Deutschland – Österreich: Die alte Hassliebe – diesmal völlig unaufgeregt

Lange nicht mehr einen solch leidenschaftslosen Fußballabend erlebt wie diesen. Das Resultat beim alten Hassliebe-Duell Deutschland gegen Österreich war mit 3:0 klar wie Kloßbrühe.

Das Münchner Stadionpublikum blieb denn auch vergleichsweise still. Und der ZDF-Kommentator Oliver Schmidt fiel allenfalls durch Zurückhaltung auf. Der Mann versucht gar nicht erst zu glänzen oder aufzutrumpfen. Ob er es im Fall des Falles könnte, lassen wir mal dahingestellt.

Ein Duo zwischen Krampf und Komik

Das Geplänkel vor dem Spiel tue ich mir in der Regel nicht an. Da wird doch meistens enorm viel heiße Luft in den Äther geblasen. Diesmal mussten Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein und Experte Oliver Kahn (unterstützt von optisch aufgemotzten Einspielfilmchen) rund eine halbe Stunde bis zum ersehnten Anpfiff überbrücken.

ZDF-Fußballexperte Oliver Kahn (Foto: ZDF/Sascha Baumann)

ZDF-Fußballexperte Oliver Kahn (Foto: ZDF/Sascha Baumann)

Dieses Duo wirkt immer ein wenig verkrampft. Während sie die Tendenz hat, leichthin über alles hinwegzutraben, windet und kämpft er sich mühsam zu Meinungen durch, die meist darin gipfeln, dass Oliver Kahn „mehr Aggressivität“ von den Spielern einfordert. Im Zusammenspiel sind die beiden hin und wieder unfreiwillig komisch.

Gerne einer Meinung mit „Jogi“

Ansonsten bestätigt Kahn immer gern die Meinung des Bundestrainers Löw oder rudert sogar eilends zurück, falls er mal nicht mit „Jogi“ übereingestimmt hat. Dass der Ex-Bayer Kahn vor allem im Dortmunder Mats Hummels (der heute auf der Ersatzbank blieb) einen Sündenbock für Defensiv-Defizite ausgemacht hat – geschenkt! Löw hatte Hummels ja nicht aufgestellt, also konnte Kahn quasi nach Herzenslust über den BVB-Spieler herziehen.

Eine Bemerkung zwecks größerer Transparenz: Ja, das sage ich als Dortmunder, aber nicht von ungefähr. Kahns Bayern-Lastigkeit ist ebenso nachvollziehbar wie überprüfbar. An seinem ARD-Pendant Mehmet Scholl (ebenfalls ein Bayer) könnte er sich in jeder Hinsicht ein Beispiel nehmen.

Irgendwann begann das Spiel dann endlich. Es war nicht übel, aber eben auch nicht allzu spannend. Insofern konnte man auch vom Kommentator keine emotionalen Ausbrüche erwarten. Allerdings hätte er in einem Match, in dem die Ellenbogen derart häufig und gesundheitsgefährdend eingesetzt wurden, diese arg rustikale Spielweise thematisieren müssen.

Die altbewährte Namens-Sirene

Stellenweise war man allerdings schon froh, dass das ZDF diesmal nicht den sonst allzeit präsenten Béla Réthy einsetzte, so dass einem dessen oft unsinnige Prosa erspart blieb. Immerhin pflegt Oliver Schmidt eine Marotte, nämlich das unnötig eingeschobene „Ja“. Beispielsatz: „Deutschland und Österreich, zwei Länder, die sich – ja – sehr nahe sind.“ Größere Chancen quittiert er mit der altbewährten Namens-Sirene: „Öziiiiiil…“ Und wenn er auf Bayerisch „dahoam“ (daheim) sagen will, hört sich das an wie verunglücktes Englisch.

Nach dem Spiel lobte Oliver Kahn – na, was wohl – die „Aggression“ der deutschen Mannschaft, aber auch die „Kreativität“. Katrin Müller-Hohenstein rief abermals aus, Miroslav Kloses 68. Länderspieltor sei etwas „für die Geschichtsbücher“. Kann jemand der Frau bitte mal erklären, was wirklich geschichtsträchtig ist?

Zum Ritual eines Länderspielabends gehört es seit jeher, das Statement des Bundestrainers abzuwarten. Doch auch das blieb diesmal ziemlich blass und farblos. Alles in allem: eine Partie, nach der man vollkommen ruhig schlafen kann. Und das ist doch auch etwas!

Der Beitrag ist zuerst bei www.seniorbook.de erschienen.




Die Minute, da wir explodierten – Ein Fußball-Länderspiel zwischen religiöser Erwartung, Königsdrama und Farce

Von Bernd Berke

Dortmund. Die Kollegen der Sportredaktion haben ihre Teil getan, nun darf auch noch das Feuilleton ‚ran. Denn natürlich ist ein Fußball-Länderspiel, wie jetzt Deutschland – USA in Dortmund, letztlich auch ein geballtes Kulturereignis. Bei der WM werden wir’s sogar multi-kulturell erleben.

Man denke nur ans ganze Drumherum, an die vielen Rituale: vom eher pflichtschuldigen Absingen der Nationalhymnen bis zur permanenten chorischen Begleitung durch die Fans; von der mitunter opernhaften Arena-Situation (mit Vorläufern wie dem griechischen Amphitheater oder dem römischen Colosseum) bis hin zur sprachlichen Bewältigung des Geschehens durch Spieler, Trainer und Journalisten.

Sodann die Spielchen mit den historisch überkommenen National-Klischees („Die Amis“, „Die Urus“ usw.), stets frisch aktualisiert durch die Typengalerie der jetzigen Mannschaften.

Überdies wabert ein ständiges Krisengerede, welches Theater und Literatur seit Hunderten von Jahren begleitet – warum also nicht auch den vergleichsweise blutjungen Fußball? Vom Glauben an Mythos und Magie (wieder weiße statt rote Hemden = erhöhte Siegchance) ganz zu schweigen. Das Spektrum großer Spiele liegt denn auch irgendwo zwischen quasi-religiösen Erwartungen, Shakespeares schroffen Königsdramen und einer grotesken Farce.

In Dortmund gibt’s fürs Nationalteam offenbar kein Verlieren. 4:1 ging es bekanntlich aus, rein rechnerisch also die exakte „Wiedergutmachung“ fürs Florentiner Italien-Debakel. Lange blieb’s freilich abermals ideenlos und uninspiriert, so ganz und gar nicht künstlerisch. Schmerzlich yermisste man die Leichtigkeit des Seins, die ein Fußball-Ensemble hervorbringen kann und die Deutschlands Sache oft nicht ist, was wiederum gern mit der gesamten Befindlichkeit des Landes kurzgeschlossen wird. Fußball als Staatsaffäre, deren Akteure sich oft furchtbar ernst nehmen.

Kein Wunder, wenn die Jungs auf dem Spielfeld verkrampfen. Doch diesmal, vor allem aber der 73. Minute, „sind wir explodiert“ (O-Ton Oliver Kahn), und es gab auf einmal die gute alte Katharsis, sprich: die befreiende Reinigung vom Übel. Das waren endlich ein paar schöne, ästhetisch befriedigende Momente.

Wie sonnig geht’s doch in derlei Erfolgsfällen beim ZDF zu: „Analysen“, wie sie Franz Beckenbauer und Johannes B. Kerner liefern, brächte wohl jeder bessere Stammtisch zu- stande. Doch es ist nahezu pervers: Irgendwie giert man ja selbst masochistisch nach dem öligen Palaver von „Kaiser Franz“ oder auch nach den eher barschen Urteilen von Günter Netzer bei der ARD. Selbst ein „Literaturpapst“ wie Marcel Reich-Ranicki dürfte seine Freude daran haben. Und Harald Schmidt sowieso.

Zum Ritus gehört auch das Erscheinen des Bundestrainers, der traditionell Rede und Antwort stehen muss. Jetzt lacht er wieder, der „Klinsi“. War es etwa nicht amüsant, wie beflissen der Regisseur Klinsmann neben dem Generalintendanten (Beckenbauer) stand; wie er diesmal „die Herren Medien“ geißelte oder wie er den „Abnutzungskampf“ beschwor? Goldig auch sein Satz über die der letzten Tage vor dem Match: „Wer mich kennt, hat mich nach wie vor lächeln gesehen.“ Wahrscheinlich war’s daheim im Keller.