kulturen durchforstet, wird das Buch enttäuscht beiseite legen. Denn auf den ersten Blick ist „Sozusagen Paris“ ein Liebesroman, auf den zweiten eine Reflexion über das Schreiben. Doch eigentlich ist es ein Buch darüber, wie sich Schriftsteller ungeniert bei Vorläufern aus der Weltliteratur bedienen und wie sich das Leben in Literatur verwandelt. Oder ist es nicht vielleicht umgekehrt?

Kermani nimmt Themen und Personal seines Romans „Große Liebe“ wieder auf und verwickelt den Leser erneut in ein literarisches Verwirrspiel: Er hantiert furios mit seiner Rolle als Erzähler, fleddert die französischen Ehekrisen-Romane es 19. Jahrhunderts, zitiert Stendhal und Proust, Balzac, Flaubert und Zola, kommt irgendwann auch bei Adorno vorbei und scheut schließlich nicht davor zurück, seine eigenen Bücher ironisch auszuschlachten.

Warum auch nicht. Denn für alles, was Jutta dem Autor (der eine gewisse Ähnlichkeit mit Kermani hat) in dieser langen Nacht über sich und ihre Arbeit, ihre Ehe und ihre aufgehäuften Frustrationen erzählt, gibt es literarische Vorbilder. Wenn in Juttas Bücherregal Flauberts „Madame Bovary“ oder Balzacs „Erinnerungen zweier junger Ehefrauen“ stehen, warum soll der Erzähler dann nicht daraus zitieren? Alles verwandelt sich in Literatur, die Realität ist nur ein Traum und die Wirklichkeit ein Reise in die Welt der Fantasie.

Weil der Erzähler Moslem ist, möchte Jutta natürlich auch über Terror, Flucht und Integration diskutieren. Doch der Autor, der sein frisch entflammtes Begehren nach seinem alten Jugendschwarm kaum zügeln kann, will viel lieber über Sex und Erotik reden, will mehr darüber erfahren, warum sich Jutta dem indischen Tantra verschrieben hat und wie man es anstellt, nicht enden wollende Orgasmen zu bekommen.

Um das literarische Spiel auf die Spitze zu treiben, streitet sich der Autor auch jetzt schon mit dem Lektor des noch gar nicht geschriebenen Romans, versucht bereits, dessen Kritik an einzelnen Formulierungen und den Vorwurf, der Erzähler würde sich allzu sehr in Ehe-Kitsch und Alltags-Klischees suhlen, zu entkräften.

Immer wieder richtet der Autor auch das Wort an den Leser und macht ihn zum Komplizen seiner Wünsche und Ängste. Die Leser, so scheint es, dürfen entscheiden, ob der Autor die sich in Rage redende und in Tränen ausbrechende Jutta nicht nur tröstend in den Arm nehmen, sondern auch ins Bett begleiten soll. Oder ist das Begehren nur eine nostalgische Lüge und die Sehnsucht ein frommes Gift? Darüber darf der intelligent und vergnüglich unterhaltene Leser (bzw. die Leserin) in Ruhe nachdenken, während der Autor bei Jutta auf dem Gästeklo hockt, seine Liebe zu Neil Young wieder entdeckt und sein altes „Buch der von Neil Young Getöteten“ mit neuen Überlegungen ins Heute weiterdenkt.

Navid Kermani: „Sozusagen Paris“. Roman. Hanser Verlag, München 2016, 287 S., 22 Euro.

Infos:
Geboren wurde Navid Kermani 1967 in Siegen, heute lebt der für sein literarisches und essayistisches Werk vielfach ausgezeichnete Schriftsteller, Journalist und habilitierte Orientalist in Köln. Nach dem Kleist- und dem Joseph-Breitbach-Preis erhielt er 2014 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Zu seinen bekanntesten Büchern gehören „Das Buch der von Neil Young Getöteten“ (2002), „Wer ist Wir? Deutschland und seine Muslime“ (2009), „Ausnahmezustand. Reisen in eine beunruhigende Welt“ (2013), „Große Liebe“ (2014), „Ungläubiges Staunen. Über das Christentum“ (2015).
Nachdem Joachim Gauck seinen Verzicht auf eine weitere Amtszeit erklärte, wurde Kermani als möglicher Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten ins Spiel gebracht.




Würdig und töricht zugleich ist die Liebe – Navid Kermani verknüpft Zeiten und Kulturen

Kermani - grosse Liebe Was löst Liebe aus bei einem Menschen und wie verändert er sich dadurch? Dieser Frage geht Navid Kermani in seinem Roman „Grosse Liebe“ in Gedanken nach. Die Liebe – so das Fazit des Romans – ist, muss es sein, was Menschen über alle Kulturen, Religionen und Jahrhunderte hinweg verbindet.

Navid Kermani erinnert sich an seine Schulhofliebe in den 80er Jahren. Fünfzehn Jahre war er alt und es waren nur wenige Tage, in denen er alle Phasen der Liebe durchlebte. Von der alle Sinne verwirrenden Schwärmerei für die Allerschönste aus der Raucherecke im gymnasialen Pausenhof über den ersten Kuss, die erste Aufopferungsbereitschaft bis schließlich hin zum radikalen Bruch, der schroffen Zurückweisung durch die Geliebte. Kermani erzählt von dieser Liebe vor dem Hintergrund der friedensbewegten 80er Jahre und verknüpft seine Erinnerungen mit Erzählungen islamischer Liebesmystiker aus dem 12. und 13. Jahrhundert.

Der zwischen Unschuld und Verzweiflung schwankenden Liebe des 15jährigen stellt er die Erzählung Ibn Arabis über die sagenhaft schöne Leila und den ihr verfallenen Madschnun gegenüber. Die Erkenntnis hier wie dort: Würdevoll und töricht zugleich ist die Liebe, sie adelt den Menschen und gibt ihn gleichzeitig der Lächerlichkeit preis. Nicht ohne Erleichterung kommt der erwachsene Erzähler dennoch zu der Erkenntnis, dass bei aller Narrheit des 15jährigen die hemmungslose Demut des Madschnun seiner Lebenswirklichkeit nicht entspricht und entsprach. „Ich glaube allerdings, der Junge hätte Ibn Arabi den Vogel gezeigt“.

„Grosse Liebe“ ist ein Roman, der von Erinnerungen eines ungestümen Jugendlichen lebt, doch das Buch ist weder als klassischer Liebesroman noch als Coming-of-Age-Geschichte angelegt. Auch die schwärmerische Huldigung an die Schönste ist nur mehr ein Mosaikstein zur Lösung des Rätsels der Liebe. Die Erzählungen der arabisch-persischen Liebesmystik sind das ureigene Metier des habilitierten Orientalisten Kermani. Es sind diese alten, aber zeitlosen Geschichten, mit denen er zeigt, dass sich Liebe nie ändert und mit denen er einen ganz eigenen, sehr behutsamen beschriebenen Beitrag zum Verständnis untereinander über alle Kulturen hinweg leistet.

Wenn einem der Sohn entgleitet

Doch es ist nicht nur das Wesen der Liebe, das er mit der Erzählung dieser (von ihm als rein und wahrhaftig empfundenen) ersten Liebe erinnern will. Gleichzeitig reflektiert er auch die Angst vor dem Verlust, es ist ein Versuch, diese Angst in ihre Schranken zu verweisen. Er will nicht nur seinem eigenen 15jährigen Ich nachspüren, es ist auch sein Weg, seinen nunmehr 15jährigen Sohn zu verstehen.

Der Sohn entgleitet ihm jäh und unvermutet, er verschmäht den häuslichen Geburtstags-Frühstückstisch mit dem liebevoll gebackenen Schokoladenkuchen zugunsten eines Treffens mit Freunden in einer neumodischen Kaffeehaus-Kette. Kermani erinnert sich an den Kummer, den sein durch die Liebe verursachtes irrationales Handeln seinen Eltern bereitet hat. Nicht nur, dass er ohne Meldung über Nacht wegblieb, einmal musste der Vater ihn sogar aus einer Arrestzelle holen. Da ist die Kaffeehaus-Kette ja noch das kleinere Übel.

Kermani erzählt diese Geschichte auf allen Ebenen in einer sehr melodiösen, wohlgesetzten, gleichwohl leicht zu lesenden Sprache, die den Leser angenehm durch die Geschichte gleiten lässt. Wenn überhaupt etwas den Lesefluss unterbricht, dann seine gelegentlichen, bemüht wirkenden Abstecher in die Meta-Ebene. Einhundert Schreibtage habe er sich gegeben, einhundert kurze Abschnitte sollten es werden und sind es geworden. Doch nicht immer passt es so, wie es der um stete Perfektion bemühte Erzähler wünscht. Da wird der Plan mal nach vorne, mal nach hinten geschoben, solange bis die Schönste aus der Raucherecke auch genau in der Mitte der Erzählung ihre Schenkel öffnet. Die Geschichte wirkt dadurch gewollt harsch unterbrochen, warum der Erzähler das allerdings möchte, bleibt im Verborgenen. Vielleicht will er seine gelegentlich ins Schwärmerische abgleitenden Beschreibungen dadurch relativieren, doch das hätte es nicht gebraucht.

Große Rede zum Jahrestag des Grundgesetzes

Navid Kermani gilt in der deutschen Kulturszene als bedeutender Intellektueller, nicht zuletzt auch durch die Gründung der Kölner Akademie der Künste der Welt. Er ist vielfach preisgekrönt, nicht immer unumstritten und hat sich sowohl als Wissenschaftler wie auch als Autor einen Namen gemacht. Er selbst sagt, seine Aufgabe als Autor sei die (Selbst-)Kritik der europäischen und der islamischen Kultur. Im Mai hielt er im deutschen Bundestag eine vielbeachtete Laudatio zum 65. Jahrestag des Grundgesetzes. Getreu seiner selbstgestellten Aufgabe konfrontierte er die Abgeordneten und mit ihnen das ganze Land mit Lob und Kritik gleichermaßen. Er hielt Deutschland einen Spiegel vor, der nicht nur aber doch auch die guten Seiten des Landes zeigte.

Genauso macht er es in seinem Roman mit den Erinnerungen an die 80er Jahre. „Grosse Liebe“ ist kein politisch motivierter Roman, aber die Handlung ist eingebettet in die Zeit der Friedensbewegung, der Demos im Bonner Hofgarten, der Hausbesetzerkommunen. Bis ins kleinste Detail, vom Räucherstäbchenduft über selbstgetöpferte Teetassen bis hin zu den unvergessenen Latzhosen jener Tage lässt Kermani die Atmosphäre wieder auferstehen und rahmt seine Erinnerungen darin ein. Es sind Erinnerungen, die ein Teil seiner Generation kennt und die heute phantastisch naiv anmuten. Leider. Wie auch Kermani bedauernd anmerkt.

Als Altruismus eine Tugend war

Denn so unpolitisch sein Roman auf den ersten Blick daherkommt, ist er denn doch nicht. Es ist eine der ganz großen Stärken des Erzählers, dass immer wieder ein Nebensatz, eine beiläufig gezogene Schlußfolgerung kommt, von der man erst Tage später merkt, dass man dauernd darüber nachdenkt. So zum Beispiel, wenn er aufrichtig bedauert, dass von der Zeit der 80er nichts im kollektiven Gedächtnis der heutigen Bundesrepublik blieb, so dramatisch und umstürzlerisch sie den Beteiligten auch damals vorgekommen sein mag. Er schätze diese Zeit, „weil sie eines nicht war, nämlich cool und ironisch„. Es sei „das bisher letzte Mal in der westlichen Welt gewesen, dass das Gutmeinen, Altruismus, Sanftmut als Tugend galt“ – genau wie in den traditionellen arabischen Geschichten.

Diejenigen aus Kermanis Generation, die seine Erinnerungen an etliche im Buch beschriebene Ereignisse teilen, werden – wenn sie ehrlich zu sich selber sind – zu der Schlußfolgerung kommen: Er hat recht. So idealistisch, so begeisterungsfähig, so vom Glauben an den Frieden beseelt war keine Generation mehr danach und auch diese Generation hat sich längst in den Zynismus geflüchtet. Was daraus resultierte und noch resultieren mag – diese Frage sollte man sich in der Tat stellen, diesen Gedanken in der Tat zu Ende denken.

Und so ist dieses Buch über die Liebe vielleicht auch grundsätzlich zu verstehen. Als Buch nicht nur über die Liebe zwischen zwei Menschen, sondern auch zu den Menschen.

Navid Kermani: „Grosse Liebe“. Roman. Carl Hanser Verlag, München. 224 Seiten, 19,50 €.