Paarbilder: Das Glück und seine Grenzen

Hamm. Diese Ausstellung beginnt buchstäblich mit Adam und Eva. Warum denn auch nicht? Schließlich geht es um Paare in der Kunst.

Max Beckmanns Radierung von 1917 zeigt das biblische Ur-Paar nach der Vertreibung aus dem Paradies – in schutzloser, gar nicht lustvoller Nacktheit. Es waren Zeiten des Krieges. Auch Peter August Böckstiegels Gemälde „Abschied” (1915) zeugt davon. Der Maler war soeben zum Militär einberufen worden, seine Frau schmiegt sich zum bangen Abschied noch einmal an ihn – geradezu grünlich erbleicht.

„Liebe. Love – Paare” heißt die Schau im Hammer Gustav-Lübcke-Museum; ganz so, als hätte man drei starke Wortsignale zugleich aussenden wollen. Jedenfalls stehen große Namen im Katalog, beispielsweise Emil Nolde, Edvard Munch („Eifersucht”) und Andy Warhol (Siebdruck „The Kiss”, 1963).

Signale der
sexuellen
Verfügbarkeit

Die Streifzüge durch Paarwelten führen durch sehr verschiedene seelische „Klimazonen”. Hie Max Pechsteins ungezwungene, recht freizügig erträumte Südsee-Szenerie (1921), dort Rudolf Schlichters etwas schwüle Impressionen aus der lesbischen Subkultur Berlins („Tanzlokal”, 1920). Hie George Grosz‘ sarkastische Karikaturen fetter Geldsäcke im Bordell, dort die ausgemergelten Proletarier, die ihr allzu kurzes Glück vor dem Fabriktor auskosten wollen. Selbst die größte Liebe ist gesellschaftlich mitgeprägt. Just gegen solche Zustände begehren viele Künstler im Namen der Natur auf.

Alle Fährnisse und Untiefen der (ehelichen) Verbindungen finden ihren bildlichen Ausdruck. Bei Frank Kupka („Der Traum”, 1906/1909) schwebt das Paar in schier grenzenlosen Glücksgefühlen, bei Magnus Zeller („Liebespaar”, 1919) herrscht bereits gemeinsame Alltags-Erschöpfung vor. Im ernüchterten Stil der Neuen Sachlichkeit schuf Jan Oeltjen 1927 sein „Selbstbildnis mit Elsa”. Im grellroten Kleid drängt seine Gefährtin nach vorn, er bleibt mit irritiertem Gesichtsausdruck im Hintergrund. Sie war Bildhauerin, er Maler – und sie konkurrierten beruflich. Es soll eine schwierige Ehe gewesen sein. Wer dieses Bild ansieht, kann es schmerzlich ahnen.

Spätestens seit den 1960er Jahren wachsen grundsätzliche Zweifel an haltbaren „Beziehungen” – zuerst in den seismographischen Künsten. Beim Pop-Artisten Richard Lindner gerinnt das Paar-Universum zur grellen, sexuell aufgeladenen Signalwelt der Fetische – im Zeichen allseitiger Käuflichkeit und Verfügbarkeit in der Warenwelt. Andy Warhol zeigt den Moment vor dem Kino-Kuss als Bildstörung, Roy Lichtenstein das Comic-Klischee vom Liebesweh. Jedes Gefühl ist nur indirekt vorhanden, als medial vermittelter Abklatsch.

Letzte Ausläufer der Auswahl ragen, etwa mit (Foto)-Arbeiten von Anna und Bernhard Blume oder Rosemarie Trockel, bis in die Gegenwart. Es sind vor allem mehr oder weniger ironische Inszenierungen von Zweisamkeit. Doppelbödiges, hintersinniges Spiel der Täuschungen. Aber auch verzweifelte Versuche, zu den Ursprüngen zurückzufinden. Bis dahin herrscht einstweilen viel Verwirrung. Nur eins ist gewiss: Die Sehnsucht höret nimmer auf.

„Liebe. Love – Paare”. Gustav-Lübcke-Museum, Hamm (Neue Bahnhofstraße 9). Bis 1. Juni. Di-So 10-18 Uhr. Eintritt 6 €, Katalog 29,90 €.




Chiffren der Leiblichkeit – Rosemarie Trockels Paare

Von Bernd Berke

Düren. „Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei“, heißt es schon in der Bibel. Daß der junge Mann alsbald sein Elternhaus verlassen und „einem Weibe anhangen“ werde, ist gleichfalls in der Heiligen Schrift überliefert. Mit Freuden und Leiden der Paarwelt haben sich seitdem Heerscharen von Künstlern befaßt.

Letztgültige Auskunft ist auf diesem Gebiet natürlich nie zu erhoffen. Drum ist’s ja ein ewiges Thema. Mit ihrer Ausstellung „Paare“ reiht sich denn auch die 1952 in Schwerte geborene documenta-Teilnehmerin Rosemarie Trockel (die in Düren just den mit 25 000 DM dotierten Preis der Günther-Peill-Stiftung erhält), in die Phalanx der Fragenden ein. Doch sie fragt so nachdrücklich wie nur wenige.

Der Mensch als kuschelndes, kosendes Wesen

Die ausgestellten Fotografien und Zeichnungen sowie ein Videofilm zeigen immer wieder Paare, Paare, Paare; meist in der landläufigen Version weiblich – männlich, im Einzelfalle gleichgeschlechtlich. Auf den Fotos sind sie durchweg nackt und in mancherlei Positionen der Nähe und Umschlingung zu sehen. Der Mensch als kuschelndes, kosendes Wesen. Auf Gedeih und Verderb.

So illusionslos genau und an entscheidenden Punkten doch diskret ist der Blick, daß er jeden Voyeurismus weit hinter sich läßt. Genitalien bleiben verborgen. Es geht hier ja auch weniger um erotisches Verlangen, erst recht nicht um sexuelle Turnübungen, sondern vielmehr um das Aufspüren und Festhalten kostbarer Momente menschlicher Intimität überhaupt. Die drückt sich eben mit Haut und Haaren, Gesten und Gliedmaßen aus – und sie wirkt in der Summe wie eine Geheimschrift der Leiblichkeit. Es sind Chiffren einer Sprache, die uns zutiefst berührt.

Selig, zärtlich – und schon preisgegeben

Kostbare Momente allein? Das nun auch wieder nicht. Die geradezu schmerzhaft deutlich von einer konkreten Umgebung freigestellten, ins umgebende Weiß „ausgesetzten“ Leiber dürften, all ihrer innigen Zweisamkeit zum Trotz, auch gemeinsam vereinzelt oder gar gefährdet sein. Dabei hat doch Rosemarie Trockel, in deren Bildern sich Furcht und Hoffnung genau die Waage halten, nur frischverliebte Paare für ihre Studien ausgesucht. So selig, so zärtlich – und schon so preisgegeben.

In den Zeichnungen führt Rosemarie Trockel das Thema weiter. Seltsame Mutationen, Durchdringungen und Symbiosen sind zu besichtigen. Mann und Frau sind beispielsweise durch ein gemeinsames Ohr miteinander verbunden, oder sein Bartwuchs geht unmittelbar in ihren Haarschopf über. Beide wirken nicht liebend verdoppelt, sondern jeweils wie versehrt. Andere Männerfiguren tragen die Bildnisse ihrer Partnerinnen als unabweisbare Brandzeichen des Schicksals auf den Körpern – übermächtige Bindungskraft, die eine Art Resignation nach sich zieht.

Und die Alternative? Mindestens ebenso schmerzlich: „I am alone“ (Ich bin allein / einsam) lautet der Aufdruck auf dem T-Shirt eines Mannes mit leerem Blick. Kein selbstbewußter Single, fürwahr. Eine durch ein stilisiertes Schlüsselloch gesehene Frau hat derweil ihren Pulli vorn hochgekrempelt: „I love my…“ steht darauf – und gleich unter dem Schriftzug wogen ihre Brüste. Traurige, absurde Niederungen der Selbstanpreisung auf dem Liebesmarkt…

Rosemarie Trockel: „Paare“. Leopold-Hoesch-Museum. Düren, Hoeschplatz. Bis 30. Juli, Mi-So 10-13 und 14-17 Uhr, Di 10-13 und 14-21 Uhr.




Marilyn Monroe und die Liaison mit dem Unglück – Neuer Deutungsversuch über ihre Ehe mit Arthur Miller

Von Bernd Berke

Es gibt diese exorbitanten Beziehungen, in denen Gefühlslagen ihrer Zeit in Liebesdingen zum Ausdruck kommen und dann von vielen, vielen Menschen nachgeträumt werden. Auch dann, wenn es eigentlich Alpträume sind. Else Lasker-Schüler und Gottfried Benn, Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre, John Lennon und Yoko Ono hatten solch beispielhafte Verhältnisse – oder auch Marilyn Monroe und Arthur Miller.

Aus exemplarischen Verbindungen zwischen berühmten Männern und Frauen bestreitet Rowohlt Berlin eine ganze Buchreihe. Jetzt ist Christa Maerkers Band zur Liaison Monroe/Miller erschienen.

Schon die Zeitgenossen, allen voran die Presse, sehen in der Verbindung zwischen dem Hollywood-Star und dem Dramatiker („Tod eines Handlungsreisenden“, „Hexenjagd“) eine geradezu mythische Qualität und bringen es auf die gemeine Formel: „Kopf heiratet Körper“. Die Autorin Christa Maerker sucht dies (wie so manche Biographen vor ihr) zu entkräften, wo sie nur kann. Sie schildert Marilyn Monroe als hypersensible junge Frau, die als Kind zwischen wechselnden Pflegeeltern und Heimen hin und her geschubst wurde.

Rilke-Lektüre in den Drehpausen

Ihr Vater hatte sich aus dem Staub gemacht, die Mutter war dauerhaft psychisch krank. Sarkastisch gesagt: Allerbeste Voraussetzungen für eine negative Muster-Biographie, für fortwährendes Unglück, das sich in der Ehe mit dem etwas unterbelichteten Ex-Baseballstar Joe DiMaggio Bahn bricht.

Die darstellerisch überaus begabte Marilyn (bürgerlich: Norma Jeane Mortenson), die sich völlig verwandelt, sobald sie nur in ein Kameraauge blickt, liest in den Drehpausen z. B. Rilke-Gedichte und straft damit das Klischee vom blonden Dummchen offenbar Lügen. Oder ist es nur ein Fall von verzweifelter Ambition, gar von Persönlichkeits-Spaltung? Im Gefolge der Psychologin Alice Miller entdeckt Christa Maerker in Marilyns Lebenslauf jedenfalls das „Drama des begabten Kindes“.

In Hollywood zählt vor allem Marilyns leiblich-weibliche Erscheinung. Dabei will sie eben kein Kurvenstar sein, sondern unbedingt ernsthafte Rollen spielen. Welch eine Schmach, daß ausgerechnet der sonst so stockseriöse Laurence Olivier sie beim ersten Augenschein ein „süßes kleines Ding“ nennt und sich sofort verknallt. Auch er also…

Der ideale Ersatzvater?

Sie sehnt sich danach, das Star-Gehabe abzulegen und – es sind die 50er Jahre – endlich für einen Mann kochen, putzen und waschen zu dürfen. All den Rollen-Zwiespalt bekämpft sie mit Alkohol, Tabletten, flüchtigen Liebschaften.

Geradezu magnetisch bewegen sich alsdann die Lebenslinien von Marilyn und Arthur Miller aufeinander zu. Miller schien, so befindet Christa Maerker, der ideale Ersatzvater für Marilyn zu sein, sie habe ihn „Daddy“ genannt. Freilich wird das frische Eheglück schon 1956 getrübt, weil (so die Deutung) beide „zu hoch geträumt“, weil sie zuviel Erlösung voneinander erwartet hätten. Bis 1962 quälen sich die zwei dahin, Marilyn tröstete sich mehr schlecht als recht mit Yves Montand, mit John F. Kennedy und anderen.

Vor lauter Liebe das Atmen vergessen

Christa Maerker kann gar nicht umhin, sich aus vorhandenem Material zu bedienen, zumal aus Millers Autobiographie „Zeitkurven“ und Donald Spotos Marilyn-Biographie. Man kann es ihr kaum verübeln, daß sie parteilich aus Frauenperspektive schreibt (im Zweifel immer für Marilyn) und Arthur Miller jede klitzekleine Verfehlung vorrechnet.

Gelegentlich stochert Frau Maerker etwas ratlos in den Quellen herum und kramt diverse psychologische Erklärungsmuster hervor, dann wieder gibt sie sich allwissend, als sei sie stets dabei gewesen. Über Marilyns erste Begegnung mit Miller schreibt sie: „Als Marilyn seine Hand berührt, vergißt sie zu atmen… Marilyn Monroe hält die Luft an, schüchtern, ängstlich, hoffnungsvoll und beseelt, und Arthur Miller stößt sie in einem Erleichterungsseufzer aus.“

Trotz Solcher Schwächen versteht es Christa Maerker, das Interesse an ihrer Darstellung wachzuhalten. Kein Wunder. Von vielfältig schillernden Phänomenen wie Marilyn Monroe wird man noch sehr lange reden und raunen.

Christa Maerker: Marilyn Monroe / Arthur Miller (Reihe „Paare“). Illustriert mit Schwarzweiß-Fotos. Rowohlt Berlin. 186 Seiten, 34 DM.