Ohne Schock-Orange – Programmheft der Dortmunder Philharmoniker in dezenter Optik

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Dunkel der Gesamtspielplan des Theaters Dortmund, weiß der der Philharmoniker. (Foto: rp)

Kurz bevor sich Dortmunds Theaterbetrieb in die Sommerpause verabschiedete, lag noch ein Spielplanheft der Philharmoniker im Briefkasten. Der Anlaß für die Herausgabe dieses Heftes erschließt sich automatisch nicht, scheint doch das Programm unverändert geblieben zu sein. Gedruckt liegt es also schon seit der letzten Spielplan-Präsentation vor, als der dicke Gesamtplan verteilt (und hernach verschickt) wurde, der die Aktivitäten aller Sparten auflistet, neben den Konzerten also Schauspiel, Oper, Ballett und Kinder- und Jugendtheater.

Leistungsbeweis

Weil sie in der Pressestelle jetzt ja alle in Urlaub sind, bleibt für den Erkenntnisgewinn nur die Spekulation. Spekulation eins: Der Spielpan der Philharmoniker soll gezielt das Konzertpublikum ansprechen. Falls dem so ist, muß man die Entscheidung preisen. Denn das große, dicke Gesamtplanbuch ist zwar ein eindrucksvoller Leistungsbeweis, nicht aber unbedingt eine attraktive Einladung an Musikfreunde, für die eigenen Interessen das Richtige zu suchen und zu finden. In Dortmund wie wahrscheinlich auch anderswo sind die Sparten doch recht unterschiedlich akzentuiert, was für sich genommen kein Fehler ist. Trotzdem irritiert ein gemeinsames Programmbuch möglicherweise, weil das Programm eben kein gemeinsames ist, sondern die Versammlung der einzelnen Spartenprogramme.

Wortgefummel

Nicht zu preisen, um auch dies gleich loszuwerden, ist die Platzierung der Worte „zauber“, „märchen“ und „welten“ auf dem Titelblatt, die, so steht zu befürchten, zusammen gelesen sein sollen: „Zauber-Märchen-Welten“, „Zaubermärchenwelten“. Wenn dies der Programmschwerpunkt der kommenden Spielzeit ist, nun gut. Da sind wir gespannt. Aber das unsinnige Wortgefummel, das übrigens bei der Benamung der einzelnen Konzerte im Heftinneren eine ebenfalls wenig überzeugende Fortsetzung findet („schaffens_kraft“, „sonnen_strahl“ und so fort) möge man an zuständiger Stelle doch bitte einmal überdenken. Es ist peinlich und einfach auch unnötig.

Lichtstimmung des Konzerthauses

Was aber ebenfalls ins Auge sticht und das Wohlbehagen fördert: Das antiquierte Schock-Orange, Logo-Farbe noch des aktuellen Jahresspielplans 2016/17 von Theater Dortmund, fehlt. Offenbar, die zweite Spekulation in diesem Aufsatz, war jemand Wichtiges den Farbton leid. Das Programmbuch der Philharmoniker kommt nun weitestgehend ohne Zusatzfarbe aus, und wo denn doch mal eine nötig war, griff man zu einem weitaus weniger aufdringlichen Ton in etwa zwischen Braun und Gelb, der ein bißchen an Eichenparkett erinnert, aber auch die Farb- und Lichtstimmung der Fotografien aus dem Konzerthaus sehr schön aufnimmt. Eine nachgerade balsamische Gestaltung, für die den im Impressum unverständlicherweise ungenannten Graphik-Designern Lob und Dank zu zollen sind.

Print-Auftritt des Theaters

Es wäre – kleiner Schlußgedanke – sicherlich nicht falsch, wenn auch die anderen Sparten des Dortmunder Theaters bei ihren Spielplanankündigungen stärkere eigene Akzente setzten. Das Schauspiel pflegt ja schon seit Jahren während der Spielzeit einen eigenen, etwas wilderen Print-Auftritt, in Sonderheit in Zusammenhang mit der Ausweichspielstätte „Megastore“. Da wirkt das Jahrbuch nahezu anachronistisch. Und dieses fürchterliche Orange…

A propos Zusatzfarben: Kann vielleicht einem fußballtechnisch zugegebenermaßen gänzlich Ahnungslosen jemand erklären, warum die Fußballer immer verschiedenfarbige Schuhe tragen? Und ob das einem System folgt, und wer das bestimmt?

 




Was den designierten Chefdirigenten Gabriel Feltz in Dortmund erwartet

Der Berliner Gabriel Feltz soll neuer Chefdirigent der Dortmunder Philharmoniker werden. Foto: Stadt Dortmund

Nun also Gabriel Feltz. Er soll 2013 die Nachfolge Jac van Steens als Generalmusikdirektor (GMD) der Stadt Dortmund antreten. So hat es die Findungskommission einstimmig beschlossen. Nun hat der Rat das Wort, dieses Votum zu bestätigen. Es ist wohl davon auszugehen, dass die Politiker dem folgen. Alles andere wäre eine Sensation, die einem kleinen Eklat gleichkäme.

Dem neuen Mann am Pult der Dortmunder Philharmoniker ist Glück zu wünschen. Denn Fortune wird er brauchen in einer Stadt, deren Kulturdezernent (und Kämmerer) Jörg Stüdemann beim überfallartigen Rauswurf van Steens verkündete, die meisten Dirigenten der Stadt seien nach fünfjähriger Amtszeit ausgewechselt worden. Das mag richtig sein, für die künstlerische Entwicklung eines Orchesters indes ist diese Hire-and-fire-Mentalität eine Katastrophe. Bochum, Essen oder Duisburg haben ohnehin längst bewiesen, dass Kontinuität zum Erfolg führt.

Feltz ist Berliner, 1971 geboren, Absolvent der Hanns-Eisler-Musikhochschule und gegenwärtig Leiter der Stuttgarter Philharmoniker sowie erster Gastdirigent des Theaters Basel. Feste Engagements neben Dortmund wird er sich aber wohl verkneifen müssen. Sein Anstellungsvertrag soll entsprechend streng formuliert sein, ist zu hören. Damit reagiert die Stadt offenbar auf die Causa van Steen, dem sie mangelnde Präsenz vorwarf.

Feltz wird sich zudem wappnen müssen gegen ein höchst kritisches Publikum. Die Musik des 20. oder gar 21. Jahrhunderts hat in dieser Stadt keine ernstzunehmende Lobby. Und viele werden sich daran erinnern, dass Jac van Steen als sympathischer Menschenfischer im Dienste der Tonkunst sehr geschickt zu Werke ging und geht. Feltz, so heißt es, sei eher der analytische, weniger der emotionale Typ.

Damit nicht genug: Jüngst erst hat sich eine Initiative „PPP – Publikum Pro Philharmoniker Dortmund“ gegründet. Das klingt nach Unterstützung des Orchesters, ist aber in Wahrheit eine Bürger-Gruppierung, die sich gezielt gegen den Rauswurf van Steens wendet. Bei Bekanntgabe des Votums der Findungskommission pro Feltz wurde eilends ein Flugblatt gedruckt, das eben jene Entscheidung in Frage stellt und die Ratsmitglieder zumindest indirekt auffordert, den Gang der Ereignisse möglicherweise noch aufzuhalten. Die Initiative sieht vor allem die vertragliche Fesselung des neuen GMD als Problem. Dies würde zu einer künstlerischen Verarmung der Stadt führen, heißt es. Und weiter: „Lokale Fixierung führt schnell zur Degradierung. Wir sehen die Gefahr, dass die Philharmonie, die sich derzeit im Aufwind befindet, auf diese Weise auf das Niveau eines ,Provinzorchesters’ absinken könnte.“

Solcherart Pessimismus mag übertrieben sein, wie es auch seltsam anmutet, dass „PPP“ relativ spät (zu spät?) ans Licht der Öffentlichkeit drängt. Doch andererseits legt sie äußerst gezielt den Finger in eine gefährliche Wunde: Gabriel Feltz ist nicht Wunschkandidat des Orchesters. Eine Tatsache, die übrigens auch der Findungskommission bekannt war. Ulrike Märkel (Grüne), Mitglied der Kommission, wird jedenfalls mit den Worten zitiert, Nicholas Milton (zuletzt GMD in Jena) sei der Favorit der Dortmunder Philharmoniker gewesen. Die Musiker hätten sich indes auch positiv über Feltz geäußert.

Wer das Orchester kennt, weiß, dass dieses Positive sich schnell als Giftpfeil entpuppen kann. Aus dem jubilierenden „Habemus GMD“ wird dann bald ein „Kreuzigt ihn“. Erst den Neuen feiern, dann beginnt die Nörgelei. Ein Insider hat dies mit Blick auf van Steens Rauswurf so umschrieben: Der Dirigent sei an Intrigen, ernsten Problemen und Irrationalität gescheitert.

Deshalb steht am Ende dieser Betrachtung ein (wohlfeiles) Wortspiel: Der neue Chef der Dortmunder Philharmoniker, so er es denn wird, muss sich als „Feltz“ in der Brandung erweisen.