Ausstellung im Kunstmuseum: Gelsenkirchen erinnert an die Gruppe ZERO

Blick in die Ausstellung ZERO im Gelsenkirchener Kunstmuseum. Foto: Lothar Bluoss, Copyright Kunstmuseum Gelsenkirchen

Blick in die Ausstellung ZERO im Gelsenkirchener Kunstmuseum. Foto: Lothar Bluoss, Copyright Kunstmuseum Gelsenkirchen

Vor fünfzig Jahren gab es im damals noch regen Kulturleben der Stadt Gelsenkirchen einen Höhepunkt: Die Avantgarde-Bewegung ZERO zeigte in der Künstlersiedlung Halfmannshof eine wichtige gemeinsame Ausstellung. Beteiligt waren unter anderem Heinz Mack, Otto Piene und Günther Uecker. Das Kunstmuseum Gelsenkirchen will nun mit einer Ausstellung an das Ereignis von 1963 und an die aktive Rolle von Gelsenkirchen in der Unterstützung der Avantgardekunst in den 1960er Jahren erinnern.

In enger Kooperation mit der ZERO foundation Düsseldorf werden sieben Exponate der Ausstellung von 1963 präsentiert, dazu 18 vergleichbare Werke aus dieser Zeit von allen damals beteiligten Künstlern. Die Schau des Kunstmuseums greift das Grundprinzip der ersten Gelsenkirchener ZERO-Ausstellung wieder auf und zeigt Objekte, die durch Licht und Bewegung in den Raum greifen und diesen mit einbeziehen.

Die Ausstellung umfasst zudem einen Dokumentationsteil mit einem von Heinz Mack erstellten, erstmals ausgestellten Modell für das „ZERO-Haus“, ein der ZERO-Kunst gewidmetes Museum, das die Künstler Mack, Piene und Uecker der Stadt Gelsenkirchen zur Realisierung anboten. Vertreten sind in der Ausstellung: Pol Bury, Hermann Goepfert, Hans Haacke, Oskar Holweck, Adolf Luther, Heinz Mack, Otto Piene, Uli Pohl, Hans Salentin und Günther Uecker.

Die Avantgarde-Bewegung ZERO, die zwischen dem Ende der fünfziger und dem Anfang der sechziger Jahre unter dem Zeichen einer Reduktion künstlerischer Mittel angetreten war, erhielt ihren Namen von der 1958 durch Mack und Piene begründeten Zeitschrift ZERO.

Das 1984 eröffnete Museum zeigt außer seinen 1.300 Exponaten aus den Bereichen Klassische Moderne, Konstruktivismus, Kinetik, zeitgenössische Kunst und Graphik pro Jahr sechs bis acht Wechselausstellungen. Es ist Dienstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Die Sonderausstellung „ZERO in Gelsenkirchen 1963/2013 – Zurück in die Zukunft“ ist bis 19. Januar zu sehen.




Helden auf Halden

Geleucht von Otto Piene - mit Schattenwanderern. Foto: Normen Ruhrus

Geleucht von Otto Piene - mit Schattenwanderern. Foto: Normen Ruhrus

Von 18 bis 6 Uhr sollen wir Helden sein. Helden auf Halden, trotzend und wandernd und schauend. Die Haldensaga will noch einmal Kulturhauptstadt fühlen lassen – aber das Wetter sieht das anders.

Samstag, 18 Uhr. Wir haben uns die Tour A 2 von Moers nach Neukirchen-Vluyn ausgesucht, Sonnenuntergang auf Halde Rheinpreussen, Sonnenaufgang auf Halde Norddeutschland. Neun Helden auf Wanderung. Dass der Startpunkt verlegt wurde, entdecken wir nur durch Zufall. Am Startpunkt stehen statt der von uns erwarteten 20 Menschen gefühlte 200. Ein buntes Getümmel aus Outdoor-Jacken, Wanderschuhen, Thermoskannen und Isomatten. In einem Zelt bekommen wir außerdem noch einen Radioempfänger, Vitamin C-Tütchen (so hohe Dosis, dass man es nur einmal am Tag nehmen darf!), Lageplan und Regenponcho.

Zwischen den vielen Wanderwilligen gehen die Tourguides beinahe unter. Wir finden in Andreas, einem Pfadfinder, unseren. Der Arme sieht sich 71 Menschen gegenüber und sein Gesicht sagt, dass er vielleicht mit 30 gerechnet hatte. Immer, wenn er „Hallo, Hallo“ sagt, sollen wir „Hier“ rufen.

Hallo Hallo

Mit Hallo Hallo und Hier marschieren wir los. Vorbei an bestens gepflegten Vorgärten, ordentlich, geradlinig, grün, kein Schnickschnack. Autos müssen sich der Masse ergeben und auch bei Grün halten. Kinder radeln mit offenem Mund an uns vorbei, Vorhänge an Fenstern werden vorbeigeschoben, als hätte Moers so etwas noch nicht gesehen.

Kurz vor dem Haldenaufstieg macht einer von uns sein Radio an. Amy Winehouse ist tot. Wird die Wanderung nun ein Trauermarsch?

Nach einigen Metern können wir die Spitze von Otto Pienes Geleucht erkennen. 30 Meter hoch ist die Reminiszenz an eine Grubenlampe, rubinrot, wie ein Leuchtturm der Schwerindustrie.

Inne-Halden

Pause. Inne-Halden. Und warten auf den Sonnenuntergang und das Radioballett. Wir breiten Decken und Isomatten aus, ziehen an, was noch im Rucksack liegt, essen und schauen. Auf die schöne Weite, die sich vor uns auftut, Grün, Häuser, Industrie, ein Panorama, wie es vielleicht nur das Ruhrgebiet kennt. Der Wind macht uns den Genuss nicht leicht, die Finger werden eiskalt.

Radioballett bei der Haldensaga. Foto: Normen Ruhrus

Radioballett bei der Haldensaga. Foto: Normen Ruhrus

Da beginnt das Radioballett. Und wir schauen uns an, bekommen neue Namen, fragen uns, wie unser Leben mit diesem anderen Namen verlaufen wäre. Wir wiegen uns vor und zurück, drehen uns umeinander, bis das Gegenüber still zu stehen und die Welt sich zu drehen scheint. Wir legen uns auf die Wiese, halten unser Ohr an die Halde und lauschen ihrem bassigen Gemurmel, hören von ihren Schmerzen, nehmen einen Stein als Andenken auf, der nur auf uns gewartet hat, seit Anbeginn der Zeiten. „Den Leuten zugucken ist viel lustiger, als selbst mitmachen“, sagt ein Mann, der sich das Treiben der Tanzenden ansieht.

Plötzlich ist es dunkel, die Sonne ist heimlich hinter den Wolken untergegangen. Das Geleucht erstrahlt plötzlich und mit ihm am Hang rot strahlende Scheinwerfer. Wunderschön.

Wir wandern weiter. Durch stumme Siedlungen, als wären wir die einzigen Menschen. An einer Statue sollte ein Erzähler stehen, doch der hat es sich anders überlegt. Am Ort der Nachtruhe warten vier Menschen auf uns, die berichten von Märchen, Imkerei, Stadthistorie. Und die Dame, die von der Post erzählt, heißt Christel. Zwischen Zelten mit Wasser und Knäckebrot und nur einem kleinen Unterstellplatz, der längst überfüllt ist, sollen wir im schönen Schein der Öllampen ruhen. Zwei Stunden lang. Schön wäre das in einer Sommernacht, wie man sie Ende Juli erwarten würde.

Es fängt an zu regnen. Wir sehen uns aus unseren hellgrünen Ponchos an. Und wandern zurück zu unseren Autos. Halbe Helden. Und trotzdem eine wundersame Nacht.

Alle Fotos: Normen Ruhrus